Hallo, wuff, in Ergänzung zur Iufaas Stellungnahme: Das Reallexikon der Assyriologie1, Bd. 1, steht im Netz teilweise zur Verfügung. Im Eintrag "Augenkrankheiten" heißt es auf S. 314: Zitat:
Im Kod. Hammurapi ist im § 218, wie es scheint, von einer Staroperation die Rede ..., die der Arzt mittels eines bronzenen Instrumentes (einer Art Messer, Ideogr. GIR) ausführt. Interessant ist dabei, daß der Arzt für das Mißlingen einer solchen Operation haftbar gemacht wird. |
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Beim Weiterreichen der spekulativen Formulierung "wie es scheint" wird rasch Gewißheit: Zitat:
Im Netz findet man einen Vortrag von Dr. Dr. Martha Haussperger3 mit dem Titel Medizin im Alten Mesopotamien4, hier die uns interessierende Passage: Zitat:
Bisher wußte man nicht viel über die mesopotamische Heilkunde und ihre Ärzte, obwohl es ja viele Hinweise gab. So ist der Codex Hammurapi, niedergeschrieben auf einer Dioritstele, die bereits 1901/2 in Susa (Elam) aufgefunden und damals bereits übersetzt worden war, schon lange bekannt und auch die Gesetze, die das normale Leben im Land regelten, kannte man, jedoch hat man kaum jemand Notiz davon genommen, daß es auch mehrere Paragraphen gab, § 215-223, die sich mit der Medizin und den Ärzten beschäftigten. Es handelte sich hierbei hauptsächlich um chirurgische Maßnahmen, so besonders um Eingriffe am Kopf und am Auge sowie Wundversorgung und Frakturbehandlung. So lautet der § 218: "Wenn ein Arzt eine schwere Wunde macht mit dem Bronzemesser und den Menschen rettet, oder die Schläfe eines Menschen mit dem Bronzemesser öffnet und das Auge des Menschen rettet", dann bekommt der Arzt ein festgelegtes Honorar. Mißlang allerdings diese Operation, dann wurde dem Arzt die Hand abgeschnitten. (S. 4) |
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Wie Iufaa schon schrieb, ist es doch etwas gewagt, aus dieser Formulierung auf eine Staroperation zu schließen! So heißt es im erwähnten Vortrag auch weiter: Zitat:
Ob man aus dem Hinweis, daß ein Schatten über dem Auge liege, auf das Vorliegen des "grauen Stars" schließen darf, kann ich derzeit noch nicht bestätigen, Natürlich geht aus dem Codex Hammurapi (§215-225) hervor, wie anfangs erwähnt, daß Augenoperation durchgeführt wurden, ob man allerdings, wie immer wieder angeführt wird, bereits erfolgreiche Staroperationen durchführen konnte, ist noch nicht geklärt. (S. 9) |
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Ich glaube, nach dem Vorstehenden mich soweit aus dem Fenster lehnen zu dürfen: Eine Staroperation im Alten Mesopotamien ist ebenso wenig belegt wie im Alten Ägypten! Zu dieser Diskussion zwei grundsätzliche Bemerkungen: 1. Die im wissenschaftlichen Diskurs mit allem Vorbehalt geäußerten Vermutungen - "wie es scheint" - werden schnell "wahrscheinliche" Fakten und schließlich "Gewißheiten". Man ist gut beraten, bei Formulierungen in der populärwissenschaftlichen Welt wie "Schon die Alten Ägypter kannten / hatten / wußten, daß ...", ohne daß ein Beleg dafür angegeben wird, eine gehörige Portion Skepsis an den Tag zu legen. 2. Ein Thema, das mich schon länger bewegt, ist das, was ich "Internet-Kompetenz" nennen möchte: Wie kann ich die "Spreu" vom "Weizen" trennen? Auf welche Informationen ist Verlaß? Viele Quellen wie Wikipedia oder - um nur ein weiteres zufällig gegriffenes Beispiel zu nennen - das Lexikon eines bei vielen Ägyptenfreunden beliebten Diskussionsforums enthalten Informationen, die einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Eine definitive Antwort auf meine Frage habe ich nicht, aber ich denke, daß es in den Fällen, bei denen es einem darauf ankommt, sinnvoll ist, letztlich zu den Quellen vorzudringen. Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 13:32:49
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