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   Bauern in Ägypten (19)
  Autor/in  Thema: Bauern in Ägypten
Mephisto  
Gast

  
Bauern in Ägypten 
« Datum: 07.03.2002 um 16:36:30 »     

Hallo erstmal,
ich suche Fakten aus der Ägyptologie für die Schule. Ich möchte recherchieren, wieviel % der damaligen Ägypter Bauern waren. Es ist mir klas, dass es anfangs mehr waren, eigentlich 100%. Ich würde gerne die Zahl einer Fortgeschrittenen Zeit haben, also als es schon den Pharao mit all seinen Beamten und Handwerker, Schreiber, Priester und so weiter. Also dann, wenn ein Bauer mehrere Leute zu ernähren hatte und ein Lager anlegen musste. Am besten wäre es natürlich mit Quellangabe, doch ich fand nichts... Bitte begründet, warum ihr der Meinung seid, dass es so viel % sein müssen. Ich bitte euch noch, professionell zu sein und nicht zu raten... Danke für euer Verständniss...
Crossinger  
Gast

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #1, Datum: 07.03.2002 um 17:24:24 »     

Auch Hallo!

Da ich mich mit "Demographie" des alten Ägypten beschäftige, muß ich Dir leider mitteilen, daß selbst diejenigen, die das "professionell" betreiben, in dieser speziellen Frage auch nur raten!

Wie dem auch sei, ich schaue mal, was es an zugänglicher Literatur gibt.

Aber erwarte bitte keine "Gesellschaftspyramide", die genau aufdröselt, wie viele Menschen eines bestimmten Standes es zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben hat.

Tschoe

C.
Mephisto  
Gast - Themenstarter

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #2, Datum: 08.03.2002 um 22:55:49 »     

Ach, sorry, aber so hab ich das nich gemeint... Danke vielmals für deine Bemühungen. Da du ja ein Experte auf diesem Gebiet bist, so reicht natürlich eine Schätzung...
Aber danke vielmals
Mephisto  
Gast - Themenstarter

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #3, Datum: 11.03.2002 um 14:54:14 »     

Ich will ja nich unhöflich werden, doch ich brauche diese Info morgen... Bitte helpt mich...
Crossinger  
Gast

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #4, Datum: 11.03.2002 um 20:06:23 »     

So, ich hoffe, es kommt noch pünktlich an!

Allgemein:
Absolute Zahlen zu ermitteln, ist ein fast unmögliches Unterfangen! Da wir für die meisten Epochen der ägyptischen Geschichte auch nur Schätzungen für die Gesamtzahl der MEnschen haben, können wir noch nicht einmal sicher die "100%" angeben - wie sollte es dann möglich sein, die einzelnen Teile der Sozialstrukturen "herunterzubrechen"? Aufzeichnungen darüber gab es nicht - d.h. wir sind heute auf Indizien und Vermutungen angewiesen.

Die sozialen Gruppen lassen sich grob in folgende Gruppen untergliedern:
Bauern
Handwerker
Schreiber
Beamte
Priester
Soldaten
Sklaven

Einzelbetrachtungen zu dieser Aufstellung:

Sergio Donadoni, Der Mensch des Alten Ägypten, Frankfurt/New York 1992
(allerdings ohne Zahlenangaben)

Historisch betrachtet waren die ersten Ägypter sicher nicht allein "Bauern", sondern eben Alleskönner - die Spezialisierung hatte noch keinen Einzug gehalten. Was also im Laufe des Alten Reichs passiert, ist Spezialisierung (Bauern und Handwerker) einerseits, und Bildung eines Staates (Verwaltung, Beamtenhierarchie) andererseits. Vorher lassen sich "Eliten" (mit Ausnahme des Königs/Herrschers selbst) nicht greifen.

Jan Assmann umschreibt es als "Kolonisierung, Bürokratisierung, Demotisierung" (Ägypten, eine Sinngeschichte, München/Wien 1996, S. 60)

Wie kann man nun - grob - die Schichten eingrenzen?

Man betreibt einfache Statistik! In einem Aufsatz haben John Baines and Christopher Eyre Überschlagsrechnungen zur Schreibkenntnis der alten Ägypter unternommen (Baines/Eyre, Four notes on literacy, Göttinger Miszellen 61, 65-96)

Man bedient sich eines "Tricks": Bauern und niedere Stände konnten sich kein Grab leisten. Also sind Nekropolen Spiegel einer bestimmten, auserwählten Gruppe. Wenn man mal alle Vermutungen (viele!) des Artikels beiseite läßt, kommt z.B. heraus, daß es 1% Literarizität im Alten Reich gab = 1 von 100 gehörte zur "Elite" (S. 67). Dieser Wert wird auch in späterer Zeit angeblich (!) nicht überschritten. Man sollte diese Zahl auch nicht überbewerten: In den Metropolen des Staates (im Neuen Reich) lag der Prozentsatz sich höher. Und auch die Arbeiter-Siedlung von Deir el-Medineh dürfte in dieser Hinsicht nicht repräsentativ gewesen sein. Baines und Eyre gehen von einer Schriftkundigkeit von 5-7.5% aus(S. 90). Außerdem bezieht sich die Zahl von 1% auf eine "absolute" Zahl von 1 Mio. MEnschen im Alten REich - auch dies ist alles andere als gesichert!

Kurzum: Man weiß es nicht in absoluten Zahlen. In Anbetracht der Erkenntnisse aus Friedhöfen darf man aber davon ausgehen, daß eine sehr kleine Schicht ein Heer von Menschen geleitet hat. Darüber hinaus einzelne Größen anzugeben, ist kaum möglich. Wie groß war das ägyptische Heer? Wie viele Sklaven gab es? Gab es überhaupt so etwas wie freien Handel & Händler? Alle diese Fragen haben keine konkrete Antwort. Wenn man Deir el-Medineh als Obergrenze für das ganze Land betrachtet, dann haben die meiste Zeit ca. 5% der Menschen über 95% geherrscht (in allen Facetten der Verwaltung).

Es gibt einen eigenen Artikel zu dem Thema, allerdings aus dem Jahr 1959:
HELCK, Wolfgang, Die soziale Schichtung des ägyptischen Volkes im 3. und 2. jahrtausend v. Chr., Journal of Economic and Social History of the Orient, Leiden 2 (1959), 1-36.

War mir in der Kürze der Zeit leider nicht zugänglich.


Reicht das?

Tschüss & viel Erfolg!

C.
Udimu  maennlich
Member



Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #5, Datum: 12.03.2002 um 11:42:31 »   

Wenn ich mich mal hier kurz einmischen darf:

'Bauern und niedere Stände konnten sich kein Grab leisten.'

Was heisst denn das? Wie ist denn das gemeint? Wenn ich mir bestimmte Ausgrabungsberichte anschaue, hab ich immer das Gefühl, dass die voll von Gräbern der Bauern sind.

Gruss
Udimu
Crossinger  
Gast

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #6, Datum: 12.03.2002 um 13:47:29 »     

Du darfst Dich einmischen

Zugegeben - meine Ausführungen waren sehr knapp und vieles würde ich in dieser verkürzten Form anderswo nicht über die Lippen bringen.

Das Problem, das in der Archäologie besteht, ist die Korrelation zwischen Grabausstattung und Prestige. Ich gebe Dir recht, daß man heute nicht mehr pauschal sagen kann "Größeres,schöneres,volleres Grab = höherer sozialer Status". Allerdings gilt für die einfachen Bauern meist immer noch, daß sie in ein Sandloch in die Wüste gepackt wurden.

Die Gräberfelder, die für meine (referierten) Aussagen eine Rolle spielen, werden höheren sozialen Schichten zugewiesen. Z.B. käme ja auch niemand auf die Idee, daß in den Mastabas auf dem Giza-Plateau Bauern und einfache Leute begraben liegen, oder?

Tschüss

C.
Udimu  maennlich
Member



Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #7, Datum: 12.03.2002 um 14:10:26 »   

Jain,

natürlich geb ich Dir Recht, die Mastabas mit Scheintür etc. sind sicherlich von einer gewissen Elite beauftragt und für sie gebaut worden. Aber wenn ich mir die Pläne in Junker, Giza anschaue, dann seh ich dort Unmengen von kleinen Schächten und kleinen Mastabas. Warum kann hier nicht eine städtische Unterschicht, begraben liegen? So ein Schacht auszuheben ist wirklich kein grosser Aufwand.

Will eigentlich nur sagen, dass Gräber von Bauern und ärmeren Bevölkerungsschichten 'voll da' sind. Entgegen oftmals gehörten 'statements', dass man die Gräber dieser Leute nicht kennt.

Udimu
Crossinger  
Gast

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #8, Datum: 12.03.2002 um 14:23:45 »     

Jain,  

Natürlich gibt es auf dem Giza-Plateau die ganzen schlichten Schächte. Aaaaber:

  • Das sind "Nachbestattungen".
  • Abgeleitet aus Punkt 1: Sofern datierbar, fallen die Nachbestattungen aus dem Gesamtbefund heraus, denn für die oben zitierte Argumentation benötigt man ja einen einheitlichen Fundkomplex.
  • Außerdem: Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß die späten Bestattungen immer noch Elite waren, sozusagen "verarmter Adel" - zum Ende des AR gut möglich!


Ich gebe zu: der zweite Punkt ist ein wenig kitzelig, da hier archäologisch etwas hingebogen wird.

Und nun die Gretchenfrage: "Wie erkennt man das Grab eines Bauern?" Weil ein Säe-Sack und eine Pflugschar mit drinliegt?

Ohh, wir könnten noch ewig so diskutieren...

Tschüss

C.

Udimu  maennlich
Member



Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #9, Datum: 12.03.2002 um 14:52:37 »   

Leider machen es uns die Ägypter nicht so leicht mit ihren Beigaben, an denen man ja wohl so gut wie nie erkennen kann, was der Bestattete einst im Leben tat.

Bauerngräber findet man halt auf dem flachen Land, da wo man sie erwartet  . Also die Gräber, die Brunton in Qaw und Badari, in Gurob (vor dem NR) oder Reisner in Naga-ed-Deir ausgruben, sind doch zum grossen Teil sicherlich Gräber einer Unterschicht. Und die sehen nun kaum anders aus, als die gleichzeitigen Bestattungen in kleinen Schächten in Giza, weshalb ich vermute, dass hier in Giza eben Unterschicht-Bevölkerung begraben liegt.

'Verarmter Adel' - was ist denn das? Entweder ich hab eine gewisse Position (und die entsprechenden Resourcen) und dann kann ich mir auch in der 1.Zwzt. ein etwas aufwendigeres Grab leisten, oder ich kann es nicht, dann gehör ich aber zur Unterschicht. (die Ägypter kannten ja wohl kein Konzept von Blutsadel; wer weiss wie viele Enkel von hohen Beamten, Bauern wurden??).

Udimu (das alles ist ja genau MEIN Thema )
« Letzte Änderung: 12.03.2002 um 14:55:56 von Udimu »
Crossinger  
Gast

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #10, Datum: 12.03.2002 um 15:38:42 »     

Na gut, es ist *nicht* mein Thema, daher bewege ich mich auf fremdem Terrain & dünnem Eis...

Soweit ich weiß, gibt es aber gerade zum Ende des AR signifikante Anzeichen dafür, daß die Leute, die sich zuvor ein "gutes" Grab leisten konnten, nun - obwohl vom sozialen Status prinzipiell gleich - nur noch das Nötigste beschaffen können. Kronzeuge dafür ist eine ziemlich krude Grabstatue aus der späten 6. Dyn. (heute in Boston MFA), die in situ gefunden wurde und die nicht nach professioneller Handwerkerarbeit aussieht. Zwei Möglichkeiten: Mieser Handwerker (billig) oder selber gemacht.

Beides spricht für einen niedrigen finanziellen Status. Nichtsdestotrotz konnte/wollte dieser Mann nicht auf eine eigene Grabstatue verzichten.

Und in der 1.Zwzt. gibt es zwar immer noch dekorierte & ausgestattete Gräber, aber deren Zahl & Umfang nimmt doch ab, oder?

Wenn die gesamt-gesellschaftliche Tendenz zur Verarmung geht, dann gibt es am "oberen Rand" *natürlich* immer noch Leute, die das Geld für ein größeres Grab haben.

Oder?

Sitzt du darüber an einer Magi(st)er-Arbeit?

Tschüss

C.
Udimu  maennlich
Member



Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #11, Datum: 12.03.2002 um 16:11:44 »   

Ja fast; Schreib gerade über Bestattungenssitten, wobei ich weg will von Mumien, Uschebtis, Tal der Könige und bla, bla, bla sondern ich versuche herausszuarbeiten, wie wurde Otto-Normalverbraucher in Ägypten bestattet? 'Otto Normalverbraucher' war eher Bauer als hoher Beamter, also schau ich mir natürlich Bestattungen an, die eher solchen Leuten zuzurechnen sind.Bin mir aber nicht wirklich sicher wo sie zu finden sind!!


Zitat:
Und in der 1.Zwzt. gibt es zwar immer noch dekorierte & ausgestattete Gräber, aber deren Zahl & Umfang nimmt doch ab, oder?


Ja, ist aber alles sehr kompliziert, da man das Gewicht der Grabanlage eher auf die unterirdischen Teile verlegte, Mastabas waren nicht mehr so wichtig, was bei uns den Eindruch hinterlässt, dass es bergab ging. Aber es gibt noch grosse Gräber (Assiut).


Zitat:
Wenn die gesamt-gesellschaftliche Tendenz zur Verarmung geht,...


Naja, Ausgrabungen in den Provinzen zeigen, dass die Gräber eher reicher werden, nur die ganz grossen Anlagen (Pyramiden, Mastabas a la Mereruka) werden nicht mehr gebaut.

Udimu
Mephisto  
Gast - Themenstarter

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #12, Datum: 12.03.2002 um 19:57:03 »     

Ok, danke vielmals für eure zahlreichen Beiträge , doch ihr kommt ein klein wenig vom Thema ab. Danke Crossinger für deine ausführlichen Beiträge, natürlich auch an die andern... Aber ich konnte nichts herauslesen, als dass man keine genauen Zahlen weiss und das das halt eine subjektive schätzung wäre... Nun, ich brauche eine Zahl, deswegen bitte ich dich zu schätzen, nach deinem Gefühl. Und natürlich kannst du eine Spanne definieren. Ich stelle mir 30 - 40% Bauern vor. Was meinst du?

Übrigens @Udimu: Die Bauern wurden sehr wahrscheinlich in Leintüchern gewickelt in Massengräbern bestattet. Was das bestätigt oder womit das begründet wird, weiss ich auch nicht. Sehr wahrscheinlich konnte ich dir nich helfen, bzw. du wusstest das schon...
Udimu  maennlich
Member



Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #13, Datum: 13.03.2002 um 11:07:20 »   

Nur noch kurz:
30-40 % Bauern, halt ich für viel zu gering, ich denke eher etwas über 90 %, vielleicht sollte man sich Statistiken zum frühen Mittelalter anschauen, die müssten eigentich ganz ähnlich aussehen.

Massengräber: das stimmt wohl nur für die Spätzeit, vorher ist auf alle Fälle mit Einzelbestattungen für Bauern zu rechnen.

Udimu

Crossinger  
Gast

  
Re: Bauern in Ägypten 
« Antwort #14, Datum: 13.03.2002 um 11:37:01 »     

Würde ich grob aus so angeben. 10% einer "Elite" regieren 90% einfaches Landvolk.

Habe leider meine ganzen Bücher über das Mittelalter vorläufig an die UB zurückgegeben  

In den Büchern an meinem Schreibtisch steht dazu mal wieder nix drin!!!

Tschüss

C.

P.S.: Wenn ich doch noch was im LAufe des Tages finden sollte, füge ich es hier noch an!

Seiten: 1 2 »           

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