im Grab TT 110 des Djehuti (Thoth) findet sich eine Stele, aus deren längerer Inschrift ich eine Passage ausgewählt habe, die einen weiteren Beleg - diesmal aus der 18. Dyn. - für die "Dauer der Balsamierung" liefert.
Wie sonst auch, bitte ich Euch, Lösungsvorschläge als "verdeckten Text" mitzuteilen.
Erstmal Danke für Deine Teilnahme; es ist ja immer viel Zeit, die man investieren muß, um eine solche Inschrift zu bearbeiten. Glaube mir, es gibt so gut wie kaum eine, die nicht die eine oder andere Schwierigkeit bietet!
Bei Deiner Lösung jj.tj sj sehe ich im Original nicht das t, das Du eingefügt hast. Bei dem kleinen Kreis gibt es immer wieder das Problem, welches Zeichen gemeint ist, die Sonne oder das sp-Zeichen. Ich meine auch, daß Du das Zeichen vor den beiden Eulen am Ende nicht richtig identifiziert hast.
Danke, daß Du diesesmal wieder dabei bist! Bei Deiner Transkription sehe ich als Problem die hrw 70, auf die ich auch noch keine eindeutige Antwort habe. Ich habe gerade meine Unterlagen nicht zur Hand, aber ich glaube, daß die Kardinalzahlen dem Substantiv immer folgen müssen. Meine Überlegungen dazu poste ich später. Die Stelle mit der pseudoverbalen Konstruktion sehe ich auch so.
Ich fände es gut, wenn bei einer problematischen Stelle begründet würde, warum man zu der oder der Lösung gekommen ist.
Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Grab TT 110
« Antwort #4, Datum: 24.11.2008 um 19:21:45 »
Hallo Michael, um ehrlich zu sein, ich sehe das "t" jetzt auch nicht mehr. Das habe ich wahrscheinlich bei der Suche nach der richtigen Vokabel einfach dazu gedichtet. Wie dem auch sei, ich habe die falsche Lesung verbessert (dank Seschen) und komme zu folgendem:
km = Hannig Seite 954 (zeitlich) vollenden, verbringen
(ein) schönes Begräbnis! Sie kommen in Frieden, (wenn) Dein 70. Tag vollendet (ist) in deiner reinen Stätte (Balsamierungsstätte)
Ich sehe hier "ein schönes Begräbnis" als "allgemeines" Topic, auf der dass der nachfolgende Text Bezug nimmt.
Wenn man sich den Arbeitsablauf einer Balsamierungsstätte vorstellt, dann bedarf es da wohl xx Tage an Arbeitsaufwand, bis die eigentliche Zeremonie weiter gehen kann. So ergibt sich: jj=s m.Htp "Sie kommen in Frieden" erst dann wenn: hrw 70=k km "Dein 70. Tag vollendet ist" und wo ist das passiert: m wab.t=k "in Deiner Balsamierungsstätte". So in etwa ist mein Gedankengang dazu.
Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Grab TT 110
« Antwort #5, Datum: 24.11.2008 um 19:34:08 »
Hallo! Die problematische Stelle für mich war erstmal die Erkenntnis, dass die übliche Wortfolge in Verbalsätzen: Verb - Subjekt - Objekt - Adverb im zweiten Abschnitt nicht vorhanden ist.
Zitat von Michael in einem anderen Beitrag:
Zitat:
Ich meine, es handelt sich um eine pseudoverbale Konstruktion; ein Satzmodell dieser Konstruktion ist Subjekt + Pseudopartizip (Gardiner, § 319 "Pseudoverbal construction"); ... Die Form für die 3. Personal Plural maskulin des Pseudopartizips ist =w und wird oft nicht geschrieben (Gardiner, § 309 "Old perfective"). Diese Konstruktion wird oft verwendet, um einen Umstand zu beschreiben
Diese Form habe ich hier erkannt und deshalb das Verb mit einem (.w) ergänzt. Hinzugefügt habe ich in der Übersetzung das "(nachdem)".
Zitat:
Ich fände es gut, wenn bei einer problematischen Stelle begründet würde, warum man zu der oder der Lösung gekommen ist.
Auch ich!
Zitat:
ich glaube, daß die Kardinalzahlen dem Substantiv immer folgen müssen.
"Immer" hat offensichtlich Ausnahmen, sei bloß die angestrebte Ästhetik des Schriftbildes der Grund.
Es fiel mir auf, dass die Kardinalzahl vor hrw steht, das war aber kein großes Problem für mich. Auf der Suche, ob hrw ein Plural-w bekommt (oder nicht), fand ich im Zettelarchiv weitere Beispiele dieser Wortstellung: Dokument DZA 26.373.670 ("15 Tage") und Dokument DZA 26.374.020. ("12 Tage lang")
Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Grab TT 110
« Antwort #6, Datum: 24.11.2008 um 21:18:01 »
Hallo Seschen, bevor Michael die Auflösung gibt:
Bei diesem Satz sehe ich keine Zweiteilung, obwohl ich zugeben muss, dass ich in der Grammatik kein entsprechendes Beispiel gefunden habe.
qrs.t nfr.t jj=s m-Htp hrw 70=k km m wab.t=k Substantivisches Topic | qrs.t nfr.t Verb | jj Subjekt | s Objekt | m-Htp Adverbiale Bestimmung der Zeit | hrw 70=k km Adverbiale Bestimmung des Ortes | m wab.t=k
Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Grab TT 110
« Antwort #7, Datum: 24.11.2008 um 22:24:36 »
Hallo, Seschen und Thomas,
das ging ja schneller, als ich dachte!
qrs.t nfr.t jj=s m Htp "das schöne Begräbnis, es kommt in Frieden"
=s ist Suffix 3. Pers. Singular feminin, da es sich auf qrs.t bezieht
Das Subjekt - das "schöne Begräbnis" - wird dadurch hervorgehoben, betont, daß es an den Anfang des Satzes gestellt und im Satz mit einem Suffix wieder aufgenommen wird. (Gardiner, Egyptian Grammar, § 148, 1 "Anticipatory emphasis in verbal sentences": "The subject is put at the beginning." - Dazu im § 146: "... a resumptive pronoun must be substituted within the sentence itself for the word thus emphasized.")
Das Zeichen Z4 (zwei Striche) wird j gelesen, wenn auch nur am Ende (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1099)
jj "kommen" - jj m Htp "kommen / zurückkehren glücklich / in Frieden" (Hannig, S. 27)
Thomas hat zunächst die Form ii.tj m Htp "willkommen" /S. 28) gesehen, was aber wörtlich auch nur heißt: "Du kommst / bist gekommen in Frieden!"
70=k km(.w) m wab.t=k "(wenn) deine 70 (Tage) vollendet sind in deiner Balsamierungsstätte"
km "vollenden, verbringen" (Hannig, S. 883) Der Deutung dieser Passage als "pseudoverbale Konstruktion" stimme ich Seschen zu. Da sie den Umstand angibt, habe ich sie mit "(wenn)" dem vorherigen Satz angeschlossen; sinngemäß ist natürlich auch "nachdem" passend (siehe aber weiter unten).
Übrigens steht diese Stelle komplett im Eintrag wab.t (Hannig, S. 184).
Für mich unklar ist, ob 70=k hrw zu lesen ist oder nur 70=k. Es handelt sich ja um einen mittelägyptischen Text, auch wenn er aus dem Neuen Reich stammt. Nach Gardiner, § 261 "Construction of the cardinals" folgt die Zahlenangabe dem Substantiv, das im allgemeinen im Singular steht, vor allem bei Zeitangaben. Seschen verweist auf Kurt Sethe, Von Zahlen und Zahlworten bei den alten Ägyptern, Straßburg, 1916, Abschnitt 6 "Die Konstruktion der Kardinalzahlworte", S. 44-59. Für das Mittlere Reich führt Sethe aus:
Zitat:
Das mittlere Reich ... verfährt im allgemeinen konsequent darin, daß es die Zahlworte nur noch in Ziffern schreibt und diese ebenso, wie es die Pyramiden in diesem Fall zu tun beliebten, dem gezählten Worte in der Schrift folgen läßt." (S. 48f)
Hingegen führt er für das Neuägyptische aus:
Zitat:
Im übrigen wird jedoch die Zahl im Neuägyptischen auch in der Schrift vor das gezählte Wort gestellt, wie ja das Zahlwort seit alters gesprochen wurde ... Bei den Zahlen von 10 aufwärts tritt im Neuägyptischen wie auch im Demotischen zwischen das vorangestellte Zahlwort und das im Singularis stehende gezählte Wort der Genetivexponent n ..." (S. 53)
Die Beispiele aus dem Zettelarchiv sind vermutlich neuägyptische Texte (aus einem Papyrus bzw. von einem Ostrakon); das müßte man noch einmal nachprüfen.
Ich habe daher überlegt, ob es sich um eine Ordinalzahl handeln könnte, denn diese können dem Substantiv vorangehen (Gardiner, § 263 "The ordinal numbers": "When used as epithets these ordinals may precede their noun." ) Dann würde der Passus lauten: "(wenn) dein siebzigster Tag vollendet ist." - Allerdings werden die Ordinalzahlen ab 10 mit mH gebildet, dabei wird die Zahl nachgestellt.
Auf die Idee, hrw nicht zu lesen, sondern als Determinativ anzusehen, bin ich durch Sethes Abschnitt "Zahlabstrakta" (S. 42-44) gekommen. So heißt z.B. ifd.t mit Sonne als Determinativ "die Vierheit" der Tage. Allerdings kann es sich nicht um ein Abstraktum handeln, da ein solches feminin ist; dann müßte das Pseudopartizip für die 3. Person Singular / Plural mit .tj enden.
Es bleibt leider eine Ungewißheit, wie es nun genau aufzufassen ist, auch wenn der Sinn klar ist.
Auf jeden Fall ist es ein Beleg aus pharaonischer Zeit, daß die Zeit der Balsamierung 70 Tage umfaßt.
Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Grab TT 110
« Antwort #8, Datum: 25.11.2008 um 22:21:34 »
Hallo, Thomas,
die "pseudoverbale Konstruktion" bildet einen vollständigen (Neben-)Satz. In der von Dir vorgeschlagenen "adverbialen Bestimmung der Zeit" bleibt die Verbform von km "vollenden" unbestimmt.