Ägyptologie-Blatt

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Meggido: Triumph Tuthmosis' III. - Armageddon der Bibel?
Israels problematische Suche nach seinen Wurzeln
Von Gitta am 31.05.2003 um 13:53:06 

Ergrabenes Grundbuch
Von Jörg Bremer

27. Mai 2003 Im Schatten der Anhöhe von Megiddo traf sich einst die historische Verbindung zwischen Ägypten und dem Zweistromland, die Via Maris, mit einer Nord-Süd-Straße, die Anatolien und Arabien verband. Das war schon immer so und nicht erst im fünfzehnten Jahrhundert vor Christus, als an dieser Kreuzung die erste gut dokumentierte Schlacht tobte, die mit dem Triumph von Pharao Thutmosis III. über die Stadtkönige Kanaans endete. So viele Schlachten folgten bei Megiddo, daß dies Stalingrad der alten Zeit in den Utopien zum Platz des letzten Gefechts zwischen Gut und Böse wurde. So jedenfalls interpretierte die Welt das Armageddon in der Offenbarung des Johannes, obwohl dieser vielleicht nur den Sieg über die römische Weltmacht herbeisehnte.

Für die Archäologie verknüpfte schon Pastor Robinson aus Massachusetts 1838 den unfruchtbaren Steinhügel mit dem Ort der Bibel. Aber erst 1903 begannen die Grabungen, an die der alte Theodolit von Gottlieb Schumacher aus der Templer-Kolonie in Haifa erinnert. Der Ingenieur der Hedschas-Bahn begann als Architekt und Landvermesser am 1. April 1903 mit den Grabungen in Megiddo. Ein junger deutscher Archäologe, Gunnar Lehmann aus Beerschewa, sagt freilich wenig Gutes über Schumachers Grabung. Noch ungelehrt in den modernen Techniken, habe er vielleicht mehr zerstört als geborgen. Er kümmerte sich kaum um Kleinfunde, und die Deutung der Keramik hielt er mit anderen seiner Zeit für unergiebig. Der Architekt liebte Mauern. Und die waren es auch, die dem frommen Christen Schumacher als Beweis dafür galten, daß die Bibel doch recht hat. Dafür hatte ihn auch der Deutsche Palästina-Verein ausgeschickt. Er sollte gegen die zeitgenössische Bibelkritik der Schule von Julius Wellhausen die Erzählwahrheit der Bibel für den Glauben archäologisch untermauern. So begann mit Ingenieur Schumacher in Megiddo der Dienst der Archäologie für oder gegen den Zeitgeist.

Die Universität Tel Aviv mit ihrem Archäologen David Ussischkin und seinem Schüler Israel Finkelstein sind die jüngsten Interpreten von Megiddo; und sie sind wohl die ersten, die nicht mehr die gesamte Historie der Bibel an diesem Ort retten wollen. Gleichwohl nutzen sie den Kult um Megiddo, um ihre archäologische Kampagne zu finanzieren. Dazu dient ihnen auch das Grußschreiben eines Nachfahren von Feldmarschall Edmund Allenby. Jener General hatte - wie als Nachfolger von Pharao Thutmosis - im Herbst 1918 am nahen "Paß von Aruna" die letzte Schlacht über das zerbröselnde Osmanische Reich gewonnen. Dieser Sieg an historischer Stelle trug ihm und seinen Nachfahren den Titel Lord Allenby of Megiddo ein. Die Welt und ihr Bild von der Geschichte nahmen Besitz von diesem Hügel, auf dem bis dahin ein Clan aus Um el Fachem Schafe und Ziegen zu nähren versucht hatte, auf einem steinigen Boden, der bis heute getränkt ist vom Herdenurin der Jahrhunderte.

Die nach Lord Allenby eingesetzte britische "Abteilung für Altertumskunde in Palästina", die später in israelische Hände überging, gab darauf Archäologen der Universität von Chicago die Schaufeln in die Hand. Jetzt buddelten nicht mehr ungelernte Arbeiter aus dem Dorf durch den Schutt, sondern angelernte Kräfte aus dem Tal der Könige am Nil. Schumachers Zelte wurden durch Steinhäuser ersetzt. Clarence Fisher und James Breasted suchten in Megiddo einen Spiegel für ihre moderne Zeit. Das bescheidene Nest mit seinen wohl tausend Menschen aus Bronze- und Eisenzeit sollte nun als frühes Vorbild für städtisches Leben gelten.

Die israelitischen Könige und ihr "Reich" sollten als Beispiel einer frühen Verwaltung mit einer eigenen verstaatlichten "Kirche" herhalten; und nicht zuletzt war man in Chicago darauf aus, das militärische Können von König Salomon bis Ahab zu preisen. Dazu dienten die vermeintlichen Ställe, die der begeisterte Reiter Philip Langstaff "erfand", als er langgestreckte, enge "dreischiffige" Häuser ausgrub, die er mit den biblischen Ställen und Kampfwagen des eisenzeitlichen Königs von Jerusalem verband. Zunächst hatte der Mäzen Rockefeller Millionen für die Grabungen bereitgestellt, alle Schichten sollten sondiert werden. Doch bald mußte man sparen, und so erhielt die nächste Generation die Chance, in Megiddo die eigene Identität zu heben.

Die Väter des Staates Israel wollten ihre Gründung in der örtlichen Geschichte verankern. Eine national-israelische Archäologie bemächtigte sich der Tels von Hazor, Gezer und Megiddo. Diese Bibelstädte waren dabei nicht als religiöse Wurzeln interessant, sondern als Grundbücher israelischen Eigentums. So war es kein Zufall, daß 1964 Präsident Zalman Schazar den Papst Paul VI. gerade dort empfing. Seine Botschaft: Dein Vatikan in Rom ist gegenüber meinem altehrwürdigen Israel, wie man in Megiddo sieht, nicht einmal aus der Pubertät heraus. Vor allem Grabungsleiter Jigal Yadin, General und Politiker, suchte in Megiddo nach Urvater Salomon. Die Bauten jenes Königs mußten groß und prächtig sein. Nicht mehr arabische Fellachen, nicht mehr ägyptische Facharbeiter, sondern Studenten der hebräischen Universität suchten in Stadttoren, Palästen und Kasematten-Wänden das Reich des biblischen Königs, und aus der Grabungsstätte wurde unter dem späteren Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek, ein Nationalpark. Das Wohnhaus der Chicago-Gräber wurde zum Museum.

Lange schon hat die moderne Archäologie ihre Zweifel angemeldet. Die archäologische Abteilung in Jerusalem brach über dem Streit zusammen. David Ussischkin begründete an der Universität Tel Aviv eine neue Schule. Die Mauern von Megiddo, die man Salomon zusprach, sind nach ihrem Befund und nach den Untersuchungen von Knochen und Holz in derselben Schicht nicht aus dem zehnten, sondern erst aus dem achten Jahrhundert, aus dem auch das Löwensiegel von König Jeroboam II. stammt, das schon Schumacher barg und das in Istanbul verschollen ist. Im konservativen Likud und bei den religiösen Rechten klingen die modernen Einsichten von Megiddo noch wie Verrat an der nationalen Sache, so als brauche Israel ein paar klobige Steinmauerreste zur Rechtfertigung seiner Existenz. Der säkulare Demokrat Finkelstein kann hingegen zugunsten einer selbstbewußten kritischen Wissenschaft auf diese wackelnde Verankerung verzichten. Was sich in Israel nur in Abständen die besseren Zeitungen zu sagen trauen, steht für ihn fest: Zum kleinen Reich des Salomon hat Megiddo nie gehört; und doch bewahren sich alle Forschungsansätze von Schumacher bis Finkelstein ihr Recht und bezeugen nur, daß Megiddo das bleibt, was Armageddon zwischen Vergangenheit und Zukunft der Menschheit verspricht.

Quelle

http://www.faz.net/s/RubF7538E273FAA4006925CC36BB8AFE338/Doc~E07987A9C 51264BDB87EEA76CDD325F39~ATpl~Ecommon~Scontent.html


Geändert: 13.01.2020 um 20:14:26

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