Hallo Gast_A., den "hagiographischen Lebensbericht" findest Du ausführlich in eben jenem, von Kaiser Ferdinand III. finanziertem Werk, den vier Bänden des "Oedipus Aegyptiacus". Ebenso lässt er sich zur eigenen Person in "Ars Magna Lucis et Umbrae" aus, seinem Werk über Astronomie und Optik sowie der "Prisca Theologia". Aber es geht auch bescheidener; in der von ihm an der von ihm gefundenen (und zweifelsfrei identifizierten) Stelle, an welcher dem hl. Eustachius der kreuzbewehrte Hirsch erschienen war, erbauten Kirche, ließ er das Altarbildnis der Maria mit einer blutgezeichneten Weiheformel schmücken: "Alle späteren Geschlechter mögen wissen, daß ich Alles, was ich bis jetzt an Gelehrsamkeit erworben oder was ich Gutes geschrieben habe, nicht so fest durch mein Studium und meine Arbeit, sondern daß ich es vielmehr als besonderes Geschenk deiner Huld und durch Voranleuchtung der ewigen Weisheit barmherzigst erlangt habe." - Sein glückliches Geschick ersparte ihm die Erkenntnis, daß er einem Irrlicht gefolgt war. Gewiss hat sich Kircher schon vor seiner römischen Zeit mit den Hieroglyphen beschäftigt, wie mit anderen Bereichen auch; immerhin war er ein Universalgenie. Und nicht immer war es falsch, was er als Erkenntnis veröffentlichte, wie beispielsweise in der Medizin einige recht nützliche Therapievorschläge. Traditionell verordnete man den Pestkranken, so sie sich einen Arzt leisten konnten, Purgationen und Aderlässe, was zumindest die Leidenszeit der Patienten verkürzte. Kircher empfahl darüber hinaus fettarme Speisen und den Duft wohlriechender Kräuter - immerhin eine appetitlichere Medikation als das gleichfalls zur Vorbeugung verordnete Elixier ausgepreßter Kröten, von denen er wie viele Pharmazeuten seiner Zeit annahm, daß sie schon ihrer Ähnlichkeit mit den beulenverunzierten Pestkranken wegen eine wirksame Medizin abgeben müßten. Athanasius Kircher wurde gepriesen, wie selten ein Gelehrter vor oder nach ihm. Ihm fiel überreichlich all das zu, was redlicheren Forschern lebenslang versagt blieb: Ruhm, Geld und die Selbstzufriedenheit des Erfolgs. Es ist, gerade von Ordensbrüdern, viel geschrieben worden, um Kirchers Scharlatanerie als Makel seiner Zeit zu entschuldigen, aber es war nicht sein methodischer Dilettantismus oder die barocke Lust an der Vielwisserei, die ihn mit so steter Beharrlichkeit in die Irre führte, es war seine religiöse Ignoranz. Kircher sah das, was ihm als Ordensbruder zu sehen erlaubt war, was Anerkennung und Erfolg versprach, mehr nicht. Diese Voreingenommenheit mutet um so scheinheiliger an, als Kircher durchaus für sich in Anspruch nahm, ein nicht nur um theologische Wahrheit bemühter Wissenschaftler zu sein - was er insbesondere dann zur Schau stellte, wenn er andere der Scharlatanerie überführte. Das Kronjuwel der Alchimisten, den Stein der Weisen, entlarvte er mit aufklärerischem Furor als Phantasmagorie. Er ließ sich die Experimente umhervagabundierender Goldmacher vorführen, bewies ihnen kraft seiner eigen Forschungen die Unseriosität ihrer chemischen Spielereien und nötigte sie so zu dem Geständnis, daß allein die Geldnot zu dergleichen Gaunereien zwang. Mit Unannehmlichkeiten mußte nur rechnen, wer sich erdreistete, Kirchers wissenschaftliche Unfehlbarkeit in Frage zu stellen, was zu seinen Lebzeiten selten genug geschah. Huygens, der niederländische Physiker und Mathematiker, wagte den süffisanten Einwand, daß eher Kirchers Frömmigkeit als seine Forschungen zu loben seien - ohne Erfolg. Erst nachfolgende Wissenschaftlergenerationen bestätigten mit zunehmend einhelliger Respektlosigkeit, daß die gesammelten Erkenntnisse des einstmals so Gerühmten mehr belustigend als genau und richtig sind. Nicht seine Thesen machen ihn zum Scharlatan, auch nicht die Einbindung in den Geist seiner Zeit, erst recht nicht sein vermeindlich beneideter Erfolg; es ist die wissentliche und vorsätzliche Verbreitung "wissenschaftlicher Erkenntnisse", von denen er selbst wissen mußte und wußte, daß sie nicht das sind, was sie vorgeben zu sein. Auch der schönste Disput muss einmal ein Ende finden. Meinen vorangegangenen und vorvorangegangenen Ausführungen muss ich nichts mehr hinzufügen. Es scheint, die Ansichten über Athanasius Kircher (Bild im Anhang) waren und sind höchst unterschiedlich und werden es wohl auch zukünftig bleiben. Allerdings sei mir noch ein kurzer Literaturhinweis gestattet: Erman, Adolf; Athanasius Kircher; Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 16; Leipzig 1882 Leospo, Enrichetta; Athanasius Kircher und das Museo Kirchereano; Europa und der Orient, 800 - 1900; Hg. Gereon Sievernich und Hendrik Budde; Henschel Verlag, Gütersloh - München 1989 Roland, Paul; Revelations The Wisdom of the Ages; Carlton Books, UK 1995 Viele Grüße M u b a r e k
> Antwort auf Beitrag vom: 18.12.2005 um 16:06:14
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