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Tückisches Gebein
Warum man Ötzi vertrauen kann und ägyptischen Mumien nicht
Gitta am 05.03.2003 um 23:19:31

Ein Blick ins Erbgut unserer fernsten Vorfahren kann Geschichten aus deren Leben erzählen. Allerdings entpuppen sich diese manchmal als Märchen, wie kürzlich einem Forscherteam von der Universität Oxford klar wurde. Die Genetiker sollten für eine Dokumentation des britischen Fernsehsenders BBC das Erbgut aus Wikinger-Knochen und Zähnen untersuchen und staunten nicht schlecht: Wenn sie ihren DNS-Analysen glauben wollten, mussten die Wikinger aus dem Libanon stammen.

Da die Forscher aber nicht an eine neue Völkerwanderung glaubten, fühlten sie dem Fund näher auf den Zahn. Dabei entdeckten sie, dass das Erbgut meist genau an jenen Stellen beschädigt war, die für die Unterscheidung der zwei verwechselten Völker wichtig sind. Diese „Hot Spots“ werden offenbar nicht erst nach dem Tod instabil, sondern sind wahrscheinlich auch bei Lebenden anfälliger für Mutationen (American Journal of Human Genetics, Bd.72, S.32 und S.48, 2003). Somit könnten sie die Motoren der Evolution sein.

Wie stark das Erbgut beschädigt ist, hängt den Wissenschaftlern zufolge auch vom Fundort der Gebeine ab. „Ötzi bietet exzellente DNS. Eis konserviert sehr gut“, sagt Thomas Gilbert, der Leiter der Studie. Auch den Erkenntnissen über den Neandertaler sei zu trauen. Denn dieser habe ebenfalls intaktes Erbgut enthalten. Zweifelhaft seien dagegen häufig Ergebnisse von ägyptischen Mumien, weil in der Wärme oft nur sehr kleine und noch dazu beschädigte DNS-Stücke erhalten blieben. Bei Erbgut-Analysen sei somit besonders gewissenhafte Arbeit nötig, so Gilbert. Sonst entdecken Forscher nicht einmal, dass sie es oft gar nicht mit der DNS ihres Untersuchungsobjektes zu tun haben. Mitunter schleicht sich nämlich fremde DNS in die Funde ein. „Ein alter Knochen ist porös wie ein Schwamm. Da reicht ein schwitzender Archäologe bei der Ausgrabung, und das Fundstück saugt mit dem Schweiß massenhaft fremde DNS auf“, sagt Gilbert.

Ein spektakuläres Beispiel für Fehler bei der Erbgut-Analyse bietet der „Mungo-Mann“ aus Australien: Evolutionsgenetiker hatten das Alter des Skeletts vom Mungo-See vor zwei Jahren auf etwa 60000 Jahre geschätzt. Damit drohten sie die bisherigen Erkenntnisse der Erd- und Menschheitsgeschichte durcheinander zu bringen und lösten heftige Diskussionen aus. Vor einigen Tagen kam nun nach neuen Untersuchungen ein Widerruf: Der Mungo-Mann sei wohl doch jünger, man hätte sich um etwa 20000 Jahre verschätzt (Nature, Bd.421, S.837, 2003).

Quelle
http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/getArticleSZ.php?artikel=artikel220.php


http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=030305231931

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