Ägyptologie-Blatt

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Pharaonen aus schwarzem Granit
Weiterer Artikel über den Fund Bonnet's in Kerma
Von Gitta am 12.02.2003 um 23:07:20 

Im Gebiet der antiken Stadt Kerma im Niltal sind Schweizer Archäologen auf kunstvolle, rituell enthauptete Steinfiguren gestossen. Sie fanden Mitte Januar in einer Grube mitten im Kultbezirk Dokki-Gel sieben überlebensgrosse Steinstatuen von hervorragender Qualität. Damit haben die Arbeiten der «Mission de l'Université de Genève» unter der Leitung von Charles Bonnet, die seit rund dreissig Jahren im Sudan die antike Stadt Kerma erforscht, eine echte Sensation zu Tage gefördert. Die Grossgrabung, finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds und von den Musées d'art et d'histoire in Genf, dauert jedes Jahr drei Wintermonate und beschäftigt neben den Spezialisten aus dem Sudan und der Schweiz jeweils rund 150 lokale Arbeiter.

Wechselvolle Geschichte der Stadt Kerma

Die Stadt Kerma mit ihrer überaus wechselvollen Geschichte, deren Erforschung sich die Archäologen zur Aufgabe gemacht haben, liegt am rechten Nilufer, rund zwanzig Kilometer oberhalb des dritten Kataraktes. Von rund 2500 bis 1500 v. Chr. ein unabhängiges Königreich, konnte sich das Herrschaftsgebiet Kermas dank dem lukrativen Handel mit Ägypten bis zum ersten Katarakt hinunter vergrössern. Elfenbein, Gold, Ebenholz, Tierfelle und Kupfer zählten zu den Handelsgütern. Die anschliessende Eroberung durch Ägypten (18.-20. Dynastie) führte zu einer Ägyptisierung des Landes, der die eigenständige Kulturausprägung Kermas zum Opfer fiel. Rund einen Kilometer neben der alten Stadt entstand ein neues Verwaltungszentrum mit einem Kultbezirk ägyptischer Prägung: Dokki-Gel. Ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. gehörte das Gebiet dann zum Reich Napata und Meroe - auch Reich Kusch genannt -, das sich bald bis ans Mittelmeer hinunter ausdehnen konnte und dessen Könige als Pharaonen der 25. Dynastie (745 bis 665 v. Chr.) auch Ägypten regierten.

Archäologisch lassen sich die verschiedenen Besiedlungsphasen in der Schichtenfolge innerhalb der beiden Stadtgebiete und in der allmählichen Ausdehnung der Nekropolen, die ebenfalls untersucht werden, nachvollziehen. Als besonders aufschlussreich hat sich die Ausgrabung des ägyptischen Kultzentrums Dokki-Gel erwiesen, wo verschiedene Tempel neben- und übereinander liegen. Die wechselnden Herrschaftsverhältnisse hinterliessen gerade hier markante Spuren, da die jeweils Regierenden die Bauten ihrer Vorgänger veränderten oder gar zerstörten, um neue Anlagen an deren Stelle errichten zu können. So folgen sich nach den Tempeln der ägyptischen Kolonisatoren der 18. bis 20. Dynastie die Anlagen zuerst der napatanischen und dann der meroitischen Könige.

In der diesjährigen Ausgrabungsetappe stand nun die Untersuchung eines L-förmigen Annexbaus zwischen zwei Tempeln der 25. Dynastie im Vordergrund. Bereits kleine goldüberzogene Stuckfragmente hatten eine aussergewöhnliche Situation angekündigt; die Ausgräber glaubten, auf einen reich ausgestatteten Kultraum gestossen zu sein. Dem war aber nicht so. In einer rund zwei Meter tiefen Erdgrube, die sich als eine Art Grab entpuppen sollte, lagen auf einem flachen Lehmboden die Fragmente von sieben Statuen aus schwarzem Granit. Die tonnenschweren, überlebensgrossen Figuren waren rituell zerstückelt worden. Man hatte sie enthauptet und ihrer Herrscherinsignien, beispielsweise des Zepters, beraubt. Die Fragmente waren aber nicht als Abfall in der Grube entsorgt worden. Die sorgfältige Deponierung der Stücke und die Herrichtung der Grube lassen vielmehr an eine Art Bestattung denken.

Die Interpretation dieser Situation wird laut dem Grabungsleiter Bonnet für die Geschichte Kermas nicht ohne Folgen bleiben. Es scheint sich um die Überreste eines «Bildersturms» zu handeln, der um 590 v. Chr. die Herrscherdarstellungen der 25. Dynastie hinwegfegte. Die gewissenhafte «Bestattung» der Fragmente wirft aber noch Fragen auf. Auch das Studium der Figuren selber, meint Bonnet, wird für die stilistische Entwicklung der Figuralplastik jener Zeit Neues bringen. Die älteren Statuen lassen noch ägyptische Einflüsse erkennen, während die jüngeren einen eigenständigen Stil aufweisen. Monumentale Statuen dieser Art sind in der Gegend noch nie aufgefunden worden; figürliche Darstellungen hatten sich bis anhin auf Sandsteinreliefs von bescheidener Qualität beschränkt.

Fast alle Fragmente erhalten

Bei den neu aufgefundenen Figuren handelt es sich um die Darstellungen von fünf verschiedenen Herrschern, nämlich Taharqa, Tanutamun, Senkamanisken, Anlamani und Aspelta, die in dieser Reihenfolge an der Regierung waren. Alle Figuren tragen am Rücken, auf dem Gürtel oder um den Sockel Inschriften, die eine Identifizierung der dargestellten Personen ermöglichen. Der schwarze Granit ist zum Teil schwarz übermalt, um die weisse Äderung des Gesteins zu kaschieren. Rote und weisse Farbreste am Kopf stammen vermutlich von einer Bekrönung, und die goldüberzogenen Stuckfragmente gehörten möglicherweise zum Ornat. Die Figuren sind vollständig erhalten, das heisst, alle Fragmente sind vorhanden, so dass eine Rekonstruktion möglich sein wird.

Neue Zürcher Zeitung, Ressort Vermischte Meldungen, 12. Februar 2003, Nr.35, Seite 48

Quelle
http://archiv.nzz.ch/books/nzztag/0/$8O8GH$T.html


Geändert: 12.02.2003 um 23:11:50

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Kommentare zu diesem Artikel
Apedemak13.02.2003 um 10:13:57

Zitat:
Taharqa, Tanutamun, Senkamanisken, Anlamani und Aspelta, die in dieser Reihenfolge an der Regierung waren

Taharqa, Tanutamun, Atlanersa, Senkamanisken, Anlamani und Aspelta


Zitat:
Alle Figuren tragen am Rücken, auf dem Gürtel oder um den Sockel Inschriften, die eine Identifizierung der dargestellten Personen ermöglichen

Stellt sich natürlich die Frage warum einer fehlt bei den Figuren ...



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