Hallo, Leute, ich möchte hier ein Problem aufgreifen und etwas vertiefen, das in dem Thread Die 21. Dynastie in Brugsch' Geschichte Ägyptens1 aufgetaucht ist, nämlich die Lesung eines Namens in einem Orakeldekret, das am 7. Pylon in Karnak gefunden wurde. Die Inschrift wurde von Auguste Mariette entdeckt und 1875 publiziert in: Karnak. Étude topographique et archéologique ... Planches, Leipzig / Le Caire / Paris, 18752, Taf. 41. Im zugehörigen Textband3 gab Mariette eine kurze Beschreibung (S. 63-64). Eine Prinzessin namens "Ra-ma-ka", Tochter des Psusennes (II.), werde darin genannt, schrieb er. Im Anhang habe ich diese und weitere in der nachfolgenden Diskussion erwähnten Stellen zusammengetragen. Heinrich Brugsch übersetzte diese Inschrift etwas später in: Geschichte Aegypten's unter den Pharaonen, Leipzig, 18774, S. 657-659. Zum Namen schrieb er (S. 657): Zitat:
Ungefähr gleichzeitig ward, auf Veranlassung dieses Schaschanq, die Erbangelegenheit der Prinzessin Ka-r'a-m'at (so, und nicht Mat-ke-ra oder Ra-mat-ke dürfte der Name zu lesen sein) laut königlichen Befehles im Namen des thebanischen Götterkreises geregelt. ... Durch ihre Heirath mit dem Könige Schaschanq I (denn dessen Frau ist diese Kar'am'at) war ihre Stellung wesentlich eine andere geworden. |
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Hierauf ging Gaston Maspero ein (Les momies royales de Deir El-Bahari, 18895, S. 593 (MMAF, Bd. 1, Nr. 4)), mit der Bemerkung, dass ein Ägypter niemals daran hätte denken können, den Namen Karoâmâ wie Mâkerâ oder Mâkerî zu schreiben, und gab die entsprechenden hieroglyphischen Schreibungen an. Lolli führt Masperos Einlassung auf dessen mangelndes Verständnis der deutschen Sprache zurück; er habe Brugsch nicht richtig verstanden. Zitat:
Ritner dahingegen hat hier einfach Maspero ausgeschrieben [abgeschrieben], ohne Brugsch gelesen zu haben. ... so muss man dann über Sachverhalte diskutieren, die tatsächlich nie obsolet gewesen sind, sondern lediglich auf einem Missverständnis beruhen, weil sie aufgrund des Sprachunterschiedes zwischen französisch und deutsch schlicht nicht verstanden wurden. |
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Wir wollen dieser Frage noch einmal nachgehen. Brugsch hatte Scheschonqs I. Frau genannt, die Karomama (Karoama oder Karamat) gelesen wird. Sie ist - wenn wir diese strittige Stelle außer acht lassen - nur einmal belegt, nämlich in Zeile 10-11 der Pasenhor-Stele (Louvre IM 28466). Andererseits gibt es mehrere Frauen dieses Namens, die in der ägyptologischen Literatur mit nachgestellten Großbuchstaben unterschieden werden. Soweit ich weiß, von Karomama A (Gemahlin Scheschonqs I.) bis Karomama G (die letzgenannte ist in der wunderbaren Bronzefigur im Louvre N 5007 dargestellt). Ich habe einen Auszug aus Frédéric Colin, Les Libyens en Egypte (XVe siècle a.C.-IIe siècle p.C.). Onomastique et histoire, Bd. II, 20068, S. 96-102 angehängt. In dieser Dissertation über libysche Namen in Ägypten kann man die verschiedenen Schreibweisen des Namens Karomama erkennen. Da es sich um einen ausländischen Namen handelt, hatten die Ägypter Schwierigkeiten, ihn adäquat in ihrer Hieroglyphenschrift darzustellen. Sie bedienten sich dabei eines "Subsystems" ihrer Schrift, der sog. "syllabischen Schrift", vor allem für die Orts- und Personennamen aus Vorderasien sowie für die aus diesem Raum eingewanderten Wörter. Ähnliches nimmt man auch für die libyschen Namen an (Colin, Bd. I, S. 31-38). Dabei werden - stark verkürzt gesagt - Zweikonsonantenzeichen, sofern verwendet, auf ihren Anlaut reduziert. Deshalb kommt es bei unserem Namen zur ägyptologischen Lesung Krm(m), da die Vokalisierung ungeklärt ist. Die übliche Lesung Karomama ergibt sich folgendermaßen: kA, latinisiert als "ka" (eigentlich nur "k") rA, hier hat sich die frühere Lesung "ro" (statt "ra") eingebürgert (eigentlich "r") m-a, latinisiert "ma" (eigentlich "m") Die Varianten in der Umschrift ergeben sich aus den Varianten der hieroglyphischen Schreibung. Übrigens ist die am Ende sitzende Frau ein Personendeterminativ und wird nicht gelesen. B1 sitzende Frau, Personendeterminativ Nun zu dem anderen Namen, nämlich "Maat-ka-Re", ein ägyptischer Name. In Hermann Ranke, Ägyptische Personennamen, Bd. I, Glückstadt, 1935, S. 145 werden zwei Schreibweisen aufgeführt, die sich nur in einer Hieroglyphe unterscheiden: Zum einen C10 nach Gardiner-Liste, MAa.t "Maat" (C10A (extended library) mit Anch-Zeichen auf dem Knie ist eine Variante) und H6 mAa.t, ebenfalls "maat" zu lesen. Im Orakeldekret taucht der Personenname zweimal auf, in Zeile x+3 und x+5 (gelb markiert). Man sieht - auch als Hieroglyphenunkundiger -, dass diese Schreibungen keiner der Varianten von Karomama entsprechen. Auch von Maatkare gibt es mehrere Personen dieses Namens, diese hier wird als Maatkare B geführt. Nun könnte man argumentieren, wenn wir hier auch nur die Anlaute nehmen, haben wir ebenfalls k-r-m (oder ähnlich). Dem ist entgegen zu halten, dass die Hieroglyphen C10 und H6 in der syllabischen Schreibung nicht verwendet wurden, ebensowenig N5 (Sonnenscheibe). Siehe die Liste, die ich entnommen habe aus Adolf Erman, Neuägyptische Grammatik, 2. Auflage, Leipzig, 1933, S. 15. Ich denke, hiermit nachvollziehbar gemacht zu haben, dass es sich im genannten Orakeldekret um Maatkare B, Tochter des Psusennes II. (und Gemahlin Osorkons I.) handelt und nicht um Karomama A, Gemahlin Schoschenqs I. Bei Brugsch war offenbar ein Wunsch Vater seines Gedankens, während Masperos Argument bezüglich der Schreibungen heute noch Gültigkeit hat. Viele Grüße, Michael Tilgner
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