Ägyptologie-Blatt

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Wo Kleopatra die Liebe lernte
Alexandria wird allmählich rekonstruiert
Von Gitta am 25.10.2003 um 00:40:47 

Obwohl das antike Alexandria verweht ist, gelingen den Archäologen verblüffende Rekonstruktionen der Stadt

von Sven Felix Kellerhoff
 
Größe ist vergänglich, doch meist hinterlässt sie Spuren. Athen hat die Akropolis, Rom sein Kolosseum, Konstantinopel die Hagia Sophia. Nur von der vierten Weltstadt der Antike ist fast nichts geblieben. Alle Wunder, die antike Autoren an der Hafenstadt im äußersten Nordwesten Ägyptens einst hervorhoben, sind restlos verschwunden: Nach dem Grab Alexanders des Großen, der die Stadt 332/31 v. Chr. gründete, wird seit Jahrhunderten erfolglos gesucht. Die königlichen Paläste - versunken im Meer und bis heute nicht exakt lokalisiert. Die weltberühmte Bibliothek wurde sogar mehrfach ein Raub der Flammen und fiel dem Fanatismus Heiden-jagender Christen im 5. Jahrhundert endgültig zum Opfer. Selbst der Standort des ersten Wolkenkratzers ist unklar: Wo genau ragte der 140 Meter hohe Leuchtturm von Pharos in den Himmel? Tatsächlich dort, wo noch heute das arabische Kastell Kait Bey den perfekt gelegenen Hafen bewacht?



Möglich, aber allen modernen Methoden der heutigen Archäologie zum Trotz nicht erwiesen, wie das ZDF in seiner Dokumentation "Metropolis - Die Macht der Städte" zeigt.

Alexandria bleibt die Metropole der Rätsel. Gerade deshalb fasziniert die Stadt, die sechs Jahrhunderte lang die klügsten Köpfe ihrer Zeit anzog, noch heute. Seit 1996 schon vermeldet der Schatzsucher und Unterwasserarchäologe Franck Goddio in schöner Regelmäßigkeit sensationelle Funde im trüben Wasser der Bucht vor Alexandria. Mal glaubt er den Palast von Kleopatra entdeckt zu haben, mal das Prunkschiff der legendenumwobenen Königin.

Akademische Archäologen bleiben skeptisch; zu gewagt erscheinen ihnen viele Interpretationen. Immerhin kann man seit zwei Wochen in Alexandria die wichtigsten Funde Goddios im gerade eröffneten Nationalmuseum von Alexandria bewundern.



Weniger spektakulär, aber wahrscheinlich wissenschaftlich wichtiger dürfte eine Schau sein, die das französisch-ägyptische Centre d'Etudes Alexandrines (CEA) 2004 in Marseille zeigen will. Thema dieser Ausstellung wird die Frischwasserversorgung der Hafenstadt sein. Von den einst mehr als 700 bekannten historischen Zisternen der Millionen-Metropole ist heute nur noch eine einzige zugänglich. Alle anderen sind entweder überbaut oder sogar zerstört worden. CEA-Direktor Jean-Yves Empereur hat in Alexandria ein höchst ambivalentes archäologisches Betätigungsfeld gefunden. Einerseits dürften unter so ziemlich jedem älteren Gebäude in der Innenstadt antike Reste liegen, die noch nie erschlossen worden sind. Andererseits kommen die Archäologen, wie der ZDF-Film von Manfred Baur und Hannes Schuler eindrucksvoll zeigt, meistens nur zu Notgrabungen: Bevor ein moderner Neubau Spuren der antiken Stadt zerstört oder mindestens für die nächsten Jahrzehnte unter Beton begräbt, sichern sie im Schnellverfahren Erkenntnisse.

So entsteht langsam ein Bild vom alltäglichen Leben in der antiken Hafenstadt, ein Bild, wie es uns die zahlreichen Erwähnungen Alexandrias bei griechischen und lateinischen Autoren eher selten bieten. Hoffnung macht auch das Klima. Im trockenen Wüstensand haben sich bis heute zehntausende Papyrusfragmente gefunden, die einen Einblick in das Alltagsleben in Ägypten um die Zeitenwende gewähren. Noch viel mehr solche Schnipsel dürften bei systematischen Ausgrabungen entdeckt werden. Möglicherweise ist irgendwann sogar einmal ein antiker Stadtplan dabei, wie die marmorne "Forma Urbis" in Rom. Dann wird man vielleicht auch Kleopatras Paläste finden können und sogar das Alexandergrab.

Quelle
http://www.welt.de/data/2003/10/18/184123.html?s=1

Fotos: Gitta



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