Ägyptologie-Blatt

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Ägypten-Souvenir Stein des Anstoßes
Stadt Staffelstein und Bezirk Oberfranken streiten sich mit dem Kultusministerium um ein ägyptischesTempelrelikt
Von Gitta am 01.02.2003 um 08:47:44 

KLOSTER BANZ (NZ). — Der quaderförmige Sandstein, auf dem Hieroglyphen einen namenlosen „Pharao, König von Ober- und Unterägypten“ rühmen und rituelle Opferformeln für den vor 3500 Jahren verblichenen Herrscher vom Nil nennen, ruht abgeschieden auf einer Säule in einer Fensternische der Orientalischen Sammlung im Kloster Banz. Das Schattendasein trügt: Seit drei Jahren wird zwischen dem Bayerischen Kultusministerium auf der einen sowie der Stadt Staffelstein und dem Bezirk Oberfranken auf der anderen Seite heftig um Wert und Verbleib des Tempelsteines gestritten.

Das Artefakt, rund 125 Kilo schwer und kaum größer als ein tragbares TV-Gerät, wird auf einem DIN-A4-Blatt ebenso schlicht wie ungenau als „Stein aus einem Tempelfries“ be-zeichnet. Doch das gewichtige Urlaubs-Souvenir des Herzogs Max von Bayern hat weit mehr als andere Andenken an Ägypten – die mumifizierten Überreste einer mutmaßlichen ägyptischen Königstochter oder ein vier Meter langes, ausgestopftes Nil-Krokodil – Aufsehen erregt.

Anfrage aus New York

Was der Vater der späteren österreichischen Kaiserin „Sissy“ da vor gut 165 Jahren von seiner Tour durch Ägypten und das Heilige Land nach Bayern brachte, hat Wellen geschlagen, deren Auswirkungen noch in New York zu spüren sind.

Was hinter dem Hieroglyphen-Stein steckte, hat erst 1998 ein Ägyptologen-Paar aus Würzburg herausgefunden. Es handelte sich, wie auch die Leitende Direktorin des Staatlichen Museums für Ägyptische Kunst in München, Sylvia Schoske, gegenüber der NZ bestätigte, um den Schlussstein an der Vorderfront des Tempels von Dendur, der heute im Metropolitan Museum in New York steht und von dessen Experten als „Highlight“ eingeschätzt wird.

Nur zu gern hätte das Metropolitan den Original-Stein in seinen Tempel eingefügt und dem Kloster Banz dafür im Tausch eine eigens angefertigte originalgetreue Kopie überlassen. Weil der Handel schon perfekt schien, erhielt München aus dem New Yorker Museum eine wertvolle Büste der ägyptischen Königin Hatschepsuit. Seit 1999 steht diese im Museum für Ägyptische Kunst in der bayerischen Landeshauptstadt.

Protest gegen Kuhhandel

Eine Gegenleistung dafür blieb bisher aber aus. Die Stadt Staffelstein und der Bezirk Oberfranken wollten das, was sie für eine „Nacht-und-Nebel-Aktion“ der „arroganten Münchner Kultusbürokratie“ hielten, die tatsächlich einseitig profitiert hätte, nicht so einfach hinnehmen.

Abgeordnete aus der Region („Das war ein Kuhhandel“) und Stadträte aus Staffelstein fühlten sich übergangen und protestierten dagegen, dass ihnen das ägyptische Museumsstück ohne gleichwertigen Ersatz aus der Hand genommen werden sollte. Bürgermeister Georg Müller fand für diese „Politik nach Gutsherrenart“ absolut kein Verständnis: „Wir waren die letzten, die da eingebunden waren.“

Kultusminister Hans Zehetmair hatte die Rechnung allerdings ohne die Stadt Staffelstein gemacht. Die hatte nämlich 1991 mit der Eigentümerin des Klosters, der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, einen Vertrag besiegelt, mit dem ihr zugesichert wurde, sie könne von der Stiftung deren „Petrefaktensammlung“ bis zum Jahre 2010 als „Leihgabe“ übernehmen. Für den damaligen Bürgermeister Baptist Faulstich war damit klar: „Ohne Zustimmung des Stadtrates geht gar nichts.“

„Politik nach Gutsherrenart“

Ob es sich bei dem Sandstein-Quader des Pharaonen-Tempels tatsächlich um ein „Kulturgut“ handelt, wie es in Oberfranken daraufhin immer wieder behauptet wurde, darüber kann man trefflich streiten. „Wenn nicht der Kontext mit dem Tempel in New York wäre“, findet Sylvia Schoske, „wäre der Stein kunsthistorisch völlig bedeutungslos“. Was für den Tempel in New York interessant sei, mache vor Ort im Kloster Banz „als isoliertes Stück noch lange keinen Sinn“.

Inzwischen haben sich die Wogen des Unmuts in Oberfranken geglättet, Lokalpatriotismus wurde von nüchternem Geschäftsdenken abgelöst. Jetzt geht es nurmehr darum, so viel wie möglich an Gegenleistungen für die Region aus München zu holen.

Sylvia Schoske hat mittlerweile ihren Vorschlag wiederholt, im Gegenzug zur Herausgabe des Steines „kleine, aber hochkarätige Ausstellungen“ im Kloster Banz zu arrangieren. Mit diesem Gedanken, so die Direktorin des Ägyptischen Museums, sollte man sich jetzt ernsthaft auseinander setzen. Dazu Sylvia Schoske: „Das wäre eine Bereicherung für die Region.“

Verhandlungen im Februar

Das Kultusministerium holt zurzeit Vorschläge der einschlägigen Behörden und Institute (Münzsammlung, Haus der bayerischen Ge-schichte, die bayerischen Archive) für den Handel mit dem Tempelstein ein. Konkrete Vorschläge, so heißt es im Ministerium, seien aber noch nicht dabei gewesen.

Staffelsteins Bürgermeister Müller hat versprochen, den Stein freizugeben, „wenn uns die Angebote zusagen“. Ob dies der Fall ist, will er voraussichtlich Mitte Februar bei einem Termin im Kultusministerium abklären. Wie er der NZ sagte, rechne er damit, dass „jetzt endlich eine Lösung gefunden wird“.

Was der Stadt dabei vorschwebt, kann Müller auch nur vage abgrenzen. Es müsste etwas sein, sagt er, „was in Richtung Franken geht“. Das könnten zum Beispiel neue Unterlagen über die Entstehung des Klosters Banz sein, „die noch irgendwo in den Münchner Kellern lagern“.

Quelle
http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=63397&kat=30



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