Textauszug über die Beschreibung über den Pavillon des Totentempel von Ramses III. (Medinet Habu) aus dem Reiseführer "Die Heiligtümer des alten Ägypten" von Anthony West ...Im Hof des Pavillons stellen die Reliefs überwiegend Opferszenen dar. An der Nordwand bringt der König einer gesichtslosen Figur des Seth Opfer dar - ein interessantes Beispiel für die pragmatische Geheimlehre dieser Religion, die zunächst barbarisch und fremd erscheint. Seth zu opfern heißt in Wirklichkeit »dem Teufel zu geben, was des Teufels ist«. Seth steht nicht für das Böse im engen christlichen oder jüdischen Sinne, sondern vielmehr für die notwendige Macht der Opposition, des Antagonismus oder Widerstands. Seth übt eine zweifache Macht aus: einmal die zu immerwährender stofflicher Vermehrung und zum anderen die, der Rückkehr zum Ursprung - das Ziel jeder großen Religion - Hindernisse in den Weg zu legen. Seth ist der Ruf oder Drang zurück in die Welt des Fleischlichen, Materiellen, deshalb die unaufhörlichen Verwünschungen und Flüche gegen ihn und seine Kohorten. Doch zur gleichen Zeit muß es, um die Opposition überwinden zu können, überhaupt eine Opposition geben, genau wie man zu einem Fußballspiel zwei Mannschaften braucht. Deshalb huldigt der König regelmäßig und rituell dem göttlichen Prinzip der Opposition. Die Frage nach dem Wesen und vorhandensein des Bösen – eine Frage, mit der sich spätere christliche Theologen jahrhundertelang herumschlugen – bereitete den Ägyptern kein Kopfzerbrechen, denn die essentielle Dreieinigkeit des Universums ging niemals verloren. ... |