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Thema: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
Amunet Gast
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Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Datum: 16.01.2006 um 21:18:40 » |
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Hallo! Ich erhielt heute den Hinweis auf folgenden Link: http://science.orf.at/science/news/143063 Was soll, oder kann man davon halten? Kann man die Schlussfolgerungen, die in diesem Artikel gezogen werden ernst nehmen bzw. in dieser Weise verallgemeinernd interpretieren oder pauschalisieren? Immerhin beruft man sich ja auf Wissenschafter des Instituts für Ägyptologie der Universität Wien und des Österreichischen Archäologischen Instituts in Kairo. Besonders in Bezug auf die Kleinwüchsigkeit als Folge von Unternährung, die Aussage, dass die untersten Bevölkerungsschichten zu dieser Zeit offenbar Repressionen ausgesetzt gewesen seien, sowie die scheinbare, von Staats wegen "befohlene" Begrenzung von Wohnraum? Mal abgesehen, davon, dass wohl selbst heute so mancher ("normalen" Groß-)Familie in Ägypten sicher auch nicht wesentlich mehr Wohnraum zur Verfügung steht ... Ich finde diesen Artikel etwas fragwürdig, oder gibt es Anhaltspunkte, die ähnliches an anderer Stelle bestätigen würden? Eure Meinung zu diesem Artikel würde mich sehr interessieren, denn von Euch waren ja schon viele Forum-Mitglieder selbst und sogar mehrfach "vor Ort" und können das vielleicht besser beurteilen wie ich. Schon jetzt Danke für Eure Antworten und viele Grüße von Amunet
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Udimu Member
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #1, Datum: 16.01.2006 um 23:00:08 » |
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Wo ist das Problem? In allen vorindustriellen Gesellschaften konnte man Wohlstand für eine kleine Schicht in staatlich organisierten Gesellschaften nur durch die rigerose Ausbeutung und Unterdrückung der untersten, breiten Schichten erreichen. Ich empfehle in diesem Fall Karl Marx zu lesen, selbst die Moses-Geschichte in der Bibel ist da ganz aufschlussreich. Gruss Udimu
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Iufaa Moderator
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #2, Datum: 16.01.2006 um 23:09:55 » |
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Hallo Amunet, diesen Artikel würde ich mal "tiefer-hängen". Moderne Forschung zeigt zwar einen Zusammenhang zwischen Ernährungszustand und körpergröße (je besser der im Durchschnitt ist, umso größer ist die durchschnittliche Körpergröße), aber dies ohne weiteres auf eine Bevölkerungsgruppe vor rund 3000 Jahren anzuwenden, dafür fehlen uns die demographischen Daten aus dieser Zeit. Sicher sind die überkommenen Inschriften der aä Könige "offizielle" Darstellungen der Lage (haben also einen gewissen Propandacharakter), aber die marktschreierische Darstellung dieses Artikels, der übrigens schon im Ä-Blatt erwähnt wurde, ist keineswegs "wahrhaftiger". Von "Kleinwüchsigkeit" (wie gross waren denn die Zeitgenossen im Durchschnitt?) auf Repressalien zu schließen, ist mehr als gewagt - Dürreperioden mit Hungersnöten gab es bis in die moderne Zeit auch in Europa. Und wieviel mehr Wohnraum als 27 qm hatte der Durchschnittsägypter, z. B. wie gross waren die Häuser in der Arbeitersiedlung von Deir el-Medinah (wobei zu bedenken ist, dass die Einwohner privilegiert waren)? Ich kann nur anraten, erst mal Daten zu sammeln, dann werden sich die Aussagen dieses Artikels schnell relativieren. Gruss, Iufaa
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Amunet Gast - Themenstarter
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #3, Datum: 16.01.2006 um 23:37:41 » |
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Danke, Iufaa! Im Grunde bestätigst Du ja meine persönliche Meinung zu dem Bericht des ORF! Das freut mich. Leider hatte ich ihn wohl im Ägyptologie-Blatt überlesen. Zu Udimu: Ja, das ist durchaus richtig ... aber an anderer Stelle (bitte nicht hauen, wenn ich jetzt, so "aus dem Bauch heraus", nicht genau sagen kann, wo ...) wird ja auch berichtet, dass selbst an Mumien aus Adels - oder Königsfamilien verschiedene Mangelerscheinungen, die auf das Nahrungsangebot zurückzuführen sind, feststellbar waren. Also haben auch diese Menschen, trotz besserer, oder bevorzugter Stellung, gewisse Mängel ( in welcher Form auch immer) erlitten. Obwohl sie als Angehörige der Oberschicht im Vergleich zum einfachen Volk, da sicher noch das "bessere Leben" genossen haben, das ist vollkommen klar. Darum war mir ja auch die Aussage des Berichtes einfach zu platt, zu oberflächlich, zu pauschal, zu reißerisch. Aber darin sind wir uns ja einig. Übrigens, Karl Marx ist mir durchaus nicht unbekannt, wenn auch aus meiner Schulzeit Danke für Eure Antworten und viele Grüße ... von Amunet
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Udimu Member
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #4, Datum: 16.01.2006 um 23:45:51 » |
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@Amunet was mich an der Sache etwas stutzig gemacht hat, ist das Vorkommen von Tonsarkophagen. Ich bin immer davon ausgegangen, dass die zwar auch einer unteren, aber doch nicht der alleruntersten Schicht, zuzurechnen sind. Man muss einfach weitere Berichte abwarten. Wie dem auch sei, Mangelernährung (vielleicht auch nur durch falsches Essen) und diverse Krankheiten, werden das Leben für Arm und Reich sicherlich nicht besonders angenehm gemacht haben. Gruss
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Gitta Gast
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #5, Datum: 17.01.2006 um 00:02:09 » |
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Die Artikel zu dem Fund mögen marktschreierisch wirken, aber die Sache als solche wird im Forsc hungsnewsletter Januar 2006 der Uni Wien inhaltlich genauso wiedergegeben. Gitta
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Mubarek Gast
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #6, Datum: 17.01.2006 um 01:51:43 » |
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Zitat:
Wie dem auch sei, Mangelernährung (vielleicht auch nur durch falsches Essen) und diverse Krankheiten, werden das Leben für Arm und Reich sicherlich nicht besonders angenehm gemacht haben. |
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Nachgewiesene Mangelerscheinungen lassen n i c h t z w i n g e n d einen Schluss auf die soziale Stellung zu. Eine ausgewogene Ernährung (im heutigen Sinne) war kein Privileg der Begüterten, selbst die Armen und Ärmsten konnten sich mit den gekochten Stengeln und Wurzeln des Papyrus sowie selbstgefangenem Fisch "ausgewogen" ernähren. So ist zum Beispiel der Vitamin-A-Mangel überwiegend bei Begüterten als Folge eines selbstgewählten "Schattendaseins", helle Haut galt als modisches Ideal, zu werten. Grapow, Hermann; Über die anatomischen Kenntnisse der altägyptischen Ärzte; Verlag der J. C. Hinrichs’schen Buchhandlung, Leipzig; 1935 Kornemann, Ernst; Grosse Frauen des Altertums; Carl Schünemann Verlag, Bremen; 1951 Rachet, Guy; Lexikon des alten Ägypten; Patmos Verlag, Zürich, Düsseldorf; 2002 Westendorf, Wolfhart; Papyrus Edwin Smith; Verlag Hans Huber, Bern und Stuttgart; 1966 Zitat:
Und wieviel mehr Wohnraum als 27 qm hatte der Durchschnittsägypter, z. B. wie gross waren die Häuser in der Arbeitersiedlung von Deir el-Medinah (wobei zu bedenken ist, dass die Einwohner privilegiert waren)? |
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Nur um eine aktuelle Relation zu nennen: Die Verwaltung Pekings hat in ihrer jügsten Statistik darauf hingewiesen, dass jeder Einwohner der Stadt im Durchschnitt 4,8 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung hat; das ist eine deutliche Steigerung des Lebensstandards, da es nach der vorherigen Erhebung nur 4,5 Quadratmeter waren. Zitat:
...aber die Sache als solche wird im Forschungsnewsletter Januar 2006 der Uni Wien inhaltlich genauso wiedergegeben. |
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Ich wage zu bezweifeln, dass Bietak den Beitrag selbst verbrochen hat. Viel eher halte ich es für möglich, dass er die Hände über dem Kopf zusammenschlug, nachdem er den Inhalt ausgedruckt zu Gesicht bekam.
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Arbabat Member
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #7, Datum: 17.01.2006 um 09:09:01 » |
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Noch ein kleiner Hinweis zu den demographischen Daten, es gibt eine Dissertation zu dem Thema: Jürgen Kraus, "Die Demographie des Alten Ägypten", zu finden ist sie hier (als pdf). Kapitel 6.4 beschäftigt sich insbesondere mit Hungersnöten und Nahrungsmangel.
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Nefernefer Gast
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Re: Unterernährung zur Zeit Ramses II. ? |
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« Antwort #10, Datum: 17.01.2006 um 17:41:17 » |
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Hallo Chris, es ist Vitamin D. Wird heute jedem Säugling wegen der Knochen verabreicht. LG Amuniridis
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