Ägyptologie-Blatt

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Darstellung des Tierverhaltens im alten Ägypten
Dissertation an der Macquarie Universität, Australien
Von Iufaa am 24.06.2006 um 17:36:41 

An der Macquarie Universität, Australien wurde die erste Doktorarbeit der Welt begonnen, die sich mit der Darstellung des tierischen Verhaltens in alt-ägyptischen Wand-Szenen beschäftigen wird. Experten sagen, dass diese Arbeit die verändern könnte, wie die antike ägyptische Grab-Kunst interpretiert wird, und dass sie unsere Kenntnisse Lebens in dieser faszinierenden Periode in der Geschichte bereichern wird.

Linda Evans ist ein Forschungsassistentin am Labor für Verhaltensforschung an der Macquarie Universität. Neben der Leidenschaft für Tiere begeistert sie sich auch über die Archäologie leidenschaftlich, und ihre Doktorarbeit am australischen Zentrum für die Ägyptologie hat es ihr ermöglicht, diese zwei Interessen zu verbinden.
Evans schreibt zurzeit ihre Dissertation nachdem 8,5 Jahren Forschungsarbeit an 8208 Bilder von Tieren von 291 Gräbern und Grabresten von Friedhöfen von der Periode des Alten Reiches in Giza und Saqqara untersucht hat.

Ägyptologen haben sich nie vorher auf die Art konzentriert, wie Tiere in Wand-Szenen gezeichnet werden, häufig machten sie falsch Annahmen über das, was das Tier taten oder dass der Künstler etwas verwechselt habe, wenn es irgendetwas Ungewöhnliches im Bild gab.

Evans hat herausgefunden, dass die alten Ägypter genau beobachteten und viel mehr über das Tierverhalten verstanden, als wir annahmen - nicht nur bei den Tiere, mit denen sie viel Kontakt, sondern auch in Bezug auf das Verhalten von kleineren, weniger wichtigen Lebewesen.

"Diese Leute beobachteten Tiere sehr gut“ sagt sie. "Sie hatten ein hoch entwickeltes Kenntnis ihrer Welt wahrscheinlich, weil sie in großer Nähe zu den Tieren lebten. Das Tal des Nil umfasst ein langes dünnes Gebiet des fruchtbaren und Wasserlandes vor einer großen Weite der Wüste, so lebten die Leute und die Tiere sehr eng zusammen."

Evans vermutet, dass der Künstler, der die Bilder in der Grabstätte einer Sumpf-Szene in der Grabstätte von Hesi an Saqqara zeichnete, ein sehr scharfsichtiger Tierbeobachter gewesen sein muss, da die Reihe von Tieren, zusammen mit dem Detail ihres Verhaltens, ziemlich außergewöhnlich ist.
Zum Beispiel, in der Mitte der Sumpf-Szene gibt es einige nistende Vögel, die mit vorwärts gerichteten Flügeln auf ihren Eiern sitzen. Bisher hätten Ägyptologen wenig Notiz von dieser ungewöhnlichen Stellung der Flügel genommen, es als einen Fehler des Künstlers hinstellend oder gar die Annahme geäußert, dass die Vögel versuchten, ihre Eier warm zu halten.
Evans hatte sich die Szene jedoch genau angesehen. Vögel bringen ihre Flügel nicht allgemein nach vorn, aber sie glaubte nicht, dass es ein Fehler eines Künstlers war und begann die Szene genauer zu untersuchen.
"Wenn Sie sich das Bild ansehen, können Sie seitwärts Ginettas (Ginsterkatzen; kleine katzenartige Fleischfresser) erkennen, auf der linken Seite eine, die mit einem Jungvogel im Maul auf Pflanzentrieben empor klettert, und rechts eine, die von einem herabstoßenden Vogel am Kopf attackiert wird." sagt Evans. "Diese Ginettas waren Raubtiere, die Jungvögel fraßen."
Im Zusammenhang betrachtet kam ihr die Flügel-Haltung der nistenden Vögel nicht mehr ungewöhnlich vor – besonders, nachdem sie beim Studium des Verhalten der Vögeln erkannte, dass diese beim Auftauchen eines Räubers versuchten, durch Ausbreiten ihrer Flügel größer auszusehen, um den Räuber abzuschrecken.

Evans erklärt, dass, da es keine dreidimensionale Darstellungen in der ägyptischen Kunst gab, der Künstler keine andere Möglichkeit hatte, die Flügel so darzustellen, als wären sie vor den Körper gezogen worden. "So stellt das wirklich den Versuch dar, Räuber abzuschrecken. Ägypter wussten das nicht nur, weil sie das Verhalten mit der Ginetta beobachteten, sondern vermutlich aber auch, weil sie es selbst beobachteten, als sie versuchten, die Eier weg zu nehmen." sagt sie.

Interessant ist auch die Zeichnung eines gescheckten Eisvogels in der Mitte des Bildes – es zeigt seinen  Kopf in einem fremden Winkel zum Körper. Evans erklärt, dass im wirklichen Leben diese Vögel mit ihrem Körper fast vertikal über dem Wasser schweben, den Kopf der abwärts gerichtet das Wasser beobachtend, um Fische zu entdecken. Dann, wenn sie ihre Beute sehen, falten sie ihre Flügel ein und tauchen ins Wasser, um den Fisch zu packen.
"Die ägyptischen Künstler würden häufig versuchen, eine ganze Folge von Aktionen in ein Bild zu vereinigen." erklärt sie. "Deshalb scheint der Winkel des gescheckten Eisvogels, so sonderbar  zu sein – denn der Künstler hat versucht, sowohl den Schwebeflug als auch das Eintauchen in der derselben Zeichnung darzustellen."

Sie entdeckte, dass das ein übliches Verfahren. "Esel werden häufig laufend und zur gleichen Zeit kauend dargestellt. Ägyptologen würden das bemerken und in ihren Beschreibungen festhalten, dass die Darstellung merkwürdig sei, oder dass der Künstler etwas verwechselt habe. Aber ich glaube, dass wir sind, die etwas verwechseln – erst läuft der Esel und bleibt dann stehen, um zu fressen. Der Künstler versuchte einfach nur, die ganze Folge in einem Bild darzustellen." sagt sie.

Mit ihren Kenntnissen über das Verhalten der Tiere fand Evans logische Erklärungen für die Wand-Szenen mit ungewöhnlichen Darstellungen.

Ein anderer Teil der Sumpf-Szene im Grab des Hesi, der sie besonders begeistert hat, war das Bild einer Gottesanbeterin. Während ihrer Forschungsarbeit las Evans einen Ausgrabungsbericht zum Grabe des Hesi von Naguib Kanawati, Professor der Ägyptologie, der alle Tiere in der Sumpf-Szene beschrieb.

"Er schrieb, dass in einer unteren Ecke auf der rechten Seite des Sumpfs ein Grashüpfer verborgenen sei, der ein ganz gewöhnlicher Fund in Sumpf-Szenen ist." sagt sie. "Aber als ich dieselbe Szene während meiner Forschung anschaute, sah ich sofort, dass das nicht ein Grashüpfer sondern eine Gottesanbeterin war."
Das ist laut Evans von besonderem Interesse, weil Gottesanbeterinnen nach ihrer Kenntnisse niemals zuvor in Wand-Szenen gefunden worden sind, während Grashüpfer überall auftauchen.

"Die Gottesanbeterin ist auch sehr schwer in der Wand-Szene zu erkennen, ebenso wie im wirklichen Leben. Als ein Raubtier, das sitzend auf die Beute wartet, verbindet es sich zur Tarnung harmonisch mit dem Laub. Der Künstler zeigt ein klares Verständnis für dieses Verhaltens, in dem die Tarnung des Insekts in der Szene deutlich dargestellt wird." erklärt sie.




Geändert: 24.06.2006 um 17:42:36

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