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Unternehmen Cheops - Die Seidenstraße
Zwei Artikel zur ZDF-Dokumentation vom 21.07.2002
Gitta am 26.07.2002 um 23:15:53

So fand ich die Wassertankstellen der Pharaonen
Kölner Carlo Bergmann ist seit 20 Jahren Beduine


Von CHRISTOF ERNST

Köln – Wasser ist Leben. Wasser ist wichtiger als Geld. Denn ohne Wasser stirbst du – da nützt dir dein ganzer Reichtum nichts. Für Carlo Bergmann (54) ist das eine Binsenweisheit. Er weiß es sogar ganz genau: „In der Sahara bist du nach 48 Stunden verdurstet. Bei mir geht es noch schneller, weil ich groß bin und sehr schnell schwitze.“

Eigentlich ist Bergmann gar nicht wüstentauglich. Das hat ihm auch sein Arzt gesagt. Aber seit 20 Jahren sind die unendlichen Sandweiten, die Oasen und Gebirge im Südwesten Ägyptens Carlo Bergmanns zweite Heimat. Der Wüstenfuchs aus Köln ist der Sahara verfallen.

Diese Leidenschaft ist ein Glücksfall für die Wissenschaft: In den letzten 20 Jahren hat Bergmann bedeutsame Funde gemacht. Und jetzt sind ihm gar zwei sensationelle Entdeckungen gelungen:

1. Er hat bewiesen, dass die ollen Ägypter nicht mit Kamelen, sondern mit Eseln durch die Wüste zogen.*)
2. Er kann belegen, dass Pharao Cheops – Genau! Der mit der gleichnamigen Pyramide – mindestens vier Jahre länger regiert hat, als bislang angenommen.

Ägyptologen und Wüstenforscher sind aus dem Häuschen. Vor allem die Esel-Story ist wirklich spannend. Schon vor Jahrzehnten fand man in der Sahara einen Berg aus Tonkrügen, den sogenannten Abu Ballas (Berg der Krüge). Er deutete darauf hin, dass die alten Ägypter vor rund 3500 Jahren bis nach Zentralafrika vorgedrungen waren und sich dort mit Kostbarkeiten wie Elfenbein, Leopardenfellen und Gold versorgten.

Nur: Wie hatten die das gemacht? Wie konnten sie soweit in die Wüste vordringen, ohne elendig zu verdursten?

Carlo Bergmann zum EXPRESS: „Um das herauszufinden, habe ich auf der Landkarte eine gerade Linie vom Berg der Krüge nach Südwesten gelegt und bin losmarschiert.“ Einfache Idee, große Wirkung: Der kölsche Nomade entdeckte annähernd 30 weitere solcher Krugdepots, auch Wassertankstellen genannt. Und transportiert wurden die mit dem lebensnotwendigen Nass gefüllten Krüge von Eseln!

Auch hier gelang Bergmann der entscheidende Beweis: Er fand eine 3250 Jahre Esels-Tasche. Am Sonntag um 19.30 Uhr können Sie Augenzeuge werden, wie die Tasche geborgen wird. Und zwar in „Terra X“ (ZDF). Der Beitrag mit dem Titel „Unternehmen Cheops“ wurde von den Kölner TV-Produzenten Jürgen Naumann und Pietro Nuvoloni gedreht.

Sie filmten auch Bergmanns zweite Entdeckung: Er fand den „Wasserberg des Djedefre“. Dort haben sich die Baumeister der Cheops-Pyramide mit Zeichnungen verewigt und eine Jahreszahl eingetragen, die der Beweis dafür ist, dass Pharao Cheops länger regiert hat als die bislang angenommenen 23 Jahre.

Zur Zeit ist Carlo Bergmann, der einst eine erfolgversprechende Karriere bei Ford für seine Wüsten-Vernarrtheit opferte, in seinem Haus in der Eifel. Dort schreibt er an seinem zweiten Buch. Aber eigentlich wartet er voller Ungeduld auf den September, dann darf er wieder weg aus Deutschland und hinein in die Wüste. Zu den Kamelen, den Bergen, dem Sand.

„Diese Unendlichkeit, diese absolute Weite fängt dich und lässt die nie mehr los“, sagt Bergmann, und dabei leuchten die Augen des Wüstenfuchses.

Quelle:
http://www.express.de/servlet/Satellite?pagename=XP/index&pageid=1004976768169&rubrik=221&artikelid=1026283135454&regid=1

*)Anmerkung:
Ich weiss nicht, was daran sensationell ist. Kamele sind meines Wissens erst etwa seit der Perserzeit in Ägypten heimisch. Das ist aber keineswegs eine neue Erkenntnis.


Cheops' Expedition

Im November 2001 wird eine Forscher-Gruppe des Heinrich-Barth-Instituts den Lagerplatz untersuchen. Als bisher einziger Wissenschaftler ist der deutsche Ägyptologe Klaus Peter Kuhlmann dort gewesen. Sein Urteil: eine "wissenschaftliche Sensation."

Von Klaus Peter Kuhlmann

Descheret, "rotes Land", nannten die alten Ägypter die Wüste - und mieden die Glut der lebensfeindlichen Ödnis, wann immer sie konnten. Was gab es hier schon zu holen? Das Gleiche haben bis vor wenigen Jahrzehnten auch die meisten Ägyptologen gedacht. Seit Ankunft der ersten Forscher im Gefolge Napoleons konzentrierten sie sich auf das Niltal, wo sie die unzähligen Hinterlassenschaften eines Reiches mit über 3000-jähriger Geschichte studierten.
Dann fegte im Winter 1947 ein Sandsturm drei Tage lang über Dachla, eine rund 350 Kilometer westlich des Nil gelegene Oase. Als der Staub sich legte, tauchten plötzlich Reste einer jahrtausendelang verschütteten Siedlung auf: ein Gouverneurspalast mit Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäuden, wie sich später herausstellen sollte. Bisher hatte es in den Oasen nur einige Hinweise auf pharaonische Besiedlung gegeben, die frühesten aus dem 11. Jahrhundert v.Chr. Die nun frei gewehten Gebäude aber, die seit den siebziger Jahren intensiv erforscht werden, sind rund 1200 Jahre älter, errichtet im Alten Reich. Weitere Funde haben inzwischen belegt, dass es damals, zur Zeit der sechsten Dynastie, enge Kontakte zwischen Oasen und Niltal gegeben haben muss. Hier wie dort wurden die Grabbauten im Verlauf dieser Dynastie kleiner, tauchten ohne Zeitunterschied die gleichen Keramiktypen auf.
Mindestens seit 2350 v. Chr. müssen Nilägypter in den Oasen gelebt haben: Aus dieser Zeit stammt ein Tontäfelchen mit einem Namenszug des Teti, des ersten Herrschers der sechsten Dynastie, kürzlich von französischen Kollegen in Dachla entdeckt. Doch je mehr Funde wir Archäologen der Wüste abringen, desto mehr Fragen tauchen auf. Noch immer ist nicht eindeutig geklärt, was die Ägypter vor vier Jahrtausenden überhaupt hierher trieb. In eine Gegend, die bis in christliche Zeit hinein als Verbannungsort diente. Für die wenigen Millionen Einwohner, die das Land während des Alten Reichs zählte, existierte im Niltal Ackerland im Überfluss. In den Oasen konnte neben Wein nur die genügsame Gerste in größerem Umfang angebaut werden.
Warum also kam es zur Übernahme der Oasen durch die pharaonische Verwaltung? Wie reagierten die libyschen Einheimischen?

Spuren einer vorchristlichen Handelsroute?

Altägyptische Quellen wie der Bericht des Expeditionsleiters Herchuf um 2280 v.Chr. erzählen, dass man über einen "Weg in die Oase" gen Süden Richtung Nubien zog. Expeditionen dorthin sind seit alters her gut verbürgt: Eine Inschrift aus der Zeit des Snofru (2639-2604 v.Chr.) rühmt, dass man 200000 Rinder und Schafe in Nubien erbeutet habe, und sein Sohn Cheops selbst ließ sich in einem Diorit- und Amethyst-Steinbruch nahe Abu Simbel verewigen. Im Westen aber, aus Wüste und Oasen, gab es nichts Neues aus der frühen Pharaonenzeit.
Bis eines Tages Carlo Bergmann bei mir in Kairo anruft, den ich seit Jahren gut kenne. Seine Stimme klingt aufgeregt. Er hat erneut eine Entdeckung gemacht, spricht von Kartuschen und langen Hieroglyphentexten, deutet vage die Lage des Fundorts an. Könnte dies ein Hinweis auf den Verlauf einer alten Karawanenstraße nach Westen sein? Vielleicht ein Hinweis auf Aktivitäten der Ammonier, jener Bewohner der Oase Siwa, die meiner Ansicht nach ab dem sechsten Jahrhundert v. Chr. begehrte Waren zwischen der griechischen Kolonie Kyrene (im heutigen Nordostlibyen) und Nubien durch die Wüste schleusten, vorbei an der Ägyptern und deren Handelsmonopol? Seit Jahren beschäftige ich mich mit dieser Hypothese, und wenn einer etwas finden könnte, um sie zu bestätigen, dann wohl der Wüsten-Wanderer Carlo Bergmann.
Also sage ich zu, packe abends Zeichenfolie, Fotoapparat und hieroglyphisches Lexikon ein, greife an Verpflegung, was sich im Kühlschrank befindet - und fahre die Nacht hindurch zu Carlo nach Dachla, um einen Tag später mit ihm vor seiner Entdeckung zu stehen.
Es ist ein Hügel wie zehntausend andere in der Großen Sandsee, aus zerklüftetem Fels, etwa 30 Meter hoch. Wieso hat der Mann ausgerechnet ihn für eine Erkundung auserkoren? Erst bei scharfem Hinsehen entdecke ich eine Mauer, die auf halber Höhe am Osthang entlang führt. Auf einem Pfad, gut erkennbar im Hangschutt, steigen wir empor. Die Mauer reicht uns bis zur Hüfte - dahinter erstreckt sich eine offenbar künstlich verbreiterte Terrasse. Ich schätze, sie ist rund 40 Meter lang und drei Meter tief. Eine Einfriedung, vielleicht zum Schutz für die Packesel und die als Verpflegung mitgenommenen Ziegen vor Hyänen und Schakalen? Spekulationen.
Der Platz muss uralt sein, nicht erst in pharaonischer Zeit benutzt: Ich sehe Petroglyphen, geritzt und graviert, von Giraffen, Antilopen, Straußen, auch einen Löwen glaube ich auszumachen. Alles eindeutig neolithische Fauna, also Tiere aus der Feuchtphase vor mindestens 8000 Jahren, als sich in der Westwüste noch Savanne erstreckte.
Dann das erste Bildnis: Auf der geglätteten Felswand prangt ein ganz in roter Farbe ausgeführter Pharao mit oberägyptischer Krone, Widdergehörn und Keule in der erhobenen Hand. Das Motiv "Pharao erschlägt die Feinde" - quasi der Stempel ägyptischen Herrschaftsanspruchs. Scheinbar wurde diese Gegend damals noch als "Feindesland" empfunden.
Was trieb die Nilägypter nach Westen?

Unweit davon treten, im härter werdenden Licht der Mittagssonne, die messerscharfen Umrisse eines gemeißelten Könignamens hervor. Die Inschrift lüftet schlagartig den Schleier der Ungewissheit: "Gold der Götter, Radjedef, möge er ewiglich mit seinem Leben, seiner Fortdauer und Freude begabt sein", lese ich begeistert. Radjedef bzw. Djedefre, wie sein geläufiger Name lautet, Sohn des berühmten Cheops, um 2580 v. Chr.! Vierte Dynastie - das Älteste, was uns bislang aus historischer Zeit aus der Westwüste und den Oasen bekannt ist!
Dass sich die Nilägypter schon so früh so weit über die Oasen hinaus nach Westen vorwagten, ist eine Sensation. Sofort stellt sich mir wieder die alles übergreifende Frage: Was trieb sie hierher? Nahe der Inschrift des Djedefre finde ich mehrere geritzte Rahmen, die mich an die Hieroglyphe für "Berg" erinnern, darin eingeschlossen Zickzacklinien, was wiederum für "Wasser" stehen dürfte. Also "lese" ich beides als Ortsbezeichnung: dschu mu als "Berg des Wassers" oder "Wasserdepot" und dschu Radschedef als "Berg des Radjedef". Während ich darüber nachsinne, führt mich Carlo schon zu einer weiteren Inschrift. Ein Königsname ist angegeben, aber über den genannten Pharao bin ich mir nicht sicher, obwohl ich ihm auf dem Bauch liegend Reverenz erweise. Doch dann: "Horus Medschedu" lese ich vor. Es ist einer der Namen des Cheops, Regierungsantritt etwa 2604 v.Chr! Der Erbauer der größten aller Pyramiden!
Um die Inschriften unter optimalem Streiflicht kopieren zu können, müsste ich eigentlich nachts arbeiten. Generator und Lampen habe ich aber keine mitgebracht. Also fotografieren wir in der Dunkelheit, den Blitz schräg auf Darstellungen und Texte gerichtet, um eine möglichst plastische Reliefwirkung zu erzielen. Erstmals setze ich meine Digitalkamera im Feld ein und überspiele die Bilder anschließend gleich auf den Laptop. Im Sternenlicht betrachten wir sie vergrößert auf dem Bildschirm. Es ist jetzt nach Mitternacht. Ich bin seit etwa 24 Stunden auf den Beinen. Nur gut, dass ich mich aufgrund jahrzehntelangen Grabungslebens darauf verlassen kann, morgen früh, wie immer, kurz vor Sonnenaufgang aufzuwachen.

Ende einer alten Theorie

Etwa fünf Stunden später ziehen wir los, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen über die umgebende Hügelkette brechen. Die langen Inschriften liegen bald in gutem Licht. Schon in der ersten wartet eine weitere wissenschaftliche Sensation auf uns. Die Datierung lautet eindeutig auf das "Jahr nach dem 13. Mal des Zählens der Rinder und des Kleinviehs von Unter- und Oberägypten des Horus Medschedu", also des Cheops. Das ergibt beim üblichen zweijährigen Zensus ein 27. Regierungsjahr. Der Turiner Königspapyrus, eine der Hauptquellen für die Rekonstruktion des Chronologiegerüsts der ägyptischen Geschichte, erkennt dem berühmten Pharao aber nur 23 Jahre zu, und diese Zahl ist die akzeptierte Lehrmeinung. Bis jetzt.
Und dann, in der selben Inschrift, entdecken wir den Grund, warum Cheops diese Expedition aussandte: "Der [oder die beiden] Aufseher der Rekruten-Schutztruppe [namens] Ii-Meri und Bebi kamen mit zwei Regimentern... um Pulver[?] herzustellen aus den Pigmenten des Wüsten-Distrikts". Zwei Regimenter - das waren immerhin 400 Mann. Einer weiteren Inschrift zufolge war schon zwei Jahre zuvor Bebi allein an diesen Ort gereist, ebenfalls "um jede Art von Pulver[?] zu produzieren".
Das Wort, in dem ich eine Bezeichnung für "Pulver" vermute, mefat, existiert bisher allerdings in keinem hieroglyphischen Wörterbuch. Fünf Zeichen für Sandkügelchen oder Staubkörnchen sind ihm nachgestellt, und so sehe ich darin eine Ableitung der Begriffe fat und fa, die im "Wörterbuch der Ägyptischen Sprache", mit Fragezeichen versehen, als "Staub" und "zu Staub werden" übersetzt sind. Unserer Textstelle zufolge hege ich kaum Zweifel: Es muss sich um fein zerriebenes, sandiges oder toniges "Pigment" gehandelt haben, das später zu Farbe angerührt werden konnte. Dazu passen auch die Handwerkertitel, die ich an anderen Stellen am Felsen gelesen habe: chertiu netscher, "Steinmetze", wörtlich "zum Königsfriedhof Gehörige". Es waren also Handwerker anwesend, wie sie ansonsten auf dem Giseh-Plateau arbeiteten. Auch das passt in den Kontext. Offenbar wurden hier Pigmente für die königlichen Grabbauten gefördert.

In der Tat ist die Umgebung von Dachla für ihre eisenoxidhaltigen Buntsandsteine und Tonerden bekannt. Bruchstücke davon liegen auch am Fuß dieses Berges verstreut, zitronengelbe und dunkelbraune, auch fliederfarbige, bestechend schön. Sieben flache Reibsteine entdecke ich, allerdings keine Reibschalen. Auch sieben in den Fuß des Felsabbruchs getriebene Nischen erhalten so einen Sinn. Wurden darin vielleicht die Beutel mit dem Pigmentpulver oder Werkzeuge wie Metallmeißel und Kugelhämmer gelagert? Versteckt vor Nagetieren, welche die Lederbeutel hätten anfressen können?
Die Pharaonen haben Prospektoren und Steinmetzen ausgeschickt, um die Rohstofflager der Wüste zu erkunden: nicht nur zur Beschaffung von Gold, sondern auch, um Material für die Verzierung ihrer gigantischen Grab- und Tempelstätten zu fördern - tonnenweise Farbe und erlesenste Bausteine. Was die Ostwüste und Unternubien anbelangt, so sind derartige Expeditionen gut dokumentiert. Dass sie auch in die Westwüste erfolgten, dafür liegt hier nun der bisher älteste bekannte Beweis vor. Und wir dürfen folgern, dass das ägyptische Interesse an den Oasen ursprünglich darin bestand, sie als "Basislager" für derartige Prospektionsunternehmen in der Wüste zu nutzen.

Quelle:
http://www.geo.de/themen/historie/cheops/cheops4.html?SDSID=33550400000011027626534






http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=020726231553

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