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   Athanasius Kircher (13)
  Autor/in  Thema: Athanasius Kircher
caliburn  weiblich
Member



Athanasius Kircher 
« Datum: 12.12.2005 um 21:23:44 »   

Hallo!

Ich habe gelesen, dass Pater Athanasius Kircher im 17. Jh. in einem seiner Werke die Koptische Grammatik behandelte, auch eine Art Wörterbuch dazu herausgegeben hatte. Ich konnte nur nicht in Erfahrung bringen, wie der titel dieses Werkes ist und ob es noch aufgelegt wird sowie, ob man es auf Deutsch erwerben kann.


Weiß jemand auf meine Fragen eine Antwort zu geben? Bitte!

caliburn
Rolf  
Gast

  
Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #1, Datum: 12.12.2005 um 22:03:13 »     

Hallo,

Zitat:
Koptische Grammatik behandelte, auch eine Art Wörterbuch?

Wie mir kürzlich ein Antiquar in Bern eindrücklich belegte, sind die Originalwerke von Kircher heute ziemlich teuer. Ob es inzwischen billigere Nachdrucke gibt, weiss ich leider nicht.

Zu Kircher an sich:

Wikipedia

Kircher im Internet

gekürzt von Iufaa

Nachtrag von Rolf: diesen Beitrag hat der Administrator leider ohne Einwilligung in dieser vestümmelten und von ihm willkürlich ergänzten Form stehen gelassen.
« Letzte Änderung: 28.12.2005 um 18:27:08 von Rolf »
> Antwort auf Beitrag vom: 12.12.2005 um 21:23:44  Gehe zu Beitrag
Astrodoc  maennlich
Member



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #2, Datum: 12.12.2005 um 22:20:17 »   

Meinst Du das?




Übrigens: Bei einem bekannten online-Antiquariat, das mit "abe" beginnt und mit "books" aufhört, kannst Du das Buch für 2500EUR käuflich erwerben. (zzgl. Versandkosten  )

Schöne Grüße
Astrodoc
« Letzte Änderung: 12.12.2005 um 22:26:21 von Astrodoc »
> Antwort auf Beitrag vom: 12.12.2005 um 21:23:44  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #3, Datum: 12.12.2005 um 23:07:47 »   

Hallo, caliburn,

die Koptische Grammatik und das Wörterbuch finden sich in ...
Ath
anasius Kircher, Lingua aegyptiaca restituta, Romae, 1643

... wie Du siehst, online, bzw. zum herunterladen. Auf jeden Fall also preisgünstig

Dieses Buch liegt nur in Latein vor. Es ist mir keine Übersetzung in eine andere Sprache bekannt.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 12.12.2005 um 22:20:17  Gehe zu Beitrag
caliburn  weiblich
Member - Themenstarter



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #4, Datum: 13.12.2005 um 21:32:06 »   

@ Astrodoc

Keine Ahnung, ob es das ist, was ich meine, ich kann kein Latein, aber es sieht fast so aus.
Ist aber auch ziemlich teuer, Was heißt, ziemlich, sauteuer. Naja, ich wollte es nur so rein interessenhalber wissen.
Du kennst nicht zufällig eine preisgünstigere, dt. Ausgabe?

@ Michael Tilgner

Danke für den Link. Schade nur, ich kann kein Wort davon verstehen.   Wäre aber wirklich richtig günstig gewesen.
> Antwort auf Beitrag vom: 12.12.2005 um 23:07:47  Gehe zu Beitrag
Mubarek  
Gast

  
Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #5, Datum: 16.12.2005 um 00:02:55 »     

Ausser einem bibliophilen Werk mehr in Deiner Büchersammlung hast Du beim frommen Athanasius auch nichts versäumt.
Aus einer Dissertation zitiere ich mal zwei Sätze zu Kircher:

Zitat:
...Athanasius Kircher vollbrachte sogar das Kunststück, nicht nur die Hieroglyphen ebenso vollständig wie falsch zu übersetzen, sondern dazu noch zwischen 1652 und 1654 vier annähernd 2000 Seiten umfassende Bücher mit allem möglichen Unfug über Land und Leute zu füllen, ohne  jemals auch nur einen Fuß auf ägyptischen Boden gesetzt zu haben. Das brachte ihm zumindest die Ehre ein, von bestimmten Historikern zum Vater der Ägyptologie ernannt zu werden...

Hierzu auch gleich der entsprechende Literaturhinweis:
Eisenhauer, Gregor; Scharlatane; Eichborn Verlag, Frankfurt Main; 1994
« Letzte Änderung: 16.12.2005 um 01:05:00 von Mubarek »
> Antwort auf Beitrag vom: 13.12.2005 um 21:32:06  Gehe zu Beitrag
caliburn  weiblich
Member - Themenstarter



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #6, Datum: 16.12.2005 um 20:17:11 »   

@ Mubarek

Oh, da hätt eich mich aber wirklich angeschmiert.  
Denn ich lese gerade von Hilary Wilson "Hieroglyphen lesen", und da steht nämlich, dass besagtes Werk von Athanasius ein wichtiges Handbuch für angehende Ägyptologen sei (naja, ich nur interesenhalber), weil er nämlich wirklich einen wichtigen Schritt geleistet hätte, auf den sogar Champollion zurückgreifen konnte.
Und man ist ja geneigt, einer solchen Autorität Glaube zu schenken.  
> Antwort auf Beitrag vom: 16.12.2005 um 00:02:55  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #7, Datum: 17.12.2005 um 11:14:36 »   

Lieber Mubarek,

Deiner Meinung bzw. der von Hr. Eisenhauer zur Bedeutung von Athanasius Kircher muß ich vehement widersprechen!

Georg Eisenhauer war mir bis dato unbekannt. Ein Blick auf die Vita von Georg Eisenhauer ruft nicht gerade in mir den Eindruck hervor, daß es sich hier um einen ausgewiesenen Fachmann zur Geistesgeschichte der Renaissance bzw. der Geschichte der Ägyptologie handelt.

Zudem ist die zitierte Aussage an Pauschalität kaum noch zu überbieten. Ich möchte mal die Frage stellen, ob Hr. Eisenhauer auch nur eine von den erwähnten 2000 Seiten gelesen hat, die Kircher zum alten Ägypten und zu seiner Schrift geschrieben hat - nämlich alle in Latein.

Um das Werk eines Wisenschaftlers zu würdigen, sollte man seinen historischen Kontext berücksichtigen. Bekanntlich war er - wie alle anderen dieser Epoche - im Glauben gefangen, die Hieroglyphen seien rein symbolischer Natur. Seine Übersetzungsversuche sind daher völlig verfehlt.

Er wurde mit der Aufgabe betraut, ein koptisch-arabisches Vokabular, das Pietro della Valle aus Ägypten mitgebracht hat, zu übersetzen. Die Beschäftigung mit dem Koptischen führte zu einer Reihe von Werken - in vorherigen Postings erwähnt -, die anderen Gelehrten das Rüstzeug an die Hand gaben, sich intensiver mit dieser Sprache zu beschäftigen. Es war ihm und seinen Zeitgenossen klar, daß es sich beim Koptischen um die letzte Sprachstufe des Altägyptischen handelt.

Auch sein vierbändiges Werk "Oedipus aegyptiacus" (1652-54) hatte großen Einfluß auf die Diskussion seiner Zeit und rief ein enormes Interesse am alten Ägypten hervor, das erst durch die französische Expedition übertroffen wurde.

Unter einem Scharlatan versteht man - laut Duden - einen "Schwindler, der bestimme Fähigkeiten vortäuscht". Das kann man Kircher nun wirklich nicht unterstellen. Er stellte die ihm bekannten hieroglyphischen Inschriften zusammen, versuchte, sie zu interpretieren, und machte Übersetzungsvorschläge; allerdings im Rahmen von Annahmen, die erst Champollion als irreführend erkannte.

Sich mit Kircher heute zu beschäftigen, ist nur für den sinnvoll, der sich dafür interessiert, auf welchen Wegen - auch Irrwegen und Umwegen - sich die Wissenschaft entwickelt hat. Wer nur die Ergebnisse der ägyptischen Sprachforschung rezipieren möchte, dem sei z.B. eine moderne Grammatik empfohlen. Ich vermute mal, auch das hatte Hr. Eisenhauer nicht im Sinn.

Viele Grüße,
Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 16.12.2005 um 00:02:55  Gehe zu Beitrag
Mubarek  
Gast

  
Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #8, Datum: 18.12.2005 um 03:40:49 »     

Lieber Michael Tilgner,

zunächst einmal, um nicht in falschen Verdacht zu geraten, ich heisse nicht Eisenhauer, noch nicht einmal Gregor, sehe nicht aus wie Gregor Eisenhauer und bin, last but not at least, zwölf Jahre älter als er.
Die von Dir aufgerufene Vita Eisenhauers ist in der Tat erstaunlich dürftig, aber die stammt anscheinend nicht von ihm selbst, sondern von einem seine Werke verlegenden Verlag.
Ob der von Dir gescholtene Autor tatsächlich die vier Bände des Oedipus Aegyptiacus gelesen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber der Mann ist promovierter Literaturwissenschaftler und so denke ich, dass er zumindest das Kleine Latinum haben und damit (und einer guten Grammatik) dazu in der Lage sein wird.

Den Duden hast Du völlig richtig zitiert, denn "ein Schwindler, der bestimme Fähigkeiten vortäuscht" ist Athanasius Kircher allemal gewesen:

Der Berliner Orientalist Andreas Müller schickte seinem berühmten Zeitgenossen Kircher einen Zettel mit unsinnigen Zeichen und ließ anfragen, ob es sich dabei um (ägyptische) Hieroglyphen handele. Kircher bejahte enthusiastisch und übersetzte...

1666, als Athanasius' Ruhm schon unantastbar geworden war, bat ihn Papst Alexander VII., der in getreuer Nachfolge seiner Vorgänger ebenfalls zu seiner und seines Gottes Ehre einen Obelisken ausgraben ließ, um eine Übersetzung. Diesmal war der Triumph ein noch gewaltigerer. Zunächst waren nur drei Seiten des Monuments zugänglich, aber Kircher, im sicheren Bewußtsein göttlicher Beihilfe, prognostizierte den Inhalt der verborgenen vierten. Als der Obelisk aufgerichtet war, mußten - will man seinem hagiographischen Lebensbericht Glauben schenken - selbst die hartnäckigsten Kritiker zugeben, daß Athanasius der Wirklichkeit erneut zuvorgekommen war...

Zitat:
Um das Werk eines Wisenschaftlers zu würdigen, sollte man seinen historischen Kontext berücksichtigen. Bekanntlich war er - wie alle anderen dieser Epoche - im Glauben gefangen, die Hieroglyphen seien rein symbolischer Natur. Seine Übersetzungsversuche sind daher völlig verfehlt.

Sie waren mehr als nur verfehlt, sie waren purer Unsinn. Die Hieroglyphenzeichen für den Namen Domitian übersetzte er mit:
"Die wohltätige Zeugungskraft, die über das Obere und Untere herrscht, vermehrt das Zuströmen der heiligen Feuchtigkeit, die von oben herabkommt. Saturn, der die flüchtige Zeit ordnet, der wohltätige Gott, fördert die Fruchtbarkeit der Äcker und hat Macht über die feuchte Natur."

Zitat:
Um das Werk eines Wisenschaftlers zu würdigen, sollte man seinen historischen Kontext berücksichtigen.

Da stimme ich Dir zu. Aber welches Werk soll bei Kircher gewürdigt werden? - Doch bestimmt nicht sein wissenschaftliches, denn das war ausgesprochen unwissenschaftlich, weil erstunken und erlogen. Es bleibt nur der Würdigung wert, dass er ein enormes Interesse am Alten Ägypten erzeugt hat. Wie etwa 200 Jahre später (1871) Giuseppe Verdi mit der Uraufführung von "Aida" auch.

Viele Grüße
M u b a r e k
« Letzte Änderung: 18.12.2005 um 04:01:36 von Mubarek »
> Antwort auf Beitrag vom: 17.12.2005 um 11:14:36  Gehe zu Beitrag
Inpw  maennlich
Member



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #9, Datum: 18.12.2005 um 10:38:51 »   

Lieber Mubarek,

ich denke, dass deine Kritik an Kircher unfair ist. Im XVII jhr. hat er es versucht, die Hieroglyphen zu entziffern d. h. bevor die Europäer begannen, analytisch und "wissenschaftlich" zu denken. Damals konnten sehr Wenige sich mit der Ägyptologie beschäftigen und Kircher hat dazu beigetragen, die Hieroglyphenschrift zu verstehen und das Interesse daran zu verbreiten, obwohl seine Interpretation heutzutage ganz falsch ist. Aber so ist es immer: bevor ein Mann (z. B.: Einstein, Colón, Champollion...) etwas entdeckt, soll es viele Männer vorher gegeben haben, die falsche Theorien formuliert haben. Denn der Entdecker vermutet, dass solche Theorien falsch sind und bemüht sich darum, das Gegenteil zu beweisen.

Viele Grüsse,

Inpw  
> Antwort auf Beitrag vom: 18.12.2005 um 03:40:49  Gehe zu Beitrag
Mubarek  
Gast

  
Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #10, Datum: 18.12.2005 um 12:34:39 »     

Lieber Inpw,

das Formulieren von Thesen, gleich ob sie sich als falsch oder richtig erweisen, gehört zu den natürlichen Privilegien der Wissenschaft und steht ausserhalb jeder Kritik.
Kirchers Versuche, die Hieroglyphen zu entschlüsseln, sind lobenswert und dafür gebührt ihm Anerkennung. Allerdings haben auch andere sich an diesen Schriftzeichen versucht und sind gescheitert, was ihrer Reputation keinen Abbruch tat.
Doch wer wider besseres Wissen und, salopp formuliert, um keinen Stein aus seiner wissenschaftlichen Krone zu verlieren, bewusst Falsches in die Welt setzt, entspricht der von Michael Tilgner bereits zitierten Definition des Dudens; er macht sich der Scharlatanerie schuldig.
Schlimmer noch, Athanasius Kircher wusste, daß er sich das leisten konnte, waren doch seine veröffentlichten "Erkenntnisse" nicht nachprüfbar.

Viele Grüße
M u b a r e k
> Antwort auf Beitrag vom: 18.12.2005 um 10:38:51  Gehe zu Beitrag
Gast_A.  maennlich
Member



Re: Athanasius Kircher 
« Antwort #11, Datum: 18.12.2005 um 16:06:14 »   

Hallo Mubarek,

Du nanntest einen
Zitat:
„hagiographischen Lebensbericht“
des A. Kirchner. Kannst Du das auch etwas konkreter benennen? Vielleicht einen Autor o.ä. oder eine Info, ob dies ein zeitgenössischer oder posthumer Bericht ist?

Der wissenschaftliche Beitrag A. Kirchers liegt sicherlich v.a. in der Veröffentlichung des ersten koptisch-lateinischen Wörterbuches bzw. einer Grammatik (s.o. Antwort #7), auf die ja auch Champollion maßgeblich aufbaute.
Allerdings sollte eben berücksichtigt werden, dass die „Ägyptologie“ ja noch gar nicht geboren war und Maßstab aller Interpretationen eben die Darstellungen des Alten Testaments bzw. der Hebräischen Bibel waren. Dahin gehend ist auch Inpw’s Anmerkung (s. Antwort #9) zu relativieren, denn Ägypten war damals sehr wohl Mittelpunkt eines breiten wissenschaftlichen Interesses. Aber eben keines ägyptologischen. Und das sollte auch Berücksichtigung in der Beurteilung Kirchers finden. Seine Studien entstammen dem Gebiet der Hermetik und nicht der Ägyptologie (die es damals ja eben noch nicht gab). Sein Wert für die Ägyptologie ist deshalb ein indirekter.
Seine Bemühungen um die ägyptischen Hieroglyphen beruhen auf der damals allgemeingültigen Annahme, dass sich in Sprache, Schrift und Kunst Spuren der so genannten Engelssprache (Henochisch/Natursprache) finden ließen. Kircher  suchte in seinen „Grammatiken“ und Hieroglyphen-Werken dieser Engelssprache über Formvergleiche u.a. mit Sternbildern, alten Schriften u.ä. näher zu kommen. Er „saugte“ sich seine Übersetzungen also nicht aus den Fingern, sondern begründete sie auf - für damalige Verhältnisse - wissenschaftlichen Studien. Seine Phantasie-Übersetzungen resultieren auf diesen empirischen Untersuchungen und führen dort wo sie von universalen semiotischen Prinzipien ausgehen, teilweise sogar in eine richtige Richtung (seine „Feuchtigkeit“ in den „Übersetzungen“ bezieht Kircher z.B. aus den Wasserlinien der Hieroglyphe N35).
Aus dem Zeitgeist heraus suchte man damals in allem - auch in der Natur - nach solchen göttlichen Signalen in Form einer Engelssprache. Künstler dieser Epoche bezogen sich in Ihrer Malerei z.B. häufig auf dieses Thema. Bis ins 17. Jh. übernahmen überragende Künstler (z.B. Raffael und Michelangelo) in der Gesellschaft die Rolle von „Boten-Engeln“, die mit ihrer Kunst göttliche Signale transportieren. Antike hermetische Texte waren natürlich Hauptquell für dieses „göttliche“ Wissen und daher auch Zentrum der damaligen wissenschaftlichen Bemühungen.
Die Prinzipien der Signalentschlüsselung folgten dem damals allgemein als „wissenschaftlich“ anerkannten kabbalistischen Prinzipien. Die damit eng verbundene Wissenschaft der Hermetik florierte zu Kirchers Zeit und basiert auf der Vorstellung, dass man Naturgesetze, Natursprachen und Naturprinzipien aus solchen hermetischen Texten entschlüsseln könne. Ägypten galt dabei ja seit jeher als Quell hermetischen Wissens, was sich aus der entsprechenden griechisch-römischen und arabischen Überlieferung erklärt. Die Auseinandersetzung Kircher mit den Hieroglyphen erfolgte insofern nicht zufällig oder aus dem Bewußtsein heraus, dass die Ergebnisse letzten Endes „eh keiner überprüfen konnte“ und hierdurch ein „billiger Erfolg“ vergönnt sei. Kircher ist in diesem Sinne auch kein „Scharlatan“, da er den Prinzipien seiner damaligen „Wissenschaft“ (Linguistik, Hermetik) verpflichtet war. Man denke etwa daran, dass in England nur wenige Jahrzehnte zuvor der Naturwissenschaftler John Dee ebenfalls dem Henochisch (Engelssprache) auf der Spur war und dass man „eben erst“ (1419 n.Chr.) in antiken Manuskripten Abschriften der „Hieroglyphica“ des Horapollin wiederentdeckt hatte, was der Hermetik starken Aufschwung verlieh (vgl. etwa Piero Valerianos „Hieroglyphica“ von 1566 oder John Greaves „Pyramidographia“, 1646). Hier agiert Kircher im Umfeld des Vatikans also im Zeitgeist seines wissenschaftlichen Milieus.
Im Übrigen bemüht sich Kircher schon 1628 - als er noch gar nicht in Rom weilte - um die Entzifferung der Hieroglyphen auf den Obelisken der Papststadt - mit denselben Methoden, die er 60 Jahre später noch anwendet. Wenn Kircher dabei ägyptische Hieroglyphen „idenzifiziert“, die gar keine sind, so liegt das eben auch daran, dass ihm ausser den Stücken (v.a. Obelisken), die damals in Rom standen keine Originalquellen zur Verfügung standen. Die Schwemme an Aegyptiaca erreichte Europa ja erst hundert bis 150 Jahre später.Alles was also nach kuriosen Symbolen aussah, musste von Kircher als potentiell ägyptisch bewertet werden.
Wie von Michael schon angesprochen ist die Bezeichnung Scharlatan zwar für Kircher in der populärwissenschaftlichen Entzifferungsgeschichte der Hieroglyphen ein gebräuchlicher Begriff, aber wohl v.a. deshalb, weil man in solchen Werken immer ein „bösen Buben“ braucht bzw. Stigmatisierung und Polarisierung zum Handwerkszeug derartiger Wissenschaftsjournalisten/-autoren gehört. Jeder vernünftige populäre Pyramidenartikel weist in der Überschrift ja auch mindestens einmal das Wort „rätselhaft“ oder „mysteriös“ auf.

Gruß A.
« Letzte Änderung: 19.12.2005 um 01:04:29 von Gast_A. »
> Antwort auf Beitrag vom: 18.12.2005 um 12:34:39  Gehe zu Beitrag
Mubarek  
Gast

  
Re: Athanasius Kircher Athanasius_Kircher.JPG - 252 KB
« Antwort #12, Datum: 19.12.2005 um 00:15:49 »     

Hallo Gast_A.,

den "hagiographischen Lebensbericht" findest Du ausführlich in eben jenem, von Kaiser Ferdinand III. finanziertem Werk, den vier Bänden des "Oedipus Aegyptiacus". Ebenso lässt er sich zur eigenen Person in "Ars Magna Lucis et Umbrae" aus, seinem Werk über Astronomie und Optik sowie der "Prisca Theologia". Aber es geht auch bescheidener; in der von ihm an der von ihm gefundenen (und zweifelsfrei identifizierten) Stelle, an welcher dem hl. Eustachius der kreuzbewehrte Hirsch erschienen war, erbauten Kirche, ließ er das Altarbildnis der Maria mit einer blutgezeichneten Weiheformel schmücken: "Alle späteren Geschlechter mögen wissen, daß ich Alles, was ich bis jetzt an Gelehrsamkeit erworben oder was ich Gutes geschrieben habe, nicht so fest durch mein Studium und meine Arbeit, sondern daß ich es vielmehr als besonderes Geschenk deiner Huld und durch Voranleuchtung der ewigen Weisheit barmherzigst erlangt habe." - Sein glückliches Geschick ersparte ihm die Erkenntnis, daß er einem Irrlicht gefolgt war.

Gewiss hat sich Kircher schon vor seiner römischen Zeit mit den Hieroglyphen beschäftigt, wie mit anderen Bereichen auch; immerhin war er ein Universalgenie. Und nicht immer war es falsch, was er als Erkenntnis veröffentlichte, wie beispielsweise in der Medizin einige recht nützliche Therapievorschläge.
Traditionell verordnete man den Pestkranken, so sie sich einen Arzt leisten konnten, Purgationen und Aderlässe, was zumindest die Leidenszeit der Patienten verkürzte. Kircher empfahl darüber hinaus fettarme Speisen und den Duft wohlriechender Kräuter - immerhin eine appetitlichere Medikation als das gleichfalls zur Vorbeugung verordnete Elixier ausgepreßter Kröten, von denen er wie viele Pharmazeuten seiner Zeit annahm, daß sie schon ihrer Ähnlichkeit mit den beulenverunzierten Pestkranken wegen eine wirksame Medizin abgeben müßten.

Athanasius Kircher wurde gepriesen, wie selten ein Gelehrter vor oder nach ihm. Ihm fiel überreichlich all das zu, was redlicheren Forschern lebenslang versagt blieb: Ruhm, Geld und die Selbstzufriedenheit des Erfolgs.
Es ist, gerade von Ordensbrüdern, viel geschrieben worden, um Kirchers Scharlatanerie als Makel seiner Zeit zu entschuldigen, aber es war nicht sein methodischer Dilettantismus oder die barocke Lust an der Vielwisserei, die ihn mit so steter Beharrlichkeit in die Irre führte, es war seine religiöse Ignoranz. Kircher sah das, was ihm als Ordensbruder zu sehen erlaubt war, was Anerkennung und Erfolg versprach, mehr nicht. Diese Voreingenommenheit mutet um so scheinheiliger an, als Kircher durchaus für sich in Anspruch nahm, ein nicht nur um theologische Wahrheit bemühter Wissenschaftler zu sein - was er insbesondere dann zur Schau stellte, wenn er andere der Scharlatanerie überführte. Das Kronjuwel der Alchimisten, den Stein der Weisen, entlarvte er mit aufklärerischem Furor als Phantasmagorie. Er ließ sich die Experimente umhervagabundierender Goldmacher vorführen, bewies ihnen kraft seiner eigen Forschungen die Unseriosität ihrer chemischen Spielereien und nötigte sie so zu dem Geständnis, daß allein die Geldnot zu dergleichen Gaunereien zwang.
Mit Unannehmlichkeiten mußte nur rechnen, wer sich erdreistete, Kirchers wissenschaftliche Unfehlbarkeit in Frage zu stellen, was zu seinen Lebzeiten selten genug geschah. Huygens, der niederländische Physiker und Mathematiker, wagte den süffisanten Einwand, daß eher Kirchers Frömmigkeit als seine Forschungen zu loben seien - ohne Erfolg. Erst nachfolgende Wissenschaftlergenerationen bestätigten mit zunehmend einhelliger Respektlosigkeit, daß die gesammelten Erkenntnisse des einstmals so Gerühmten mehr belustigend als genau und richtig sind.

Nicht seine Thesen machen ihn zum Scharlatan, auch nicht die Einbindung in den Geist seiner Zeit, erst recht nicht sein vermeindlich beneideter Erfolg; es ist die wissentliche und vorsätzliche Verbreitung "wissenschaftlicher Erkenntnisse", von denen er selbst wissen mußte und wußte, daß sie nicht das sind, was sie vorgeben zu sein.

Auch der schönste Disput muss einmal ein Ende finden. Meinen vorangegangenen und vorvorangegangenen Ausführungen muss ich nichts mehr hinzufügen. Es scheint, die Ansichten über Athanasius Kircher (Bild im Anhang) waren und sind höchst unterschiedlich und werden es wohl auch zukünftig bleiben.
Allerdings sei mir noch ein kurzer Literaturhinweis gestattet:

Erman, Adolf; Athanasius Kircher; Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 16; Leipzig 1882

Leospo, Enrichetta; Athanasius Kircher und das Museo Kirchereano; Europa und der Orient, 800 - 1900; Hg. Gereon Sievernich und Hendrik Budde; Henschel Verlag, Gütersloh - München 1989

Roland, Paul; Revelations The Wisdom of the Ages; Carlton Books, UK 1995

Viele Grüße
M u b a r e k
« Letzte Änderung: 19.12.2005 um 03:26:52 von Mubarek »

> Antwort auf Beitrag vom: 18.12.2005 um 16:06:14  Gehe zu Beitrag
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