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Zaubermesser
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  Bart
Dass Bärte generell als "abstoßend" empfunden wurden ist sicher nicht anzunehmen. Zu viele Statuen und Reliefs weisen Bartspuren (schicke Oberlippenbärte, Kinnbärte) auf. Als anstößig dagegen gilt die außerkultische Verwahrlosung. "Außerkultisch" heißt hier, dass im Trauerritus das äußere Erscheinungsbild (bewußt) vernachlässigt wurde, um dadurch den Zustand des In-Trauer-seins für die eigene Gruppe kenntlich zu machen. Auch heute kennzeichnen ja fast alle traditionsbewussten Gesellschaften den Trauerzustand mittels optischer Signale (z.B. Haar-, Bart- und Kleidungssitte oft verbunden mit gesellschaftlicher Isolation).

Ein anzunehmender Reinheits-Aufruf ist klar auf eine konkrete kultische Situation bezogen und nicht zu verallgemeinern. So heißt es z.B. im Reinigungsaufruf in Esna:
"Kein Mann in Trauer soll das Innere dieses Tempels betreten" (V, 344 197.18) Hier ist Trauer nicht als störende gedrückte Stimmung, d.h. als Gemütszustand dieser Tempelbesucher zu sehen, sondern sie steht in direktem Zusammenhang mit den folgenden Anweisungen: Rasieren, Schneiden der Fingernägel und der Haare dessen, der hier eintritt" sowie "Kleiden in feines Leinen, wer sich im Tempel bewegt. ..." Unrasiert zu sein und wirres Haar zu tragen galt in Ägypten als ausgesprochen ungepflegt und abstoßend; als Zeichen der Trauer aber wurde dies zeitweise, bis zur endgültigen Bestattung, gezeigt, wofür es eine Reihe von Zeugnissen gibt (sogar Erde und Schmutz verteilte man auf seinem Kopf) - und so konnte sich Herodot (II, 36) nur wieder einmal wundern, daß sich Ägypter anders als andere Trauernde aus ihm bekannten Völkern verhalten, da sie sich "die Haare wachsen lassen (anstatt sich kahl zu scheren)!" (M.-T. Derchain-Urtel, Die Festbesucher in Esna, in: ÄAT  33,2 S. 11-12).

Hier ist klar von kultischer Reinheit die Rede. Auch ist nicht ein allgemeines "Bartverbot" angesprochen, sondern nur das Wuchern und Verwahrlosenlassen.

Der einfache Arbeiterstand wurde ja gelegentlich dadurch charakterisiert, dass die Männer mit "3-Tagebart" wiedergegeben sind (zB. Ostraka aus DeM in Houlihan P.F., Wit & Humour in Ancient Egypt, London 2001 Abb. 127), was nicht unbedingt ihre Vorliebe für das Zurschautragen harter Männlichkeit à-la Marlboro-Man wiederspiegelt, sondern ihre soziale und kultische Ausgrenzung unterstreicht. So wird z.B. im Grab des --> Menna (TT 69) aus der 18. Dyn. der Kuhhirte mit Stoppelbart, Brustbehaarung und Wuschelkopf als soziale "out-group" markiert (Houlihan, op. cit. Abb. 52). Ein anderer Kuhhirte trägt im Grab des Ti (Kapelle) in Saqqara ebenfalls einen Vollbart (oder ist es ein angedeuteter 3-Tagebart?).
Eine ähnliche Bildsprache findet sich auch bei der Wiedergabe der "verhungernden Wüstenbewohner", aus dem Grab des Achotep I (B.2) aus Meir (Dyn. 12), die ebenfalls unrasiert und mit Ziegenbart dargestellt sind.

Auch der altersschwache und regenerationsbedürftige Pharao wird auf einigen Ostraka mit Stoppeln gezeigt (D’Abbadie J.V., Catalogue des Ostraca Figurés de Deir el Medineh Nos 2256 à 2722, Tf. LXXV, LXXII, LXXIII, Nos 2734 à 3053, Tf. CXLV, CXLII). Hier ist nicht die Realität Vorbild für das Motiv gewesen, sondern die mythologische Einbindung des Pharao in die Regenerationzyklen beim Sed- und Neujahrsfest. Der alte (Bartstoppeln!) Herrscher verjüngt sich beim Festgeschehen wieder zum mythischen "Kindgott" - damit legt er dann auch seinen Stoppelwuchs (real oder nur symbolisch? Angesichts der naturalistischen Darstellungsweise mit Bart und Doppelkinn könnte es sich um einen Naturbart handeln) ab.

Ein "Geschmack" oder eine "Mode" läßt sich aus den kanonisierten Darstellungen sicher nicht ablesen...

P.S.: In München ist kürzlich zum Thema "Königsbart im AR und MR" eine umfangreiche Magisterarbeit erschienen, in der alle noch so kleinen rundplastischen Belege ausgewertet wurden. Auch hier konnte keine klare Aussage zur Funktion und Befestigung getroffen werden. Also nicht verzweifeln! Manche Antworten auf unsere Fragen haben die Ägypter wohl mit in ihr Jenseits genommen. Aber Spekulieren kann man ja bis zum Umfallen...  




Quelle:
Gast A.

Eingestellt durch: semataui (31.10.2003)
Bearbeitet durch:  semataui (31.10.2003), Iufaa (24.04.2005)
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