Dem Glauben der alten Ägypter zufolge saß der widderköpfige Gott Chnum alltäglich im Morgengrauen an seiner Töpferscheibe und formte aus Schweiß und Nilschlamm neue Menschen. Dieser altägyptische Glaube sei hier in seiner Entwicklung einmal in groben Zügen näher dargestellt. Vieles von dem, was hier im weiteren dazu ausgeführt wird, ist nur wenig bezeugt und daher unsicher. Rund 60 km südlich von Theben (Luxor) befand sich die antike Stadt Seni (Esna), welche von den Ptolemäern Latopolis genannt wurde. In der Zeit des Pharao Thutmosis I. (1504 - 1492) veranlasste dessen Mutter Seni-seneb, dass dem Kult des Gottes Chnum in ihrer Heimatstadt Seni (Esna) ein eigener Tempel errichtet wird. Dieser Bau wurde durch den Wesir Imhotep dann auch tatsächlich ausgeführt, sodass die Stadt Seni (Esna) als Ausgangspunkt des Chnum Kultes gelten darf. Das heutige Esna wurde in alter pharaonischer Zeit auch Tasni genannt, was lediglich soviel wie einen "Durchgangspunkt" oder eine "Station" meint. An dieser Stelle zogen bis dahin lediglich die Karawanen aus Kerma und der Sahara (Rosetjau) durch. Vermutlich darf der Name der Königin Chnumet (ca. 1879 - 1872) bereits auf den Gott Chnum zurückgeführt werden. Aus der Hieroglyphhe des Nemsetkruges in der Schreibung ihrer Namen lässt sich ein Bezug auf die Totengöttin Quebehut ableiten. Quebehut verfügte über das Reinigungswasser von Quebehu, mit dem die Eingeweide der Verstorbenen gewaschen wurden. Quebehu war die Tochter des Anubis und Schwester des Königs und galt den Ägyptern als Göttin des Trankopfers. In Kerma und dem späteren Nubien wurde die Gottheit Chnum unter dem Namen Amun verehrt. Vermutlich wurde die allgemein bekannte, typische Widdergestalt des Chnum daher erst nach der Eroberung von Kerma durch Thutmosis III. (1479 - 1425) etabliert. Anderen Quellen zufolge wurde Chnum bereits seit etwa 2.400 v. Chr. als widderköpfiger Gott in Menschengestalt dargestellt. Seine früheste Nennung geht auf die Hungersnotstele des Pharao Djoser (2665 - 2645) zurück, welche in ptolemäischer Zeit abgefasst wurde. In Kom Ombo wurde Chnum als Sobek verehrt und hatte mit der Göttin Hathor einen Sohn namens Chons. In Esna selbst bildete Chnum mit der Göttin Menhit und ihrem gemeinsamen Sohn Heka eine eigene Trias. Sein Beiname "Herr der Krokodile" gründete sich auf den Glauben, dass sein Schweiß am 1. Katarakt den Nil entspringen lassen würde. Mit der Erbauung seines ersten Tempels stieg Seni (Esna) in der 18. Dynastie zur Hauptstadt des 3. oberägyptischen Bezirkes (Nomos) auf. Unter Ptolemaios III. Evergetes I. (246 - 221) wurde der alte Tempel des Chnum neu errichtet und erweitert. In römischer Zeit wurde diesem Chnum Tempel unter Kaiser Claudius (41 - 54 n. Chr.) dann ein großer Pronaos hinzugefügt, welcher bis heute erhalten blieb. An den Decken innerhalb, sowie auf den Außenseiten der Wände und in den Kehlungen der Giebel dieser Vorhalle, setzten alle römischen Kaiser bis einschließlich Decius (249 - 251) ihre Kartuschen, sobald sie am Mons Claudianus zum Pharao gekrönt worden waren. Leider wurden der in früh ptolemäischer Zeit errichtete Neubau und sein Naos bereits im Mittelalter abgetragen. Der alte Tempel des Chnum war inzwischen weitgehend verfallen wurde 1842 durch Mohammed Ali abgerissen. Lediglich die ungewöhnlich schöne Vorhalle aus römischer Zeit steht heute noch und gewährt mit ihren Inschriften einen Einblick in den Kult des Chnum. Serge Sauneron berichtet daher durchaus richtig : "Obwohl Chnum schon ein Gott der ältesten Zeit ist, kennen wir ihn am besten aus den Texten des Tempels von Esna, die nicht früher als in den beiden ersten nachchristlichen Jahrhunderten zu datieren sind." Und fügt hinzu : "Mit den erstaunlich reichen Inschriften auf den Wänden und Säulen befasst man sich erst seit wenigen Jahren. ... Die bedeutendsten Texte stammen aus der Zeit [der Pharaonen] Trajans und Hadrians (2. Jahrhundert n. Chr.), die spätesten wurden noch unter Decius (um 250 n. Chr.) angebracht. Für uns sind sie die letzte Sammlung hieroglyphischer Texte, die wir aus dem alten Ägypten kennen." Dieser Aussage von Serge Sauneron sei hinzugefügt, dass die von dem Kaiser Marc Aurel (161 - 180) gesetzten Texte ebenfalls eine hohe geschichtliche Bedeutung haben, da sie mit seiner Expedition zu dem in Kom Ombo befindlichen Tempel des "Lunus" (Chons) in Bezug stehen, wie aus dem Bericht des Aelius Spartianus hervorgeht. Der Tempel des Chnum zu Esna gibt demnach also sowohl über das Pharaonentum der römischen Kaiser, als auch über den altägyptischen Schöpfergott Chnum umfangreiche Auskunft. Schön wäre es, wenn dieser bereits für die 3. Dynastie nachgewiesene Kult des Chnum hier eingehender erörtert werden würde, denn seine Schöpfungsgeschichte hatte in den Glaubensvorstellungen der alten Ägypter offenbar eine zentrale Bedeutung gehabt und ist zudem sehr konkret, griffig und gut nachvollziehbar. Lolli Quellen : Sauneron, Serge : Le temple d'Esna, Vol. 1 - 4, Nos. 1 - 546, Kairo 1963 - 1975. Hallof, Jochen : Le temple d'Esna, Vol. 5, Nos. 547 - 646, Kairo 2009. Sauneron, Serge : Art. Chnum u. Art. Esna. In : Posener, Georges ; Sauneron, Serge ; Yoyotte, Jean : Lexikon der ägyptischen Kultur, Wiesbaden 1960, S. 46 u. S. 65. Wilkinson, Richard ; Bertram, Thomas : Die Welt der Götter im Alten Ägypten, Darmstadt 2003. Hölbl, Günther : Altägypten im Römischen Reich : der römische Pharao und seine Tempel, Mainz 2000. Aelius Spartianus : The life of Antoninus Caracalla, Abschnitt VII. Aus : Magie, David : The scriptores Historiae Augustae, Vol. 3, Cambridge 1921. http://www.public-library.uk/ebooks/18/79.pdf Bonnet, Hans : Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, 3. Aufl. Berlin 2000. Selket's Ägypten https://www.selket.de/aegyptische-goetter/chnum/ Nefers Hapiland https://nefershapiland.de/esna.htm (Esna) Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Chnum (hnmw) Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Chnumet (hnmw.t) Das Grab der Prinzessin Chnumet https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/morgan1903/0064/scroll Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Tempel_von_Esna (Pronaos) Nile cruise Egypt - The city of Esna https://nilecruisebooking.com/the-city-of-esna/
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