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   Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind (7)
  Autor/in  Thema: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind
Caelatorix  
Gast

  
Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind 
« Datum: 07.12.2022 um 11:04:34 »     

(Trotz sorgfältiger Prüfung übernimmt der Verfasser dieses Beitrags keine Gewährleistung für die Korrektheit von Berechnungen und für evtentuelle inhaltliche Fehler in diesem Beitrag; gilt auch für Übersetzungen.)

Der Paphyrus Rhind (engl. Rhind Mathematical Paphyrus, kurz RMP) ist ein in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts entdeckter altägyptischer Papyrus. Gefunden wurde der Rhind Papyrus in den Überresten eines kleinen Gebäudes nahe des Totentempels Ramses II in Theben. Über Umwege gelangte der Papyrus bei einem Kauf auch anderer altägyptischer Antiquitäten schließlich in die Hände von Henry Rhind, nach dem der Papyrus heute benannt ist. Rhind hielt sich aus gesundheitlichen Gründen 1855-56 und 1856-57 in Ägypten auf. Nach Rhind´s Tod auf der Rückreise von einer weiteren Ägyptenreise in 1863 wurde der Papyrus Rhind zusammen mit einem weiteren altägyptischen mathematischen Dokument, das heute als die Leather Roll (deutsch: Lederrolle) (British Musem Index: BM 10250) bekannt ist, vom British Museum von Rhinds Testamentsvollstrecker aufgekauft (Informationen vom Verfasser dieses Beitrags übersetzt aus [Robins/Shute, B2,9]).

Der Papyrus Rhind enthält diverse Anweisungen für das Erlernen verschiedener mathematischer Berechnungen und eine umfangreiche Liste von Stammbrüchen (auf der Rückseite des Papyrus).
(Hinweis: Stammbrüche sind Brüche, deren Zähler stets den Zahlenwert 1 aufweisen). Der echte Bruch 2/3 stellt für das alte Ägypten die einzige uns heute bekannte Ausnahme hiervon dar [B2,Vorwort[/i]).

Der Papyrus Rhind stellt heute eines der wenigen, uns überhaupt vorliegenden altägyptischen mathematischen Dokumente dar [Wg2].

Das im Papyrus Rhind beschriebene Problem Nr. 57 befasst sich mit der Frage, wie die Höhe einer Pyramide (nach altägyptischer, im Papyrus Rhind überlieferter Methodik berechnet werden kann. [Robins/Shute B2] schreiben hierzu:

[ZITAT]
In no. 57 the pyramid has a base of 140 cubits and it is required to find the height. This is obtained by dividing 7 by twice the seked to get /3, which is then multiplied by 140 to give a height of 93 + /3 cubits.
[ZITAT ENDE] [B2, 47]

(Hinweis: Der bei Robins/Shute verwendete Überstrich über dem Zahlenwert 3 kann hier nicht dargestellt werden. Alternativ wählt der Verfasser den Schrägstrich (engl. slash). Der Begriff cubit kann aus dem Englischen mit Elle (siehe z.B. ägyptische Königselle [Wg1]) übersetzt werden).

In der Übersetzung des Verfassers kann aus dem Zitat von Robins/Shute, dass die Aufgabe Nr. 57 des Rhind Papyrus bespricht, der folgende mathematische Zusammenhang in etwa wie folgend abgeleitet werden:

Teile den Zahlenwert 7 durch den verdoppelten seked (von 5 + /4; Anm. des Verf.) um Drittel (einer Elle) zu erhalten und multipliziere anschließend mit der Basisbreite (der Pyramide) von 140 Ellen und Du erhälst die Höhe (der Pyramide) von 93 + /3 Ellen.

Janosi beschreibt das Prinzip des seked folgendermaßen:

[ZITAT]
Der Neigungswinkel wurde auf einfache und doch präzise Weise bestimmt, nämlich durch die Messung des Rücksprunges zu einer Elle Höhe (1 Elle = 7 Handbreit = 0,525 m); die alten Ägypter nannten dieses Verhältnis ein seked.
[ZITAT Ende] [Janosi, B1,51]

Bei dem von Robins/Shute ursprünglich verfassten und hier durch den Verfasser übersetzten zitierten Text zeigt sich eins der Hauptprobleme in der Vermittlung von mathematischen inhalten: Werden mathematische Zwischenschritte und mögliche Individuallösungen in mathematischen Beschreibungen ausgelassen, kann dies bei Rezipienten, die versuchen, eine Aufgabenstellung nachzuvollziehen, potenziell Verwirrung stiften und Blockaden erzeugen (bzw. antriggern):
Wer keine Erfahrungen im Umgang mit der Stammbruchrechnung besitzt, dem mag die genannte Aufgabenstellung (je nach mathematischer Erfahrung) potenziell wie eine schwer zu knackende Nuss erscheinen. Das Hauptproblem der genannten Aufgabenstellung äußert sich tatsächlich in der Frage, wie man den Zahlenwert 7 durch einen Zahlenwert von 10 + /2 teilt (was einem verdoppelten seked von 5 + /4 entspricht).

Die genannte Aufgabenstellung lässt sich jedoch relativ simpel auflösen, wenn der ursprüngliche genannte Zahlenwert-Zusammenhang erweitert wird:

Das proportionale Zahlenwert-Verhältnis 7 zu 10 + /2 kann durch einfache Verdopplung erweitert werden und zeigt damti sehr deutlich auf, in welchem proportionelen Zahlenwert-Zusammenhang der Zahlenwert 7 zu dem Stammbruch 10 + /2 steht:

7 : 10 + /2 (Verdopplung)
14 : 21

Aus dem proportionalen Zahlenwert-Zusammenhang lässt sich bei entsprechender mathematischer Erfahrung ablesen, dass beide Zahlenwerte sich durch den Faktor 7 teilen lassen, weil:

14 / 7 = 2; 21 / 7 = 3

Daraus resultiert ein proportionales Verhältnis zwischen beiden Zahlenwerten von 2 : 3 oder auch 2/3.

(Zur Erinnerung: Der echte Bruch 2/3 stellt die einzige uns heute bekannte Ausnahme dar. Ansonsten rechneten die alten Ägypter unseres heutigen Wissens ausschließlich mit Stammbrüchen.)

Auf Grundlage dieser Erkenntnis lässt sich die Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind bei entsprechender Kenntnis der Möglichkeiten der Stammbruchrechnung entsprechend auflösen:

7 geteilt durch 10 + /2 entspricht 14 geteilt durch 21. Deshalb lässt sich 7 zu 10 + /2 zu (2 * 3 + /2) zu (3 * 3 + /2) auflösen weil:

2 * 3,5 zu 3 * 3,5 = 7 zu 10,5 (dezimal)

Nun kann die Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind auf insgesamt einfachere Art und Weise aufgelöst werden:

Berechnung: 7 / 10 +/2
7 / (10 + /2) entsprechen 14 / 21

in Stammbruchrechnung (nach modifizierter Methode des Verfassers):

(Aufgabe: Nach Erkennen des Zusammenhangs, dass 7 / (10 + /2) den Zahlenwert 2/3 ergibt, muss der Zahlenwert 2/3 anschließend noch mit 140 multipliziert werden, um die Höhe der Pyramide zu ermitteln (der Zahlenwert 140 entspricht der Anzahl in Ellen, die der Basis der in Aufgabe Nr. 57 besprochenen Pyramide entsprechen):

(in Stammbruchrechnung; nach modifizierter Methode des Verfassers)

Brechnung: 2/3 * 140
1; 2/3
10; 6 + 2/3 |
100; 66 + 2/3 |
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
1; 2/3 |
2; 1 + /3 |
4; 2 + 2/3 |
40; 26 + 2/3 |
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
100; 66 + 2/3 |
40; 26 + 2/3 |
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
140; 93 + /3 | (total)

Die Höhe der in Aufgabe Nr. 57 besprochenen Pyramide entspricht demanch 93 + /3 Ellen (siehe [Robins/Shute, B2,47]).

QUELLEN:
[B1] Janosi, P.: Die Pyramiden - Mythos und Archäologie, 2., durchgesehene und aktualisierte Aufl. Verlag CH Beck, München, 2010.

[B2] Robins, G / Shute, C: The Rhind Mathematical Papyrus - An ancient Egyptian text. British Museum Publications, London, 1987.

deutsche Wikipedia:
[Wg1]
Seitentitel: Meh
Herausgeber: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie.
Autor(en): Wikipedia-Autoren, siehe Versionsgeschichte
Datum der letzten Bearbeitung: 28. Januar 2019, 12:54 UTC
Versions-ID der Seite: 185159199
Permanentlink: https://de.wikipedia.org/w/index.php?ti ... =185159199
Datum des Abrufs: 22. September 2022, 19:46 UTC

[Wg2]
Seitentitel: Papyrus Rhind
Herausgeber: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie.
Autor(en): Wikipedia-Autoren, siehe Versionsgeschichte
Datum der letzten Bearbeitung: 22. August 2022, 06:58 UTC
Versions-ID der Seite: 225533085
Permanentlink: https://de.wikipedia.org/w/index.php?ti ... =225533085
Datum des Abrufs: 22. September 2022, 19:42 UTC

englische Wikipedia:
[We1]
Page name: Seked
Author: Wikipedia contributors
Publisher: Wikipedia, The Free Encyclopedia.
Date of last revision: 19 February 2022 06:22 UTC
Date retrieved: 22 September 2022 19:32 UTC
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Primary contributors: revision history statistics
Page Version ID: 1072734110
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind 
« Antwort #1, Datum: 08.12.2022 um 21:13:04 »   

Lieber Caelatorix,

ich konnte Deinen Beitrag in Teilen nicht nachvollziehen, obwohl Du Dir große Mühe gemacht hast. Es ist aber wirklich auch ein recht schwieriger Text, der sich einem nicht gleich und auch nicht leicht erschließt.

Zunächst ein Wort über die altägyptischen Längenmaße (Rainer Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch, 2. Aufl., Mainz, 1997, S. 1319):

1 Elle = 7 Handbreit
1 Handbreit = 4 Finger

Sodann müssen wir uns um die Bezeichnung sqd kümmern. Nach Hannig, a.a.O., S. 837 ist sie definiert als

Zitat:
halbe Grundlinie dividiert durch Pyramidenhöhe, in Handbreiten ausgedrückt

und wird auch als "Böschung" oder "Rücksprung" bezeichnet, denn ein entsprechendes deutsches Wort gibt es eigentlich nicht. Daher belassen es auch einige dabei, sie nur als Seked zu bezeichnen.

Zum weiteren Verständnis ziehe ich eine Abbildung aus Anette Imhausen, Ägyptische Algorithmen, Wiesbaden, 2003, S. 164 heran. Links sehen wir die Konturen einer Pyramide mit einer rechteckigen oder quadratischen Grundfläche. Die vordere Grundkante ist gleich der parallel verlaufenden Mittellinie. Von Bedeutung für unser Problem ist der grau schraffierte Bereich; das hellere rechtwinklige Dreieck hat die Maße 1/2 Grundkante und Höhe. Den Winkel α kannten die Alten Ägypter nicht. Dann ist ein dunkleres rechtwinkliges Dreieck eingezeichnet. Es ist "genormt": Die eine Seite ist genau eine Elle = 7 Handbreit, die andere wird sqd "Rücksprung" bezeichnet. Sie ist ein Maß für die Böschung der Pyramide. In Worten: Geht man an einer Außenkante der Pyramide eine Elle in die Höhe, so muss man einen "Rücksprung" von bestimmter Größe machen, um auf die Pyramide zu treffen. Der "Rücksprung" wird in Handbreit gemessen.

In moderner mathematischer Schreibweise ist Ankathete / Gegenkathete des Winkels α = cot α = 1/2 Grundkante / Höhe. Der gleiche Winkel α taucht auch in dem kleinen Dreieck auf. Wir haben daher die Beziehung:

(1/2 * Grundkante [Elle]) / Höhe [Elle] = Rücksprung [Handbreit] / 7 [Handbreit]

In dieser Formel haben wir drei Größen: Grundkante, Höhe und Rücksprung. Kennen wir zwei von diesen, können wir die dritte berechnen.

Im Problem 57 geht es um die Berechnung der Höhe. Wir benötigen also die anderen beiden Werte, und die werden in der Aufgabe auch angegeben:

Grundkante = 140 Ellen
Rücksprung = 5 Handbreit 1 Finger

Wir müssen die obige Formel umformen, um die Höhe berechnen zu können. Das Ergebnis ist (ein bisschen Schulmathematik ist hier vonnöten):

Höhe = 7 / (Rücksprung) * (1/2 * Grundkante)

Den Wert 1/2 kann man auch in den ersten Nenner bringen:

Höhe = 7 / (2 * Rücksprung) * Grundkante

Nun kommen wir zum Lösungsweg in Papyrus Rhind. Er wird nicht als Formel angegeben, sondern als Schritte in einem Beispiel.


1. Schritt: Berechnung des Nenners 2 * Rücksprung

2 * Rücksprung = 2 * (5 Handbreit + 1 Finger) = 10 Handbreit + 2 Finger = 10 + /2 Handbreit

Hier übernehme ich Deine Notation /2 für den Bruch 1/2, der in den ägyptologischen Publikationen traditionell 2 mit Überstrich geschrieben wird.

Das Ende der Gleichung 10 + /2 ergibt sich daraus, dass 1 Handbreit = 4 Finger ist, also 2 Finger eine halbe Handbreit sind.

2. Schritt: Berechnung des Quotienten 7 / (2 * Rücksprung) unter Verwendung des Ergebnisses des 1. Schrittes

7 / (2 * Rücksprung) = 7 / (10 + /2) = 7 / 10,5 = 2/3

Du schreibst:

Zitat:
Das Hauptproblem der genannten Aufgabenstellung äußert sich tatsächlich in der Frage, wie man den Zahlenwert 7 durch einen Zahlenwert von 10 + /2 teilt (was einem verdoppelten seked von 5 + /4 entspricht).

Tatsächlich beschäftigt sich das Problem 57 mit dieser Frage gar nicht, sondern schreibt das Ergebnis gleich hin.

An dieser Stelle hast Du in dem Zitat von Robins/Shute einen Fehler gemacht, denn sie schreiben in Wirklichkeit (S. 47):

Zitat:
This is obtained by dividing 7 by twice the seked to get //3

Der kleine, aber feine Unterschied sind zwei Striche über der 3, und das steht für den Wert 2/3. In Deiner Übersetzung

Zitat:
Teile den Zahlenwert 7 durch den verdoppelten seked (von 5 + /4; Anm. des Verf.) um Drittel (einer Elle) zu erhalten

müsste es also dann heißen: ... um zwei Drittel zu erhalten. Der Zusatz "einer Elle" ist auch nicht richtig, denn es handelt sich um einen dimensionslosen Ausdruck, da im Zähler ein Wert in Handbreit steht (nämlich 7) und im Nenner ebenso ein Wert in Handbreit (2 * Rücksprung). Dass "Elle" nicht richtig sein kann, sieht man auch an der nachfolgenden Multiplikation mit der "Basisbreite" (Grundkante); das Ergebnis wäre dann in Quadratellen, was als Dimension für die Höhe nicht sein kann.

3. Schritt: Berechnung der Höhe unter Verwendung des Ergebnisses aus dem 2. Schritt

Höhe = 7 / (2 * Rücksprung) * Grundkante = 2/3 * Grundkante = 2/3 * 140 = 93 1/3 = 93 + /3


Zusammenfassung

Was man an diesen Ausführungen sieht, ist, dass im Papyrus Rhind exakt die oben angebene Formel verwendet wird, ohne dass sie in irgendeiner Weise geschrieben wurde bzw. werden konnte, da dafür die entsprechende Notation fehlte. Stattdessen wurde sie durch eine Folge beispielhafter Rechenschritte ersetzt. Nun brauchte ein Schüler nur die Werte auszutauschen, wenn er ein anderes Beispiel rechnen wollte.

Die Formel erklärt auch, warum sqd "Rücksprung" verdoppelt werden muss und warum gerade 7 (nämlich die 7 Handbreit einer Elle) durch diesen Wert dividiert werden muss.

Deine weiteren Ausführungen "Stammbruchrechnung; nach modifizierter Methode des Verfassers" kann ich nicht kommentieren, da ich sie nicht verstanden habe.

Ich füge noch die Hieroglyphen, die Umschrift und die wörtliche Übersetzung des Problems Nr. 57 bei (aus dem zitierten Buch von Imhausen, S. 260-261).

Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 08.12.2022 um 21:24:23 von Michael Tilgner »


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> Antwort auf Beitrag vom: 07.12.2022 um 11:04:34  Gehe zu Beitrag
Caelatorix  
Gast - Themenstarter

  
Re: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind 
« Antwort #2, Datum: 10.12.2022 um 12:47:02 »     

Lieber Michael,
vielen Dank für Deine ausführliche und informative Antwort!
Ich bin sehr kritikoffen. Aus Gründen des möglichen eigenen Missverständnisses hatte ich deshalb sicherheitshalber ja auch darauf hingewiesen, dass in meinen eigenen Betrachtungen Fehler enthalten sein könnten.
Mein Hauptinteresse gilt natürlich dem korrekten Nachvollziehen und der korrekten Wiedergabe der Aufgabe Nr. 57 des Rhind Paphyrus.
Alleridngs muss ich bevor ich auf Deine Kommentare reagiere, erst einmal herausfinden, wie es passieren konnte, dass ich übersehen habe, das sich über dem Zahlenwert 3 des Originaltextes von Robins & Shute ein Doppelstrich und kein einfacher Strich befindet.
Es sieht ganz danach aus, als würde ich eine neue Brille brauchen.
Zwischen Doppelstrich und einfachem Strich besteht natürlich ein gravierender Unterschied.

Viele Grüße.
> Antwort auf Beitrag vom: 08.12.2022 um 21:13:04  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind pRhind_Nr_58.jpg - 417 KB
« Antwort #3, Datum: 11.12.2022 um 16:15:04 »   

Lieber Caelatorix,

wer sich mit ägyptischen Papyri beschäftigt, trifft immer wieder auf Fehler und Fehlinterpretationen - und zwar zumeist auf seine eigenen! Das kann ich Dir nach jahrelangen Erfahrungen versichern!

Was sqd "Rücksprung" betrifft, so haben die frühen Bearbeiter des Mathematischen Papyrus Rhind auch nicht recht gewusst, wie man diesen Begriff interpretieren sollte. So hat erst Ludwig Borchardt eine Deutung vorgelegt, die seither allgemein akzeptiert wurde, im Artikel "Wie wurden die Böschungen der Pyramiden bestimmt?", in: ZÄS, Bd. 31, S. 9-17 (1893), siehe S. 15.

In moderner Schreibweise ist sqd "Rücksprung" = 7 * cot α, wobei α der Steigungswinkel ist, wie in der Zeichnung in meinem vorherigen Posting angegeben. Hieraus ersieht man, dass die Definition in Hannigs Handwörterbuch unzureichend ist, denn es fehlt der Faktor 7 (Umrechnung in Handbreit, denn 7 Handbreit sind 1 Elle).

Um welchen Winkel handelt es sich in diesem Problem Nr. 57? Dazu muss man die Umkehrfunktion von Kotangens benutzen, die Arcus-Kotangens-Funktion:

arc cot (3/4) ≈ 53°

(Berechnung nach dem Arccot Calculator)

Im Buch von Miroslav Verner, Die Pyramiden, Reinbek bei Hamburg, 1998, sind im Anhang (S. 505-509) die Böschungswinkel einiger Pyramiden angegeben:

Pyramide des Cheops ≈ 52°
... Chephren ≈ 53°
... Mykerinos ≈ 51°
... Unas ≈ 56°
... Amenemhet I. ≈ 54°
... Chendjer ≈ 55°

(weitere Werte: siehe den genannten Anhang; ich habe die Zahlen auf- bzw. abgerundet)

Man sieht, dass die Böschung im Problem Nr. 57 in etwa den tatsächlichen Werten entspricht, also praxisnah ist.

Geht man von der ursprünglichen Gleichung aus:

(1/2 * Grundkante [Elle]) / Höhe [Elle] = Rücksprung [Handbreit] / 7 [Handbreit]

und will man den "Rücksprung" statt der Höhe berechnen, muss man die Gleichung entsprechend umformen, und man erhält:

Rücksprung = 7 * (1/2 * Grundkante) / Höhe

Das ist genau die Aufgabe des Problems Nr. 58! (Hieroglyphen, Umschrift und Übersetzung: Anette Imhausen, Ägyptische Algorithmen, Wiesbaden, 2003, S. 262-263)

Gegegen sind

Höhe = 93 + /3 (= 93 1/3) [Elle]
Grundkante = 140 [Elle]

Das sind die gleichen Werte wie in Problem Nr. 57!

Nun folgt die Berechnung ebenfalls in drei Schritten:


1. Schritt: Berechnung des Zählers Hälfte der Grundkante

1/2 * Grundkante = 1/2 * 140 = 70

2. Schritt: Berechnung des Quotienten (1/2 * Grundkante) / Höhe unter Verwendung des Ergebnisses aus dem 1. Schritt

(1/2 * Grundkante) / Höhe = 70 / (93 + /3) = 70 / 93 1/3 = 3/4 = /3 + /4

Ich habe das Ergebnis 3/4 in Stammbrüche zerlegt: 3/4 = 1/2 + 1/4 bzw. in ägyptologischer Notation = /2 + /4 (genau genommen: /2 /4 - ohne das Pluszeichen).

3. Schritt: Berechnung des Rücksprungs unter Verwendung des Ergebnisses aus dem 2. Schritt

Rücksprung = 7 * (1/2 * Grundkante) / Höhe = 7 * 3/4 = 21/4 = 5 1/4 = 5 + /4

In diesem Schritt wird das Ergebnis in Handbreit umgerechnet, daher die Multiplikation mit 7 (wie gesagt: 7 Handbreit = 1 Elle). Der letzte Teil dieser Gleichung berücksichtigt, dass 4 Finger = 1 Handbreit sind.

Das Ergebnis ist also: sqd "Rücksprung" = 5 Handbreit 1 Finger


Im Mathematischen Papyrus Rhind werden im Problem 58 auch die Nebenrechnungen gemäß altägyptischer Konvention dargestellt, die ich hier "modernisiert" habe, des besseren Verständnisses wegen.

Was mich vor allem erstaunt, ist, dass in diesen Berechnungen keine empirisch gefundene Näherungslösung für die Berechnung der Höhe bzw. des Rücksprungs gegeben wird, sondern dass die Rechenvorschriften der Probleme 57 und 58 der exakten mathematischen Lösung entsprechen! Man würde nur zu gern wissen, wie die Alten Ägypter darauf gekommen sind, wo sie doch keine Gleichungen aufstellen und umformen konnten!

Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 11.12.2022 um 16:27:21 von Michael Tilgner »


- Vollbild -
> Antwort auf Beitrag vom: 10.12.2022 um 12:47:02  Gehe zu Beitrag
Caelatorix  
Gast - Themenstarter

  
Re: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind 
« Antwort #4, Datum: 11.12.2022 um 19:41:01 »     

Lieber Michael,

vielen Dank für Deine Antwort, auf die ich heute aus Zeitgründen nur periphär eingehen kann (mehr dazu später):
Da hast Du absolut recht und ich bin froh, dass ich nicht der Einzige bin, der diese Erfahrungen machen durfte:
Wir wissen heute gefühlt "gar nichts" über das alte Ägypten obwohl soviel darüber bekannt ist: In der Vergangenheit wurden viele (sehr viele) Theorien über die verschiedensten Themenbereiche aufgestellt (die absurden Theorien an dieser Stelle ignorierend), es arbeiteten sich immer wieder viele verschiedenen SpezialistInnen hervor und selbst Goyon sind (heute rückwirkend betrachtet Fehler unterlaufen; Lehner, einer der renommiertesten heutigen Ägyptologen hat einen nahezu vollständigen Paradigmenwechsel in seiner ferneren Vergangengeit durchlaufen.
Was ich Dir heute aber bei meiner aktuell knappen Zeit mitteilen möchte ist folgendes (ich muss heute noch ein Video zum Thema altägyptische Steinbearbeitung hochladen und idealerweise mit Untertiteln versehen):
Die alten Ägypter müssen sich bei manchen mathematischen Zusammenhängen nicht viel gedacht haben: Naturgesetze haben es vorgegeben!:
Die Proportion, nach der die Chepren-Pyramide (vermutlich, bzw, sehr wahrscheinlich, geschlussfolgert anhand der uns heute vorliegenden Informationen) erbaut wurde, ist die arithmetisch naheliegendste Proportion überhaupt.
Wer sich intensiver mit Arithmetik und Proportionen auseinandersetzt, weiß, dass der aus der Seitenverhältnisverteilung bei Proportionen von 3/2 bei einem resultierenden Neigungsverhältnis (berechnet über den Arkustangens) resultierende Winkel von etwas mehr als 53° das am häufigsten im arithmetisch gegliederten Zahlenraum vorkommende Neigungsverhältnis (bzw. proportionstechnische Seitenverhältnis) ist!
Ich würde jetzt gerne mehr dazu schreiben, aber ich müsste die entsprechenden Tabellen jetzt erst heraussuchen und dazu komme ich frühestens morgen.
Herzliche Grüße,

[Nachtrag 12.12.2022:]
Lieber Michael, hallo.

Hier zunächst einmal kurz zu der gestern angekündigten Erläuterung der Analyse der arithmetischen Strukur der Natürlichen Zahlen im Hinblick auf ganzzahlige Proportionen (binäre Proportionen):

Schreiben wir nach dem folgenden Strukturbildenden arithmetischen Prinzip Zahlenstränge in Kettenberechnungen auf, wird die natürliche Verteilung der ganzzahligen binären Proportionen deutlich. Diese Verteilung unterliegt naturgegeben ganz eigenen arithmetischen Grundgesetzen, auf die ich in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen möchte.

Strukturelle Entwicklung binärer ganzzahliger Paare
(stets startend bei gleichgroßen Paarkomponenten, z.B. 1 : 1; 2 : 2 usw.):

Für 1Für 2Für 3
1 : 1 {Start}1 : 21 : 3
2 : 12 : 2 {Start}2 : 3
3 : 13 : 23 : 3 {Start}
4 : 14 : 24 : 3
5 : 15 : 25 : 3

Ich schrieb gestern, dass die Proportion 3/2 bzw. reziprok 2/3, nach der die Chepren-Pyramide (unseres heutigen angenommenen Wissens) prtoportioniert wurde, die im arithmetischen Zahlenraum am häufigsten vorkommende Proportion ist.
Diese Ausage war gestern von mir etwas übereilt formuliert worden. Ich habe alles noch einmal nachgeschaut und die Tabellen rausgesucht und muss diese Aussage auch folgendermaßen korrigieren Ich meinte eigentlich:

Die ganzzahlige Stammproportion a : b bei a = b, bzw. a equivalent zu b ist die häufigste im, arithmetischen Zahlenraum auffindbare binäre Proportion, also z.B. Proportion 1 : 1.

Die ganzzahlige Stammproportion 2 : 3 bzw. reziprok 3 : 2 ist die zweithäufigste, im arithmetischen Zahlenraum vorkommende binäre Proportion.

Die ganzzahlige Stammproportion 3 : 4 bzw. reziprok 4 : 3 ist die dritthäufigste, im arithmetischen Zahlenraum vorkommende binäre Proportion.

Die Abmessungen, nach denen die Chepren-Pyramide vermutlich (sehr wahrscheinlich) geplant wurde sind – je nach Anschauung des Bauwerksquerschnitts – entweder auf die Grundproportion 2 : 3 bzw. 3 : 2 oder aber auf die Grundproportion 3 : 4 bzw. 4 : 3 zurückzuführen.
Bei dieser Aussage kommt es darauf an, wie wir die Proportion der Chepren-Pyramide definieren; entweder als Proportion 2 : 3 bzw. 3 : 2 im Hinblick auf halber Basisbreite zu Höhe bzw. Höhe zu halber Basisbreite oder als Proportion 3 : 4 bzw. 4 : 3 im Hinblick auf Höhe zu halber Basisbreite bzw. halbe Basisbreite zu Höhe.

Beide genannten Grundproportionen lassen sich, wie allgemein bekannt ist, auf die Phänomenik des summarischen Tripels* 3 : 4 : 5 anwenden und stehen möglicherweise in Verbindung mit einer direkten und tatsächlichen Anwendung der 12-streckigen** Messchnur der altägyptischen Harpedonapten (ob die altägyptischen Harpedonapten solche Messschnüre tatsächlich verwendeten, wird noch heute diskutiert, die Diskussion hierüber wollte ich mit diesem Beitrag jedoch nicht lostreten).

* = häufig als pythagoräische Tripel benannt
** = i.d.R. als 12- bzw. 13-Knoten-Schnur benannt

Entscheidend ist für mich, dass die Proportionen 2 : 3 und 3 : 4 arithmetisch zu den naheliegendsten Proportionen gehören und sich z.B. unter Verwendung von Abzählsteinchen u.ä. in der strukturellen Analyse relativ einfach entdecken lassen. Hierfür genügt es eben, den Zahlenraum arithmetisch stringent zu analysieren; z.B. indem Abzählsteinchen zu Figuren ausgelegt werden (siehe figurierte Zahlen).
Aus solcher Analyse erschließen sich dann entsprechend ableitbare Erkenntnissse, die auch z.B. auf Vermessungsseile und Vermessungsschnüre und etwa auf die Konstruktion rechtwinkliuger Dreiecksfiguren übertragen werden könnten; z.B.:

x = Grundelement, z.B. Abzählsteinchen

xx
-
xx
xx

xxx
xxx
-
xxx
xxx
xxx
-
xxxx
xxxx
xxxx
xxxx

xxxxx
xxxxx
xxxxx
xxxxx

Im analysierten Zahlenraum binärer Proportionen nach stringenter Aufeinanderfolge ausgehend vom Ursprung 1 : 1 wiederholen sich die jeweiligen spezifischen Proportionen stets nach dem immer gleichen spezifischen Muster, das sich im Analyse-Rasterfeld über stets gleichbleibende Abstände bzw. Spaltenschritte ausdrückt.

(Ich hänge bei nächster Gelegenheit eine erläuternde Tabelle an, die erklärt, wie ich die binären Proportionen analysiert habe.)

[Nachtrag 2, 12.12.2022:]
Erwähnenswert im Zusammenhang mit den Proportionen 2 : 3 bzw. 3 : 2 und 3 : 4 bzw. 4 : 3 ist auch noch das Folgende:
Diese Proportionen haben Menschen seit Anbeginn Ihrer Existenz i.d.R. vor Augen: An den Fingern der (durchschnittlichen pterodaktylen) menschlichen Hand mit ihrem Daumen, den 4 Fingern und den i.d.R. dazugehörigen 12 Fingergliedern sind diese Proportionen ablesbar:

4 Finger mit je 3 Fingergliedern = 12 Fingerglieder

Die 4 Finger mit ihren Fingergliedern bilden dabei (theoretisch) eine daraus ableitbare geometrisch-arithmetische Struktur von 3 * 4 bzw. 4 * 3 Fingergliedern (je nach Anschauung und Formulierungsperspektive):

2 * 2 Finger mit jeweils 3 und insgesamt 6 Fingergliedern = 2 mal Proportion 2 : 3 bzw. 2 mal Proportion 3 : 2

4 Finger mit jeweils 3 und insgesamt 12 Fingergliedern = Proportion 3 : 4 bzw. 4 : 3

D.H. aus zwischen den Fingern und Fingergliedern der (durchschnittlichen) menschlichen Hand - und damit der 12-Fingerglieder-Rechenweise der Babylonier lässt sich ebenfalls ein theoretischer Zusammenhang zum summarischen Tripel 3 : 4 : 5 und damit in der Erweiterung auch zum Satz des Pythagoras (a² + b² = c²) herstellen:

Das summarische Tripel ist das Erste und leicht zu entdeckende Tripel dieser Art. 3 + 4 + 5 Fingerglieder ergeben die Anzahl von 12 Fingergliedern weil  3 + 4 + 5 = 12.
In der Quadrierung entsteht aus diesem Tripel die arithmetisch betrachtet vermutlich grundlegendste Vorlage für die Entstehung des Satzes des Pythagoras (dessen Bezeichnung sich später durchgesetzt hat, obwohl dieses Prinzip bereits vor Pythagoras bekannt war.

Das summarische Tripel 3 : 4 : 5 mit seiner außerdem vorhandenen Affinität zur (hypotherischen) 12-streckigen Vermessungsschnur der altägyptischen Harpedonapten lässt sich dabei aus der 5ten Quadratzahl ableiten, weil die 5te Quadratzahl aus der 3ten und 4ten Quadratzahl gebildet wird, weil:

1te Quadratzahl = 1 = 1 * 1 = 1²
2te Quadratzahl = 4 = 2 * 2 = 2²
3te Quadratzzahl = 9 = 3 * 3 = 3²
4te Qudratzahl = 16 = 4 * 4 = 4²
5te Quadratzahl = 25 = 5 * 5 = 5²

(3 * 3) + (4 * 4) = (5 * 5)
9 + 16 = 25

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« Letzte Änderung: 12.12.2022 um 17:59:50 von Caelatorix »
> Antwort auf Beitrag vom: 11.12.2022 um 16:15:04  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind Seked_versus_slope.jpg - 371 KB
« Antwort #5, Datum: 15.12.2022 um 18:39:51 »   

Lieber Caelatorix,

Du versuchst zu erklären, nach welchen Prinzipien die Alten Ägypter die Abmessungen der Chephren-Pyramide geplant haben.

In der Tat ist das Verhältnis von Grundkante zu Höhe ziemlich genau 3:2; Grundkante = 215,25 m, Höhe = 143,50 m nach: Miroslav Verner, Die Pyramiden, Reinbek bei Hamburg, 1998, S. 506. Das Verhältnis 1/2 Grundkante : Höhe ist entsprechend 3:4.

Überlegungen zu den möglichen Planungen gibt es auch zur Cheops-Pyramide. In einer Studie hat Roger Herz-Fischler diese in The Shape of the Great Pyramid, Waterloo, Ontario, 2000 analysiert, die man teilweise hier einsehen kann. Er hat insgesamt 11 (!) unterschiedliche Hypothesen festgestellt, sie näher untersucht und versucht einzuordnen. Unter den Verfassern befinden sich durchaus auch angesehene Ägyptologen wie William Matthew Flinders Petrie und Jean-Philippe Lauer. Für mich ist diese Liste (siehe Inhaltsverzeichnis) ein weiterer Beleg für den Spruch "Je geringer die Anzahl der Fakten, desto reichhaltiger kann die Theorie sein, die diese erklärt". Unter den Einwänden, die gegen die eine oder andere Hypothese vorgebracht werden, ist es vor allem eine, die meiner Meinung nach wichtig ist, nämlich die, dass wir von den mathematischen Kenntnissen der Alten Ägypter ausgehen müssen und nicht von unserem modernen Verständnis.

Ziehen wir eine Abbildung heran, die ich dem Artikel Jorge A. Trench, Slopes and the Seked of the Pyramids, in: Göttinger Miszellen, Heft 99, S. 45-49 (1987) entnommen habe. Aufgetragen sind sqd "Rücksprung" und Winkel. Die Größe, die einer bestimmten Pyramide entspricht, ist gekennzeichnet. Der Autor hält es für wahrscheinlich, dass ein wohl definierter "Rücksprung"-Wert angestrebt wurde, auch wenn die heutigen Messwerte etwas daneben liegen (durch Pfeile angegeben). Es gab eine ganze Reihe von "Rücksprung"-Werten, mit einer gewissen Häufung bei 5 Handbreit 1 Finger (dazu gehört auch die Chephren-Pyramide) und 5 Handbreit 2 Finger.

Das ist eine empirische Aussage. Warum ein ägyptischer Bauplaner den einen oder anderen Wert bevorzugte, lässt sich mangels überlieferter Unterlagen nicht definitiv sagen. Man kann darüber nur spekulieren.

Du hast Dir viel Gedanken gemacht über Proportionen im allgemeinen, über die Anzahl der Finger und Fingerglieder und daraus abgeleitete Größen. Das ist alles spekulativ und kann nicht durch altägyptische Belege untermauert werden. Fingerglieder werden sicher bekannt gewesen sein, aber ich kenne nichts, was darauf anspielt. "Finger" ist das kleinste Längenmaß. Auch in den medizinischen Texten wird von den Fingergliedern nicht gesprochen.

Überlegungen zu Fingergliedern, Messschnüren und Quadratzahlen sind vergebliche Liebesmüh, wenn es keine Anknüpfungspunkte zu altägyptischen Artefakten gibt, seien es Texte oder andere Hinterlassenschaften. Dass es "hinzuhauen" scheint, ist kein hinreichender Grund, denn - wie das Beispiel Cheops-Pyramide zeigt - es sind auch andere Erklärungen denkbar. Deswegen gehe ich auch nicht im Einzelnen auf Deine Argumentation ein, da eine solche Diskussion sich im "luftleeren Raum" bewegen würde.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


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> Antwort auf Beitrag vom: 11.12.2022 um 19:41:01  Gehe zu Beitrag
Caelatorix  
Gast - Themenstarter

  
Re: Aufgabe Nr. 57 des Papyrus Rhind 
« Antwort #6, Datum: 17.12.2022 um 20:25:49 »     

Hallo Michael,

ich kann nicht nachvollziehen, weshalb sich die Ägyptologie m.E. so mercantilistisch gegen neuartige Sichtweisen abschotet und sich teilweise so sehr auf Fundlagen konzentriert. Irgendeine Art und Weise muss es gegeben haben, wie die alten Ägypter ihre Pyramiden proportioniert, geplant und vermessen haben. Darüber hinaus gibt es auch noch den gesunden Menschenverstand und die handwerkstechnische Erfahrung.
Das sind keine geisteswissenschaftlichen, sondern handwerkstechnische Fragen, mathematische Fragen und Fragen der Logik, ggf. auch wissenschaftsphilosophische Fragen, die ich hier versuchte zu besprechen.

Nach den Gesetzen der Logik muss es eine reduzierbare Anzahl von Wahrscheinlichkeiten geben und unter diesen Eine, die als am wahrscheinlichsten angesehen werden kann (Ockham): Dieser Grundsatz lässt sich auch auf die altägyptische Bautechnik und Baugestaltung anwenden.

Sich im luftleeren Raum, also im "Vakuum" bewegen tut man meiner Meinung nach immer dann, wenn man keine Fragen mehr im Hinblick auf bestimmte Themen stellt.
Nach Deinen Aussagen hätte die Ägyptologie (keine weiteren relevanten Funde vorausgesetzt) noch in 1000 Jahren keine weiterfühgrenden Antworten zu den wichtigen Fragen rund um die altägyptische Bautechnik gefunden.
Möglicherweise währen aber bis dahin mindestens 1000 weitere Dissertationen zum Thema eingereicht und verabschiedet worden.
Ist das zielführend für eine Wissenschaftsdisziplin oder ist das eher eine Abschottungspolitik?

Du hast Dir sehr viel Mühe damit gemacht, meine Ansichten lehrmeinungsmäßig zu widerlegen. Dennoch hast Du keine Ausblicke gegeben im Hinblick darauf, das Experimentalarchäologie ihre Berechtigung und ihren Sinn auch im Bereich der Ägyptologie besitzt.

Ich beschäftige mich seit 20 Jahren nicht mit "Faustformeln"und "Zahlenspielereien" ("passt schon"): Ich bin Steinmetz und Steinbildhauer und Holzbildhauermeister und ich kann der Ägyptologie inzwischen (leider) attestieren, dass sie sich stellenweise zu wenig stark interdisziplinär öffnet für all jene Fragen, die das uralte Handwerk und damit diejenigen Menschen betreffen, die die Dinge eigentlich erschaffen haben.
Deshalb gehe ich auch gar nicht weiter auf Deine Argumente ein und verabschiede mich aus diesem Forum, denn jede weitere Diskussion scheint nicht zielführend und sinnbehaftet zu sein und ich scheine hier auch einfach am falschen Ort zu sein.

Vielen Dank noch einmal für Deine Rückmeldungen!
« Letzte Änderung: 17.12.2022 um 20:42:00 von Caelatorix »
> Antwort auf Beitrag vom: 15.12.2022 um 18:39:51  Gehe zu Beitrag
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