So abwegig es klingt, aber es gibt ein Buch, wo man im Jahre 1870 in allen möglichen Sprachen das Vaterunser anbietet, herausgegeben vom Vatikan - und darunter auf S. 319 (PDF S. 361) sogar eine Hieroglyphen-Variante. Der Vollständigkeit halber seien noch die koptischen Texte auf den Seiten 32-33 (PDF-Seiten 70-71; memphitisch und thebanisch) erwähnt.
The Lord's prayer in 250 languages and 180 forms of writing von Pietro Marietti,Wendell Jordan S. Krieg (Nachdruck v. 1870, ed. zu Rom)
Ich würde nur mal wissen wollen, ob diese "Übersetzung" halbwegs gelungen ist oder nur ein kläglicher Versuch ist, etwas zu übersetzen, wozu es wohl kaum echten Belege gibt - oder sollte ich mich irren? Kann es möglich sein, dass z.B. demotische Belege nach der Zeitenwende derlei Passagen enthalten, die einer dann ins Hieroglyphische transkribiert hat? ... Wäre mal was ganz neues: eine vorkoptische ägyptische Quelle zur christlichen Überliefereung. Gibt es Quellen? Wenn ja, welche? ...
Eine Transkription und Übersetzung - unabhängig von pro und contra - wäre mir übrigens sehr lieb. Dafür dann schon jetzt meinen verbindlichsten Dank!
Zum Text (S. 319): das ist eine interessante Pseudo-aegyptische-Quelle. Eine Faelschung. Das ist einen Versuch, den Text "Vaterunser" im 19. Jh. aus Lingua Latina ins Aegyptische zu uebertragen. Ziel des Verfassers sollte klar sein - Gebet ist so alt... Die alte Aegypter glaubten an jt=n "unser Vater" als Gott nicht, das ist ihren Vorstellungen fremd.
Mit freundlichen Gruessen,
Maxim
PS
Ein aegyptischer (nach Ursprung) Text sollte solcherweise aufbauen:
j (oder hj) + Name + jt=j + die Bezeichnungen dieses Gottes. "O du 'Name', mein Vater, der ... ist". Das Wichtigste ist "mein" anstelle von "unser". Der Aegypter spricht von seiner eigenen Seite, nicht von der Seite der Gemeinschaft. Die Anrede "mein Vater" zum Gott gilt aber fuer den Koenig, er ist Sohn dieses Gottes und das sind die Beziehungen zwischen Vater-Gott und Sohn-Koenig. Der einfacher Bewohner spricht zum Gott "mein Vater, dein Vater oder unser Vater" ueberhaupt nicht - die Anrede enthaelt den Namen des Gottes und seine Beiworte: "O Osiris, der Herr des...".
Lieber Maxim, in etwa hatte ich das auch so empfunden. Da war der Wunsch der Vater des Gedankens, in diesem Falle der eifernde missionierende. Es hätte mich wirklich arg gewundert, wenn das authentischer Natur gewesen wäre. Jenen Autoren von 1870 sei nachträglich noch gesagt: netter Versuch!
"Fälschung" ist vielleicht zu viel gesagt. In dem Buch wird das "Vaterunser" in alle möglichen Sprachen und Schriften übersetzt, ohne dass behauptet wird, dass es aus diesen unterschiedlichen Kultur- und Sprachkreisen stammt.
Es ist ein weiteres schönes Beispiel dafür, dass ein "moderner" Text in das Ägyptische übertragen wird. Andere Beispiele finden sich in dem Thread Moderne hieroglyphische Texte aus dem Jahre 2006.
Allgemein gesagt, spiegeln solche Versuche auch das Sprachverständnis der jeweiligen Übersetzer wider.