Auf der Suche nach dem Namen der im ptolemäerzeitlichen Ägypten in etruskisches Leinen eingebundenen Frau kam zudem ein Papyrus in das Blickfeld, welcher zusammen mit der Mumie begraben worden sein soll. Dieser Papyrus nennt namentlich wohl Nesi-hensu, die Frau eines Schneiders aus Theben, welcher selbst den Namen Paher-hensu trug, wie aus einem 2017 veröffentlichten Artikel von Claudia Frickel hervorgeht: https://web.de/magazine/wissen/mystery/liber-linteus-zagrabiensis-geheimnis-agramer-mumienbinde-32561556. Mich selbst hat diese Zuordnung des Papyrus insofern irritiert, weil ich dem etruskischen Leinenbuch hier gerne einen etruskischen Frauennamen zur Seite gestellt hätte. Vielleicht wurde er dereinst tatsächlich in dem Text des Leinenbuches genannt, doch von den ursprünglich wohl acht Streifen sind drei zwischenzeitlich verloren gegangen. Immerhin datiert der hier eingeführte Artikel die Entstehungszeit des Liber linteus ebenfalls in die Zeit um 250 v. Chr. und folgt damit den erstmals von Jakob Krall vorgeschlagenen Datierungen. Der Liber linteus wurde 2008 durch den Etruskologen Lammert Bouke van der Meer bearbeit und erfuhr 2013 durch Fred Woudhuizen eine erste Übersetzung, die ich jedoch nicht besorgen konnte. Zur Verfügung steht aber eine Rezension, welche die Linguistin Karin Westin Tikkanen verfasste: https://www.academia.edu/9282463/Fred_C_Woudhuizen_The_Liber_linteus_A_Word_for_Word_Commentary_to_and_Translation_of_the_Longest_Etruscan_Text_Innsbrucker_Beitr%C3%A4ge_zur_Kulturwissenschaft_Neue_Folge_Bd_5_Innsbruck_Institut_f%C3%BCr_Sprachen_und_Literaturen_der_Universit%C3%A4t_Innsbruck_Bereich_Sprachwissenschaft_2013. Tikkanen begrüsste den von Woudhuizen erstellten Übersetzungsvorschlag ausdrücklich, warnte aber vor der zu erwartenden offenen Ablehnung, da es unter den Etruskologen offenbar nur einen ungenügenden Austausch gibt, sodass die nötigen Konventionen bei der Interpretation der etruskischen Inschriften noch nicht getroffen waren. Ungeachtet dessen lässt sich aus Woudhuizens überarbeiteter, 2019 erschienener Fassung S. 345 folgendes entnehmen: Woudhuizen hatte bereits 2008 ermittelt, dass sich auf dem Leinenstück Columne VII, Zeile 20 die Angabe "from the place ... Volsinii" findet. Dies interpretierte er dahingehend, dass der Liber linteus dereinst (ca. 200-150 BC) in einem Heiligtum in Volsinii, nahe dem See Bolsena, genauer clavus annalis im Tempel der Nortia bei Volsinii (Velzna) abgefasst worden sein wird. Obwohl uns kein Name vorliegt, könnte man die dereinst in Alexandrien beigesetzte Etruskerin also als Dame von Volsinii (Velzna) bezeichnen. https://www.talanta.nl/wp-content/uploads/2022/01/Woudhuizen-2019-Etruscan_as_a_Colonial_Luwian_Language.pdf. Jakob Krall, welcher noch alle 10 Stücke des Leinenbuches kopierte, vermutete, dass es sich bei diesem Leinenbuch um einen funerär-liturgischen Text handelt. Der Mumie war ansonsten ein kleiner Zettel beigefügt auf dem geschrieben stand: Mumia iz Mizira, Mumie aus Ägypten. Was wissen wir im übrigen über den beigefügten Papyrus ? Soweit ich Krall, Seite 27 verstanden habe, waren in dem beigefügten Inventar - neben den Mumienbinden - auch "beschriebene Stücke von Papyrusgras" genannt worden, doch konnte er dieselben zu seiner Zeit nicht feststellen, da ihm selbst keine Papyrusfragmente vorlagen. Mit dem etruskischen Liber linteus zagrabiensis dahingegen liegt uns sicherlich eines der merkwürdigsten Schriftdenkmäler vor, welches jemals von Ägyptologen untersucht worden ist. Gruß Lolli
> Antwort auf Beitrag vom: 24.01.2025 um 05:37:24
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