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Thema: Beschneidung |
Hemet (Gast) Gast
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« Datum: 04.12.2001 um 21:30:21 » |
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Hi Weiß jemand vielleicht etwas über die Beschneidung bei den alten Ägyptern ? Wurden Frauen auch beschnitten ? Warum hat man das gemacht ?
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Gitta Gast
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« Antwort #1, Datum: 04.12.2001 um 22:35:08 » |
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Dass Männer beschnitten wurde, ist sicher. So schreibt es Herodot und gibt dafür Gründe der Hygiene an. Ausserdem existiert mindestens eine Darstellung (wahrscheinlich gibt es mehr - ich kenne nur die eine)über das Beschneiden von Jungen. Auch aus Inschriften gibt es darüber Erkenntnisse. Und an Statuen von nackt dargestellten ägyptischen Männern ist eine Beschneidung deutlich zu erkennen. Ob Mädchen beschnitten wurden, ist nicht bekannt. Es gibt keinerlei Hinweise in der altägyptischen Literatur bzw. in irgendwelchen Darstellungen. An weiblichen Mumien lässt sich leider nichts mehr feststellen, da die Genitalien bei der Mumifizierung in Mitleidenschaft gezogen wurden. Lediglich bei sehr alten, "natürlich getrockneten" Mumien konnte man feststellen, dass keine Beschneidung stattgefunden hat. Nach dem Zeugnis griechischer Autoren und nach einem Papyrus aus dem Jahr 163 v.Chr. wurden Mädchen beschnitten. Diese Zeugnisse stammen aber aus später Zeit und man kann sie wohl nicht auf die Zeit der eigentlichen ägyptischen Hochkultur übertragen.
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Mubarek Gast
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« Antwort #2, Datum: 15.10.2004 um 00:59:29 » |
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Die Beschneidung von Frauen ist bisher nicht nachgewiesen, was aber nicht zwingend bedeuten muss, dass nicht doch in Einzelfällen, zum Beispiel aus medizinischen Gründen, solche Beschneidungen stattgefunden haben. Bei den Männern scheint es wohl so zu sein, dass sich nicht jeder der Beschneidung unterziehen musste; aus dem Neuen Reich lässt sich nachweisen, dass auch Pharao selbst nicht immer beschnitten war. Der Brauch der Beschneidung könnte von den Ägyptern in prädynastischer Zeit von einigen semitischen Völkern übernommen worden sein. Nach Herodots Berichten sollen alle Priester aus Gründen der Reinheit beschnitten gewesen sein, jedoch haben ethnologische Untersuchungen ergeben, dass in den frühen Epochen die Belange der Hygiene noch nicht sonderlich ausgeprägt waren. Postulate für die Beschneidung hat es genug gegeben; die unhaltbare Hypothese einer entschärften Variante eines ursprünglichen Rituals an Erstgeborenen; Weihung des Kindes einer Gottheit und so weiter und so fort. Bei den Hebräern wurde die Beschneidung direkt oder kurz nach der Geburt durchgeführt; ein Relief des Chons-Tempels in Karnak zeigt, dass die ägyptische Beschneidung erst bei Knaben im Alter von 10 oder mehr Jahren durchgeführt wurde. Es wird für denkbar gehalten, dass die Beschneidung bei den Ägyptern eine Art von Mannbarkeitsritual darstellte und den Übergang vom Kind zum Mann dauerhaft dokumentierte. Interessant auch im Zusammenhang mit den Kriegen gegen die (unbeschnittenen) Libyer, welche diesen Brauch nicht kannten: Nach einigen Schlachten entmannten die siegreichen Ägypter die nichtbeschnittenen Leichname, um so die Zahl der getöteten Feinde festzustellen.
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Mubarek Gast
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« Antwort #4, Datum: 15.10.2004 um 01:40:53 » |
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Lieber Lutz, da muss ich passen ... Aber sagen will ich, dass vereinzelte Frauenbeschneidungen nicht zwingend auszuschliessen sind, selbst wenn es dafür keine rituelle Grundlage gibt und bisher auch keine einzige nachgewiesen wurde.
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naunakhte Moderatorin
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« Antwort #5, Datum: 15.10.2004 um 08:05:40 » |
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Hallo, eigentlich ist das eine Frage für Michael Laut LÄ ist in den Coffin Texts (Lit: CT VII 450d; Kees, Totenglaube 301 und Grundriß der Medizin VI, 91) die Rede von "unbeschnittenen Jungfrauen". Hieraus wird dann auf die Existenz von "beschnittenen Jungfrauen" rückgeschlossen. Sollte man sich vielleicht mal anschauen. @mubarek: wo im Chons Tempel befindet sich dieses Relief? Gruß nauna
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Mubarek Gast
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« Antwort #6, Datum: 15.10.2004 um 17:47:04 » |
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Bei den "unbeschnittenen Jungfrauen" handelt es sich um einen Interpretationsfehler. Die genaue Position des Reliefs mit dieser Darstellung muss ich in meinen Dateien suchen. - Kann dauern.
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Mubarek Gast
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« Antwort #8, Datum: 16.10.2004 um 00:05:35 » |
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Mein dauerndes Problem: Ich befinde mich bis voraussichtlich Ende Februar, Anfang März nicht in Deutschland (und auch nicht in Europa) und bin auf die Dateien angewiesen, welche ich in meinem LapTop gespeichert habe. Hier gibt es noch nicht einmal Basismaterial über Ägypten in einer europäischen Sprache. Aber ich tue, was ich kann ...
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Michael Tilgner Member
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« Antwort #9, Datum: 16.10.2004 um 13:28:24 » |
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Hallo, Naunakhte, Zitat:
eigentlich ist das eine Frage für Michael |
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Wie soll ich das denn verstehen? Zum Thema "Beschneidung" hat sich kürzlich Erika Feucht, Das Kind im Alten Ägypten. Die Stellung des Kindes in Familie und Gesellschaft nach altägyptischen Texten und Darstellungen, Frankfurt am Main, 1995, S. 245-251 ausgelassen. Auf S. 249-250 heißt es: Zitat:
"Unklar ist die Bedeutung des Wortes ama, das, da es mit dem Phallus determiniert ist, meist mit 'unbeschnitten' übersetzt wird ... Das gleiche Wort, diesmal mit dem Phallus mit Ausfluß determiniert, ist in männlicher und weiblicher Form bereits im Sargspruch 1117 in Bezug auf Mädchen und bestimmte Männer belegt. Der Ausfluß soll als Belebungsmittel dienen: 'Derjenige (aber), der das Beleben zu verstehen wünscht, er muß ihn (den Spruch) täglich rezitieren, nachdem er sein Fleisch mit dem bad eines Mädchens, das ama ist (Xrd.t ama.t), und dem snf eines jAz, der ama ist, eingerieben hat.' [CT VII, 450 d] Kees hat hierin unbeschnittene Jungfrauen und unbeschnittene Männer gesehen, wobei er vermutlich ein bluttropfendes Glied in dem Determinativ gesehen hat. Das Determinativ der am Boden sitzenden Frau und des auf dem Stuhl sitzenden Mannes gibt keinen Aufschluß über die Bedeutung. Die weibliche Form ama.t wird neben amam in medizinischen Texten für Frauen und Männer verwendet, deren Ausfluß in der Medizin und im Zauber gebraucht wird. Bei diesen unsicheren Belegen sollten wir vorsichtig sein, hierin unbeschnittene Männer und Frauen zu sehen, auch wenn diese Deutung nicht ausgeschlossen ist." |
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Die Mädchenbeschneidung scheint erst aus griechischer Zeit belegt. Viele Grüße, Michael Tilgner
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Michael Tilgner Member
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« Antwort #11, Datum: 16.10.2004 um 16:27:58 » |
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Hallo, Leute, berühmt ist die Beschneidungsszene aus dem Grab des Anchmahor (6. Dyn.) aus Sakkara. Die folgende Abbildung stammt aus dem Internet, so daß ich die Quelle nicht angeben kann. Linke Szene Links ist die Beschneidungsszene zu sehen. Darüber steht: sbj.t [jn] Hm-kA "Beschneiden [durch] den Totenpriester" sbj (sbt) "beschneiden" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 683) - sbj.t Infinitiv ohne Wegfall des schwachen Radikals nach Edel, Altägyptische Grammatik, § 688 jn "durch" - nach Edel, § 697, wonach jn häufiger fehlen kann Hm-kA "Totenpriester" (Hannig, S. 528) [Diese Übersetzung stützt sich auf das Handbuch der altägyptischen Medizin, 1. und 2. Band, Leiden / Boston / Köln, 1999, S. 468] Über dem Beschneider steht: nDrj sw "Halte ihn fest!" nDrj (nDrw) "(1) fassen, anpacken (2) [Imperativ] ... halt fest!" (Hannig, S. 450) jm rDjw dbAx=f "Laß ihn nicht *bewußtlos werden!" jm rDjw "laß nicht" - negierter Imperativ nach Edel, § 1110 dbAx "*bewußtlos werden" (Hannig, S. 974) * heißt "unsicher, unklar, noch nicht beweisbar" - Erika Feucht, Das Kind im alten Ägypten, Frankfurt / New York, S. 246 hat: "laß ihn nicht zucken (?)" Links antwortet derjenige, der den Probanden an den Armen festhält: jry[=j] r Hs.t=k "[Jawohl,] ich handle auf deinen Wunsch." Zu dieser Phrase: Hannig, S. 558 - Diese Formulierung wird diskutiert in: Adolf Erman, Reden, Rufe und Lieder auf Gräberbildern des Alten Reiches, Berlin, 1919, S. 7-8, wo er bemerkt: "Übrigens muß die Bedeutung schon sehr abgeschwächt sein und nicht viel mehr als 'jawohl' besagen, denn sonst würde man sie nicht in Fällen wie die folgenden benutzen: ... bei der Beschneidung soll jemand den Patienten festhalten und antwortet: jrjj r Hst=k. Ein 'ich tue so, daß du es loben wirst' ist hier nicht mehr am Platze." Rechte Szene Die rechte Szene wird unterschiedlich interpretiert. Einige Autoren wie Erika Feucht sehen in ihr eine Nachbehandlung: sjn wnnt r mnx "Wisch / reibe ab, wirklich, zum Besten!" sjn "abwischen, abreiben" (Hannig, S. 666) wnnt "in der Tat, wirklich, fürwahr" (Hannig, S. 194) - sh. auch Edel, § 835 Eine andere Übersetzung liefert Erika Feucht, a.a.O.: "Wisch gut ab, was sein wird (?)" - in Anlehnung an Erman - abgeleitet von wn "sein" r mnx "vortrefflich, zum Besten, ordentlich" (Hannig, S. 341) Der andere antwortet: jw[=j] r jr.t r nDm "Ich werde es angenehm machen!" r nDm "angenehm" (Hannig, S. 449) Es gibt auch die Deutung, daß es sich um "die Rasur der Schamhaare handelt zur Erlangung der kultischen Reinheit vor der Beschneidung". Sie wurde vorgetragen von Ann Macy Roth, Egyptian Phyles in the Old Kingdom, Chicago, 1991, S. 62-72 ("Initiation: Phyle Membership and Circumcision") anhand einer ähnlichen Szene im Grab des Nj-anch-Chnum und Chnumhotep, die mit Saq "rasieren" (Hannig, S. 632) überschrieben ist. Da sjn auch "(3) fortreiben, auslöschen, tilgen" (Hannig, S. 666) bedeuten kann, ist diese Deutung nicht ganz von der Hand zu weisen. Viele Grüße, Michael Tilgner
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Michael Tilgner Member
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« Antwort #13, Datum: 17.10.2004 um 13:35:11 » |
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Liebe Gitta, zu Nunn schreibt Wolfhart Westendorf im Handbuch der altägyptischen Medizin, 1. und 2. Band, Leiden / Boston / Köln, 1999, S. 468-469: Wer hat die Beschneidung durchgeführt? Zitat:
Von den 4 Möglichkeiten der Übersetzung der Beischrift sbj.t Hm-kA, die Nunn zur Diskussion stellt, ist die erste falsch ("The hem-ka priest is circumcising"), die dritte unwahrscheinlich ("Circumcising the hem-ka priest") und die vierte nicht die Sprache der Beischriften ("One is circumcising the hem-ka priest"); es bleibt eigentlich nur die zweite: "Circumcising - The hem-ka priest = Beschneiden [durch] den Toten-Priester (Hm-kA)"; dazu EAG § 688 (sbj.t Infinitiv) und § 697 (jn ausgelassen). |
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Wer sind die Objekte der Beschneidung? Zitat:
Das Objekt der Beschneidung ist wohl sicher nicht der Hm-kA-Priester (obwohl grammatikalisch möglich); aber sachliche Gründe sprechen dagegen: Die Initiation ist der Übergang von einer Lebensstufe in die andere, dazu gehört das Sterben bzw. Töten der bisherigen Lebensform, wobei der Toten-Priester eine wesentliche Rolle spielt. - Bei dem Totenpriester als Objekt der Beschneidung stört schon das ausgeübte Amt, denn (von Ausnahmen bei Königen und Gaufürsten abgesehen) wird die Beschneidung beim Eintritt in das erste Amt durchgeführt, steht also am Anfang der Laufbahn. |
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Diesen Argumenten habe ich mich oben angeschlossen. Viele Grüße, Michael Tilgner
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Gitta Gast
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« Antwort #14, Datum: 17.10.2004 um 14:02:03 » |
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Hallo Michael, danke. Das wäre dann wohl mal wieder eine der typisch ägyptologischen Kontroversen Gitta
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Thema wurde als gelöst markiert. Vielen Dank für eure Beiträge :-). |
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