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Restaurierung in Ägypten - Eine Herausforderung
Bericht über eine Tagung im Pücklerschloß Branitz (Cottbus) am 16. Mai 2003
Gitta am 10.07.2003 um 23:29:25

von Eva Lange

Neben den großen archäologischen Entdeckungen und Ausgrabungen in Ägypten zeichnet sich inzwischen ein neuer Aufgabenkreis überdeutlich ab, dessen Bewältigung über die Zukunft der Forschung selbst entscheiden wird: der Erhalt und die Pflege der Denkmäler. Nicht allein vergängliche Materialien sind gefährdet, inzwischen ist auch die Steinarchitektur von der Zerstörung bedroht. Dies resultiert aus der fortschreitenden Versalzung der Bauten. Viele Objekte brechen somit den Wissenschaftlern gleichsam unter den Händen weg. Etliche Reliefdarstellungen sind heute nur mehr als Fotografien erhalten geblieben.

Eine der jüngsten Anstrengungen gegen diesen Mißstand war eine in Schloß Branitz bei Cottbus am 16. Mai 2003 durchgeführte Fachtagung, die sich Fragen der Restaurierung und Denkmalpflege in Ägypten widmete. Ermöglicht wurde die Tagung mit mehr als fünfzig Teilnehmern durch die Zusammenarbeit der Universität Potsdam mit dem Kulturbüro der ägyptischen Botschaft in Berlin. Organisatorische Unterstützung erfolgte zusätzlich durch die Handwerkskammer Cottbus. Initiator der Veranstaltung war Dr. Christian Tietze vom Historischen Institut der Universität Potsdam. Als Felddirektor der ägyptisch-deutschen Grabungsmission in der antiken Stadt Tell Basta im ägyptischen Ostdelta erkannte er früh die Notwendigkeit, die freigelegte Architektur nicht nur zu dokumentieren, sondern sie auch vor der Zerstörung zu schützen. Die Arbeit der Restauratoren im Grabungsteam von Tell Basta zeitigte schon viele Erfolge, wies aber ebenso deutlich auf noch anstehende Aufgaben hin. Der Weitergabe gewonnener Erfahrungen und dem Austausch mit anderen Restauratoren sollte die Fachtagung in Branitz deswegen unter anderem dienen.

Nach einer Begrüßung durch die Organisatoren, die Botschaftsrätin Prof. Dr. Aleya Khattab und den Botschafter der Arabischen Republik Ägypten S. E. Mohammed El-Orabi hielt Christian Tietze den Einführungsvortrag: "Rekonstruktion und Restaurierung in Tell Basta". Hier wurden übergreifend die Aufgaben der Dokumentation, Restaurierung und Rekonstruktion am Beispiel der antiken Stadtanlage von Tell Basta dargestellt. Ähnlich gelagert war der Vortrag von Friedrich W. Hinkel (Berlin), "Die Rekonstruktion der Königspyramiden von Meroe", der die beim Neuaufbau der Pyramiden von Meroe erfolgreich eingesetzten Methoden eindrucksvoll vorführte.

Einen größeren Umfang nahmen Vorträge zu verschiedenen Restaurierungstechniken ein. Einen wichtigen Schwerpunkt setzte Peter Kozub (Potsdam), der über die Eigenschaften des Rosengranits von Assuan und entsprechende Schadensanalysen sprach. Er wies darauf hin, daß ein von ihm entwickeltes Modell über die Entstehung verschiedener Schadensphänomene als Grundlage weiterer, bislang fehlender Untersuchungen zur Konservierung von Rosengranit dienen könnte. Mit Methoden zur Entsalzung von Denkmälern beschäftigte sich der Vortrag von Friedel Schulze (Cottbus) "Salzminimierung mittels Kompressentechnologie in der Denkmalpflege". Die von ihm in Deutschland, der Türkei und Österreich gewonnen Erkenntnisse sollen nun auch zukünftig bei der Restaurierung von Steinobjekten im ägyptischen Nildelta angewendet werden, da hier die Salzkonzentration in den Böden besonders groß ist. Eine in bereits in Jordanien, Kambodscha und Ägypten erfolgreiche Konservierungsmethode von Steinarchitektur referierte Egon F. Kaiser (Scheinfeld) in dem Vortrag "Injektionstechniken mit Kunstharzen und mineralischen Massen zur Anwendung in der Konservierung". Mittels Einwegspritzen in Risse eingebrachter diffusionsoffener Heißkleber macht eine Verfüllung von Schäden dieser Art in einer Tiefe bis zu 40 cm möglich und trägt maßgeblich zur Stabilisierung des Objektes bei.

An den Themenkomplex Restaurierung schlossen sich Vorträge zu Dokumentationstechniken antiker Siedlungen und Gebäude an. Methoden und Ergebnisse geomagnetischer Messungen zur Erfassung von nicht freigelegter Architektur stellte Edgar B. Pusch (Hildesheim) am Beispiel der antiken Ramsesstadt Piramesse (heute Qantir) dar. Riesige Flächen antiken Siedlungsgebietes konnten so, noch vor der Ausgrabung, in ihrer Struktur erfasst werden. Über neue digitale Methoden zur dreidimensionalen Rekonstruktion ganzer Stadtanlagen äußerte sich Steffen Kirchner (Berlin) in seinem Vortrag "Virtuelle Archäologie- Probleme neuer Rekonstruktionsmethoden". Er zeigte die bisherigen Ergebnisse eines Pilotprojekts, in welchem dreidimensionale diachrone Rekonstruktionen der Stadtanlage von Troja und verschiedener Stätten des antiken Niltales erstellt wurden. Die in technischen Bereichen schon seit einigen Jahren eingesetzten Scansysteme zur Digitalisierung von Objekten finden nun auch ihre Anwendung in der Archäologie. Im Beitrag "Streiflicht- und Laserscannen von Gebäuden und Skulpturen am Beispiel eines Echnaton-Kopfes" erläuterte Ralf König (Berlin) diese neue dreidimensionale Dokumentationsmethode. Das Streifenprojektionsverfahren arbeitet nach einem Prinzip, das im Wesentlichen auf der optischen Triangulation basiert. Ein neu entwickeltes numerisches Programm zur Registrierung der einzelnen Scans gewährleistet dabei die freie Beweglichkeit des Scansystems um das zu vermessende Objekt. Es müssen keine Messmarken oder Passpunkte angebracht werden, da die Verknüpfung numerisch durch überlappende Bereiche der einzelnen Scans geschieht. Durch den Einsatz der numerischen Verknüpfungsmethode und der Streifenlichtprojektion steht ein exaktes Messverfahren zur Verfügung, mit dem an jedem Ort Messungen innerhalb eines Genauigkeitsbereiches von 0,1-0,3mm durchgeführt werden können. Dieses Verfahren stellt somit eine leistungsfähigere und ökonomischere Alternative zur sonst verwendeten photogrammetischen Dokumentation dar. Die Streifenlichtprojektion war jüngst auch an einem Porträt des Echnaton erprobt worden. Rolf Kraus (Berlin) zeigte aus diesem Versuch hervorgegangene Untersuchungsergebnisse zur Herstellungsweise von ägyptischen Statuenköpfen. Die Reihe der Vorträge wurde durch den Experimentalarchäologen Dominique Görlitz abgeschlossen, der mit einem den bildlichen Darstellungen prähistorischer ägyptischer Segelschiffe nachempfundenen Papyrusboot die vermutlichen Reiserouten solcher Boote im Mittelmeer selbst erkundet hatte. Ein Vortrag der Botschaftsrätin Prof. Dr. Aleya Khattab über die Ägyptenreisen des Fürsten von Pückler-Muskau leitete zu einem von der Botschaft ausgerichteten musikalischen und kulinarischen Abendempfang über.

Die Fachtagung zeigte deutlich, daß sich Archäologen und Restauratoren ihrer Aufgaben längst bewusst geworden sind und bereit stehen, ihre Vorhaben tatkräftig und kompetent durchzuführen. Nun sollten die in Branitz dargestellten und konstruktiv erörterten Methoden aber auch so rasch wie möglich in die konservatorischen Arbeiten in Ägypten eingebracht werden. Die schwierige Aufgabe, diese Arbeiten in jeder Weise zu gewährleisten und die unersetzlichen archäologischen Schätze Ägyptens nicht nur auszugraben, sondern auch zu erhalten, muß als interdisziplinäre Herausforderung begriffen werden.

Quelle
http://www.aegypten-forum-berlin.de/npr_lange_branitz.html





http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=030710232925

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