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Ägyptologie Forum >> Alltag & Freizeit


1) Behinderte
Sadjehuti am 28.06.2003 um 20:06:26

Wie sah eigentlich die Stellung der geistig Behinderten im Alten Ägypten aus?

Soweit ich weiß konnten körperlich Behinderte ja auch zu Ruhm und Ehre gelangen. z.B. der kleinwüchsige Seneb aus der 6.Dynastie!

Aber wie sah das mit geistig Behinderten aus?


Marcel


2) Re: Behinderte
 Taharqa am 28.06.2003 um 21:29:11

Hans-Werner Fischer-Elfert, "Lache nicht über einen Blinden und verspotte nicht einen Zwerg!",
Über den Umgang mit Behinderten im Alten Ägypten, in: Max Liedtke (Hrsg.), Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung, Bad Heilbrunn 1996

In Ägypten war der Respekt vor Behinderten zentral verankert. Das 25. Kapitel der Weisheitslehre des Amenemope verbietet ausdrücklich, den vom Schicksal Gezeichneten das Leben zu erschweren, sie zu verprügeln oder zu verspotten. Von konkreter Hilfeleistung ist jedoch nicht die Rede. Überliefert ist, daß man Menschen mit leichten Behinderungen zumindestens gestattete, sich in gängigen Berufen ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, wohingegen Schwer- und Schwerstbehinderte, sofern sie nicht in den Familien bleiben konnten, als Bettler leben mußten . Ganz anders war die Rolle der Kleinwüchsigen. Sie waren in der vornehmen Gesellschaft derart beliebt, daß sie in hohe Positionen aufsteigen konnten, so etwa Seneb, dessen Grab sich nahe der Cheops-Pyramide befindet. Er war Leiter der königlichen Leinen- und Kleiderzwerge, Vorsteher der Weberei, hatte eine eigene Sänfte und war sogar mit einer Dame aus dem königlichen Geschlecht verehelicht. Zwischen der Kunst der Leinenweberei und der Kleinwüchsigkeit bestand in der ägyptischen Mythologie von alters her ein tiefer Zusammenhang. Ebenso gab es Kleinwüchsige, deren Aufgabe in der tagtäglichen Erheiterung ihrer Dienstgeber bestand, die also die Funktion des Hofnarren erfüllten. Aus der Art und Weise ihrer Bestattung läßt sich deutlich ablesen, daß sie einen relativ hohen Rang innehatten. Nicht selten auch arbeiteten Kleinwüchsige in der Schmuckproduktion oder als Tierwärter. Die Nachfrage nach ihnen war derart groß, daß nach Senebs Tod der Gouverneur von Oberägypten eigens eine Expedition ins Land der Pygmäen ausrüsten ließ. Mit dem altägyptischen Sittengesetz ließ sich eine derartige Praxis jedoch nicht mehr vereinen.


Zitat:
wohingegen Schwer- und Schwerstbehinderte, sofern sie nicht in den Familien bleiben konnten, als Bettler leben mußten


Das dürfte Deine Frage eigentlich beantworten.



> Antwort auf Beitrag vom: 28.06.2003 um 20:06:26


3) Re: Behinderte
Gitta am 28.06.2003 um 23:31:04

Hallo Taharqa,

den Amenemope hatte ich auch gefunden - das war auch schon die ganze Ausbeute. Als ich den Text

Verlache nicht einen Blinden und verhöhne nicht einen Zwerg.
Erschwere nicht das Geschick eines Lahmen.
Verspotte nicht einen Mann der in der Hand Gottes ist,
und sei nicht aufgebracht gegen ihn, wenn er einen Fehler macht


zuerst las, dachte ich "Schau an, sehr sozial die Ägypter". Dann fiel mir auf, dass man das auch genau anders herum interpretieren kann: für diese Ermahnungen muss es gute Gründe gegeben haben. Und so scheint es ja wohl auch gewesen zu sein.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 28.06.2003 um 21:29:11


4) Re: Behinderte
 Iufaa am 29.06.2003 um 09:55:09

Hi Gitta,

ich denke, hier war es vor ein paar wenigen 100 Jahren auch nicht anders. Selbst gesunde, aber unwillkommene, Kinder wurden und werden hin und wieder einfach "ausgesetzt".
Unsere humane Einstellung ist sehr neuzeitlich, noch jünger sind die "humanitären" Katastrophen.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 28.06.2003 um 23:31:04


5) Re: Behinderte
Gitta am 29.06.2003 um 14:21:01

Hi Iufaa,

in jüngster Vergangenheit gab es sogar noch Schlimmeres (Stichwort Euthanasie). Das aber nur am Rande.

Bei diesem Thema ist mir mal wieder aufgefallen, dass wir Ägypten-Fans und Ägyptomanen immer noch größtenteils unter dem Einfluss von Darstellungen stehen, die m.E. allesamt in ihrer sauberen Schönheit und ihrem Liebreiz ein verfälschtes Bild abgeben über das antike Ägypten. Als ich mit meiner Tochter vor einigen Jahren in Ägypten war (ihr erstes und bisher auch einziges Mal), war sie natürlich voller Begeisterung angesichts der monumentalen Bauwerke und der schönen farbigen Wandmalereien und Reliefs. Für sie ist die ägyptischen Kultur seitdem eine "reine und schöne". Aber das war sie sicher ganz und gar nicht. Ich denke nur mal an das Müllproblem, das ja aus Amarna und Deir el-Medina ganz gut bekannt ist. Dazu stelle man sich dann die schönen in tadelloses Leinen gekleideten Damen der Grabmalereien vor. Oder auch kriegerische Auseinandersetzungen: die kennen wir nur aus geschönten Tempelreliefs und Grabbiografien. Wie es in einem Feldlager ausgesehen hat, kommt einem dabei kaum mal in den Sinn.

Ich finde, man müsste sich viel mehr mit allen möglichen Texten beschäftigen - nicht nur mit Bildern. Ich würde mir ein Buch wünschen, in dem alle bisher bekannten ägyptischen Texte übersetzt zusammengefasst sind, nach Sachgebieten: Recht und Justiz, Verwaltung, Weisheitslehren, private und auch diplomatische Korrespondenz, Tempelrituale, Medizin  usw. usw. Zu all diesen Gebieten gibt es Papyri, Grabinschriften u.ä. Diese sind auch publiziert, man muss sie sich aber zusammensuchen aus ich weiß nicht wievielen Fachbüchern, Dissertationen und Aufsätzen*. Würde man sich mit diesen Überlieferungen in kompakter Form auseinandersetzen können, bekäme man ein ganz anderes Bild des antiken Ägypten. Kein verklärtes, sondern ein reales.

Ich habe gerade mal ein wenig in dem Katalog zur Ausstellung "Stimmen vom Nil" gelesen. Darin findet man zu einigen Themen überlieferte Texte, die einem schon auf diesen paar Seiten eine Ahnung geben - und im Prinzip auch die Bestätigung des unterschwelligen Wissens, dass es in Ägypten auch Anderes gab als die paradiesischen Darstellungen vermitteln.

*Oder irre ich mich? Gibt es sowas vielleicht schon und ich weiß es nur nicht?

Gitta

PS: Mal wieder hat mich eine ganz einfache Frage sehr zum Nachdenken angeregt  

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 09:55:09


6) Re: Behinderte
 Iufaa am 29.06.2003 um 14:51:04

Jo,

in der Geschichte wird hauptsächlich "Herrschaftswissen" überliefert, da interessiert nicht, wie der Fellache lebt, der Kaufmann seine Reisen plant, oder ob die Mitanni-Prinzessin in Pharaos-Harim Heimweh hat (Hauptsache, sie kommt mit vielen Geschenken an - worüber ja auch berichtet wurde - und ist recht hübsch; wenn weniger hübsch, dann müssen halt die Geschenke größer sein   ).
In Ägypten kriegen die Gäste halt den eindrucksvollen Teil zu sehen, so wie an der Loire, da tourst Du auch nur durch die Schlösser. Das Alltagsleben ist halt weniger spektakulär - auch in seinen Hinterlassenschaften.

Und wenn wir uns "zurückträumen", wer sieht sich da schon als Fellache.

Iufaa


> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 14:21:01


7) Re: Behinderte
 chufu am 29.06.2003 um 15:01:51 - Anhang: fuesse.jpg

Hallo Gitta und Iufaa!
Als wir im Mai in Medinet Habu waren, staunte ich nicht schlecht, als ich auf den Wandreliefs hunderte von abgeschnittenen Körperteilen sah. Auch die abgetrennten "besten Stücke" ließen mir einen Schauer über den Rücken jagen. Mal ganz abgesehen von Taharqa  .
Das steht schon ein wenig im krassen Gegensatz zu der weitverbreiteten Meinung, das die Ägypter als Sinnbild für Humanität stehen. Vor allem letztere Verstümmelung führte mit Sicherheit zum Tod. Ich glaube nicht, das diese Reliefs nur Phantasiegebilde oder Ausdruck künstlerischer Kreativität waren.
Liebe Grüße, chufu.

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 14:51:04


8) Re: Behinderte
Gitta am 29.06.2003 um 15:06:40


Zitat:
Und wenn wir uns "zurückträumen", wer sieht sich da schon als Fellache.


Stimmt. Aber das ist doch ein bisschen unbefriedigend, oder? Was nützt es mir, wenn ich mich mit einer Kultur beschäftigen möchte, aber nur einseitig informiert werde? Es sei denn, ich wühle mich Wochen und Monate durch Bibliotheken und schreibe mir alles raus, was nicht "mainstream" ist. Vielleicht erbarmt sich ja ein Ägyptologe oder Philologe (oder mehrere oder ein Studentenseminar) und schreibt mal ein umfassendes Werk mit ägyptischen Texten. Das wäre eine feine Sache

Gitta


> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 14:51:04


9) Re: Behinderte
Gitta am 29.06.2003 um 15:08:40


Zitat:
Ich glaube nicht, das diese Reliefs nur Phantasiegebilde oder Ausdruck künstlerischer Kreativität waren.


Nö, so haben die Ägypter nach gewonnener Schlacht ihre getöteten Feinde durchgezählt. Den gefallenen wurde entweder eine Hand oder der Penis abgeschnitten.

Gitta


> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:01:51


10) Re: Behinderte
 Taharqa am 29.06.2003 um 15:16:42


Zitat:
Den gefallenen wurde entweder eine Hand oder der Penis abgeschnitten.

Autsch!!
Durch die Verstümmelungen haben sie sich allerdings selbst ein Riesenheer von Behinderten geschaffen. Denn ohne Hand dürfte ein "Job" als Minenarbeiter oder im Steinbruch ja auch entfallen. Vielleicht haben sie danach auch kurzen Prozeß gemacht und alle Gefangenen exekutiert. Bei der Geschichte mit dem Penis kam das ja einer Hinrichtung gleich.
Taharqa



> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:08:40


11) Re: Behinderte
 Iufaa am 29.06.2003 um 15:19:13

Entweder?

Das glaube ich nicht, ich vermute hier eher die Erfinder der Buchhaltung am Werke, erst mal Hand ab und Zählen, dann andere Hand ab und Gegenzählen - wenn nicht stimmt, dann ....

Grundsätzlich kann man aber drakonische Strafen am lebenden Objekt nicht ausschließen, die Menschheit hat sich da immer sehr erfinderisch gezeigt. Allerdings sind wir da im Tierreich auch nicht allein, der Herr der Tiere bringt auch erst mal alle Kinder seine Vorgängers um, wenn er ein Rudel Damen übernimmt.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:08:40


12) Re: Behinderte
Gitta am 29.06.2003 um 15:19:48

Die waren doch schon tot, als man sie ihrer edlen Teile beraubte. Das diente nur noch der Kriegsbuchführung.

Wirkliche Verstümmelungen (am Lebenden) gab es im Strafvollzug. Da wurden Ohren und Nasen abgeschnitten.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:16:42


13) Re: Behinderte
Gitta am 29.06.2003 um 15:22:13


Zitat:
Das glaube ich nicht, ich vermute hier eher die Erfinder der Buchhaltung am Werke, erst mal Hand ab und Zählen, dann andere Hand ab und Gegenzählen - wenn nicht stimmt, dann ....


...waren vielleicht Einarmige dabei  

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:19:13


14) Re: Behinderte
Sadjehuti am 29.06.2003 um 15:41:26

Hi Gitta, Iufaa, Taharqa, chufu,
  1. glaube ich nicht, dass die Ägypter unsozialer waren, als wir es heute sind!
  2. muss ich Gitta Recht geben, was die Ermahnungen betrifft
  3. glaube ich nicht, dass damals unwillkommene Kinder einfach ausgesetzt wurden!
  4. ist es ja auch klar, dass sich die meisten mit der besseren Gesellschaft beschäftigen. Wie soll man Entwicklung einer Kultur beschäftigen, wenn man nach dem Leben eines einfachen Bauern frägt
  5. glaube ich nicht, das irgendjemand ein absolut richtiges und allumfassendes Bild von der ägyptischen Kultur haben kann
  6. glaube ich auch nicht, dass die Ägypter einfach aus Lust und Laune dem Nachbar die abschnitten und sie zum Pharao brachten. Das man dies im Krieg machte, ist ja schon belegt. Und außerdem wurden in den Weltkriegen, Leichenteile von Soldaten als Trophäe angesehen und sogar verkauft! Das ist ja mindestens so schlimm!


Marcel

P.S.:Was ist eigentlich "Euthanasie"??

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:22:13


15) Re: Behinderte
 Iufaa am 29.06.2003 um 15:55:41

Hi,



Zitat:
1. glaube ich nicht, dass die Ägypter unsozialer waren, als wir es heute sind!

-> Glauben hilft da nicht viel und was "unsozial" ist, wird bestimmt durch die herrschende gesellschaftliche Meinung;


Zitat:
3. glaube ich nicht, dass damals unwillkommene Kinder einfach ausgesetzt wurden!

-> auch hier hilft Glauben nicht viel, wir wissen es einfach nicht, es sei denn, die Moses-Geschichte stimmt - ansonsten war und ist das ein "Lösungsversuch" für "Problemkinder", darum gibt es ja heute Babyklappen;


Zitat:
4. ist es ja auch klar, dass sich die meisten mit der besseren Gesellschaft beschäftigen. Wie soll man Entwicklung einer Kultur beschäftigen, wenn man nach dem Leben eines einfachen Bauern frägt

-> nein, so einfach ist es nicht, man kann sich auch nur mit dem beschäftigen, was überliefert ist, über das Leben des Bauern gibt es halt nicht viel, also hat man schon Probleme, wenn man sich damit beschäftigen will;


Zitat:
6. glaube ich auch nicht, dass die Ägypter einfach aus Lust und Laune dem Nachbar die abschnitten und sie zum Pharao brachten. Das man dies im Krieg machte, ist ja schon belegt. Und außerdem wurden in den Weltkriegen, Leichenteile von Soldaten als Trophäe angesehen und sogar verkauft! Das ist ja mindestens so schlimm!

-> derartiges ist aus allen Kulturen überliefert, es mit den beiden Weltkriegen und der Entwicklung des Kriegsrechtes wurde der Versuch gemacht, die Situation zu verbessern - klappt aber leider nicht immer

Euthanasie ist die Tötung "minderwertigen Lebens (d.h. z.B.  von geistig Behinderten" in der Nazizeit.

Iufaa



> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:41:26


16) Re: Behinderte
Sadjehuti am 29.06.2003 um 16:40:26

Hi Iufaa,
Erst mal: man kann sowas (in Bezug auf "sozial oder unsozial" nicht ´"wissen", wenn man nicht gerade ne Zeitreise macht. Aber unsozialer wie die heutige Gesellschaft gehts doch fast nicht!

Damals hatte man ja auch ein anderes Verhältnis zum menschlichen Leben, Da es z.B. bei Kindern öfters zu Fehl- oder Totgeburten kam. Da war man sicher froh, wenn man ein gesundes Kind bekam. Außerdem war damals Kinderreichtum auch Reichtum!

Aber wenn jetzt welche aus der Zukunft kommen würden, und sagen würden, du sollst ihnen etwas über deine Kultur zeigen. Würdest du mit ihnen dann zum nächsten Biobauern gehen? Nein! Sicher nicht! weil du, und die aus der Zukunkt, das nicht als wichtigen Teil deiner Kultur ansehen!

Marcel

P.S.u glaubst mindestens so viel, was Ägypten betrifft, wie du weißt! Denn alle Schriften sind subjektiv, und JEDE Aussage ist nicht zu 100% richtig, wenn es um Geschichte geht!


> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:55:41


17) Re: Behinderte
Harachte am 29.06.2003 um 18:32:10

Hallo
Euthanasie stammt nicht von den Nazis sondern ist eine "Erfindung" der Griechen. Dieser Begriff wird heute noch (zum Bspl im Holland) für die aktive Sterbehilfe verwendet.
gruß
Harachte

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:55:41


18) Re: Behinderte
 Iufaa am 29.06.2003 um 18:43:27

Kleine Korrektur, der Begriff ist griechisch (eu thanatos der gute oder gnädige Tod). Das Programm als "große Bewegung" stammt von den Nazis. Die Niederländer benutzen den Begriff seit einigen Jahren für ihre Sterbehilfe.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 18:32:10


19) Re: Behinderte
Harachte am 29.06.2003 um 18:57:58

noch eine korrektur
um es ganz genau zu sagen stammt der Begriff von
eu: gut oder schön und
thneskein =sterben ab.

Harachte

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 18:43:27


20) Re: Behinderte
Senenmut (Gast) am 29.06.2003 um 18:59:19

Hi Marcel!

Zitat:
Aber unsozialer wie die heutige Gesellschaft gehts doch fast nicht

Was meinst du was ohne Arbeits-und Sozialamt, ohne Krankenkasse und caritative Einrichtungen in Deutschland los wäre Warst Du schon einmal im heutigen Ägypten bzw. die harte Variante in Indien bzw. Nepal? Versuche mal ein wenig objektiv zu bleiben. Ob die alten Ägypter sozialer waren, bleibt allerdings Spekulation.

Zitat:
Außerdem war damals Kinderreichtum auch Reichtum

Wäre es heute auch, siehe Renten.

Zitat:
glaube ich auch nicht, dass die Ägypter einfach aus Lust und Laune dem Nachbar die abschnitten und sie zum Pharao brachten.

Hat ja auch keiner hier in den Beiträgen behauptet, oder habe ich etwas überlesen?

Zitat:
JEDE Aussage ist nicht zu 100% richtig, wenn es um Geschichte geht!

Das mag stimmen, aber sollte man deswegen alles in Frage stellen? Irgendwer sagte einmal:"Geschichte ist immer die Geschichte des Siegers!"
Sorry, bin etwas abgedriftet. Eigentlich ging es ja um geistig Behinderte. Wenn man von einigen Herrschern einmal absieht, die einer Form von Wahnsinn verfallen waren, wurden sie meistens eher versteckt, oder brachten es vielleicht zum Seher?




> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 18:43:27


21) Re: Behinderte
Sadjehuti am 29.06.2003 um 19:26:42


Zitat:
Was meinst du was ohne Arbeits-und Sozialamt, ohne Krankenkasse und caritative Einrichtungen in Deutschland los wäre Warst Du schon einmal im heutigen Ägypten bzw. die harte Variante in Indien bzw. Nepal? Versuche mal ein wenig objektiv zu bleiben. Ob die alten Ägypter sozialer waren, bleibt allerdings Spekulation.


Da bist du irgendwie auch vom Thema abgedriftet! Wenn man vergleicht, heute und altes Ägypten, dann denk ich mal das die Ägypter genauso sozial waren wie wir es heute sind! Damals gab es zwar keine caritativen Einrichtungen, aber damals konnte man auch noch zu Essen kommen ohne zu klauen.


Zitat:
Wäre es heute auch, siehe Renten.


Aber auch ohne Kinder bekommt man heute Rente!


Zitat:
Hat ja auch keiner hier in den Beiträgen behauptet, oder habe ich etwas überlesen?


Zumindest kann man chufus Beitrag so deuten! Ich hab das ja auch eher ironisch gemeint!


Zitat:
Das mag stimmen, aber sollte man deswegen alles in Frage stellen?


Ja! Wenn man vernünftige Quellen hat, die das Widerlegen!


Zitat:
Wenn man von einigen Herrschern einmal absieht, die einer Form von Wahnsinn verfallen waren,


Ob man das als Geisteskrankheit bezeichnen kann?! Meiner Meinung nach nicht!


Zitat:
oder brachten es vielleicht zum Seher?


Gab es sowas? Wurden dann nicht eher die als geisteskrank bezeichnet?

Marcel

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 18:59:19


22) Re: Behinderte
Harachte am 29.06.2003 um 19:28:22

Hallo,
eine schwierige Frage, denn was ist geistigbehindert?

Denn die einzige Stelle die mir spontan einfällt ist aus dem Papyrus Insinger

Der Sohn, der nicht unterwiesen worden ist, dessen Vater erregt Verwunderung
Das Herz seines Vaters wünscht ihm kein langes Leben.
Das Kluge unter den Kindern verdient zu leben.

ACHTUNG: Ich denke nicht das es sich hierbei um die Aufforderung zum Kindsmord handelt. Aber es gibt eine Möglichkeit das es sich bei solchen Ängelegenheiten (Behinderung unter die sehr wohl auch ein schlechter Charakter zählen kann (der nicht zu korrigieren ist nach Ani oder "du sollst nicht")) dem Vater bzw. der Familie obliegt damit umzugehen.
Also die Familie entscheidet wie das leben einer solchen Person verläuft.
gruß
Harachte


> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 18:59:19


23) Re: Behinderte
Gitta am 29.06.2003 um 21:19:29

Hallo zusammen,

ob die Ägypter sozial oder unsozial waren, muss man sicher - wie Iufaa schon irgendwo weiter oben geschrieben hat - immer in den richtigen Bezug setzen. Dass alle Ägypter immer satt wurden ohne zu klauen, würde ich so nicht unterschreiben. Und ob sie es als sozial ansahen, wenn sie ihre Felder bestellten und die Ernte Pharao überlassen mussten, weiss man auch nicht. Vielleicht fanden sie es auch unsozial, wenn sie während der Überschwemmungszeit zum Arbeiten in Steinbrüche und auf heilige Baustellen eingezogen wurden. Genauso wenig wissen wir, ob sie es als sozial ansahen, dass die Tempel im Reichtum schwammen und damit auch die Priester, die das Fleisch der Opfertiere wahrscheinlich unter sich aufteilten. Fleisch - gar Rindfleisch - konnte sich ein normaler Ägypter kaum leisten.

Aber wahrscheinlich waren sie - der eine mehr, der andere weniger (sonst hätte es z.B. keine Grabräuber gegeben) - im Großen und Ganzen zufrieden mit ihrem Los, überzeugt davon, dass ihr Leben maatgerecht verläuft. Wir können uns heute da nicht hineinversetzen, weil wir eine ganz andere Denkweise haben. Und weil wir viel über Pharao, seinen Hofstaat und seine Beamten wissen, aber so gut wie nichts über das "normale" Leben.

Deshalb habe ich es ja so bedauert, dass zu wenig Wert auf Texte gelegt wird, wenn man sich mit der ägyptischen Kultur beschäftigt. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte des Lebensmüden, der seiner Seele etwas über sein trostloses Leben erzählt, weshalb er sich selbiges nehmen möchte. Es gab also auch noch andere Dinge als große Siege, Lobpreisungen Gottes und schöne Grabtexte, in denen der Verblichene sich selbst als guten Menschen darstellt. Dabei fällt mir ein: sogar zwischen den Zeilen dieser Grabtexte kann man Einiges herauslesen. Da heißt es "nie ließ ich einen Armen hungern, nie ließ ich einen Nackten ohne Kleidung" oder irgendwie so ähnlich. Im Umkehrschluss muss das wohl heissen: es gab Arme, die hungerten und nichts anzuziehen hatten.

Es liegt mir fern, aus den Ägypter ein barbarisches Volk zu machen. Das waren sie ganz sicher nicht. Aber sie waren auch nicht die reinsten Gutmenschen. Und um darüber mehr zu erfahren, muss man sich auch mit dem "einfachen" Volk beschäftigen. Und da von diesem nur ein Bruchteil des Lesens und Schreibens mächtig war, müsste man m.E. die erhaltenen "Profan"texte analysieren.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 19:28:22


24) Re: Behinderte
Sadjehuti am 30.06.2003 um 12:06:47

Hi Gitta,
Man muss auch sehen, dass wir heute eine Gesellschaft haben, wo es oft nur darum geht, wer besser, wer schöner, wer schlauer, usw. ist.

Das mag für uns vielleicht komisch klingen, aber nicht zu allen Zeiten war das so! Ich denke das die Ägypter oft auch mit ihrem einfachen Leben zufrieden waren, und nichts besseres, schöneres, usw. wollten!


Zitat:
Im Umkehrschluss muss das wohl heissen: es gab Arme, die hungerten und nichts anzuziehen hatten.


solche gab es zu allen Zeiten, und so wird es auch immer sein!!!


Zitat:
Es gab also auch noch andere Dinge als große Siege, Lobpreisungen Gottes und schöne Grabtexte, in denen der Verblichene sich selbst als guten Menschen darstellt.


Ich denk da mal an das (oder die, oder der??) Psychosis, also die Geschichte mit dem Herz wiegen! Dort wurden m.E. doch auch die schlechten Taten vorgelesen!


Zitat:
Aber sie waren auch nicht die reinsten Gutmenschen.


Die Existenz der Spezies der "Gutmenschen" zu irgend einer Zeit bezweifle ich immer noch!!!!!!!

Marcel

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 21:19:29


25) Re: Behinderte
Gitta am 30.06.2003 um 22:34:36

Hi Marcel,


Zitat:
Ich denke das die Ägypter oft auch mit ihrem einfachen Leben zufrieden waren, und nichts besseres, schöneres, usw. wollten!


Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das würde ich gern herausbekommen.


Zitat:
solche gab es zu allen Zeiten, und so wird es auch immer sein!!!


Sag ich ja. Aber in der landläufigen Betrachtung Ägyptens treten sie kaum in Erscheinung - mein Eindruck.


Zitat:
Ich denk da mal an das (oder die, oder der??) Psychosis, also die Geschichte mit dem Herz wiegen! Dort wurden m.E. doch auch die schlechten Taten vorgelesen!


Das Herz wurde gewogen gegen die Maat-Feder. Wenn es schwerer war, war der Verstorbene ein schlechter Mensch und ging nicht in den schönen Westen, sondern in die gefürchtete Unterwelt der ein für allemal Toten. Ich kenne keinen einzigen Fall, wo das passiert wäre.


Zitat:
Die Existenz der Spezies der "Gutmenschen" zu irgend einer Zeit bezweifle ich immer noch!!!!!!!


Ich auch

Gitta




> Antwort auf Beitrag vom: 30.06.2003 um 12:06:47


26) Re: Behinderte
Sadjehuti am 01.07.2003 um 13:44:41


Zitat:
Das Herz wurde gewogen gegen die Maat-Feder. Wenn es schwerer war, war der Verstorbene ein schlechter Mensch und ging nicht in den schönen Westen, sondern in die gefürchtete Unterwelt der ein für allemal Toten. Ich kenne keinen einzigen Fall, wo das passiert wäre.


Soviel wusste ich über die Psychosis auch noch, nur nicht, wie der Artikel heißt!  
Wird denn beschrieben, das einer dorthinn kam? woher wollen die das gewusst haben?

Marcel

> Antwort auf Beitrag vom: 30.06.2003 um 22:34:36


27) Re: Behinderte
 semataui am 01.07.2003 um 14:02:26

Hi Marcel,

Zitat:
Wird denn beschrieben, das einer dorthinn kam? woher wollen die das gewusst haben?

Gewusst haben die das nicht! Das ist halt der Unterschied zwischen Glauben und Wissen. Man glaubt an Gott/die Götter, aber das zu beweisen fällt schwer...

Ich glaube, dass die zehn Gebote ihren Ursprung im negativen Sündenbekenntniss der Ägypter haben, aber beweisen kann ich es nicht.

Gruß sema

> Antwort auf Beitrag vom: 01.07.2003 um 13:44:41


28) Re: Behinderte
Sadjehuti am 01.07.2003 um 14:12:47

Hi semataui,
Ich meinte, ob die , und woher die wussten ob der Verstorbene nach Westen ging oder ob er aufgefressen wurde!

Übrigens sind wir ziemlich vom Thema abgedriftet!

Marcel

> Antwort auf Beitrag vom: 01.07.2003 um 14:02:26


29) Re: Behinderte
 semataui am 01.07.2003 um 15:23:03

Hi Marcel,

Zitat:
Übrigens sind wir ziemlich vom Thema abgedriftet!

Stimmt! Sollten wir unter Jenseitsglube und Totenkult fortsetzen.

sema


> Antwort auf Beitrag vom: 01.07.2003 um 14:12:47


30) Behinderte
Horus20 am 05.07.2003 um 03:15:16

Also da muss man doch einen gewaltigen Unterschied machen, zwischen "Lilliputanern" und Behinderten im alten Ägypten, schließlich waren die Zwerge verehrt! Wenn ich das richtig verstanden habe!

> Antwort auf Beitrag vom: 28.06.2003 um 20:06:26


31) Re: Behinderte
Anat am 16.08.2003 um 14:49:03

Hallo Taharqa,
soweit ich weiß wurde nur den Toten eine Hand abgeschnitten und die unterlegenen Gegnern wurden meistens ins eigene Heer integriert.
(hab ich irgentwo gelesen, weiß nur nicht mehr wo)

Anat

> Antwort auf Beitrag vom: 29.06.2003 um 15:16:42


32) Re: Behinderte
 heka-waset am 16.10.2003 um 15:31:53

Ich denke, wenn wir die Ägypter zu Übermenschen stilisieren wäre auch niemandem geholfen. Sie waren natürlich nur Menschen un dhatten schwächen und fehler - es gab Korruption, Gewalt, Ämtermißbrauch und besonders in Zeiten schwächerer Zentralregierungen sicherlich auch Hungersnöte und Versorgungsprobleme. Allerdings würde ich die Ägypter dennoch als ein soziales Volk bezeichnen - vor allem im Vergleich mit den sie umgebenden Nachbarvölkern, Allein der Begriff der M´at zeugt für mich von einem großen Bedürfniss nach rechtschaffenheit, staatlicher Ordnung und Gerechitgkeit. Natürlich, Ägypten war ein totalitärer Staat, aber im denken der damaligen Menschen gab es wohl Begriffe wie persönliche Freiheit, Demokratie und so weiter gar nicht... wenn Religion und Politik so eng miteinander verzahnt waren und die Religion eine so große Rolle im Leben der einfachen Menschen gespielt hat, dann sah man seinen sozialen Rang als gottgebenen an und aktzeptierte ihn wohl - in zeiten einer starken und mächtigen zentralgewalt sind aufstände gegen den König nicht bezeugt, auch scheinen die Bauern nicht großartig gemeckert zu haben, wenn sie an den Bauten des Pharao arbeiten mussten - immerhin wurden sie dafür entlohnt in einer Zeit, in der sie wegen der Überschwemmung der Felder sowieso nicht in der Landwirtschaft arbeiten konnten. Auch das Steuersystem der Ägypter führte nicht nur zu unendlichem Reichtum der Oberschicht und des Königs, sondern sorgte auch dafür, das immer Korn in den staatlichen Speichern zur Verfügung stand, um in Notzeiten die Bauern am Leben zu erhalten. In meinen Augen waren die Ägypter ein sehr weit- und hochentwickelets Volk und ihrer Zeit in den meisten Bereichen weit vorraus

> Antwort auf Beitrag vom: 16.08.2003 um 14:49:03