ich beschäftige mich gerade mit der Übersetzung der Inschrift auf der hier abgebildeten Totenstele und bin dabei auf einige Probleme gestoßen. Spezifisch in der 3./4. Zeile des unteren Registers komme ich nicht zurecht. Ich lese dort
jw apr.kw jAHw / jm apr
Nun stellen sich mir mehrere Fragen: 1) Wie ist die Konstruktion jw + Pseudopartizip (alleinstehend) zu verstehen? Meine Referenz (Graefes "Mittelägyptisch - Grammatik für Anfänger", bin Amateur) gibt mir dazu keine Auskunft, oder ich bin nur zu blöd, es zu finden. Oder ist das (wie ich vermute, daher der Beitragstitel) eher eine Eigentümlichkeit des Sprachgebrauchs der Spätzeit? 2) Was ist das Determinativ am Ende der 3. Zeile und was macht es dort? Stellt es einen Menschen dar, und wäre dann die Sonne eher als "Hnmm.t" zu lesen? Dann würde es aber in meinen Augen gar keinen Sinn mehr ergeben... 3) Den Beginn der vierten Zeile würde ich mit Müh und Not als "jm apr(.w)" lesen und mit "als einer, der ausgerüstet ist" übersetzen. Ist diese Übersetzung haltbar? Wenn ja, warum ist das anlautende "j" der Präposition ausgeschrieben? Ich habe mal gelernt, das sei normalerweise nur vor Suffixen der Fall - ebenfalls eine Eigentümlichkeit der Spätzeit?
Ich hoffe, meine Fragen sind klar genug formuliert, und würde mich freuen, wenn sich ein oder meherere "Profis" berufen fühlen würden, mir bei der Beantwortung dieser Fragen zu helfen.
Hallo nochmals, ich will zu meinem ersten Beitrag noch einen anderen Gedankengang hinzufügen:
iw=(i) apr.kw psD im-apr
In dem Falle doch ein Pseudopartizip.
jw -> Prädikat: (Hilfsverb "sein") =j -> Subjekt: ich (steht da nicht, aber ich füge es gedanklich ein)
apr.kw psD -> Objekt (direktes): (der) Ausgestattete (des) Lichts (kw als Zeichen des Pseudopartizips erste Person Singular; das ganze Substantivisch gebraucht)
jm-apr -> Adverbiale Bestimmung des Ortes: dort ausgestattet sein
"Ich bin der Ausgestattete des Lichts, dort (werde ich) ausgestattet sein."
Gruss Thomas
behedeti Gast - Themenstarter
Re: Spätägyptische Grammatik - jw + PSP
« Antwort #3, Datum: 10.12.2008 um 20:08:37 »
Lieber Thomas,
vielen Dank für deine ausführlichen Antworten, das hilft mir schon sehr weiter!
Zu deinen Übersetzungsvorschlägen:
Der erste kommt mir auch etwas seltsam vor. Zum einen kenne ich eigentlich nur "Tw" oder "tw" für "dich", d. h. für das abhängige Personalpronomen der 2. Person. Ich meine mich zwar dunkel erinnern zu können, irgendwo auch mal "kw" gelesen zu haben, finde das aber nirgendwo in meiner Grammatik. Zum anderen passt die Übersetzung m. E. auch nicht richtig in den Kontext.
Die zweite Übersetzung mit Ergänzung des Personalsuffix, Pseudopartizip und angehängter Adverbialphrase erscheint mir dagegen sehr viel nachvollziehbarer. Das "jw(=j)" leitet dann sozusagen die Phase ein, wo Anchefenchons von sich selbst spricht, nachdem er vorher nur Re-Harachte angesprochen hat (es geht ja dann weiter mit "jr.n=j wA.t" usw.). Und in den Kontext passt es auch halbwegs.
Was ich allerdings immer noch nicht verstehe: Was macht dann das Determinativ (A41 in deiner Lesung?) nach "psD" am Ende der 3. Zeile?
jw apr=kwj Ax jm "ich bin wohlausgestattet bezüglich der Würde als Ach-Geist dort"
apr "ausgestattet sein, versehen sein, reich an" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 137) - Ax apr "der wohlausgestattete Ach" Ax "(1) Ach, Ach-Geist ... (3) Geisterkraft, Würde als Ach-Geist ...(5) ... Ax apr gut ausgestatteter Ach-Geist (für die Unterwelt)" (Hannig, S. 11-12) - Für diese Schreibung siehe den Beleg aus dem Zettelarchiv, der angibt: "häufig in saitischer und griechischer Zeit"; siehe auch die Bemerkung in Wb. I, 13 jm "dort [Adverb]" (Hannig, S. 47)
Zu apr auch Wb. I, 180: "mit bestimmendem Substantiv: ausgestattet in Bezug auf ..."
Da die Wendung Ax apr "der wohlausgestatte Ach" oft belegt ist, halte ich die Lesung mit apr Ax "(wohl)ausgestattet sein in Bezug auf Ach" für gut vertretbar. Wie nun genau Ach zu übersetzen ist, ist schwierig; vielleicht läßt man es am besten unübersetzt.
Grammatikalisch handelt es sich um eine Variante der sog. "pseudoverbalen Konstruktion": jw + Pseudopartizip. Gardiner, Egyptian Grammar, § 323 "The pseudo-verbal construction introduced by iw": "In virtual clauses of circumstance or time the pseudo-verbal construction with iw is common when the subject is a suffix-pronoun, but not when the subject is a noun."
M.E. muß der Satz mit jm "dort" enden, da: "In such sentences [verbal sentences] the normal word-order is: 1. verb, 2. subject, 3. object, 4. adverb or adverbial phrase ..." (Gardiner, § 27).
@Thomas Wirf einen Blick in den Index von Schenkels Tübinger Einführung zum Thema jw + Pseudopartizip!
Danach geht's meiner Meinung nach wie folgt weiter:
apr jrj.n=j wA.t r bw ntj Ra Itm #prj @w.t-@r jm "Als Wohlausgestatter ging ich den Weg dorthin, wo Re, Atum, Chepri und Hathor sind"
jrj wA.t "... einen Weg gehen ... " (Hannig, S. 171) Der Strich Z1 steht für das Suffix =j (Gardiner, § 34; allerdings mit der Bemerkung "seldom"). Da wir es mit einem sehr späten Text zu tun haben, hilft ein Blick in: Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, Wiesbaden, 1996, in der im § 216 die häufige Verwendung des Strichs die 1. Person Singular aufgezeigt wird. bw "Ort, Stelle, Platz" (Hannig, S. 250) - Zur Schreibung mit dem t in späterer Zeit: Wb I, 450 ntj "[Relativpronomen]" (Hannig, S. 440) - In der bereits erwähnten Stelle im Wb. ist auch die Phrase aufgeführt: bw ntj N jm "da, wo N ist"; ähnlich bei Hannig: bw ntj wj jm "der Ort, an dem ich bin"
Warum lese ich ntj, wo doch ntt steht? Auch da hilft ein Nachschlagen bei Jansen-Winkeln: "t - Der Abfall im Auslaut ist allbekannt ... - Aufgrund dieses Abfalls sind die Folgen tt und tj zusammengefallen und werden unterschiedlos gebraucht: tt für tj ... (ntt) ..." (§ 59)
Zur Grammatik: Den Anfang verstehe ich als "Emphasis by anticipation", als Hervorhebung des Subjekts. Gardiner, § 148 "Anticipatory emphasis in verbal sentences": "1. The subject is put at the beginning ... " und im § 146 führt er aus: "... a resumptive pronoun must be substituted within the sentence itself for the word thus emphasized."
Jetzt weiß ich auch wieder, woher mir diese seltsame Hieroglyphe so bekannt vorkam. Ich hatte das schon einmal gesehen, ich glaube sogar bei einer unserer Übungen. Der Ach-Geist! (Mal ehrlich: Der Schreiber macht es einem nicht gerade einfach.)
Und soll ich Dir noch was sagen: Gestern Abend habe ich die Übersetzung auch bei Wikipedia gefunden, die aber überhaupt nicht dazu passt (jedenfalls nicht in dieser Passage).
Die Hieros müssten dann so aussehen:
Gruss Thomas
P.S. Die Tübinger Einführung von Wolfgang Schenkel lese ich gerade ausführlicher. Auf dem Weg, werde ich auch zu jw + Pseudopartizip kommen und berichten, ob ich das verstanden habe
da hast Du mich mißverstanden! Ich denke schon, daß das Zeichen der sitzende Gott ist. Ich habe den Abschnitt aus einer Abbildung bei Wikipedia herauskopiert und die Zeile aus dem Zettelarchiv dazugestellt. Zwar ist das dargestellte Zeichen etwas unterschiedlich, aber ich habe es als sitzende Person / sitzenden Gott interpretiert.
Viele Grüße, Michael Tilgner
behedeti Gast - Themenstarter
Re: Spätägyptische Grammatik - jw + PSP
« Antwort #9, Datum: 11.12.2008 um 18:24:01 »
Hallo Michael,
auch dir erstmal vielen Dank für deine Hilfe!
Dein Übersetzungsvorschlag überzeugt mich sehr. Den Folgetext habe ich ebenso übersetzt wie du, bis auf die Tatsache, dass ich für "jrj.n=j wA.t" habe "ich machte den Weg frei" - mein Graefe übersetzt "jr(j)" mit "tun, machen, (den Weg) frei machen". Leider habe ich keine Ressourcen, um zu entscheiden, welche der beiden Varianten plausibler ist.
@Thomas: Die Wikipedia-Übersetzung hatte ich auch schonmal gefunden, sie kam mir aber an einigen Stellen (wie z. B. an dieser hier) ziemlich komisch vor, weswegen ich die Übersetzung erstmal auf eigene Faust versuchen wollte (wo bleibt denn sonst der Spaß? ).