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Ägyptologie Forum >> Ägyptische Götterwelt


1) Meschenet
Gitta am 11.05.2004 um 23:43:24 - Anhang: meschenet.jpg

Hallo zusammen,

ich habe vor einiger Zeit die Oasen-TV-Doku mit Christian Loeben gesehen. Er sprach irgendwann mittendrin ganz kurz davon, dass die Ägypter glaubten, bereits bei der Geburt sei ihr Leben bis zum Tod vorbestimmt - ohne jegliche Erklärung. Ich habe lange gerätselt, was damit gemeint sein könnte und habe sogar bei Fachleute nachgefragt. Überall Achselzucken. Die Gelegenheit, Loeben selbst danach zu fragen, habe ich leider verstreichen lassen. Aber heute - bei einem Vortrag über das Totenbuch - habe ich des Rätsels Lösung gefunden:

Die Gottheit Meschenet wird mit den Geburtsziegeln identifiziert. Erman schreibt "Das Schicksal erhebt den Neugeborenen auf den Geburtsziegel", d.h. es legt seine zukünftige Bestimmung schon in dem Augenblick in ihn, in dem er zum ersten Male die Erde auf den Geburtssteinen berührt. Thot selbst soll auf ihnen das Lebensende einritzen (Pap. Rhind), siehe Bonnet "Reallexikon", S. 458.

Die Verbindung von Geburt zu Tod ergibt sich aus Darstellungen des Totengerichts, in die häufig Meschenet in Gestalt des Geburtsziegels integriert ist.

Das steht zwar so in etwa auch in unserem Lexikon unter "Meschenet", wie ich im Nachhinein festgestellt habe. Aber bei meiner Suche nach einer Erklärung bin ich nicht drauf gekommen, da mal zu suchen.

Hier ein Auszug aus dem Totengericht für Ani:


2) Re: Meschenet
 Ti am 12.05.2004 um 08:40:15

Hallo Gitta,

ich muß ganz kurz nachfragen: Ist mit der Praedestination lediglich gemeint, daß es das Schicksal des Menschen ist zu sterben? Oder soll mit der Berührung des Geburtsziegels der gesamte Lebensweg vorgezeichnet sein?

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 11.05.2004 um 23:43:24


3) Re: Meschenet
Gitta am 12.05.2004 um 09:27:16

Es soll der gesamte Lebensweg sein. Im gestrigen Vortrag war von Meschenet bzw. dem Geburtsziegel als "Schicksalsgöttin" die Rede.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 08:40:15


4) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 09:31:57

Hi Gitta,

ich habe den Lexikon-Eintrag mal nach dem LÄ ergänzt (steht nicht viel drin), vielleicht prüfst Du den Gesamteintrag jetzt mal gegen den Vortrag.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 09:27:16


5) Re: Meschenet
 Tahemet am 12.05.2004 um 09:40:26

Ob da ein Zusammenhang mit dem ägyptischen "Horoskop" besteht? Es gab ja schlechte oder gute Tage.

http://www.touregypt.net/egyptmagic8.htm

Concerning the fourth day of the next month, Paophi, the papyrus Sallier IV. says, "Go not forth from thy house from any side of it; whosoever is born on this day shall die of the disease aat."

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 09:31:57


6) Re: Meschenet
Gitta am 12.05.2004 um 09:41:13

Mach ich. Evtl. sollte man auch ein Stichwort "Schicksal" ins Lexikon aufnehmen mit den entsprechenden Verweisen. Ich mache mich heute abend mal daran (macht sich nicht gut im Büro )

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 09:31:57


7) Re: Meschenet
kg am 12.05.2004 um 10:05:11

Hallo Gitta,
interessant wäre zu diesem Thema auch der Artikel von Ann Macy Roth und Catharine H. Roehrig in JEA 88, S. 121f. Hier die englische Zusammenfassung: "Four mud-bricks inscribed with spells from Chapter 151 of the Book of the Dead are often found in the burial chambers of royal and elite tombs dating from the New Kingdom. These bricks can be shown to represent the four bricks that supported women during childbirth. The use of bricks in a mortuary context is thus metaphorical replicating the equipment of an earthly birth in order to ensure the deseased´s rebirth into the other world. Such bricks may also have been used in the Opening  of the Mouth` ritual, both at funerals  and in temple foundation ceremonies. In connection with their role at birth, bricks also appear at the judgment a person faced after death. Like other artifacts surrounding  birth in Egypt, bricks of birth had parallels in ancient Mesopotamia." -
Die Ausführung von Roth/Roehrig ist faszinierend!
Gruß, kg

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 09:27:16


8) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 10:11:34

Hi kg,

Zitat:
These bricks can be shown to represent the four bricks that supported women during childbirth
Der Satz besagt doch, dass sie Belege dafür aufführen, dass die magischen Ziegel den "Geburtsziegeln" entsprechen - wie sehen die denn aus? Lässt sich das zusammenfassen?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 10:05:11


9) Re: Meschenet
Gitta am 12.05.2004 um 10:26:44

Hi Tahemet,


Zitat:
Ob da ein Zusammenhang mit dem ägyptischen "Horoskop" besteht? Es gab ja schlechte oder gute Tage.


Ich glaube nicht, dass man beides in einen Topf werfen kann. Die "Tagewählerei" hatte andere Gründe, nehme ich an. Wenn ich das jetzt richtig zusammenbringe, waren den Ägyptern vor allem die Epagomenen suspekt. Und ich weiß nicht, inwieweit diese vorausberechnet wurden / werden konnten. Das ist u.U. ja auch davon abhängig, in welcher Epoche welche Phänomene auftauchten. Sonst vergleicht man Äpfel mit Birnen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 09:40:26


10) Re: Meschenet
 Udimu am 12.05.2004 um 10:40:59

übrigens, so ein Geburtsziegel wurde vor kurzem zum ersten Mal im Original (in Abydos) gefunden:



Abydos Ausgrabungen1

Gruss
Udimu

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 10:26:44


1: http://www.museum.upenn.edu/new/research/Exp_Rese_Disc/AfricaEgypt/birthbrick/home.shtml


11) Re: Meschenet
Mariasha am 12.05.2004 um 15:09:42


Zitat:
Sie überwachte somit nicht nur die Geburt einer Person, sondern besass angeblich die Fähigkeit, bei der Geburt eines Kindes bereits über sein Schicksal zu bestimmen.


Dass ist aber irgendwie vage ausgedrückt, oder? Ist das auch nicht irgendwie konträr zum Glauben an das Totengericht?

Ich meine, wenn eine Göttin das Schicksal eines Menschen vorbestimmt, hat er doch gar keinen direkten Einfluss mehr auf die Gestaltung seines Lebens. Oder wie ist dass gemeint?

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 10:11:34


12) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 15:29:32

Das der Mensch die Freiheit hat, über sein Schicksal zu bestimmen, ist wohl eher eine moderne Auffassung - oder hast Du dazu Hinweise in der altägyptischen Kultur?

Ansonsten, natürlich stammt das "angeblich" von mir, oder kann man Glaubensinhalte und ihre Akzeptanz "überprüfen".

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 15:09:42


13) Re: Meschenet
Mariasha am 12.05.2004 um 15:41:09

Schon richtig, ich wollte auch nur auf folgenden Punkt heraus: Wie wird Schicksal in diesem Zusammenhang definiert?

Ich meine einerseits hat man eine Göttin, die das Schicksal des Menschen bei seiner Geburt bestimmt und auf der anderen Seite sitzt selbige Göttin dann beim Totengericht und sieht sich das "weighing of the heart" an.

Dass muss dann doch heissen, dass der Mensch eben doch einen gewissen Einfluss auf sein Leben und Wirken hat, weil sonst dieses Procedere nicht durchgeführt werden müsste.

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 15:29:32


14) Re: Meschenet
 Tahemet am 12.05.2004 um 15:47:39

Ich denke schon, daß die Ägypter Einfluß auf ihr Leben nehmen konnten, im Sargtext 1130 heißt es

"Ich habe einen jeden seinem Nächsten gleich erschaffen
und habe verboten, daß sie Unrecht tun sollten.
Aber ihre Herzen haben sich dem wiedersetzt, was ich befohlen habe."

Bezog sich das vorherbestimmte Schicksal auf die Lebenszeit an sich? Erinnere mich wage es bei Assmann gelesen zu haben. Muß mal nachkramen.


> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 15:29:32


15) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 15:56:47

Hi,

Zitat:
...daß die Ägypter Einfluß auf ihr Leben nehmen konnten...
das ganze negative Schuldbekenntnis deutet scheinbar an, dass man schon darauf "Einfluß" nehmen konnte, was man im täglichen Leben tut - oder lief das wie im mittelaterlichen Christentum, wo man "sündigte" und dann Busse tat (oder Vergebung erkaufte)?

Die Frage, was mit schicksalshafter Bestimmung gemeint ist, ist sicherlich der Kernpunkt des Problems. Wenn wirklich nur die Länge des Lebensfadens gemeint ist, wie später bei den Griechen, dann würde einges gut zusammenpassen.

Was sagen denn die alten Ägypter dazu?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 15:47:39


16) Re: Meschenet
kg am 12.05.2004 um 19:06:56

Hallo Iufaa,
in Tb 151 (Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, 2000, Seite 318) sind die 4 Magischen Ziegel in der Vignette abgebildet, S. 320 ist der Text dazu. In situ fand man die M.Z. in TT 62 (Tutanchamun)
Bilder, wie sie wirklich aussahen, findet man in Nicholas Reeves: The Complete Tutankhamun, 1990; S.71.
oder auf der Seite des Griffith Institutes: www.ashmol.ox.ac.uk
Zum Begriff "Ziegel (magische)": (LÄ VI, Sp. 1402)
Vier Gegenstände:
liegender Schakal/Anubis--(Osten)
Djed-Pfeiler--(Westen)
Rohrfackel--(Süden)
mumienförmige Figur/Uschbti--(Norden)
Sie wurden anfangs (N.R.)auf dem Boden der Sargkammer (als Apotropaikon) aufgestellt. Später hatte man Nischen in den Wänden, die die Figuren aufnahmen.(Die Figuren steckten auf einem Ziegel aus ungebranntem Ton, der beschrieben war). Wenn Ihr wieder in Luxor seid, achte mal auf die halbhohen Nischen in den Wänden der Sargkammer der Königsgräber (z.B. Merenptah)
Gruß, kg

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 10:11:34


17) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 19:23:53

Hallo kg,

jo, das ist mir bekannt   , aber das beantwortet nicht, wieso sie die mit den Geburtsziegel gleich gesetzt werden. Die apotropäische Wirkung ist ja immer noch eine brauchbare Annahme. In KV55 standen übrigens 5, ein Ziegel extra für die Kanopen im Nebenraum - damit die sich bei der "Wiedergeburt" auch erheben?

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 19:06:56


18) Re: Meschenet
 Tahemet am 12.05.2004 um 19:51:55


Zitat:
Die Frage, was mit schicksalshafter Bestimmung gemeint ist, ist sicherlich der Kernpunkt des Problems. Wenn wirklich nur die Länge des Lebensfadens gemeint ist, wie später bei den Griechen, dann würde einges gut zusammenpassen.


Offensichtlich bezieht es sich nicht nur auf die Lebenszeit, sondern auch auf das Lebensschicksal.

in Siegfried Morenz' "Egyptian Religion" (p. 73) steht:

The decision about a man's career is taken at his birth by the deities Meskhenet and Renenut. ...When the concept of fate is formed and is related primarily to man's lifetime and death, the gods appear as lords and creators: Amon may give one more life than one is fated to have.

Die Zuteilung der Lebenszeit wird Thoth zugeschrieben und wird auf dem Geburtsziegel vermerkt

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 15:56:47


19) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 20:03:36

Tja,

Zitat:
Offensichtlich bezieht es sich nicht nur auf die Lebenszeit, sondern auch auf das Lebensschicksal.
Dann ergibt sie puristisch die Frage, was sollen die negativen Schuldbekenntnisse oder die Wägung des Herzens noch, wenn das Schicksal festgeschrieben ist - oder bewegt sich das ganze irgendwo dazwischen?
Vielleicht doch mal einen alten Ägypter fragen?

Bis jetzt bewegen sich alle Vorschläge auf der Ebene "was können wir denn da rein interpretieren".

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 19:51:55


20) Re: Meschenet
 Tahemet am 12.05.2004 um 20:20:41

Also "man's career" würde ich jetzt so verstehen, daß vorherbestimmt ist ob man Erfolg im Leben hat oder nicht und nicht ob man gut oder böse ist.

Insoweit macht die Wägung des Herzens schon Sinn.

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 20:03:36


21) Re: Meschenet
 Ti am 12.05.2004 um 21:05:06

Hi zusammen,

also ich hab' mal ein bißchen in den "Weisheitsbüchern der Ägypter" (H. Brunner, Artemis & Winkler) geblättert und wenn ich den guten Ptahhotep richtig verstanden habe, dann zielen seine Lehren darauf ab, daß derjenige, der sie befolgt, das erhält was ihm "zubemessen" wurde. Der verwendete Begriff "in seiner Ma'at" schien mir darauf hinzudeuten, daß jedem nur ein sehr begrenzter Bereich qua Geburt zugebilligt wurde, in dem er sein Leben gestalten konnte.

Würde es nicht auch vieles erklären, wenn jedem von Geburt an sein Platz in der ägyptischen Gesellschaft zugewiesen gewesen wäre? Wenn Ma'at die universelle Ordnung ist, die unter allen Umständen aufrecht erhalten werden muß, dann muß es ja auch zwingend sein, daß jeder den Platz ausfüllt, an den er gestellt wurde. Allerdings denke ich, daß es den Menschen freigestellt war, diese Lehren anzunehmen oder abzulehnen. Wenn das letztere getan wurde, hatte das u.U. schlimme Folgen: Seine vorbestimmte Lebenszeit konnte verkürzt werden.

Kommt das so hin?
Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 20:20:41


22) Re: Meschenet
 Iufaa am 12.05.2004 um 21:05:52

Ja,

also "irgendwas" zwischen völliger Freiheit zur Selbstbestimmung und fatalistischem Kismet zu jeder Gelegenheit - sozusagen, erbliche Disposition, Veranlagung bzw. Ansammlung von irgendwie eingeschränkten "Möglichkeiten".

Sehr moderne Einstellung, aber immer noch die Frage, was sagen die alten Ägypter dazu.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 20:20:41


23) Re: Meschenet
Gitta am 12.05.2004 um 21:08:22

Hi Tahemet,

Du hast gar nicht mal so falsch gelegen mit


Zitat:
Ob da ein Zusammenhang mit dem ägyptischen "Horoskop" besteht? Es gab ja schlechte oder gute Tage


Bonnet (Religionslexikon) schreibt nämlich:

In der Spätzeit (ägyptologisches Unwort, habe ich gelernt, also besser wohl etwa ab der 25. Dynastie) werden sie (die "vier Meschenet-Göttinnen") mit den Göttinnen Tefnut, Nut, Isis und Nephtys verschmolzen und damit in die große Neunheit von On hinübergezogen. Gern werden sie dann als Schutzgötter auf den 1., 2., 4. und 5. Schalttag des Jahres verteilt. Womit wir bei den Epagomenen wären, denen die Ägypter nicht so recht trauten .

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 09:40:26


24) Re: Meschenet
 Tahemet am 12.05.2004 um 21:16:52

Hi Gitta,


Zitat:
mit den Göttinnen Tefnut, Nut, Isis und Nephtys verschmolzen und damit in die große Neunheit von On hinübergezogen. Gern werden sie dann als Schutzgötter auf den 1., 2., 4. und 5. Schalttag des Jahres verteilt.


Hätte es nicht mehr Sinn gemacht, die Schutzgötter auf den 3. Tag zu legen, der als Geburtstag des Seth galt? Da wäre besonderer Schutz doch eher angebracht gewesen.

Tahemet

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 21:08:22


25) Re: Meschenet
Gitta am 12.05.2004 um 21:39:38


Zitat:
Dann ergibt sie puristisch die Frage, was sollen die negativen Schuldbekenntnisse oder die Wägung des Herzens noch, wenn das Schicksal festgeschrieben ist - oder bewegt sich das ganze irgendwo dazwischen?


Ich verstehe nicht so ganz, was das negative Sündenbekenntnis mit dem Lebensschicksal zutun haben soll. Dabei geht es doch um das Schicksal im Jenseits, nicht im Diesseits. Während die Kräfte der Meschenet sich auf das Schicksal vom Leben bis zum Tod beschränken, auch wenn sie bei der Herzwägung, also der letzten Hürde, "gegenwärtig ist", wie Bonnet schreibt, ohne aber auf den Grund ihrer Anwesenheit ausdrücklich einzugehen.


@Ti

Zitat:
Wenn Ma'at die universelle Ordnung ist, die unter allen Umständen aufrecht erhalten werden muß, dann muß es ja auch zwingend sein, daß jeder den Platz ausfüllt, an den er gestellt wurde.


Zu diesem Schluss kommen auch einige Autoren in "Armut und Wohltätigkeit im Alten Ägypten - Fünf Studien":

Wer arm ist, der lebt in seiner Armut maatgerecht, denn dazu ist er bestimmt worden. Und für die Reichen gilt das Gleiche.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 20:03:36


26) Re: Meschenet
Gitta am 12.05.2004 um 21:47:08


Zitat:
auf den 3. Tag zu legen, der als Geburtstag des Seth galt?


Könnte man meinen, aber irgendwas werden sich die Ägypter dabei gedacht haben. Ich weiß aber nicht was

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 21:16:52


27) Re: Meschenet
 Michael Tilgner am 12.05.2004 um 22:12:51

Liebe Ägyptenfreunde,

man geht sicher nicht fehl in der Annahme, daß die Vorstellungen vom Schicksal und von der Willensfreiheit sich über die Zeit entwickelt haben.

Kurze Übersichten zu diesen Themen bieten die Einträge im Lexikon der Ägyptologie, Bd. V, Sp. 598-600 ("Schicksal") und Bd. VI, Sp. 1265-1266 ("Willensfreiheit").

Im letzteren Eintrag wird zusammengefaßt:

Zitat:
"Die Menschheit (= die Ägypter) sowohl als auch der Einzelne hatten die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden ... Dennoch gibt es Grenzen der W. - die Ägypter haben in der Frage der W. und des Determinismus sowenig ein geschlossenes System geschaffen wie andere Völker oder Religionen: Die Frage ist unlösbar."


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 21:47:08


28) Re: Meschenet
 Ti am 13.05.2004 um 10:13:28

Guten Morgen zusammen,


Zitat:
Die Frage ist unlösbar


Dazu sind mir gestern kurz vor dem Schlafen gehen auch noch die Beispiele der Karrieren eingefallen, wo sich Menschen aus "einfachen Verhältnissen" zu mächtigen Staatsbeamten hochgearbeitet haben, allen voran Senenmut. Das würde ja auch dem Gedanken der absoluten Vorbestimmtheit widersprechen.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 22:12:51


29) Re: Meschenet
Irjnefer_d.J. am 13.05.2004 um 11:38:02

Hilfe,
inwiefern ist "Spätzeit" denn auf einmal (?) ein ägyptologisches "Unwort" ?

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 12.05.2004 um 21:47:08


30) Re: Meschenet
Gitta am 13.05.2004 um 12:53:30

Ich schnappe die etwas abfälligen Äusserungen zu dieser Bezeichnung in meinem Umfeld immer mal wieder auf. Kann aber auch ein individuelles Phänomen sein

Vielleicht sollte man meine Bemerkung einfach vergessen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 11:38:02


31) Re: Meschenet
 Udimu am 13.05.2004 um 13:32:11

Hi,



Zitat:
Dazu sind mir gestern kurz vor dem Schlafen gehen auch noch die Beispiele der Karrieren eingefallen, wo sich Menschen aus "einfachen Verhältnissen" zu mächtigen Staatsbeamten hochgearbeitet haben, allen voran Senenmut. Das würde ja auch dem Gedanken der absoluten Vorbestimmtheit widersprechen.


mmmmh; das halte ich für ein modernes Märchen; gerade bei Senenmut. Sein Papi hatte immerhin einen goldbeschlagenen Sarg, das deutet nicht gerade auf einfache Verhältnisse.

Gruss
Udimu

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 12:53:30


32) Re: Meschenet
 Ti am 13.05.2004 um 15:05:52

Hallo Udimu,

starb denn der Vater, bevor Senenmut zu Titel und Würden kam? Daß er kein Bauer war, dürfte klar sein, denn dann wäre er kaum in den Genuß der erforderlichen Schulbildung gekommen. Deshalb hatte ich die "bescheidenen Verhältnisse" ja auch in Anführungszeichen gesetzt. Tejes Eltern wären aus eigener Leistung auch kaum an das prachtvolle Grab im Tal der Könige gekommen. Sie erhielten es als Eltern der großen Königsgemahlin. Wäre das nicht auch für den Vater Senenmuts anzunehmen, daß er vom Ruhm bzw. der Macht seines Sohnes profitierte?

Amenhotep sa Hapu stammte auch aus einem "Provinznest" im Delta und dennoch bekleidete er unter Amenhotep III. eine über die Maßen einflußreiche Position.

Dies könnten natürlich genausogut die Ausnahmen sein, die die Regel bestätigen.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 13:32:11


33) Re: Meschenet
Gitta am 13.05.2004 um 15:30:59

Rein statistisch gesehen sind es sogar ganz sicher Ausnahmen. Hawass schätzt die ägyptische Bevölkerungszahl zur Zeit Cheops' auf 1 Mio Menschen. Im NR dürfte die Zahl um Einiges höher gewesen sein.

Es ist immer wieder die gleiche Krux: was wir wissen, resultiert zum allergrößten Teil aus der Schicht der sogenannten "Beamten" und darüber.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 15:05:52


34) Re: Meschenet
 Udimu am 13.05.2004 um 16:22:10

Hi Ti,

erstmal vorab: 1. soziale Mobilität ist ein Thema, das mich brennend interessiert; 2. es gibt wenig Untersuchungen zum Gesellschaftaufbau in Ägypten; es 'darf' also spekuliert werden.

Ramose, der Vater des Senenmut starb wohl vor Senenmuts Mutter Hatnofer (das wird daraus geschlossen - ich hoffe ich irre mich nicht -, dass seine Grabausstattung etwas ärmer als die von Hatnofer ist; Hatnofer hat ihre Grabausstattung erhalten, als ihr Sohn schon schon Ämter inne hatte). Ramose ist aber in einem teilweise mit Gold beschlagenen Sarg beigesetzt worden - nicht gerade ein Zeichen von Armut oder einfacher Herkunft. Er trägt im Grab keine Titel, was zur Vermutung Anlass gab er komme aus niederen Verhältnissen. Allerdings gibt es nun genug Beispiele, wo eine Person auf den Objekten der Grabausstattung keine Titel trägt, diese dann aber auf anderen Objekten (gutes Beispiel: Gemniemhat aus Saqqara - M. Jorgensen, Egypt I, Kopenhagen 1996, 124-51). Hier spielt der Zufall der Erhaltung also eine grosse Rolle.

Dabei ist auch zu bemerken, dass die Leute, die wir so gut von den Denkmälern her kennen, nur die absolute oberste Führungsschicht darstellt. Unterhalb dieser nationalen Führungselite gab es wohl eine mehrere tausend Leute umfassende (die Zahl ist geraten, bei 1 Millionen Einwohner, immernoch eine kleine Anzahl von Leuten - unerreichbar für den normalen Bauern oder Handwerker) Oberschicht, die nicht so gut von ihren Monumenten her bekannt ist, aber immernoch sicherlich absolute Oberschicht war. Aus dieser Schicht dürften Ramose, Tuya und Juya oder auch Amenophis Sohn des Hapu stammen. Bei Ramose, Vater des Senennmut lässt sich das dann ja immerhin gut bezeugen, da er einen relativ kostspieligen Sarg hatte.

Verwirrt?

Gruss
Udimu

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 15:30:59


35) Re: Meschenet
 Ti am 13.05.2004 um 18:01:12

Hallo Udimu,

Zitat:
Verwirrt?
- Allerdings!  

Ich muß auch zugeben, daß die Thumosiden eine Periode sind, in der ich nicht so sehr zuhause bin. Das Beispiel von Senenmut fiel mir nur so spontan ein. Kannst Du mir einen Tip geben, wo das Grab der Eltern von Senenmut dokumentiert ist? - Ich wäre Dir sehr dankbar.

In einem Bericht, oder Post (könnte von Crossinger gewesen sein?), oder Untersuchung habe ich gelesen, daß etwa 2% der ägyptischen Bevölkerung des Lesens und Schreibens mächtig waren. Das muß dann also die Führungselite gewesen sein, die sich dann noch einmal in unterschiedliche Hierarchiestufen gliederte, vom einfachen Tempelschreiber bis zum Wesir. Wie Gitta schon anmerkte, könnte soziale Mobilität nur innerhalb der "schreibenden Schicht" nachweisbar sein, da nur hier dokumentiert.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 16:22:10


36) Re: Meschenet
 Iufaa am 13.05.2004 um 18:06:31


Zitat:
Ramose, der Vater des Senenmut starb wohl vor Senenmuts Mutter Hatnofer (das wird daraus geschlossen - ich hoffe ich irre mich nicht -, dass seine Grabausstattung etwas ärmer als die von Hatnofer ist; Hatnofer hat ihre Grabausstattung erhalten, als ihr Sohn schon schon Ämter inne hatte


Die gängige Interpretation der Fundlage ist die, dass Senenmut, zu der Zeit schon recht weit oben auf der Karrierestufe, sich im kgl. Fundus bedienen durfte. Er hat wohl bei der Grablege der Mutter den Vater "ausbuddeln und auswickeln" lassen, und mit Bestandteilen aus klg. Magazine neu und gemeinsam mit der Mutter bestattet - so tragen Mumienbinden die Beschrift "Neferu-Ra".
Die Mutter trug einen Goldschmuck mit Aufschriften der "Großen Königlichen Gemahlin" Ah-mose (Hatschepsuts Mutter).

Offensichtlich hat die Gunst für den Sohn Schatten bis ins elterliche Grab geworfen. Übrigens ist für Ramose im Beamten Grab des Senenmut, TT71, der Titel "Zab (=Würdiger)"  belegt.

Iufaa, hemmungslos abgeschrieben bei

Maat-ka-Ra Hatschepsut1

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 16:22:10


1: http://www.maat-ka-ra.de/


37) Re: Meschenet
 Udimu am 13.05.2004 um 18:29:55

Hi Ti,


Zitat:
wo das Grab der Eltern von Senenmut dokumentiert ist?


das Grab ist leider nie richtig publiziert worden. Der ausführlichste Bericht findet sich hier:

A. Lansing/W. C. Hayes, The Tomb of Ramose and Hat-nufer, Bulletin of the Metropolotan Museum of Art, The Efyptian Expedition 1935 - 1936, 12-39

etwas populärer:

N. Reeves, Ancient Egypt, The Great Discoveries, London 2000, 184-85 (gibts auch auf deutsch);

vielleicht hat Iufaa da mehr.


Zitat:
2% der ägyptischen Bevölkerung des Lesens und Schreibens mächtig waren. Das muß dann also die Führungselite gewesen sein, die sich dann noch einmal in unterschiedliche Hierarchiestufen gliederte, vom einfachen Tempelschreiber bis zum Wesir. Wie Gitta schon anmerkte, könnte soziale Mobilität nur innerhalb der "schreibenden Schicht" nachweisbar sein, da nur hier dokumentiert.


das seh ich auch so, ich bin aber sehr skeptisch was Belegen angeht, die von einem Aufstieg vom Bauern zum Staatsmann sprechen. Das lässt sich nicht beweisen und spricht meines Erachtens gegen alle Erfahrungen vergleichbarer Kulturen.

@Iufaa

Zitat:
Er hat wohl bei der Grablege der Mutter den Vater "ausbuddeln und auswickeln" lassen


da bin ich sehr skeptisch; im oben zitierten Ausgrabungsvorbericht (p. 16) heisst es zu Ramose: ' he was therefore a commoner, probably a peasant...'

naja, da ist den Ami's (die das Grab fanden) mal wieder die Phantasie von wegen 'vom Tellerwäscher zum Millionär' durchgebrannt. Streng genommen kann man doch nur sagen, dass Ramose nicht aus der obersten staatlichen Führungsschicht stammt.

Gruss
Udimu


> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 18:06:31


38) Re: Meschenet
 Michael Tilgner am 13.05.2004 um 20:23:29

Hallo,

Lexikon der Ägyptologie, Bd. I, Sp. 768-775, Stichwort "Bevölkerungsklassen":

Zitat:
"Unzählige Fälle sprechen für die soziale Mobilität in der äg. Gesellschaft; in ihr gab es Möglichkeiten, von einer Position in eine andere überzuwechseln... Für unser Anliegen ist die Frage der Aufstiegsmobilität (von unten nach oben) interessanter. Hierfür haben wir Beispiele zur Genüge. So wissen wir, daß König Echnaton Leute geringer Herkunft zu den höchsten Staatsämtern befördert hat. In diese Richtung weist ebenfalls die soziale Reformbewegung vom Ende des AR. ..." (Sp. 774-775)


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 18:29:55


39) Re: Meschenet
 Udimu am 14.05.2004 um 00:11:36

Hi Michael,


Zitat:
Unzählige Fälle sprechen für die soziale Mobilität.


Was sind den da die Belege? Ich kennen keinen einzigen Fall, wo ein Beamter sagt er war Sohn eines Bauerns oder Handwerkers. Soweit ich es überblicken kann wird meist bei Titellosigkeit eines Vaters, davon ausgegangen, dass dieser aus ärmlichen Verhältnissen stammt. Titellosigkeit auf Monumenten kann aber viele Gründe haben.

Gruss
Udimu

> Antwort auf Beitrag vom: 13.05.2004 um 20:23:29