Hallo, Offenbar liegt hier ein Missverständnis vor. Der Standort der von Bietak in seine chronologischen Betrachtungen zum Exodus einbezogenen Hütten ist nicht in Medinet Habu, sondern im südlichen Bereich der nördlichen Außenmauer des Millionenjahrhauses von Eje und Haremhab zu suchen. Insofern sind die Äußerungen in dem Buch von Zerbst nicht auf die von mir vorgestellten und umstrittenen Unterkünfte im Komplex Ramses’ III. zu beziehen, wie ich ursprünglich aufgrund der Fragestellung vermutet hatte. Die Hütten im Eje/Haremhab-Komplex sind bei U. Hölscher, The Excavation of Medinet Habu – Volume II, The Temples of the Eighteenth Dynasty, Chicago 1939, S. 71f. publiziert. Hierbei stellen sich aber einige Probleme: (1) die „Hütten“ sind nicht in Sandschichten konserviert, sondern nur als Rillen („grooves“) von 15-20cm Breite und 10-20cm Tiefe im Felsuntergrund fassbar. (2) in den Ecken der Rillen sind dickere Vertiefungen, die auf Pfosten schließen lassen (3) die Rillen waren nach Darstellung Hölschers völlig fundfrei. Dies widerspricht M. Bietaks Darstellung in ÄL X, S. 179, wo er angibt, Hölscher hätte in den Rillen Funde gemacht, die darauf hinwiesen, dass es sich hier um Schilfwand-Konstruktionen handle – Hölscher schildert dagegen ausschließlich moderne Beispiele der Bauweise (was wohl von Bietak mißverstanden wurde). Die Überlegung U. Hölschers, sie seien – ähnlich der modernen Bauweise der Landbevölkerung – als Stützrillen für Schilfwände zu werten, läßt sich insofern nicht verifizieren (sinnvoll ist sie natürlich trotzdem). Diese Bauweise ist in Ägypten auch heute für temporäre Bauten – etwa während der Ernte auf Feldern u.ä. sehr verbreitet. (4) Die Datierung der Hütten ist unklar. Da sie sich innerhalb des Temenos des Haremhab-Komplexes befinden und parallel zu dessen Außenmauer ausgerichtet sind, ist es sinnvoll hier eine zeitliche Parallele zu vermuten. Hölscher selbst vermutet, dass die primitive Bauweise der Hütten dafür spricht in ihnen Bauten der Arbeiter zu sehen, die am Abriss des Tempels des Eje/Haremhab beteiligt waren. Da Ramses III. mit seinem eigenen Millionenjahrhaus noch Rücksicht auf den benachbarten Bau des Eje/Haremhab nahm, ist anzunehmen, dass dieser zur Zeit Ramses’ III. noch bespielt wurde und intakt war. Daher kommt für die Datierungsüberlegungen Hölschers und Bietaks nur ein Zeitraum NACH Ramses III. in Betracht. In unmittelbarer nördlicher Nachbarschaft zum Eje/Haremhab-Komplex liegt der Tempelbau Ramses’ IV. Die Ausdehnung dessen Tempels machte eine teilweise Abtragung der nördl. Umfassungsmauer des Eje/Haremhabkomplexes notwendig. Die spätest nachweisbaren Spolien aus dem Eje/Haremhabkomplex stammen aus der Zeit des Herihor in Karnak. Daher ist der in Betracht kommende Zeitraum von Ramses IV. bis Ramses IX. abzustecken. Aufgrund der zeitlichen Näher der Hütten-Datierung unter Ramses IV. zum Umfeld der Exodus-Erzählung (Pithom, Piramesse...) möchte Bietak den Exodus als Erinnerung an Einwanderungsbewegungen von Schasu-Beduinen bzw. Protoisraeliten nach Ägypten oder Gefangenenaufenthalte dieser Gruppen in Folge der Ramses III.-Feldzüge sehen. Die Drei- und Vierraumhäuser bilden in der Eisenzeit I und II den Grundtyp in Israel, wobei eine Entwicklung vom Drei- zum Vierraumhaus nachvollzogen werden kann. Charakteristisch ist für die Drei- und Vierraumhäuser der halbüberdachte Hof, der den Zugang zu den anderen Räumen ermöglichte (die Pfostenlöcher stellen Reste der Stützkonstruktion dar, die ein Mattendach trug). Wurde in früherer Forschung des Drei-/Vierraumhaus in Kanaan mit „israelitischen“ Gruppen in Zusammenhang gebracht, tendiert man heute v.a. wegen der besseren Kenntnis über die Verbreitung und Nutzung dieses Haustyps dazu, in ihm eine speziell auf Agrarwirtschaft ausgerichtete Hausform ohne ethnische Affinität zu sehen. Die Struktur war gezielt den Bedürfnissen von Bauern angepasst (vgl. H. Weippert, Palästina, München 1988, S. 396ff.). Dies deckt sich mit der dort gefundenen Keramik (Vorratsgefäße). Problematisch an Bietaks Identifizierung ist die Tatsache, dass wir bereits in Amarna sogenannte Zweistreifenhäuser (also eine vorgesetzte Hofeinheit und zwei Räume im hinteren Bereich) bzw. Dreiraumhäuser als typische Wohnstruktur einfacherer Bevölkerungsgruppen vorfinden (in Deir el-Medine wird das dann erweitert zum Dreistreifenhaus) und dass dieser Typus in Ägypten selbst (auch innerhalb Amarnas) diverse Typen und Varianten aufweist. Es kann also keinesfalls ausgeschlossen werden, dass eine innerägyptische Entwicklung vom Drei- zum Vierraumhaus vorliegt bzw. dass hier eine eigentlich typische (temporäre) Bauform einfacher Arbeiter vorliegt, die in Ägypten in Schilf und anderem organischen Material errichtet wurde und daher kaum noch nachzuweisen ist (von den zahllosen modernen Schilfhütten auf den Feldern bleibt für zukünftige Archäologen ja auch nichts übrig). Da in der Hütte, die im Eje-/Haremhabkomplex gefunden worden war, kein einziger Fund früherer Besiedlung gemacht werden konnte, bleibt völlig offen, wer dort gewohnt hat (auf sichereren Füßen stünde man etwa dann, wenn dort auch kanaanäische Vorratskrüge mit Halswulst o.ä. gefunden worden wären). Ausländische Kriegsgefangene und Zwangsverpflichtete kommen angesichts der Zeitumstände natürlich in Frage. Auf eine einzige Hütte eine Exodus-Theorie aufzubauen ist meiner Meinung nach etwas mutig. Gruß A. Zur kanaanäischen Wohnarchitektur der Eisenzeit vgl. Protoisraelitis che Wohnarchitektur1
> Antwort auf Beitrag vom: 09.06.2005 um 22:23:17
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