diese ungewöhnliche Abbildung fand ich auf einem Schrein Tutanchamuns. Der Text dürfte vielleicht nicht so schwierig zu erraten sein, aber es geht auch um ein oder zwei grammatische Erscheinungen.
Re: Übersetzungsübung: Auf einem Schrein Tutanchamuns
« Antwort #1, Datum: 28.12.2016 um 09:00:01 »
Hallo!
Die obere Begrenzung der Darstellung erfolgt mit der Himmel-Hieroglyphe N1
.
Zu erkennen sind ein Gott und eine Göttin mit je einem Anch-Zeichen in der Hand, mit der anderen Hand eine Himmelstütze anfassend. Als Sockel dient ein Inschriftenband, das seitlich von zwei "Säulen" getragen wird. Die Beischrift ist von rechts nach links zu lesen:
- über den Köpfen der Gottheiten D.t - die (als Göttin personifizierte) Ewigkeit (Djet-Zeit) 1) nHH - die (als Gott personifizierte) Unendlichkeit (Neheh-Zeit) 2)
- Inschrift-Zeile jw=j rx.kw=j rn n nTr.wj aA.wj ø * Ich kenne (/ich weiß) den Namen der (beiden) großen Götter:
- "Säulen" D.t pw - Die Ewigkeit ist das. / Das ist die Ewigkeit. nHH pw - Die Unendlichkeit ist das. / Das ist die Unendlichkeit.
* jw=j - Partikel (mit Suffix), wird nicht übersetzt (Sinn: "ich sage"); Wb 1, 43.9 ~.kw - Pseudopartizip-Endung 1. Person Singular; Hannig S. 879 pw - "das ist"; Wb 1, 505.5
nach Assmann: 1) Djet: die lineare Zeit, das Bleiben, Währen, Dauern 2) Neheh: die zyklische Zeit, die ewige Wiederkehr des Gleichen
es handelt sich um Personifikationen der abstrakten Begriffe D.t und nHH, beide als "Ewigkeit" übersetzt (Wb V, 507 und II, 299). Was die beiden Begriffe unterscheidet, darüber gibt es immer wieder lange Abhandlungen, sogar ganze Bücher, zuletzt von Jan Assmann, Steinzeit und Sternzeit. Altägyptische Zeitkonzepte, München, 2011, immerhin 354 Seiten! Wenn es darauf ankommt, übersetze ich diese Begriffe mit "Djet-Ewigkeit" und "Neheh-Ewigkeit"; auf diese Weise halte ich mich mehr oder weniger elegant aus diesem Streit heraus!
Zu "Personifikation" im Alten Ägypten gibt es einen längeren Eintrag im "Lexikon der Ägyptologie" (LÄ IV, 978-987). Da heißt es u.a.:
Zitat:
Religiöse Begriffe, die die Welt vor der Schöpfung oder kosmische Größen repräsentieren, sind, wenn sie in ihrem funktionalen Bereich eingeengt sind, ebenfalls als Personifikationen zu klassifizieren: die Achtheit (...), die vier Himmelsstützen (...), die Heh-Götter (...), die sieben Aussprüche der Mehet-weret und NHH/D.t "die Zeit" als kosmogonisches Prinzip.
Verständlich, dass D.t - ein feminines Wort - als Göttin und nHH als Gott dargestellt werden. Das muss aber nicht immer so sein! So gibt es eine Darstellung der beiden Ewigkeiten in einem mythologischen Papyrus des Chonsu-renep als männliche Gottheiten! (Alexandre Piankoff, Mythological Papyri, 2 vols., Princeton, 1957, Nr. 11)
pw war ursprünglich ein Demonstrativpronomen für Singular maskulin, neben Tw (feminin) und nw (Plural). So werden sie nur in archaischen Texten verwendet. Dieses pw wurde später als Ersatz für "er", "sie" (Singular), "es" und "sie" (Plural) verwendet (Gardiner, Egyptian Grammar, § 111). Deswegen heißt es auch D.t pw, obwohl D.t ein feminines Wort ist. Daraus entwickelte sich ein eigener Satztyp (Gardiner, §§ 128-131, 140), indem es als logisches Subjekt verwendet wird: Ra pw "er (ist) Re" / "es (ist) Re". So heißt es z.B. im berühmten "Hochzeitsskarabäus" Amenophis' III.:
Hm.t pw n.t nsw nxt "sie [nämlich Teje] (ist) die Gemahlin eines starken Königs"
Zur Inschrift selbst:
rx.kw ist Pseudopartizip 1. Person Singular von rx "kennen, wissen". Als Gardiner-Fan habe ich noch gelernt, dass diese Endung .kwj zu transkribieren ist. Aber James P. Allen, Middle Egyptian, § 17.2 ist der Auffassung, dass der sitzende Mann A1, wenn geschrieben, nur Determinativ ist wie bei jnk; das Schilfblatt M17 würde den "sitzenden Mann" nur ersetzen. Genauso sieht es auch Wolfgang Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift, 2012, S. 231. Auf jeden Fall ist nicht richtig, das j als eine Art Suffix zu kw zu betrachten und kw=j zu schreiben.
Der Satz ist eine pseudoverbale Konstruktion, eingeleitet durch jw (Gardiner, § 323). Das ist ein Verb, das es nur in dieser Form gibt (§ 29). Seine Rolle in Sätzen mit adverbiellem Prädikat (§ 117):
Zitat:
The verb jw states facts as such, declares this or that to be the case.
Interessant finde ich auch die Ausführungen in Allen, § 17.8:
Zitat:
(...) the basic meaning of rx. Although this verb is translated by the English verb "know" in many of its forms, it really means to "experience" or "learn about" something. The stative [pseudoparticiple] is translated as "know" because it expresses the state that results from experiencing or learning about something - which, of course, is a state of knowledge. Thus, a sentence such as jw=j rx.kw rn.w=Tn really means something like "I am experienced about your names." Ancient Egyptian does not actually have a verb that corresponds exactly to the English verb know.