"Der Kult- und das ist wohl das auffälligstes Merkmal- wird in Ägypten nicht als Kommunikation zwischen Mensch und Gott, sondern als Interaktion zwischen Göttern begangen. In den Sprüchen, mit denen der Priester regelmäßig seine Handlungen begleitet und die offenbar für deren Gelingen mindestensso wichtig sind wie die Handlungen selbst, stellt er sich in rein götterweltlichen Rollen vor, als Horus, Thot, Anubis, Harsaphes u.a.m. Vor allem wird die einzelne Gabe (Hotep), um deren Darreichung sich ja der Kult in erster Linie dreht, als"Auge des Horus" bezeichnet, und zwar alles, was irgend, vom Salböl bis zum Rinderschenkel, Gegenstand kultischer Darreichung wird. Dies merkwürdige Verfahren, das seine Wurzeln im Totenkult hat, verdient wohl doch einige kommentierende Bemerkungen. Betrachten wir zunächst einige Beispiele sprachlicher Ausdeutung kultischer Handlung. Wenn Fett ins Feuer gegeben wird beim Bratenopfer, um es zu schüren, wird dazu gesprochen: (47) Fülle kommt, vereint mit Fülle. Horus erhebt sich, sein Auge zu heilen in seinem Namen Fett Wird dann das Fleisch aufs Feuer gelegt heißt es dazu: (48) Die Brust ist das Auge des Horus, die Schenkel sind die Hoden des Seth. Wie Horus zufrieden ist mit seinem Auge, wie Seth zufrieden ist mit seinen Hoden so ist der Gott zufrieden mit seinem Fleisch Derselbe Vergleich mit dem Horus-Auge und dem Seth-Hoden begleiten dann die Darreichungen von Bier, Weißbrot, Kuchen und Wein, Zur anschließenden Reinigung mit dem "nemset"-Krug heißt es dann. "Nimm dir das Horus-Auge zur Räucherung: (49) Der Weihrauch kommtm der Gottesduft kommt, sein Duft kommt zu dir, der Duft des Horusauges kommt zu dir" (Seite 60f, Ägypten-Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur, Jan Assmann)
> Antwort auf Beitrag vom: 16.04.2004 um 09:20:36
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