im sog. Raum 17 über dem Durchgang an der Ostwand, in einigen Zeilen weitergehend zur Nordwand steht eine auf dem ersten Blick unscheinbare Inschrift, die aber durchaus bedeutsam ist. Man sieht einen König, der nach rechts blickt, umgeben von einer in Spalten ausgeführten Inschrift. Dieser Text erscheint auf dem ersten Blick sinnlos. Erst durch einen Vergleich mit Varianten konnte der Bearbeiter diesen Text erschließen und sogar die vermutliche Vorlage zurückgewinnen.
Nauna war so freundlich und hat mir sowohl ein Photo wie auch eine Umzeichnung der Ostwand zur Verfügung gestellt; letztere stammt aus: Hellmut Brunner, Die südlichen Räume des Tempels von Luxor, Mainz am Rhein, [1977], Tafel 65.
Da ich nur drei Abbildungen anhängen kann, geht es im nächsten Posting weiter.
Als Übersetzungsübung schlage ich eine Passage vor, die in dem Ausschnitt hervorgehoben ist. Die erschlossene Reihenfolge ist mit Ziffern angegeben.
Der Text ist wie folgt zu lesen:
Beginn: ein Teil aus Spalte 11
Fortsetzung: das Ende von Spalte 7, die ganzen Spalten 8 und 9, der Anfang der Spalte 10
Schluß: das Ende von Spalte 4 und der Anfang der Spalte 5
Im letzten Anhang habe ich Ausschnitte aus Naunas Photo sowie aus der Umzeichnung in Sinnabschnitten gegenübergestellt. Hier mußte ich die Auflösung etwas anpassen. Ich denke aber, daß der Text lesbar geblieben ist.
Ich bitte die Hieroglyphenfans unter Euch, Übersetzungsvorschläge zu machen. Bitte als verborgenen Text posten!
tolle Sache, daß Du bei diesem Text eingestiegen bist! Im Großen und Ganzen bist Du schon auf der richtigen Spur; noch einige Tipps:
Am Anfang beim Verb ist noch eine Alternative statt der Präposition denkbar. Dieses Verb hat leider viele (abgewandelte) Bedeutungen; ein Wörterbuch (Papier oder online) hilft Dir sicher weiter. Die Grundbedeutung ist aber richtig! Schau doch noch mal nach dem Kopf und wie er zu lesen ist. Außerdem steht vor der Ewigkeit noch etwas, was Du leider über- bzw. unterschlagen hast.
@thosch40 Sehr schön beobachtet, daß es sich nicht um das Zeichen C2, sondern um das Zeichen C268 der sog. extended library handelt! Ich würde es jedoch als Ra lesen und nicht als Suffix 1. Person Singular; zumindest wird in den Zeichenlisten bei Gardiner bzw. Hannig nur A40 als Suffix 1. Person Singular für Götter aufgeführt.
@thosch40, @NebTauiAmunRe rDj "geben; setzen, stellen, legen"; hier in der Bedeutung "einsetzen" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 483 [unter II. (12) "ernennen, einsetzen, ...")
@thosch40 In der Kartusche hast Du ein Beiwort in der Umschrift weggelassen.
@thosch40, @NebTauiAmunRe Zum folgenden siehe Wb. V, 274.
@thosch40 Es folgt ein übliches Adverb; siehe Wb. II, 301
@thosch40, @NebTauiAmunRe Diese Stelle ist nicht ganz einfach:
Hr wDa rmT.w "beim Rechtsprechen den Menschen"
Zur spielerischen Schreibung von rmT mit H4: Wb. II, 422. Wie kann man so etwas finden?
Zuerst sucht man das Zeichen in der Zeichenliste und findet H4. Mögliche Lesungen nr und rm in rmT "Leute" (z.B. Hannig, S. 1054 oder Gardiner, Egyptian Grammar, S. 474)
Dann sieht man in einem Wörterbuch nach den möglichen Lesungen. Leider findet man bei Hannig, S. 467 unter rmT diese Schreibung nicht direkt, sondern nur bei Sonderbedeutungen wie z.B. rmT-pD.t. Gerade bei Schreibvarianten empfiehlt sich daher das Wb.
@thosch40, @NebTauiAmunRe Zur Schreibung s.Htm "vernichten": Wb. IV, 223.
@NebTauiAmunRe Das Vogel-Determinativ wird erläutert auf dem Zettel DZA 29439890, ist also nicht sA.t zu lesen!
@thosch40 Das Wort ist jsf.t "Sünde, Böses, Unrecht [Gegensatz zu mAa.t]" (Hannig, S. 103). Du hast die Reihenfolge der Zeichen am Anfang vertauscht.
@NebTauiAmunRe Zu Recht siehst Du in der Konstruktion jw=f Dj ein Problem! Andere Varianten dieses Textes schreiben jw=f Dj=f, so daß unser Text in diesem Sinne zu ergänzen ist.
jw rDj.n Ra nsw Imn-Htp(.w) HqA WAs.t "Re hat den König Amenophis, Herrscher von Theben, eingesetzt"
tp-tA n anx.w n nHH Hna D.t "auf der Erde der Lebenden für ewig und immerdar" vielleicht auch: "auf Erden für die Lebenden ..."
rDj "I. geben II. setzen, stellen, legen ... (12) ernennen, einsetzen ..." (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 483) zur Namenslesung Imn-Htp(.w) siehe Übersetzungsübung: Statue der Mutemwia tp-tA "auf Erden, auf der Erde" (Hannig, S. 925) - Hannig führt a.a.O. auch eine ähnliche Formulierung an: anx.w tp-tA "die Irdischen, die auf der Erde leben" Man beachte übrigens, daß bei anx.w der Plural doppelt bezeichnet ist: zum einen phonetisch durch .w, zum anderen durch die Pluralstriche. nHH Hna D.t "auf immer und ewig" (Hannig, S. 424) - Hna "[koordinierend] zusammen mit, und, und auch" (Hannig, S. 538); wörtlich: "die nHH-Ewigkeit und die D.t-Ewigkeit", um die ewige Diskussion zu umgehen, worin die Unterschiede dieser Ewigkeitsbegriffe liegen.
Es folgen vier Aussagen, die alle mit Hr + Infinitiv gebildet sind:
(1) Hr wDa rmT.w "beim Rechtsprechen den Menschen"
wDa "gerichtlich, richtend trennen; richten, Gericht halten, Recht sprechen" (Hannig, S. 233); daher sind die rmT.w als direktes Objekt an wDa angeschlossen; in der deutschen Übersetzung hört es sich vielleicht etwas seltsam an
(2) Hr s.Htp nTr.w "beim Zufriedenstellen der Götter"
s.Htp "zufriedenstellen; friedfertig stimmen, gnädig stimmen" (Hannig, S. 738); dies ist ein sog. Kausativ, abgeleitet von Htp "zufrieden sein" mit Präfix s. (Einzelheiten in: Gardiner, Egyptian Grammar, § 275); s.Htp wörtlich: "zufrieden sein verursachen"
(3) Hr s.xpr mAa.t "beim Entstehenlassen der Wahrheit (Maat)"
s.xpr "schaffen, erschaffen, entstehen lassen" (Hannig, S. 744); ein Kausativ von xpr "werden, entstehen" (Hannig, S. 594)
(4) Hr s.Htm jsf.t "beim Vernichten der Sünde"
s.Htm "zerstören, zugrunde richten, vernichten; austilgen (Lüge, Sünde)" (Hannig, S. 738); Kausativ von Htm "vernichten, beseitigen, vertilgen" (Hannig, S. 570) jsf.t "Sünde, Unrecht, Böses (Gegensatz mAa.t)" (Hannig, S. 103)
Gardiner, Egyptian Grammar, § 304 behandelt "The infinitive after prepositions" und erläutert: "The infinitive after Hr expresses a concomitant circumstance [Begleitumstand] ... Hr + infinitive applies essentially to action as in progress ..."
An der folgenden Verbform hängen zwei Ergänzungen:
jw=f Dj(=f) (1) Htp.t n nTr.w (2) pr.t-xrw n Ax.w "Er gibt (1) Speisen / Opfer für die Götter (und) (2) Totenopfer für die Verklärten"
Htp.t "Speisen, Opfer (für Götter)" (Hannig, S. 567) pr.t-xrw "Totenopfer" (S. 286); es ist unklar, ob in der beschädigten Stelle noch weitere Determinative standen Ax "Ach-Geist, Verklärter; der würdige Tote (als Geisterwesen)" (S. 11)
Zum Text
In diesen wenigen Sätzen ist die ägyptische Auffassung vom König bzw. Königtum zusammengefaßt! Er stellt den König als Mittler zwischen Menschen und Göttern dar.
Der König ist von Re eingesetzt für die auf der Erde Lebenden.
Er hat 4 Aufgaben:
Recht sprechen
Götter zufriedenstellen
Maat (Wahrheit) herstellen
Isfet (Sünde) vernichten
Insbesondere hat er die Aufgaben im Kult
Opferspeisen geben für die Götter
Totenopfer für die Verklärten
Dieser Text wurde von Jan Assmann zuerst zusammengestellt und bearbeitet in: Der König als Sonnenpriester, Glückstadt, 1970. Ausführlich geht er auch auf ihn ein in: Ma’at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München, 1995, S. 205-211.
Diese Übung habe ich aus Anlaß des 70. Geburtstages von Assmann ausgewählt.
Viele Grüße, Michael Tilgner
PS Die Quelle für die Umzeichnung habe ich weiter oben nachgetragen.
Hallo Michael, vielen Dank für diese Übung. Es ist immer wieder erstaunlich, welch' tiefgründige Texte auf Stein gehauen wurden.
Eine Frage bleibt mir noch: Ist die Reihenfolge der Spalten von Dir ausgewählt worden, um den Sinn noch besser zur Geltung zu bringen, oder hatte "Jan Assmann" das bereits getan?
die korrekte Anordnung hat Jan Assmann in seiner Arbeit von 1970 aufgrund von Varianten erschlossen. Die Zerstückelung auf der Tempelwand in Luxor lag wohl daran, daß die - heute verschollene - Vorlage die Spalten in retrograder Schreibrichtung anordnete, d.h. obwohl die Zeichen von rechts nach links zu lesen sind, sind die Spalten von links nach rechts angeordnet. Der damalige Schreiber hat das nicht erkannt und die Spalten in falscher Reihenfolge angebracht. Außerdem waren die Spaltenlängen der Vorlage und auf der Tempelwand unterschiedlich.
Die Zeichnungen im obigen zweiten Posting habe ich nach Assmanns Hinweisen angefertigt.