Hallo alle zusammen, im Moment ist es bei mir zeitlich eng, daher zum bisherigen kurz nur so viel: Zwischen den europäischen und den ägyptischen Schleifrillen gibt es mehrere Gemeinsamkeiten: 1. Anbringung an Gebäuden, i. R. nicht an natürlichen Gebilden, und zwar i. R. an Außenseiten. 2. Zumeist bis in Körperhöhe, bzw. lassen sich höherliegende Schleifspuren auf ein nicht mehr vorhandenes, einst jedoch begehbares Niveau zurückführen. 3. Formal besteht kein signifikanter Unterschied in der Art der Herstellung zwischen europäischen und ägyptischen Schleifrillen. Es lassen sich zwar verschiedene Typen differenzieren (zB lange Schlitze, breitovale tiefe Rillen etc.),doch sind diese nicht auf ein bestimmtes Land beschränkt. 4. Die Herstellungstechnik ist gleich: durch Schaben und Kratzen mit einem spitzen oder klingenartigen Instrument. Für die mir bekannten Beispiele kann ausgeschlossen werden, daß die Rillen durch meisseln oder aushacken entstanden sind. 5. Die mir durch Autopsie und Dank der Hilfestellung im Forum durch Fotos bekannten Exemplare in Europa und Ägypten bekannten Schleifrillen verteilen sich innerhalb einer gewissen Variabilität wie folgt: a.) sie sind fast ausschließlich senkrecht angeordnet, b.) treten in horizontalen Gruppen auf, c.) liegen am häufigsten unmittelbar über der unteren Lagerfuge eines Bauglieds (zB Quader), d.) bei zwei- und mehrreihigen Serien auf einem Bauglied (Quaderspiegel, Profilstück) liegt die zweite (=jüngere) Reihe über der ersten, wobei die Achsen der Schleifrillen grosso modo übereinstimmen. e.) figürliche Darstellungen werden bei den ägyptischen Exemplaren in der Regel gemieden (mir im Moment bekannte Ausnahme: zB Medinet Habu), nicht jedoch Hieroglyphentexte. Dieser Punkt läßt sich für Europa wohl ausschließen, zumindest sind mir in Europa keine Wetzrillen über Bauinschriften bekannt. Bezüglich der Schleifrillen über Hieroglyphentexten ist vielleicht bemerkenswert, daß etwa die Schleifrillen auf den Fotos von Haremhab offensichtlich den senkrechten Spaltentrenner der Inschrift folgen. Als erste Zwischenbilanz würde ich als Arbeitshypothesen ableiten: 1. Aufgrund der Systematik in der Art der Anbringung sind die Schleifrillen eindeutig anthropogen. Formal ist eine Genese durch Erosion (fluviativ oder aeolisch) auszuschließen. Ausschwemmungen z. B. durch Traufwasser etc. sehen anders aus, Winderosion (Windmarken) ebenfalls. Tierfraß (vgl. die ethologisch und ornithologisch nette Geschichte mit den "über Generationen hinweg ... gruppenwetzenden Vögeln") ist von der Form wie von der systematischen Verteilung her gesehen auszuschließen. 2. Die unter 1 - 5 genannten Gemeinsamkeiten zwischen europäischen und ägyptischen Schleifrillen lassen vermuten, daß die Anbringung von Schleifrillen auf die gleiche oder zumindest eine ähnliche Motivation zurückzuführen ist. Damit fallen Interpretationen weg, die sich auf regional beschränkte Bräuche stützen (zB Handlungen bei Gerichtsakten, Hochzeiten etc.). Als man die Schleifrillen eingrub, gab es noch keine "Globalisierung". 3. Aus 2 wäre abzuleiten, daß die Motivation entweder von einem gemeinsamen kulturellen Verhalten abhängt, oder auf den Import einer noch zu bestimmenden (europäischen?) Gepflogenheit. Für Ägypten enden meiner Meinung nach mögliche kulturelle Gemeinsamkeiten spätestens mit der Islamisierung. (Christen -> Kopten -> Islam) Die "Wiederentdeckung" Ägyptens durch die Europäer wäre ein denkbarer Terminus für einen Import einer europäischen Schleifrillen-Tradition. Ich denke dabei vor allem an die Zeit der "Kavalierstouren" im Anschluß an die napoleonischen Unternehmungen, oder an die "Ägyptomanie" mit der damit verbundenen Mystifizierung einer bislang unverstandenen pharaonischen Kultur. Allerdings ist das noch mehr als Spekulation daher:  Ich persönlich will mir aber durch die Diskussion über den Zweck dieser Rillen und die damit verbunde Auseinandersetzung mit vagen Andeutungen, esoterischen Wunschvorstellungen und vermeintlich uralten Kulten (es fehlen nur mehr die Hoopi-Indianer und der Schamanismus)den Blick auf die Originale und die bauarchäologischen Befunde verstellen. Selbst über die aus Pkt. 3 möglichen Konsequenzen mehr zu sagen, wäre für mich noch zu früh. Von einigen Denkansätzen dazu - aus Zeitgründen - später mehr ... Nachsatz, weil es zeigt, mit welchen Fußangeln man es zu tun hat, wenn man die Dinge ohne Befund beurteilt und sie zu sehr verallgemeinert: Zitat:
Frauen schabten etwas von diesen heiligen, alten Steinen ab, um etwas von deren magischer Wirkung abhaben zu können. |
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Advocatus Diaboli: "Setzt das nicht voraus, daß die ägyptischen und die europäischen Frauen vor dem 19. Jahrhundert über die gleichen medizinischen Vorstellungen bezüglich des Steinmehls und über die gleiche Freiheit der Mobilität verfügten?" Grüße Dirk
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 13:46:35
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