Ägyptologie-Blatt

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Ausweispflicht für die Kunst
Eine Konferenz in Berlin sucht nach Mitteln gegen die illegale Archäologie
Von Gitta am 27.05.2003 um 13:19:20 

27.05.2003

Sebastian Preuss

Als diese Konferenz geplant wurde, wusste niemand, welch schreckliche Aktualität sie durch den Irak-Krieg gewinnen würde. Im Frühjahr 2001 beschlossen Archäologen auf einer Tagung in Los Angeles, in mehreren großen Konferenzen den Kampf gegen den weltweiten Kunstraub international zu bündeln. Wolf-Dieter Heilmeyer, der Direktor der Antikensammlung auf der Museumsinsel, lenkte damals die erste dieser Zusammenkünfte nach Berlin. Damit kehrte man nach 15 Jahren an den Ort der "Berliner Erklärung" von 1988 zurück, die den Antikenraub vor allem in den Mittelmeerländern, aber auch den Handel mit dieser Kunstbeute scharf anprangerte und die strenge Überprüfung aller angebotenen Stücke forderte.
Die "Berliner Erklärung" fand in der Fachwelt große Beachtung und wurde in viele Sprachen übersetzt. Sie schloss an die UN-Konvention von 1970 an, die erstmals als internationales Abkommen nicht nur die Ausfuhr, sondern auch die Einfuhr von Fundobjekten aus illegalen Grabungen verbot. Bislang sind 92 Länder dieser erfolgreichsten Konvention gegen den Antikenraub beigetreten, darunter Frankreich und die USA, unlängst auch Großbritannien. Die Schweiz, ein Hauptumschlagplatz des schwarzen Kunstmarktes, wird in einigen Wochen unterzeichnen. Allein die Bundesrepublik sperrte sich bisher beharrlich. Wie auf der Konferenz am Wochenende zu hören war, treibt jetzt aber Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Ratifizierung voran.

Unter dem Titel "Illegale Archäologie?" rangen in der Berliner Staatsbibliothek drei Tage lang Universitätsgelehrte, Museumsleute, Ministerialbeamte, EU- und Unesco-Funktionäre bis hin zu Polizei-Ermittlern und Kunsthändlern um Ansätze, die desaströsen archäologischen Plünderungen einzudämmen. Die Fernsehbilder des ausgeraubten Nationalmuseums in Bagdad haben die Archäologie über Nacht ins Licht der Öffentlichkeit gebracht. Selbst Gelehrte, die sonst am liebsten Scherben auf entlegenen türkischen Grabungen frei pinseln, können sich vor ihrer Verantwortung nicht mehr drücken. Den eindringlichsten Moralkodex formulierte der Festredner Wolfgang Frühwald. Der ehemalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft verwies auf die jüngsten Fälschungsskandale in den Naturwissenschaften, aber auch auf das inflationäre Gutachterwesen in den Kulturwissenschaften mit vielen fahrlässigen Beurteilungen.

Frühwald beschwor die ständige Selbstbefragung und die öffentliche Bewusstseinsbildung als obersten Maßstab jeder Wissenschaft. Die deutsche Kompromisslosigkeit bei internationalen Abkommen, etwa in der Bioethik, kritisierte er als unangebrachten Idealismus. Das Gleiche gelte für die Verweigerung, den Kulturgutschutz-Konventionen von 1970 und 1995 (Unidroit) beizutreten. Dagegen lobte er das skrupulöse Ringen der Konferenz um jedes Wort der "Berlin Resolution 2003", zu der man sich am Ende einigte. Dafür nahm der Gast gerne in Kauf, dass er eine geschlagene Stunde auf seinen Auftritt warten musste.

Im Zentrum dieser Resolution steht die Forderung nach einem "Antiken-Pass", einem Herkunftsnachweis, den jedes Stück tragen müsse, das auf den Markt kommt. In diesem "Pedigree" sollen so genau wie möglich der Grabungsort, die Entdeckungsumstände, die Besitzgeschichte und die Exporterlaubnis des Ursprungslandes verzeichnet sein. Stücke ohne solchen Nachweis seien von allen Museen und dem seriösen Handel zu ächten. Erregte Diskussionen gab es, als die Kunsthändler Jean-David Cahn (Basel) und James Ede (London) die Einführung des Kunstpasses als unpraktikabel ablehnten. Sie verwiesen auf den administrativen Aufwand, den wohl kein Staat sich leisten werde, auf die Diskretion vieler Besitzer und die unzähligen Stücke aus alten, über jeden Zweifel erhabenen Sammlungen, über deren Herkunft aber oft nichts bekannt ist.

Auf der Tagung wurden alte Gräben zwischen der wissenschaftlichen Archäologie und dem Handel aufgerissen. Manche Vorstellungen der Gelehrten erschienen in der Tat unrealistisch und praxisfern. Cahn und Ede wehrten sich scharf gegen das schlechte Image des Kunstmarktes. Immerhin seien in den vergangenen Jahrhunderten ungleich mehr Objekte Kriegen und Zerstörungen zum Opfer gefallen als selbst den übelsten Machenschaften des Handels. Zudem wunderte sich Cahn, warum außer den deutschen und italienischen Museen die englischen, französischen und amerikanischen Sammlungen nicht vertreten waren. Denn nicht alle Häuser befolgen die strengen Regeln, von denen in Berlin die Rede war. So zeigte das Metropolitan Museum in New York noch unlängst heikle Stücke aus Privatsammlungen; das neue Pariser Museum für die ersten Kulturen soll an illegal importierten Werken aus der Sammlung Barbier-Mueller interessiert sein. Selbst Berlin, das heute auf seinen restriktiven Kurs stolz ist, muss sich an die Präsentation der George-Ortiz-Sammlung 1996 erinnern lassen, wo viele Provenienzen unklar waren. Der "Fehler dieser Ausstellung" habe aber, so Heilmeyer, zur Berliner Bewusstseinsbildung entscheidend beigetragen.

Quelle
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/247574.html
 




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