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   Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus (13)
  Autor/in  Thema: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus
Michael Tilgner  maennlich
Member



Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus Palermostein_Z_6_Nr_2.jpg - 59 KB
« Datum: 04.01.2006 um 10:47:52 »   

Hallo,

im neuen "Spiegel", Nr. 1 vom 02.01.2006 wird über "Die Architektur der Sterne" berichtet, wie üblich in einem Gemisch von Zitaten zumeist nicht angegebener Quellen. Ohne weiter auf die Thesen des Artikels einzugehen, möchte ich folgende Stelle auf S. 109 aufgreifen:

Zitat:
Bis nach Nubien dringen Snofrus Bogenschützen und Fußsoldaten vor, wo sie 7000 Gefangene und 200.000 Stück Vieh entführen.

Diese Stelle bezieht sich auf einen Abschnitt in Zeile 6 der Vorderseite des Palermosteines, den ich hier angehängt habe (Heinrich Schäfer, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen, Berlin, 1902, S. 30). Vielleicht möchte der eine oder andere fortgeschrittene Hieroglyphenfan diesen Text übersetzen?

Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 04.01.2006 um 10:51:53 von Michael Tilgner »


- Vollbild -
Astrodoc  maennlich
Member



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #1, Datum: 04.01.2006 um 20:11:48 »   

Hallo!

Erst einmal vorab: Ich kann Altägyptisch nicht leiden  


Daher nur ein paar Gedanken meinerseits:

Zitat:
Bis nach Nubien dringen Snofrus Bogenschützen und Fußsoldaten vor, wo sie 7000 Gefangene und 200.000 Stück Vieh entführen


Spalte 2+3:
dp.w-nsw  60  ?  jn.t  nHs.w  4.000  sor.w-anx  3.000  jH.w  100.000  (sr.w/sr.wt/Sf.wt/bA.w?)  100.000
60 Königsschiffe bringen 4000 Nubier, 3000 Gefangene, 100000 Rinder, 100000 Schafe (o.ä.)

Spalte 4:
Hw.t-(¤nfrw)|  jn.t  dp.w  40  mH(.w)  (m)  aS
(zum) Tempel des Snofru. (Außerdem: ) Herbeibringen von 40 Schiffen, gefüllt mit Koniferen(holz)*

* die drei W24-Krüge sind wohl als drei Aa2-Zeichen zu verstehen, oder?


So, jetzt reicht's! Keine Lust mehr!

Schöne Grüße
Astrodoc
> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2006 um 10:47:52  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #2, Datum: 04.01.2006 um 23:22:43 »   

Hallo, Astrodoc,

Zitat:
Erst einmal vorab: Ich kann Altägyptisch nicht leiden

Wieso? Da ist doch so gut wie keine altägyptische grammatische Besonderheit dabei, bis auf ein paar knappe Schreibweisen!

Du hast in Spalte 2 ein Zeichen mit "?" übertragen. Meiner Meinung nach handelt es sich um das Zeichen U7a der extended library bzw. um das Wort xbA "zerhacken, zerstören, verwüsten" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 590-591) - siehe die altägyptische Schreibung dort. Schau Dir nochmal die folgenden Zeichen an; vielleicht findest Du dann eine andere Übersetzung.

Meiner Meinung hast Du einige Zeichen am Ende der 3. Spalte unterschlagen.

Bei den drei Zeichen am Ende von Spalte 4 handelt es sich tatsächlich um drei W24 "Nu-Gefäße", Determinativ für aS (Hannig, Ägyptisches Wörterbuch I, S. 289).

Und was ist mit Spalte 1 und Anfang der Spalte 2?

Vielleicht hat noch jemand eine Idee?

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2006 um 20:11:48  Gehe zu Beitrag
Seschen  weiblich
Member



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus no_einschiff0yc.gif - 2 KB
« Antwort #3, Datum: 05.01.2006 um 09:42:19 »   

Hallo!

Zitat:
Vielleicht hat noch jemand eine Idee?

Meine Ideen beginnen erst in der unteren Hälfte der ersten Spalte, denn darüber erkenne ich nicht alle Zeichen.

(Hannig S. 972, rechts)

2. Spalte:
Abd.w 16 = 16 Monate (?)  
dp.w-nsw  60 = 60 Königsschiffe  
xbA TA-nHs = das Nubierland zerstören / verwüsten
jnj.t  so r.w-anx 7.000 = 7.000 Gefangene machen (Hannig S. 74, links)

3. Spalte (nach "7.000"):
jH.w  sr.wt 200.000 = 200.000 Stück Groß- und Kleinvieh
o(d.t) mnn(w) = Bauen einer Festung  
Smaw = Oberägypten
TA-mH(w) = Unterägypten

4. Spalte:
(in der Kartusche) Snfrw = Snofru
Ht.w = Gebäude (mehrere Bedeutungen)
jnj.t  = Bringen
jnw.wt 40  = 40 Schiffe
aSA (?) = viel (?)  
aS = Zedernholz

Gruß, Seschen
> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2006 um 23:22:43  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus Palermostein_Z_6_Nr_2_Aufteilung.jpg - 64 KB
« Antwort #4, Datum: 05.01.2006 um 10:22:16 »   

Hallo, Astrodoc, hallo, Seshen,

zur weiteren Diskussion füge ich meine Aufteilung des Textes an, die meiner Meinung nach etwas ungewöhnlich ist.

@Seshen

Hinter dwA tA.wj steht noch etwas.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


- Vollbild -
> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2006 um 09:42:19  Gehe zu Beitrag
Seschen  weiblich
Member



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #5, Datum: 05.01.2006 um 11:04:57 »   

Hallo, Michael!

Genau so habe ich die 2. und 3. Spalte aufgeteilt, möglicherweise ist das in meinem Beitrag nicht erkennbar.

Was ich vergessen habe:
Die untere Zeile gibt ein (Längen)-Maß an (Wasserstand des Nils), ein Teil ist nicht lesbar, dann folgt:
mH 2 = 2 Ellen
Dba = Finger
...und das letzte Zeichen erkenne ich nicht.
Es könnte eine Handbreire Ssp sein.

Viele Grüße,
Seschen
« Letzte Änderung: 05.01.2006 um 12:14:32 von Seschen »
> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2006 um 10:22:16  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #6, Datum: 05.01.2006 um 22:29:18 »   

Hallo, Astrodoc, hallo, Seschen,

es geht los mit einer überdimensionalen "Palmrippe" M4


rnp.t "Jahr (des)"

und dann kommen die Ereignisse des Jahres - hier das erste:


Spalte 1


Sd(.t) dSr wjA (m) mr(w) dwA-tA.wj mH 100
"Vom-Stapel-lassen eines Schiffes von 100 Ellen (Länge, namens) dwA-tA.wj ["Stern der beiden Länder"] aus Zedernholz"

dSr (im Zusammenhang mit Schiffsbau) Sdj m dSr "*aushöhlen (im Schiffbau); *kalfatern, vom Stapel lassen" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 987) - "*" bedeutet: vermutliche Bedeutung

mrw "*Libanonzeder" (Hannig, S. 348) - Das Determinativ habe ich hier nur annähernd wiedergeben können mangels eines geeigneten Zeichens im Zeichensatz.

dwA-tA.wj "ein Schiff" (Hannig, S. 972) - m.E. werden die "100 Ellen" in der Übersetzung unterschlagen. In Hannig, Ägyptisches Wörterbuch I, S. 1468 sind sie bei den Hieroglyphen nicht angegeben, was meiner Meinung nach richtig ist. Offensichtlich eine "Staatsbarke".

Wir haben es hier mit einer speziellen Umstellung zu tun, die Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Bd. I, 1955 diskutiert.

Zitat:
§ 308: In bestimmten Fällen treten gerne Umstellungen ein, die ... aus dem Kanzleistil stammen und der gesprochenen Sprache fremd waren ...
§ 310: Ebenso wie bei Zahlkonstruktionen findet sich abkürzender Kanzleistil, der das Wesentliche bei Aufzählungen entgegen dem lebendigen Sprachgebrauch an den Schluss stellt, um leichter zu überschauende Kolumnen zu erhalten, auch bei analytischen Konstruktionen, wo durch Weglassung der verknüpfenden Partikeln scheinbare Appositionen vorgetäuscht werden ...
§ 313: Bei Längenangaben
...

Dort in § 313 wird auf ein ziemlich ähnliches Beispiel aus dem Palermostein verwiesen. Als Begründung gibt er einen Beleg an, wo dieser Sachverhalt - sozusagen wie man spricht - formuliert worden ist. Diesen Vorschlag habe ich oben übernommen.


Spalte 2


16-dp(w)-nsw 60
"(und von) 60 Sechzehner-Königsschiffen"

dpw-nsw "Königsschiff" (Hannig, S. 977)

Bei der Zeichenfolge "16" ist das V20-Zeichen um 90 Grad gedreht. Wieso das Zeichen "Mondsichel" N12 verwendet wird, ist mir schleierhaft. Vielleicht ist es auch ein anderes Zeichen.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

PS Zu dieser Passage beachte man auch mein späteres Posting, in dem ich neuere Arbeiten referiere.
« Letzte Änderung: 14.01.2006 um 14:52:26 von Michael Tilgner »
> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2006 um 11:04:57  Gehe zu Beitrag
Snofru  
Gast

  
Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #7, Datum: 06.01.2006 um 20:47:50 »     

Hallo, Astrodoc, Michael und Seschen,

ich versuch's dann mal mit dem Rest vom Text.


Rest von Spalte 2

xbA  tA  nHs(j)  jn(j)t  sqrw-anx

Das Verwüsten des Landes Nubien, das Hinwegführen von Kriegsgefangenen,

Spalte 3

s  4.000  st  3.000  jHw  bAw  200.000  qd  nsw  mnw  (Hr)  tA-mHw

(bestehend aus) 4.000 Männern, 3.000 Frauen (sowie das Hinfortführen von) 200.000 Rindern (und) Widdern. Das Errichten von Monumenten in Unterägypten durch den König,

Der Rest der Spalte könnte auch alternativ "Das Errichten von Monumenten in Ober- und Unterägypten" gelesen werden, sofern das Zeichen M 23 fälschlich für M 24 oder M 26 geschrieben wurde und es somit heißen sollte:  qd  mnw  (Hr)  SmAw  tA-mHw.

Spalte 4

Hwwt  (snfrw)|  jn(j)t  wjA  40  mH(w)  (m)  aS

(nämlich) Häusern des Snofru. Das Herbeibringen von 40 Schiffen, beladen (wörtl. gefüllt) mit Zedern(holz).

Stand des Nilometers

"2 Ellen, 2 Fingerbreit"


Lieber Michael, ich bitte um Korrektur!

Liebe Grüße
Snofru
> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2006 um 22:29:18  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus no_spalte2spalte32jc.gif - 5 KB
« Antwort #8, Datum: 07.01.2006 um 19:40:35 »   

Hallo, Leute,

auf den Text in Spalte 1-2 werde ich demnächst noch einmal zurückkommen. Doch zunächst soll es weitergehen mit dem nächsten Ereignis, das im Jahresfeld angesprochen wird.

@Snofru

Zitat:
Lieber Michael, ich bitte um Korrektur!

Bei diesen alten Texten gibt es keine sog. "richtige" Übersetzung! Auch unter ausgewiesenen Ägyptologen - ich bin zudem keiner! - gibt es immer wieder und immer noch Diskussionen über Einzelfragen der Übersetzung bis zu grundsätzlichen Überlegungen. Ich kann nur einen Vorschlag anbieten, den ich nach längerer Auseinandersetzung mit diesem Textfragment für vertretbar halte.


Spalte 2 - Fortsetzung - Spalte 3



xbA tA-nHs(j) jn.t anx-sqr 7000 jH aw.t 200.000
[Jahr des ...] "Verwüsten des Nubierlandes; Hinwegführen von 7000 Kriegsgefangenen und 200.000 Rindern (Großvieh) und Kleinvieh"

xbA "zerhacken, zerstören (Grab, Festung, Mauer); verwüsten (Felder der Feinde)" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 590-591) - Das erste Zeichen ist U7A (extended library): Danke, Seschen, für die Hilfe bei der Darstellung.

nHsj "das nubische Volk tA nHsj Nubierland" (S. 424). - Nach Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Rom, 1955, § 268 zu dieser Stelle "muss es dagegen wegen der archaisch knappen Orthographie unentschieden bleiben, wie der Numerus anzusetzen ist." tA nHsj(w?) "Land der (oder des) Nubier(s)".

jnj "holen, ... herbeiführen (Personen) ..." (Hannig, S. 74) - "hinwegführen" ist eine treffende Entsprechung. Der Infinitiv lautet jn.t mit Wegfall des dritten schwachen Radikals j (auch im Altägyptischen; Edel, § 687).

sqr-anx "Gefangener, Kriegsgefangener" (Hannig, S. 771) - Diese Stelle ist wohl die einzige, die es andersherum schreibt: anx sqr. sqr heißt "schlagen, erschlagen (Feind)" (a.a.O.). Es gibt auch die Bedeutung "Gefangener" für anx (Hannig, S. 146); mit Determinativ A223 "stehender Mann mit gefesselten Händen auf dem Rücken" (extended library). Immer wieder liest man "lebender Gefangener" oder gar "lebender Erschlagener" bzw. "lebend zu Erschlagener" (Hannig, S. 144) als wörtliche Übersetzung von sqr-anx. Dazu hat Werner Vycichl, Die ägyptische Bezeichnung für den "Kriegsgefangenen", in: Göttinger Miszellen, Heft 2, S. 43-45 (1972) mit Vergleichen in semitischen Sprachen gezeigt, daß anx auch die Grundbedeutung von "binden" hat. Man kann zur Bekräftigung dieser These heranziehen: anx "Stabstrauch; Lebensstrauß (mit Blumen und Pflanzen)" (Hannig, S. 147), also "gebundene" Blumen; anx "(2) Sandalriemen" (S. 144); anx "schwören" bzw. "Schwur" (S. 146) - beim Schwören "bindet" man sich ja auch.

Ob man die beiden ersten Zeichen in Spalte 3 als s "Mann" und s.t "Frau" lesen sollte oder nur als Determinativ für "Leute" (Hannig, S. 1025) ist schwierig zu entscheiden; ich ziehe letzteres vor.

Zur Zahl 7000: Es heißt in Edel, § 385: "Die Vielfachen der Einer und der Zehnerpotenzen werden graphisch durch entsprechende Vielfachsetzung ausgedrückt, wobei die Tausender, dargestellt durch Lotuspflanzen, zu einer Gruppe verbunden werden können ..." - wie es ja in dieser Textstelle der Fall ist. Nun könnte man argumentieren, daß einmal 4 Tausender- und dann 3 Tausenderzeichen zusammengefaßt wurden und diese Zusammenfassungen mit dem Mann- bzw. Frauenzeichen korrespondieren. Dem würde ich entgegen halten, daß im Ägyptischen, wenn gleiche Zahlzeichen aufeinander folgen, diese in Gruppen dargestellt werden (Kurt Sethe, Von Zahlen und Zahlworten bei den alten Ägyptern, Straßburg, 1916, Abschnitt: "Die Gruppierung der Ziffern", S. 4-7): "Man gruppiert die gleichwertigen Ziffern zu Vieren, Dreien und Zweien (seltener auch zu Einem), und zwar geht dabei stets die größere Gruppe der kleineren voran." (S. 5) - Speziell zu den Tausendern, die gemeinsam aus dem Boden wachsen, heißt es (S. 6): "Diese spielende, ideographisierende Schreibung, die auch sonst zu beobachtende Eigentümlichkeit der ältesten Hieroglyphenschrift, verschwindet in unserem Falle mit der 6. Dynastie vollkommen aus der Hieroglyphik."

Des weiteren stellt sich die Frage, ob wir sqr-anx als Singular oder als Plural sehen sollten. Ich hatte bereits in einem anderen Posting zur Opferformel die Stelle aus Edel, § 394 zitiert: "Neben dieser Schreibweise, die dem tatsächlichen Sprachgebrauch folgt, steht eine andere, die im Listenwesen ihren Ursprung haben wird; bei ihr wird das Gezählte vorangestellt und das Zahlwort in Ziffernschreibung nachgestellt ... Das Gezählte steht dabei graphisch meist im Singular ... Gelegentlich steht das Gezählte aber auch im Plural."

jH "Rind" (Hannig, S. 96). Als Determinativ steht E1 "Rind" auch für Vieh und Großvieh (S. 1040).

aw.t "(1) Kleinvieh (Schaf, Ziege, auch Esel, Schwein) ... (2) Herden Kleinvieh" (S. 132) - Es gab hier mehrere Vorschläge, wie E11 "Widder" (als Determinativ für Widder und Schaf) zu lesen sei. Edel, § 53: "Wenn die Phonogramme weggelassen werden ..., so kann daraus Unklarheit über die Lesung entspringen ...", die "erst durch Vergleich mit anderen Stellen ähnlichen Inhalts" beseitigt werden kann. Ich bevorzuge deswegen "Kleinvieh", weil doch offensichtlich ausgesagt werden soll, daß eine beträchtliche Anzahl von Groß- und Kleintieren abtransportiert worden ist. Hier nur eine spezielle Art wie Schafe, Ziegen oder Widder anzunehmen, erscheint mir wenig plausibel. Zudem ist für aw.t E11 "Widder" als Determinativ belegt (Hannig, Ägyptisches Wörterbuch I, S. 262).

Hfn "100.000" (Hannig, S. 526)


Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 08.01.2006 um 20:46:23 von Michael Tilgner »
> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2006 um 20:47:50  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #9, Datum: 08.01.2006 um 21:49:23 »   

Hallo, Leute,

gehen wir nun zum dritten Ereignis über:

Spalte 3 - Fortsetzung - Spalte 4



qd jnb Smaw-tA-mHw Hw.wt snfrw
[Jahr des ...] "Bauens der Mauer von Ober- und Unterägypten (genannt) 'Häuser des Snofru'"

qd "bauen, bebauen, umbauen" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 867)

jnb "(1) Mauer, Außenmauer; Wand (2) Befestigungsmauer, Umfassungsmauer, Stadtmauer" (S. 76) - das Zeichen ist O36 "Mauerwall" um 90 Grad gedreht; das von Euch vorgeschlagene Y5 "Spielbrett" scheidet aus, denn es sind eindeutig auch Striche unterhalb zu erkennen. Man muß wahrscheinlich an eine Befestigungsanlage denken. Ich habe keinen Hinweis auf eine mögliche Lokalisierung der "Häuser des Snofru" in meinen Unterlagen gefunden.

Die Umstellung der Zeichen läßt sich auch sonst beobachten: "Wenn zwei Zeichen mit schmaler Basis durch ein oder zwei niedrige, breite Zeichen getrennt werden ..., so läßt man gern das dritte Zeichen unmittelbar auf das erste folgen ..." (Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Rom, 1955, § 92)

snfrw Der Königsname "Snofru" ist aus Ehrengründen vorangestellt.

Das Zeichen O7 "großes Gebäude" ist dreimal geschrieben - und zudem zusammengefaßt als ein Zeichen - und kennzeichnet damit den Plural.


Spalte 4 - Fortsetzung

Es folgt das vierte Ereignis dieses Jahres:



jn.t dp(.t) 40 mH(.w) (m) aS
"(und des) Herbeibringens von 40 Schiffen, gefüllt mit Zedernholz"

dp.t "Schiff, Barke" (Hannig, S. 977) - Wieso nicht auch dpw wie oben? Nun, dp.t ist das übliche Wort für "Schiff" mit den meisten Belegen (siehe Hannig, Altägyptisches Wörterbuch I, S. 1472), während dpw - auch ausgeschrieben mit w - zumeist als dpw nsw vorkommt. Ob es wirklich zwei verschieden Wörter sind?

aS "'Zeder'; Konifere" (Hannig, S. 159) - Die Schreibung mit den 3 nw-Krügen ist in Hannig, Altägyptisches Wörterbuch I, S. 289 angegeben. Normalerweise folgt als Determinativ noch M41 "Holzstück"; hier ist es ein Baum M46 (extended library).


Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 14.01.2006 um 14:42:24 von Michael Tilgner »
> Antwort auf Beitrag vom: 07.01.2006 um 19:40:35  Gehe zu Beitrag
Snofru  
Gast

  
Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #10, Datum: 09.01.2006 um 16:35:34 »     

Hallo, Michael,


Zitat:
dp.t  ist das übliche Wort für "Schiff"


Ja, nur warum kongruiert das dann folgende  mH(.w)  nicht im Geschlecht mit  dpt ?

Ob man  mH(.w)  hier als Pseudopartizip oder als passives perfektives Partizip anzusehen hat, ist wohl nur schwer zu entscheiden (siehe dazu auch Erhart Graefe, Mittelägyptisch, 5., verb. Aufl., § 42 III. Beisp. b - ist unserem Satz hier recht ähnlich), aber es müßte in jedem Fall die feminine Form sein, wenn es  dpt  hieße. Die hier im Text verwendete Form ist jedoch die maskuline! Daher habe ich mich in meiner Übersetzung für  wjA entschieden. Vielleicht heißt es aber auch tatsächlich (und wäre dann passend zu  mH(.w)  maskulin)  dpw ! Wäre doch der goldene Mittelweg.


Viele Grüße
Snofru
« Letzte Änderung: 09.01.2006 um 16:40:02 von Snofru »
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 21:49:23  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #11, Datum: 09.01.2006 um 21:52:50 »   

Hallo, Snofru,

"im Prinzip" - nämlich für das Mittelägyptische - hast Du recht. Hier haben wir es aber mit einer doch sehr archaisch knappen Schreibweise zu tun, die noch nicht alle Regeln befolgt, die wir aus späterer Zeit kennen. Um noch einmal Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Bd. I, Rom, 1955, § 210 zu zitieren: "Das -t der Femininendung wird beim Substantiv (und beim Partizip) graphisch zumeist ausgedrückt; wo es fehlt, wie nicht selten bei den Adjektiven ..., wird man an ein Überbleibsel altertümlicher Orthographie zu denken haben, in der die Femininendung eine untergeordnete Rolle spielt ..." - Das macht die Lesung und Interpretation für uns Heutigen schwer!

Ergänzung: Das widerlegt natürlich Deine Ausführungen nicht! Aber wie oben schon einmal ausgeführt, stellt die Lesung von Ideogrammen ohne phonetische Komplemente eine besondere Herausforderung dar. Es sei auch darauf hingewiesen, daß drei verschiedene Schiffszeichen in dieser kurzen Inschrift verwendet werden; das spricht dafür, auch drei unterschiedliche Begriffe anzunehmen.


Zeile

Sie gibt nach allgemeiner Auffassung die Höhe des Nilwassers an.


mH 2 Dba.wj
"2 Ellen, 2 Finger"

Mangels anderer Erkenntnis sehe ich beide Zeichen als D50 "Finger" an trotz ihrer abweichenden Darstellung.

Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 10.01.2006 um 22:34:24 von Michael Tilgner »
> Antwort auf Beitrag vom: 09.01.2006 um 16:35:34  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Übersetzungsübung: Aus den Annalen Snofrus 
« Antwort #12, Datum: 10.01.2006 um 22:33:49 »   

Hallo, Leute,

kehren wir noch einmal zur Spalte 1 - 2 zurück! Ein ausländischer Gastleser hat mir freundlicherweise einige bibliographische Angaben mit neuerer Literatur zugesandt, auf die ich jetzt zurückgreife.

Steve Vinson, Notes on Two Old Egyptian Inscriptions, in: Göttinger Miszellen, Heft 190, S. 89-97 (2002), darin der Abschnitt 1 "The Palermo Stone and the Royal Ships of Cheops: Are the Cheops Vessels _wA &A.wy-Ships?" (S. 89-95)

In diesem Artikel legt der Autor nahe, daß es sich bei den _wA &A.wy-Schiffen nicht um einen Schiffsnamen, sondern um einen Schiffstyp handelt, da sie mehrfach, z.B. auch im folgenden Annaleneintrag Snofrus, angegeben werden. Die Verbindung zu den Schiffen, die in Gruben neben der Cheopspyramide gefunden wurden, sieht er aufgrund der folgenden Angaben:
  • Diese Schiffe bestehen aus Zedernholz.
  • Sie sind etwa 87 Ellen lang, also fast 100 Ellen.
  • Ihre Form ähnelt sehr der wjA-Hieroglyphe.

Der Autor referiert auch die Übersetzungs dieses Begriffs. Neben Edels "Stern der beiden Länder" wird auch R. Anthes angeführt, der dwA mit "Morgenstern" übersetzt hat. Er selbst schlägt "Praise of the Two Lands" vor.

Er schließt sich Edels Ausführungen zum Aufbau der Passage in Spalte 1 an - die hatte ich früher schon einmal zitiert -, nach der sie als "Kanzleistil" aufzufassen ist. Danach ist das Schiffszeichen am Ende nicht als Determinativ zu sehen, sondern als zu lesendes Zeichen, das nur ans Ende umgestellt wurde. Ferner nimmt er noch einen Strich Z1 an, wie er auch im Eintrag für das folgende Jahr verwendet wird. Also (ny steht hier für die altägyptische Form des Genetivpartikels n):

rnp.t Sd-dSr (m) mr _wA &A.wy (ny[?]) mH 100 wjA [wa (?)]
"Jahr des Bauens (einer?) 100-Ellen wjA-Barke, eines _wA &A.wy, (aus) Zeder ..."

Ferner identifiziert er das erste Zeichen in Spalte 2, das von fast allen Bearbeitern unterschlagen wurde, als F42 "Rippe" mit Lesung spr und bezieht es auf die "Spanten" eines Schiffes.


Für die Passage übernimmt er Edels Analyse, daß das allgemeine Wort für Schiff ans Ende gestellt wurde und die Spezifizierung vorne steht:

spr-16 dp(.wt)-nisw.t 60
"... (und von) 60 Königsschiffen, (des Typs) 16-Spanten"

[Ich habe Vinsons Transkription verwendet, um auch zu zeigen, wie unterschiedlich die Ergänzungen gehandhabt werden.]


Hartwig Altenmüller, Sdt m dSr - Der Bau von Schiffen aus Importholz, in: Göttinger Miszellen, Heft 200, S. 27-35 (2004)

In diesem Beitrag untersucht Altenmüller die Bedeutung von Sd.t m dSr. Nach einer Zusammenstellung aller Belege - dazu gehören auch die Beischriften zu Szenen in Gräbern des Alten Reiches - und der bisherigen Ausführungen zu diesem Wort kommt er zum Schluß, daß Sd.t (Infinitiv von Sdj) eine Bezeichnung für die "Herstellung eines Schiffes auf einer Werft" ist. Für dSr vermutet er, daß es eine allgemeine Bezeichnung für "Importholz" ist, so daß wir die "archaische" Aufzeichnungsform hätten:

Handlung: Sd(t)
Import: dSr
Material: mr
Schiff/Kultbarke: dwa-tAwj Staatsschiffe

Als Begründung verweist auf ein pr-dSr, das er als "Haus für den Import" sieht; so jedenfalls seine Interpretation diesbezüglicher Szenen aus Gräbern des Alten Reiches.

Zum Abschluß gebe ich noch Altenmüllers Übersetzung dieser Passage:
"das Sd(t) dSr, aus mr-Holz, 1 Schiff (mit dem Namen) 'Gepriesen von den beiden Ländern <ist der König>' von 100 Ellen (Länge); 60 Königsbarken des Sechzehn-Spanten-Typs"


Ich finde übrigens im Licht der obigen Ausführungen die folgenden Eintragungen doch recht beachtlich:

pr-dSr "'Rotes Haus' (unterägyptisches Gegenstück zum Weißen Haus, dem Schatzhaus; Aufbewahrungsort für Lebensmittel, Hölzer, Stoffe)" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 282)

spr.t "[Plural] Art Schiffsteile" (S. 693)



Wir sehen also, wie intensiv - hundert Jahre nach der Erstpublikation - immer noch die Inschriften des Palermosteines diskutiert werden! Da braucht sich keiner in diesem Forum hinter den eigenen Übersetzungsversuchen zu verstecken! Ein Dankeschön für Eure Mitarbeit!


Viele Grüße,
Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 09.01.2006 um 21:52:50  Gehe zu Beitrag
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