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Ägyptologie Forum >> Alltag & Freizeit


1) Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Geistsucher am 24.08.2007 um 20:13:09

Hallo Leute.

Sind eigentlich Kurz- und [Alters-] Weitsichtigkeit
eine Behinderung erst der Neuzeit ?

Geistsucher


2) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 naunakhte am 24.08.2007 um 20:26:03

Nein.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 20:13:09


3) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 24.08.2007 um 21:22:24

Hallo GS,

die Frage hättest Du mit einigem Nachdenken auch selber befriedigend beantworten können.

Ob diese Formen der Fehlsichtigkeit auftraten, läßt sich nicht beantworten, denn die notwendige Diagnostik fehlte ebenso, wie eine Definition der Normalsichtigkeit.
Man darf allerdings vermuten, dass diese Fälle auftraten. Die Fälle von Augenerkrankungen, die Westendorf in seinen Büchern über altägyptische Medizin erwähnt, lassen aber keine eindeutige Diagnose zu.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 20:26:03


4) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 naunakhte am 24.08.2007 um 21:24:10

Dafür lässt sich aber beobachten, wenn man eine Schreiberhandschrift über viele Jahre verfolgen kann, dass dieser im Laufe der Jahre immer größer schreibt.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 21:22:24


5) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 24.08.2007 um 21:27:26

Haben wir ein Beispiel aus dem alten Ägypten, d.h. können wir in einigen Fällen Handschriften einer Person über längere Zeit verfolgen?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 21:24:10


6) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 naunakhte am 24.08.2007 um 22:17:24

nach Aussagen einer Demotistin kann sie dies mehrfach in ihrem Bereich.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 21:27:26


7) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 24.08.2007 um 22:20:36

Das wäre zumindest ein indirekter Hinweis auf eine alterabhängige Fehlsichtigkeit, könnte aber ggf. auch andere Ursachen haben.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 22:17:24


8) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 naunakhte am 24.08.2007 um 22:25:31

selbstverständlich! Vielleicht wurden sie später nach m² beschriebenen Papyri bezahlt?

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 22:20:36


9) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
Trebron am 19.10.2007 um 15:41:14

Hallo Geistsucher (c:

Ich habe zur Altersweitsichtigkeit in der Zeitschrift
KEMET
Jahrgang 14, Heft 2, April 2005, Magie und Medizin, Seite 35

im Beitrag Auge und Herz - ein Herz kann sehen, folgenden Text gefunden und erlaube mir dieses Zitat, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion, hier zu veröffentlichen.


Zitat:
Zum Alterungsprozess: Im Alter entstehen viele Leiden des Körpers, die vor allem die Augen betreffen. In der „Weisheitslehre" des Wesirs Ptah-hotep (5. Dyn. um 2475-2345 v.Chr.) lesen wir folgende Zeilen:

„Gebrechlichkeit ist (über mich) gekommen, das Greisen-
alter ist eingetreten,
der Körper ist kraftlos, Hilflosigkeit ist erneut da.
Die Kraft ist geschwunden, da das Herz matt ist.
Der Mund schweigt, er kann nicht mehr reden,
die Augen sind schwach, die Ohren taub.
Das Herz schläft und trauert den ganzen Tag.
Das Herz ist auch vergeßlich und kann sich nicht mehr an
gestern erinnern.
Die Knochen schmerzen vor Alter."

Brunner, H., Die Weisheitsbücher der Ägypter, Zürich/München 1991,. S. 110

Der Text beschreibt, dass die Augen „schwach" seien. Es könnte sich bei dieser Schwäche um Altersweitsichtigkeit handeln. Der medizinische Terminus ist „Presbyopie" = Altersweitsichtigkeit, was wortwörtlich „Alterssichtigkeit" bedeutet.


Ist vielleicht kein stichhaltiger Beweis für Altersweitsichtigkeit, aber zumindest ein möglicher Hinweis darauf.

LG Trebron

> Antwort auf Beitrag vom: 24.08.2007 um 20:13:09


10) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 19.10.2007 um 18:11:13

Hi Tebron,

nö, das ist nur ein Hinweis auf eine Sehschwäche, die kann mehrere Ursachen haben.

Eine Hypermetropie (= Altersweitsichtigkeit, Übersichtigkeit) kann man schwer als Sehschwäche auffassen.

M.a.W., Du hast in Kemet nichts zur Alterweitsichtigkeit gefunden.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 19.10.2007 um 15:41:14


11) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
wuff am 28.02.2008 um 17:59:01

Hallo,

man muß auf jeden Fall zwischen Presbyopie (Altersichtigkei) und Hyperopie (auch Hypermetropie - Übersichtigkeit) und natürlich auch Myopie (Kurzsichtigkeit) unterscheiden.
Die Presbyopie entsteht ab einem Alter von ca. 40-45 Jahren durch nachlassen der Elastizität der Augenlinse, somit kann sich die Linse nicht mehr auf nahe Objekte einstellen - die Nähe wird unscharf gesehen.
Entscheidend ist, daß bei allen drei Fehlsichtigkeiten sehr wohl von Sehschwäche gesprochen wird.
Ich bin der Meinung, daß es im alten Ägypten alle diese Arten von Fehlsichtigkeiten gegeben hat (anatomisch gesehen wäre alles andere sehr unwarscheinlich). Ausserdem wird von Staroperationen berichtet - der graue Star ist in den meisten Fällen eine Folgeerscheinung der Presbyopie.

lg
wuff

> Antwort auf Beitrag vom: 19.10.2007 um 18:11:13


12) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 28.02.2008 um 18:13:50

Hi,

Zitat:
Ausserdem wird von Staroperationen berichtet..
dazu hätten wir denn gerne in diesem Forum mal einen Beleg.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 28.02.2008 um 17:59:01


13) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
wuff am 29.02.2008 um 08:59:42

Hallo,
im Netz gibt es sehr viele, mehr oder weniger seriöse, Hinweise auf Staroperationen im alten Ägypten.
Was aber eindeutig klar ist, ist daß im Codex Hammurapi des alten Mesopotamiens (ca. 1700 v.Chr.) die Kosten einer Staroperation geregelt sind.
Was uns wieder zum Thema zurückbringt, wenn die Presbyopie (bzw. der graue Star)im alten Mesopotamien sogar behandelt  wurde, ist davon auszugehen, daß zumindest die Fehlsichtigkeit zur gleichen Zeit selbstverständlich auch in Ägypten vorhanden war. Es wären schwer Gründe zu finden warum die Ägypter von diesem Leid nicht betroffen gewesen sein sollen?
Lg
wuff

> Antwort auf Beitrag vom: 28.02.2008 um 18:13:50


14) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 29.02.2008 um 09:25:18

Hi,

1- die Behauptung, dass im Netz viele seriöse Quellen vorhanden sind, ist wenig hilfreich, Quellen die nicht genannt sind, kann man nicht überprüfen.

2. was immer bei Hammurabi steht, auch da fehlen die Quellenangaben, sagt nicht über das alte Ägypten aus.

3. die wahrscheinlich richtige Vermutung, dass es diverse Erkrankungen schon länger in der Menschheitsgeschichte gibt, sagt nichts über die Diagnosefähigkeiten und Therapiemöglichkeiten in alten Kulturen aus.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2008 um 08:59:42


15) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Michael Tilgner am 29.02.2008 um 10:05:32

Hallo, Leute,

eine Zusammenfassung unserer Kenntnis (mit Belegen) liefert Wolfhart Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Bd. 11, Leiden / Boston / Köln, 1999, S. 146-155. Dort sind zum Thema "Augen" zusammengestellt
  • anatomisch-physiologische Angaben
  • die Krankheiten der Augen
    • identifizierte Augenkrankheiten
    • nicht identifizierte Augenkrankheiten
    • krankhafte Erscheinungen in den Augen, die aber über die vorliegende Krankheit keine Anhaltspunkte liefern
  • Behandlungen
  • Behandlung von Teilen des Auges


Da es sich meiner Meinung nach um die seriöseste Quelle zur altägyptischen Medizin überhaupt handelt - der Ägyptologe Wolfhart Westendorf beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema - und in diesem Kompendium Staroperationen nicht erwähnt werden, muß ich daraus schließen, daß alle anderen im Internet zirkulierenden Angaben weniger seriös sind, womöglich gar unseriös!

Neben Texten zur Medizin sind auch Untersuchungen an Mumien heranzuziehen. Wenn ich auch mal eine Vermutung äußern darf: Es wird wohl schwierig sein, Krankheiten oder gar Behandlungen an Augen an Mumien festzustellen. Ich weiß nicht, ob sich überhaupt Augenreste erhalten haben.

Das Handbuch steht nur in Teilen im Netz zur Verfügung; der Abschnitt über die Augen aber ganz. Der hier mehrfach zitierte Papyrus Ebers [= Eb] ist im 2. Band vollständig übersetzt. Dort findet sich auch eine Übersetzung des Papyrus Smith sowie jede Menge Indizes. Ich kann dieses Handbuch nur jedem empfehlen, der sich für die altägyptische Medizin interessiert; es ist allerdings nicht billig.

Wolfhart Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Bd. 22, Leiden / Boston / Köln, 1999

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2008 um 09:25:18


1: http://books.google.com/books?id=2L7hrAkhawsC
2: http://books.google.com/books?id=xbJkdd0RZeAC


16) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Geistsucher am 29.02.2008 um 15:58:37

In jenem altsumerischen Gesetzestext sind die Kosten
für eine Staroperation geregelt ?
 Wow !

> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2008 um 08:59:42


17) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 29.02.2008 um 15:59:32

Nur für Kassenpatienten, alle anderen zahlen ein Mehrfaches des Hebesatzes (vorher frei auszuhandeln).  

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2008 um 15:58:37


18) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
wuff am 01.03.2008 um 09:14:49

Hallo,

bezüglich Staroperation im Codex Hammurapi wäre meine Quelle das Reallexikon der Assyriologie von Erich Ebling und Bruno Meissner (ISBN 311004451X) - siehe Seite 314
Dieser Text bezieht sich auf Thompsons Proceedings of the Royal Society of Medicine XIX Sect. of the Hist. of Medicine S. 29ff
Nicht nur die Kosten, auch die Bestrafung bei nichtfunktionieren der Operation ist geregelt. (Thompson)

Was die Staroperation in Ägypten anbelangt, habe ich dies aus "Der grosse Brockhaus" von 1952 (Seite 173) - ich gebe zu, dass ein allgemeines Lexikon keine gute Quelle für ein solches Thema ist, trozdem nehme ich an daß die Ägypter dies schon konnten (= persönliche Meinung)

@lufaa: ich bin zwar neu in diesem forum und möchte wirklich nicht unhöflich erscheinen (ich trau mich auch fast nicht den moderator zu kritisieren), aber darf ich trozdem anmerken, daß mir interessante diskussionsbeiträge lieber sind als zynische kurzkommentare?

lg
wuff

> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2008 um 15:59:32


19) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 01.03.2008 um 10:20:14

Hi wuff,


Zitat:
interessante diskussionsbeiträge lieber sind als zynische kurzkommentare?


1. auf die uns alle interessierenden Quellenangaben zu Staroperation im aÄ warten wir immer noch; die würden wir ja gerne diskutieren.

2. der zynische Kommentar galt nicht Dir.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 09:14:49


20) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
wuff am 01.03.2008 um 10:26:20

hallo lufaa,

meine "quelle" zu den ägyptischen Staroperationen bitte im vorherigen beitrag nachlesen (ich habe den beitrag gerade nachbearbeitet, als dein beitrag gepostet wurde - sorry)

lg
wuff

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 10:20:14


21) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 01.03.2008 um 11:29:07

Hi,

einen solchen Lexikoneintrag, vor allem bei dem Alter, kann man getrost vergessen.

Wie Michael oben schon schrieb, findet sich bei Westendorf nichts dazu.

Das gleiche gilt für Nunn, J.E., Ancient Egyptian Medicine 1996, der wörtlich im allgemeinen Absatz zur Behandlung von Augenkrankheiten auf S. 199 schreibt: "There is no mention of any type of surgical intervention."

Wenig später, im Absatz zur Behandlung von "Bewölkung (Cloudiness (=hati)) und Dunkelheit (Darkness (= keku))", die er als Hinweise auf eine Trübung der Cornea oder der Linse (Katarakt) interpretiert, schreibt Nunn wieder wörtlich auf S. 201: "Nowhere is there any reference to surgical treatment of cataract."

Vermutlich häufig fehlinterpretiert wird eine Darstellung im Grabe des Ipuj, DeM, Grab Nr. 217, aus der 19. Dyn., in der mehrere mögliche Verletzungen und ihre Behandlung dargestellt wurde - darunter auch ein Eingriff am Auge, der heute als Entfernung eines Fremdkörpers interpretiert wird (s.a. Nunn, zitiert, S. 201).

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 10:26:20


22) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Michael Tilgner am 01.03.2008 um 12:36:16

Liebe Leute,

im Netz fand ich noch folgenden Beitrag Gerhard Holland, Dieter Broksch, Die erste Augenoperation - Der graue Star1, in: Innovation. Das Magazin von Carl Zeiss, Nr. 17, September 2006, S. 38-41. Es heißt darin:

Zitat:
Wichtigste Operationsmethode war für sehr lange Zeit – ab dem 5. Jahrhundert vor Christus bis ins 19. Jahrhundert – der sogenannte Starstich ... Den ersten schriftlich belegten Hinweis auf den Starstich finden wir bei dem Stoiker Chrysippos von Soli aus dem 3. Jahrhundert vor Christus. Im alten Ägypten und im klassischen Griechenland war der Starstich unbekannt.

Ich denke, man kann den Fall damit abschließen: Wie uns die Fachleute zur Medizingeschichte im allgemeinen und zur altägyptischen Medizin im besonderen darlegen, gibt es nicht den mindesten Hinweis auf eine Staroperation oder eine sonstige Augenoperation im Alten Ägypten.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 11:29:07


1: http://www.zeiss.com/C1257173002D0F60/0/C462839AA2A5CB98C1257228003EED1C/$File/innovation_17_3841.pdf


23) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
wuff am 01.03.2008 um 13:32:49

Hallo Michael,

der von dir zitierte Text ist wiedersprüchlich zu dem von mir genannten Text im Reallexikon der Assyriologie.

Daß es keine sicheren Quellen für Berichte über Staroperationen im aÄ gibt, davon habt ihr mich inzwischen überzeugt.

lg
wuff

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 12:36:16


24) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Iufaa am 01.03.2008 um 14:53:46

Nun,

auch den Text im Reallexikon der Assyrologie sollte man mal kritisch anschauen.

In der englischen Übersetung des Kodex Hammurabi1 steht unter §218 "If a physician make a large incision with the operating knife, and kill him, or open a tumor with the operating knife, and cut out the eye, his hands shall be cut off." - das ist die im Reallexikon angesprochene Stelle.
Hieraus eine Staroperation abzuleiten, bedarf es schon einer gewissen Voreinstellung. Man sollte die Stelle wohl mit Vorsicht interpretieren.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 13:32:49


1: http://doormann.tripod.com/hammur.htm


25) Re: Sehhilfen im Alten Ägypten ?
 Michael Tilgner am 01.03.2008 um 16:42:08

Hallo, wuff,

in Ergänzung zur Iufaas Stellungnahme:

Das Reallexikon der Assyriologie1, Bd. 1, steht im Netz teilweise zur Verfügung. Im Eintrag "Augenkrankheiten" heißt es auf S. 314:

Zitat:
Im Kod. Hammurapi ist im § 218, wie es scheint, von einer Staroperation die Rede ..., die der Arzt mittels eines bronzenen Instrumentes (einer Art Messer, Ideogr. GIR) ausführt. Interessant ist dabei, daß der Arzt für das Mißlingen einer solchen Operation haftbar gemacht wird.

Beim Weiterreichen der spekulativen Formulierung "wie es scheint" wird rasch Gewißheit:

Zitat:
"Auge um Auge" hieß es schon 1 780 v. Chr. im Codex Hammurabi, wenn die Augenoperation fehlschlug. Seither hat sich bei der Star-Operation Einiges verändert.

Dass sich bereits der Codex Hammurabi mit der Linsen-Extraktion beschäftigt hat, beweist nicht nur, wie alt die Profession des Augenarztes ist.
Staroperation fast 3800 Jahre alt. Bereits die alten Babylonier wagten sich ans Auge2, in: Ärztliche Praxis, 87/2002

Im Netz findet man einen Vortrag von Dr. Dr. Martha Haussperger3 mit dem Titel Medizin im Alten Mesopotamien4, hier die uns interessierende Passage:

Zitat:
Bisher wußte man nicht viel über die mesopotamische Heilkunde und ihre Ärzte, obwohl es ja viele Hinweise gab. So ist der Codex Hammurapi, niedergeschrieben auf einer Dioritstele, die bereits 1901/2 in Susa (Elam) aufgefunden und damals bereits übersetzt worden war, schon lange bekannt und auch die Gesetze, die das normale Leben im Land regelten, kannte man, jedoch hat man kaum jemand Notiz davon genommen, daß es auch mehrere Paragraphen gab, § 215-223, die sich mit der Medizin und den Ärzten beschäftigten. Es handelte sich hierbei hauptsächlich um chirurgische Maßnahmen, so besonders um Eingriffe am Kopf und am Auge sowie Wundversorgung und Frakturbehandlung. So lautet der § 218: "Wenn ein Arzt eine schwere Wunde macht mit dem Bronzemesser und den Menschen rettet, oder die Schläfe eines Menschen mit dem Bronzemesser öffnet und das Auge des Menschen rettet", dann bekommt der Arzt ein festgelegtes Honorar. Mißlang allerdings diese Operation, dann wurde dem Arzt die Hand abgeschnitten. (S. 4)

Wie Iufaa schon schrieb, ist es doch etwas gewagt, aus dieser Formulierung auf eine Staroperation zu schließen! So heißt es im erwähnten Vortrag auch weiter:

Zitat:
Ob man aus dem Hinweis, daß ein Schatten über dem Auge liege, auf das Vorliegen des "grauen Stars" schließen darf, kann ich derzeit noch nicht bestätigen, Natürlich geht aus dem Codex Hammurapi (§215-225) hervor, wie anfangs erwähnt, daß Augenoperation durchgeführt wurden, ob man allerdings, wie immer wieder angeführt wird, bereits erfolgreiche Staroperationen durchführen konnte, ist noch nicht geklärt. (S. 9)

Ich glaube, nach dem Vorstehenden mich soweit aus dem Fenster lehnen zu dürfen: Eine Staroperation im Alten Mesopotamien ist ebenso wenig belegt wie im Alten Ägypten!

Zu dieser Diskussion zwei grundsätzliche Bemerkungen:

1. Die im wissenschaftlichen Diskurs mit allem Vorbehalt geäußerten Vermutungen - "wie es scheint" - werden schnell "wahrscheinliche" Fakten und schließlich "Gewißheiten". Man ist gut beraten, bei Formulierungen in der populärwissenschaftlichen Welt wie "Schon die Alten Ägypter kannten / hatten / wußten, daß ...", ohne daß ein Beleg dafür angegeben wird, eine gehörige Portion Skepsis an den Tag zu legen.

2. Ein Thema, das mich schon länger bewegt, ist das, was ich "Internet-Kompetenz" nennen möchte: Wie kann ich die "Spreu" vom "Weizen" trennen? Auf welche Informationen ist Verlaß? Viele Quellen wie Wikipedia oder - um nur ein weiteres zufällig gegriffenes Beispiel zu nennen - das Lexikon eines bei vielen Ägyptenfreunden beliebten Diskussionsforums enthalten Informationen, die einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Eine definitive Antwort auf meine Frage habe ich nicht, aber ich denke, daß es in den Fällen, bei denen es einem darauf ankommt, sinnvoll ist, letztlich zu den Quellen vorzudringen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 01.03.2008 um 13:32:49


1: http://books.google.com/books?id=aVkj3ZedbocC
2: http://www.aerztlichepraxis.de/rw_4_Archiv_HoleArtikel_329305_Artikel.htm
3: http://www.3sat.de/nano/news/06612/index.html
4: http://www.bethnahrin.de/Vortrag-Haussperger-03-02-17.pdf