Ägyptologie-Blatt

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Salz frisst Weltkulturerbe
Die zerstörerische Kraft des Grundwassers
Von Gitta am 08.02.2006 um 23:56:11 

4U2 hat nachstehenden Artikel beim Observer aufgespürt und freundlicherweise auch gleich übersetzt:

Amerikanische Wissenschaftler schlagen Alarm: Eines der weltweit wichtigsten  und wertvollsten  archäologischen Zeugnisse, die annähernd 4000 Jahre alten Tempel und Gräber beidseitig des Nils drohen durch steigendes Grundwasser unwiederbringlich der Zerstörung ausgesetzt zu werden. Die Archäologen ermahnen, das nur sofortiges, umgehendes Handeln aller verantwortlichen Stellen eine Rettung ermöglicht.

In gewohnter Manier äußerte sich auch Zahi Hawass, Generalsekretär der Ägyptischen Antikenverwaltung, bei einem Zusammentreffen von Wissenschaftlern: „Als ich herausfand, dass die Tempel von Luxor und Karnak auf dem besten Weg sind komplett einzustürzen und die Ursache steigendes Grundwasser ist, war ich ernsthaft betroffen.“

Hauptursache der Gefahr, neben einem Klimawechsel in der Region und dem endgültigen Zusammenbruch der völlig überalterten Abwasserkanalisation ist eine rasante Ausweitung der künstlich bewässerten Anbauflächen am vormals trockenen Wüstenrand. Durch massive Förderung des Zuckerrohranbaus durch die Ägyptische Regierung und die massive künstliche Bewässerung mit Nilwasser werden bis zu drei Ernten im Jahr ermöglicht. In Folge weiten sich die lukrativen, bewässerungsintensiven Zuckerroranbauflächen bevorzugt aus. Brachland, vormals trockene Wüste, erblüht zur ertragreichen Basis der Volkswirtschaft. Allerdings resultiert daraus auch das von den Wissenschaftlern beobachtete dramatische Ansteigen des Grundwassers um mehrere Meter in wenigen Jahren. Dieses Grundwasser nähert sich den Fundamenten der wertvollen Tempelanlagen in Luxor und Karnak beängstigend, erklären die Wissenschaftler.

Das Problem wurde von bereits von hinzugezogenen Fach-Ingenieuren analysiert:
Grundwasser - mit hohem Gehalt von im Untergrund gelösten Salz – wird vom porösen Sandstein der Tempel aufgesogen. Wenn es verdampft, kristallisiert das Salz, um dann in den Poren des Sandsteins (durch Volumen- Vergrößerung) den Stein zu sprengen. Nach längerer Einwirkung löst sich selbst Fels auf.

In der Hoffnung, den schlimmsten  Einfluss des salzhaltigen Wassers zu begrenzen, begannen schwedische Ingenieure - unterstützt durch £4 Millionen amerikanischer und europäischen Hilfsgelder - kürzlich, ein ausgedehntes System von Dränage-Abzugsgräben um die Tempel von Karnak und Luxor zu bauen. Mit ihren atemberaubenden Reihen von riesigen reliefgeschmückten Säulen und Wänden befinden sich diese wichtigen antiken Areale auf der Ostseite des Nils bei Luxor. Gemäß Auskunft von Christina Karlberg, Mitglied von Sweco, hofft die  beteiligte Gesellschaft, die Arbeit im nächsten Jahr vollenden zu können.

Dennoch ist es die Bedrohung der Nil-Westbank, die Ägyptologen am meisten beunruhigt. Dieses Gebiet schließt Tempel und Grabstätten wie Medinet Habu, den Toten-Tempel von Amenhotep III, und die Grabstätten des Tales der Könige und des Tales der Königinnen ein. Auf dieser Seite des Nils ist das Problem des Zuckerrohr-Anbaus besonders dringlich (am meisten verbreitet). Stehendes Wasser kann jetzt zum Beispiel in den Ruinen des Tempels von Amenhotep glitzern gesehen werden. Wissenschaftler der Universität Chikago warnen, dass das Wasser zum Tal der Könige und Königinnen mit zerstörerischer Wirkung kriecht. Hier würden wenn weiterhin nichts unternommen wird, die größten - und verwundbarsten Anlagen, einschließlich der Grabstätte von Tutankhamun zerstört. Dr. Nigel Strudwick, Abteilungsleiter der ägyptisch-sudanesischen Abteilung des britischen Museums : „Wir können bereits die Höhe des steigenden Grundwasser am Verdunstungshorizont des Wassers an den antiken Gebäuden ablesen, und es steigt Jährlich höher: Mitgeführtes Salz zerstört den Sandstein und die Dekoration der archäologischen Stätten schneller als wir sie erforschen können.“ Diese Gräber mit ihren sagenhaften Malereien und Reliefs sind schon jetzt schwer geschädigt durch Hitze und Feuchtigkeit, verursacht Jahr für Jahr durch Tausende von Touristen, sagen Wissenschaftler. Daraus resultierend haben sie die ägyptischen Behörden zu bewegen versucht, den Zuckerrohranbau zu verbieten und stattdessen weniger bewässerungsintensive Pflanzen wie Bohnen anzubauen. Diese Idee wurde von der Regierung, die die Zuckerrohrindustrie kräftig subventioniert, abgelehnt.

Zahi Hawass muss zugeben, dass es schier unmöglich ist, die landwirtschaftlichen Gewohnheiten zu ändern. Man wird sich auf technische Lösungen konzentrieren müssen.


Luxor-Tempel, Ostwand außen



Luxor-Tempel, Westwand außen




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Kommentare zu diesem Artikel
Iufaa09.02.2006 um 10:52:08
Hi,

die Thematik ist nicht neu. Dr. Johnson vom OI Chicago hat uns schon im Nov. 2004 die feuchten Wände im Kleinen Tempel des Amun in Medinet Habu gezeigt. Die Bilder zu den Brunnen in MH finden sich im Fotoalbum und belegen auch, wie hoch dort (das liegt parallel zu Kom el-Hettan) das Wasser schon steht.

Das Problem der künstlichen Bewässerung liesse sich mit Geld und Schulung der Bauern lösen - man müsste nur statt der üblichen Flutung der Felder die Pflanzen tropfenweise "einzeln" bewässern (Stichwort "drip irrigation"). Die Technik ist vorhanden, nur wird in Ägypten das Geld nicht dafür verwendet, sondern in andere Kanäle geleitet. Teile des Staatshaushaltes werden aus den Tourismuseinnahmen quer subventioniert, bei den Monumenten versucht man jedoch die internationale Gemeinschaft zu beteiligen. Man darf sich bei dieser Gelegenheit durchaus an die neuen Spielregeln des SCA erinnern, nach denen ein Grabungsteam nicht nur eine Grabungskonzenssion erhält, sondern auch die Rechnungen für die Aufseher vom SCA und ausserdem auch für die Restaurierung des Denkmals verantwortlich (auch im finanziellen Sinne) ist.



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