Hallo zusammen, ich übe schon seit einiger Zeit an den Texten des Amduat, wie man unschwer an den verschiedenen Beiträgen erkennen kann. Nun habe ich das Buch in Pharaos Grab, Die verborgenen Stunden der Sonne, Antikmuseum Basel geschenkt bekommen und dort nach einigen mir bekannten Passagen Ausschau gehalten.
Ich bin unter anderem in der fünften Stunde fündig geworden und sah mich gleich verwirrt.
Angehängtes Bild "fünf-1" zeigt die Hieratischen Zeichen von der Original Wand Thutmosis III - Leserichtung (jedenfalls für mich) von rechts nach links.
Angehängtes Bild "fünf-2" zeigt die "Reinschrift" aus der CD von Jean-Yves Barré, Pour la survie de Pharaon, jetzt in Leserichtung von links nach rechts.
Für mich sieht das so aus, als wenn die Reinschrift entgegen der Leserichtung des Originals ausgeführt wurde – also eher falsch?
hierbei handelt es sich um eine sogenannte Retrograde Schreibung. Dieses Phänomen findest du auch auf der Roten Kapelle der Hatschepsut. Michael und Iufaa haben sich dem dortigen Text hier angenommen. Vielleicht hilft dir das zum Verständnis etwas weiter.
Bei TLA wird für Dsr mit dem Determinativ I14 unter Lemma 185510 angegeben: Götterbezeichnung.
Deine Transkription pXr müsste im Plural stehen, also pXr.w, allerdings habe ich hierfür weder bei Hannig noch im TLA die Übersetzung "Windung" gefunden. Für "Windung" findet man bei TLA: qAb Windung; Krümmung Wb 5, 9.13-15 und einen Zettel für den Ausdruck "Windungen öffnen" -> Zettelarchiv.
Genau ein Zettel weiter wird das, was du mit transkribiert hast HrHr=k als Hr.wj=k umschrieben und mit -> "deine beiden Gesichter" (Dualform) übersetzt. -> Zettelarchiv
Die Übersetzung der Amduat-Texte scheint nicht einfach zu sein...
Hallo Seschen, danke für Deine Antwort. Hier meine Quellen: Erste Reihe: DZA 31.703.710 Dsr = heilig sein; prächtig sein; prächtig machen; weihen. Hier auch deutlich die Hieroglyphen in der Schreibweise. DZA 26.717.530 HfAw = Abkürzung für Wurm, Gewürm. Im Original hat die Hieroglyphe mehr Bögen, Zeichen I14A. Das mit der Götterbezeichnung kann schon sein. Ist vielleicht sogar ein Eigenname? DZA 23.473.270 pXr = umhergehen, umwenden – aber auch mit den Armen umschlingen und unter DZA30.253.440 "Windungen" weil das zu einer Schlange passt.
Dritte Reihe: (Angaben zum Lemma Hr.wj=fj (Lemma-Nummer 500335) Übersetzung: Seine beiden Gesichter (His-two-faces) | Kurzreferenz: Hornung, Pfortenbuch I, 331; II, 226 | Wortkategorie: Subst.)
HrHr=k heißt demnach "deine beiden Gesichter", kann aber hier nicht verwendet werden, weil das ein Substantiv ist. Aufgrund der üblichen Syntax Verb, Subject, Object, muss an dieser Stelle ein Verb stehen. Ergo: HrHr = bewachen, hüten | Verb 4.rad
Das Ganze ist wirklich nicht sehr einfach, zumal ich mir bei Reihe zwei und drei nicht sicher bin, die richtige Grammatik gewählt zu haben.
bei Erik Hornung, Ägyptische Unterweltsbücher, Zürich und München, 1972, S. 106 finden wir folgende Übersetzung zu diesem Abschnitt:
Zitat:
O Abgeschirmte (Schlange), schirme mir deinen Arm ab und öffne mir deine Windungen! [Möge dein Arm abgeschirmt, mögen deine Windungen geöffnet sein und] deine beiden Gesichter in der Erde! Schieße nicht auf mich (mit Feuer), sende keine Pfeile gegen die in meinem Gefolge, damit ich an dir vorbeiziehe in Frieden! (S. 106; der Text in eckigen Klammern [...] findet sich nicht bei Thutmosis III.)
Man sieht schon an dieser Übersetzung, daß es sich um einen haarigen, schwer verständlichen Text handelt, der einiges an ägyptologischer Mythologie voraussetzt, was uns Nachgeborenen abhanden gekommen ist.
Ich kann Hornungs Vorschlag nachvollziehen, mit folgenden Erläuterungen:
Dsr "Heilige Schlange" (im Amduat) (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1252) mit Determinativ I14 "Schlange"
@thosch40 Du hast Dsr HfAw "heilige Schlange": Nach mittelägyptischer Grammatik folgt das Adjektiv dem Substantiv; demnach müßte "heilige Schlange" HfAw Dsr heißen. Eine andere Möglichkeit wäre Adjektiv + Substantiv "heilig an Schlange". Dagegen spricht, daß eine Schreibung für Schlange nur mit I14 ansonsten nicht belegt ist. Die einfachste Lösung ist daher anzunehmen, daß I14 nur als Determinativ anzusetzen ist, wie es im Wb. bzw. bei Hannig auch gemacht wurde.
Wieso kommt nun Hornung auf "Abgeschirmter"? Die Grundbedeutung von Dsr ist "abgesondert, abgetrennt sein", daraus abgeleitet "heilig", denn heilige Orte z.B. sind nicht allgemein zugänglich, sondern nur wenigen Eingeweihten. So ist tA-Dsr "das abgesonderte / heilige Land = die Nekropole".
Dsr n=j rmn=k "schirme mir deinen Arm ab"
Wie genau D41 zu lesen ist, ist schwer zu entscheiden. Im Wb V, 610 wird ein Dsr rmn als Bezeichnung des Sonnengottes aufgeführt. Möglich scheint mir auch gbA "Arm" zu sein. Vielleicht auch nur Dsr-a?
Du hast ein sDm.n=f angenommen; das ist eine Möglichkeit. Da aber ein göttliches Wesen angerufen wird: "o Heilige", ist ein Imperativ oder prospektives sDm=f für Wünsche etc. vorzuziehen.
wn n=j pXr.w=k "öffne mir deine Windungen!"
pXr "Windung" ist als Wort weder im Wb., noch im Hannig aufgeführt. Ich erkläre mir das dadurch, daß es wohl in dieser Bedeutung nur hier vorkommt. Die Ableitung scheint mir klar zu sein: es ist Partizip von pXr "umwenden, herumdrehen, umschlingen usw.", also "deine Umwendungen / Umschlingungen" o.ä.
Hr.wj=kj m tA "Mögen deine beiden Gesichter in der Erde sein!"
Dualschreibung durch Zweifachsetzung des Zeichens ist eine übliche Erscheinung (Gardiner, Egyptian Grammar, § 73, 2). Zur Form des Suffixes 2. Person Singular beim Dual =kj siehe Gardiner, § 75, 2.
@thosch40 HrHr "bewachen, behüten" gibt es, aber laut Hannig, S. 556 nur spätneuägyptisch belegt. Auch die Belege in Wb. III, 150 sind neuägyptisch oder gar griechisch. Was aber noch mehr für die "beiden Gesichter" spricht, ist die Tatsache, daß kurz unterhalb dieses Textes eine Schlange mit zwei Köpfen abgebildet ist! Auch Dein Einwand, ein Verb fehle sonst, zieht nicht, da es sich tatsächlich um einen vollständigen Satz handelt ("sentences with adverbial predicate": "The copula ist often left unexpressed"; Gardiner, § 116).
n stj=k wj "schieße nicht auf mich"
n "nicht" ("D35 [verneinende Arme] is also written sometimes as N35 [Wasserlinie]"; Gardiner, § 104)
stj "schießen" - laut Wb. IV, 326 auch mit direktem Objekt; der Arm ist nur als Determinativ aufzufassen. Aus der Spätzeit wird auch die Bedeutung "mit der Flamme schießen" angegeben (Wb IV, 327). Konkret stelle ich mir vor, daß damit das Giftspeien einer Schlange gemeint ist.
Aufgrund des Suffixes würde ich von einem negierten prospektiven sDm=f ausgehen: "mögest du nicht schießen auf mich".
n Ssr=k r n.tjw jmj-xt=j "sende keine Pfeile gegen die in meinem Gefolge"
Ssr "Pfeile senden (r jdn)" (Hannig, S. 838) - im Wb. IV, 548 wird dieses Verb als nur einmal belegt, nämlich hier, bezeichnet und mit "angreifen" o.ä. übersetzt. Da es sich auf die Schlange bezieht, ist mit den Pfeilen ihr Gift oder ihr Feuer gemeint.
n.tjw Plural des Relativpronomens ntj (Hannig, S. 440) - "ntj may be used ... as noun, i.e. without expressed antecedent" (Gardiner, § 199). Geschrieben wird es mit G4 "Adlerbussard", gelegentlich auch als tjw-Vogel bezeichnet.
jmj-xt "Gefolgsmann, Gefolge" (Hannig, S. 67)
Auch hier würde ich negiertes prospektives sDm=f sehen: "mögest du keine Pfeile senden gegen die in meinem Gefolge"
r ap.t=j Hr=k m Htp "damit ich an dir vorbeiziehe in Frieden"
apj "vorbeiziehen" (Hannig, S. 137) - r + Infinitiv gibt oft den Zweck oder das Ergebnis an (Gardiner, § 304, 3). Der Infinitiv eines Verbs mit 3. schwachem Radikal (3ae inf.) wird mit einem t gebildet, wobei der schwache Radikal (Konsonant; hier j) wegfällt (Gardiner, § 299).
Das Subjekt wird in diesem Fall durch das Suffix =j angegeben ("With intransitive infinitives the subject can always be added as a direct genitive, whether noun or suffix"; Gardiner, § 301).
m Htp "in Frieden" (Hannig, S. 569) - analog zu jj m Htp "in Frieden kommen"
Wie eingangs ausgeführt, kann ich Hornungs Übersetzung völlig nachvollziehen.
Hallo Michael, ja - wenn man Deine Ausführungen zum Text von Erik Hornung liest, dann erscheint alles nachvollziehbar – und so einfach. Wie schwierig diese Passage wirklich ist, erschließt sich einem, wenn man die Übersetzung aus dem französischem daneben stellt:
Zitat:
Pour la survie de Pharaon - Le texte funéraire de l'Amdouat dans la tombe de Thoutmosis III - Jean-Yves Barré
Ô serpent sacré, sacré pour moi est ton bras [sic]. Ouvre pour moi tes replis et tes deux têtes dans la terre [?]. Ne tire pas (213) sur moi, n'attaque pas [35] ceux qui sont à ma suite pour que je (puisse) passer auprès de toi en paix
Ich hoffe mein "Schulfranzösisch" bringt es ins Deutsche richtig rüber:
Oh Schlange, heilig, heilig ist für mich dein Arm. Öffne für mich deine Falten und deine zwei Köpfe in der Erde. Ziele (Schiesse) nicht auf mich, greife nicht an, diese, die in meinem Gefolge sind, damit ich die Möglichkeit habe, bei dir in Frieden zu passieren.
Dazu erweiternd noch eine kleine Anmerkung:
Die Passage "Schirme mir deinen Arm ab" lässt mir nach wie vor keine Ruhe. Da hier von einer Schlange die Rede ist, die auch in der Abbildungen keinen "Arm" hat, habe ich zu Dsr n=j rmn=k noch folgenden Vorschlag:
Dsr -> Hannig, Ägyptisches Wörterbuch I (Altes Reich und Erste Zwischenzeit) Seite 1516 | weihen, freimachen rmn -> gleiches Buch Seite 708 | Remen (Längenmaß = 5 Handbreit = 37,5 cm)
Vielleicht soll die gesamte Länge der Schlange angesprochen werden, die mehrere Remen lang ist.
Etwa so: "weihe mir deine Remen". Dadurch verbindet sich der Folgesatz "öffne mir deine Windungen (Umschlingungen)" zu einer für mich schlüssigeren Gesamtaussage:
Weihe mir Deine Remen (und) öffne für mich Deine Windungen