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Ägyptens Botschafterin in Berlin
Die Berliner Zeitung heute noch einmal zum "Eklat in Kairo"
Gitta am 11.06.2003 um 14:34:16

Achim Wahrenberg

Millionen Ägypter seien "geschockt" gewesen, "ihre" Königin Nofretete nackt und entwürdigt im Berliner Ägyptischen Museum zu sehen, hieß es gestern unisono in den Kairoer Tageszeitungen. Die Performance zweier ungarischer Künstler, der antiken Büste einen zeitgenössischen Körper zu verleihen, hat in Kairo eine Empörung ausgelöst, die in Berlin bestenfalls auf Verständnislosigkeit stößt. "Was in Deutschland lediglich als Kunstwerk gesehen wird, ist für die Ägypter eine nationale Ikone", sagt Günter Dreyer, Direktor der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts. Zudem sei in den ägyptischen Presseberichten nicht deutlich geworden, dass es sich um eine kurzfristige Aktion gehandelt habe, deren filmische Dokumentation auf der Kunstbiennale in Venedig gezeigt werden soll.
Absurd sei die erneut erhobene Forderung nach einer Rückgabe der Büste an Ägypten. "Solche Äußerungen kommen immer wieder mal vor", weiß Dreyer. "Aber im Unterschied zu vielen anderen, tatsächlich gestohlenen Kunstwerken ist die Nofretete nach ihrer Entdeckung 1912 auf legalem Weg durch offizielle Fundteilung nach Deutschland gelangt." Die Kairoer Tageszeitung Egyptian Gazette scheut sich dennoch nicht zu behaupten, die Büste sei in den 30er-Jahren, vor Annahme des Antikenschutzgesetzes, außer Landes geschmuggelt worden. Gleichzeitig mutmaßt sie, die Berliner Aktion könne eine Art Vergeltung des Museumsdirektors Dietrich Wildung dafür sein, dass er und seine Frau, die Leiterin des Münchner Ägyptischen Museums, wegen angeblichen Antikenschmuggels und illegaler Geschäfte aus Ägypten ausgewiesen wurden.

In der Tat wird Nofretete - oder Nefertiti, wie sie in Ägypten heißt -, die Gattin des "Ketzerpharaos" Echnaton, in ihrer Heimat geradezu als Heilige verehrt. Die Schönste der Schönen heißt sie, und auch im Ägyptischen Museum in Kairo sind viele Skulpturen der Königin zu bewundern. Dass die Berliner Büste auf einen nackten Bronzekörper gesetzt wurde, gilt im prüden Ägypten als Sakrileg. Nicht nur, dass in einheimischen Medien jede Abbildung eines nackten Frauen- (oder Männer-)Körpers tabu ist - selbst aus ausländischen Zeitschriften werden solche Darstellungen von offiziellen Zensoren herausgerissen.

Was die Forderung nach einer Rückgabe der Nofretete betrifft, sind die Meinungen hingegen durchaus nicht einhellig. Die meisten Ägypter, das hat auch Dreyer erfahren, "stehen auf dem Standpunkt, die Skulptur sei Ägyptens beste Botschafterin und sorge mit dafür, dass der Touristenstrom nicht abreißt". Dennoch rät Dreyer zu einem sensiblen Umgang: "Vielleicht hätte es in diesem Fall genügt, die Performance mit einer Gipskopie zu veranstalten." Die Tätigkeit der deutschen Archäologen in Ägypten werde von dem jüngsten Streit allerdings in keinerlei Hinsicht beeinträchtigt. Dies habe ihm der Chef der ägyptischen Antikenverwaltung, Zahi Hawass, ausdrücklich versichert.

Im Fall Nofretete hingegen zeigt sich Hawass unnachsichtig. "Sie ist in Berlin nicht in sicheren Händen", warnte der Gralshüter der pharaonischen Altertümer, der sich in der Öffentlichkeit gern mit Lederhut à la Indiana Jones präsentiert. Dass Hawass selbst spektakulären Auftritten nicht abhold ist, bewies er im vorigen Herbst, als er in einer Fernsehshow gemeinsam mit der US-Zeitschrift "National Geographic" einen Roboter in einen noch unerforschten Gang der Cheopspyramide rollen ließ und einen in der Nähe der Pyramiden gefundenen Sarkophag öffnete. Die "letzten Geheimnisse" der alten Ägypter sollten mit der Aktion, die in 140 Länder übertragen wurde, gelüftet werden. Tatsächlich wurde hinter der geheimnisvollen Tür bloß eine weitere gefunden.



Quelle
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/250978.html


http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=030611143416

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