Liebe Leute, bei Erik Hornung, Ägyptische Unterweltsbücher, Zürich und München, 1972, S. 106 finden wir folgende Übersetzung zu diesem Abschnitt: Zitat:
O Abgeschirmte (Schlange), schirme mir deinen Arm ab und öffne mir deine Windungen! [Möge dein Arm abgeschirmt, mögen deine Windungen geöffnet sein und] deine beiden Gesichter in der Erde! Schieße nicht auf mich (mit Feuer), sende keine Pfeile gegen die in meinem Gefolge, damit ich an dir vorbeiziehe in Frieden! (S. 106; der Text in eckigen Klammern [...] findet sich nicht bei Thutmosis III.) |
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Man sieht schon an dieser Übersetzung, daß es sich um einen haarigen, schwer verständlichen Text handelt, der einiges an ägyptologischer Mythologie voraussetzt, was uns Nachgeborenen abhanden gekommen ist. Ich kann Hornungs Vorschlag nachvollziehen, mit folgenden Erläuterungen: Dsr "Heilige Schlange" (im Amduat) (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1252) mit Determinativ I14 "Schlange" @thosch40 Du hast Dsr HfAw "heilige Schlange": Nach mittelägyptischer Grammatik folgt das Adjektiv dem Substantiv; demnach müßte "heilige Schlange" HfAw Dsr heißen. Eine andere Möglichkeit wäre Adjektiv + Substantiv "heilig an Schlange". Dagegen spricht, daß eine Schreibung für Schlange nur mit I14 ansonsten nicht belegt ist. Die einfachste Lösung ist daher anzunehmen, daß I14 nur als Determinativ anzusetzen ist, wie es im Wb. bzw. bei Hannig auch gemacht wurde. Wieso kommt nun Hornung auf "Abgeschirmter"? Die Grundbedeutung von Dsr ist "abgesondert, abgetrennt sein", daraus abgeleitet "heilig", denn heilige Orte z.B. sind nicht allgemein zugänglich, sondern nur wenigen Eingeweihten. So ist tA-Dsr "das abgesonderte / heilige Land = die Nekropole". Dsr n=j rmn=k "schirme mir deinen Arm ab" Wie genau D41 zu lesen ist, ist schwer zu entscheiden. Im Wb V, 610 wird ein Dsr rmn als Bezeichnung des Sonnengottes aufgeführt. Möglich scheint mir auch gbA "Arm" zu sein. Vielleicht auch nur Dsr-a? Du hast ein sDm.n=f angenommen; das ist eine Möglichkeit. Da aber ein göttliches Wesen angerufen wird: "o Heilige", ist ein Imperativ oder prospektives sDm=f für Wünsche etc. vorzuziehen. wn n=j pXr.w=k "öffne mir deine Windungen!" pXr "Windung" ist als Wort weder im Wb., noch im Hannig aufgeführt. Ich erkläre mir das dadurch, daß es wohl in dieser Bedeutung nur hier vorkommt. Die Ableitung scheint mir klar zu sein: es ist Partizip von pXr "umwenden, herumdrehen, umschlingen usw.", also "deine Umwendungen / Umschlingungen" o.ä. Hr.wj=kj m tA "Mögen deine beiden Gesichter in der Erde sein!" Dualschreibung durch Zweifachsetzung des Zeichens ist eine übliche Erscheinung (Gardiner, Egyptian Grammar, § 73, 2). Zur Form des Suffixes 2. Person Singular beim Dual =kj siehe Gardiner, § 75, 2. @thosch40 HrHr "bewachen, behüten" gibt es, aber laut Hannig, S. 556 nur spätneuägyptisch belegt. Auch die Belege in Wb. III, 150 sind neuägyptisch oder gar griechisch. Was aber noch mehr für die "beiden Gesichter" spricht, ist die Tatsache, daß kurz unterhalb dieses Textes eine Schlange mit zwei Köpfen abgebildet ist! Auch Dein Einwand, ein Verb fehle sonst, zieht nicht, da es sich tatsächlich um einen vollständigen Satz handelt ("sentences with adverbial predicate": "The copula ist often left unexpressed"; Gardiner, § 116). n stj=k wj "schieße nicht auf mich" n "nicht" ("D35 [verneinende Arme] is also written sometimes as N35 [Wasserlinie]"; Gardiner, § 104) stj "schießen" - laut Wb. IV, 326 auch mit direktem Objekt; der Arm ist nur als Determinativ aufzufassen. Aus der Spätzeit wird auch die Bedeutung "mit der Flamme schießen" angegeben (Wb IV, 327). Konkret stelle ich mir vor, daß damit das Giftspeien einer Schlange gemeint ist. Aufgrund des Suffixes würde ich von einem negierten prospektiven sDm=f ausgehen: "mögest du nicht schießen auf mich". n Ssr=k r n.tjw jmj-xt=j "sende keine Pfeile gegen die in meinem Gefolge" Ssr "Pfeile senden (r jdn)" (Hannig, S. 838) - im Wb. IV, 548 wird dieses Verb als nur einmal belegt, nämlich hier, bezeichnet und mit "angreifen" o.ä. übersetzt. Da es sich auf die Schlange bezieht, ist mit den Pfeilen ihr Gift oder ihr Feuer gemeint. n.tjw Plural des Relativpronomens ntj (Hannig, S. 440) - "ntj may be used ... as noun, i.e. without expressed antecedent" (Gardiner, § 199). Geschrieben wird es mit G4 "Adlerbussard", gelegentlich auch als tjw-Vogel bezeichnet. jmj-xt "Gefolgsmann, Gefolge" (Hannig, S. 67) Auch hier würde ich negiertes prospektives sDm=f sehen: "mögest du keine Pfeile senden gegen die in meinem Gefolge" r ap.t=j Hr=k m Htp "damit ich an dir vorbeiziehe in Frieden" apj "vorbeiziehen" (Hannig, S. 137) - r + Infinitiv gibt oft den Zweck oder das Ergebnis an (Gardiner, § 304, 3). Der Infinitiv eines Verbs mit 3. schwachem Radikal (3ae inf.) wird mit einem t gebildet, wobei der schwache Radikal (Konsonant; hier j) wegfällt (Gardiner, § 299). Das Subjekt wird in diesem Fall durch das Suffix =j angegeben ("With intransitive infinitives the subject can always be added as a direct genitive, whether noun or suffix"; Gardiner, § 301). m Htp "in Frieden" (Hannig, S. 569) - analog zu jj m Htp "in Frieden kommen" Wie eingangs ausgeführt, kann ich Hornungs Übersetzung völlig nachvollziehen. Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 05.06.2008 um 20:13:03
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