diese Inschrift hat es in sich! Sie stammt aus der 21. Dynastie und ist in Mittelägyptisch geschrieben. "Mittelägyptisch" ist die Sprachstufe des Ägyptischen, die im Mittleren Reich gesprochen und geschrieben wurde, etwa 2000 v.Chr. Diese Zeit war so prägend, dass Inschriften auf Grab- und Tempelwänden bis zum Ende des pharaonischen Reiches in dieser Sprache geschrieben wurden, während sich die gesprochene Sprache natürlich weiter entwickelt hat. Die 21. Dynastie war ungefähr von 1070-950 v. Chr., also etwa 700-900 Jahre nach dem Mittleren Reich. Für die Schreiber dieser Zeit war Mittelägyptisch - trotz vieler Ähnlichkeiten - eine Fremdsprache, die sie in der Schule erlernen mussten. Man hat sich das etwa so vorzustellen, als würden wir heute Texte in Mittelhochdeutsch verfassen müssen. Die damals gesprochene (und seit der Amarna-Zeit auch geschriebene) Sprache war Neuägyptisch, das sich in vielerlei Hinsicht von der früheren Sprache unterscheidet. Immer wieder schlichen sich neuägyptische Formulierungen und Phrasen in ansonsten mittelägyptische Texte ein. Die Ägyptologen nennen diese Erscheinungen "Neuägyptizismen". Auch sonst zeigt das Mittelägyptische der späteren Zeit gewisse Erscheinungen in den Schreibweisen und in der Grammatik, was zum Begriff "Spätmittelägyptisch" geführt hat. Karl Jansen-Winkeln hat vor Jahren eine Grammatik dieser Sprachstufe vorgelegt. Zudem unterliefen den Schreibern dieser Zeit ganz offensichtlich Fehler. So hat z.B. Edouard Naville zum berühmten Totenbuch des Hunefer folgendes geschrieben (Das ägyptische Todtenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie. Einleitung, Berlin, 1886, S. 59-60):
Zitat:
Dieser Papyrus ist besonders durch die Feinheit der Vignetten und durch die Sorgfalt, mit der dieselben ausgemalt sind, bemerkenswerth. In dieser Beziehung ist er ein Kunstwerk; dagegen läßt der Text in mehreren Theilen viel zu wünschen übrig. [ ] Augenscheinlich hat der Schreiber diesen Papyrus besonders in den Vignetten sorgfältig behandelt; auch der Text ist nicht schlecht bis gegen das Ende; da hat der Copist, der sich vielleicht wenig überwacht fühlte und die Beendung beschleunigen wollte, seine Columnen nur mit Bruchstücken von Sätzen ausgefüllt, ohne sich um den Sinn zu kümmern. So habe ich darauf verzichten müssen, mich des Kap. 17 von Zeile 48 an zu bedienen, obwohl der Text fast bis zum Ende noch 34 Columnen fortgeht.
Was will ich damit sagen?
Wir dürfen nicht erwarten, dass in unserem Text, den wir gerade bearbeiten, alles lückenlos aufgeht! Das als Trost vorweg ...
Versucht also, so weit zu kommen, wie es geht; habt Mut zur Lücke!
Also ich versuch es mal, auch wenn ich da viel interpretieren muss. Ich lege mich also nicht fest. Der Schreiber hat aus meiner Sicht irgendwas geraucht. Saß da gestern bis spät in die Nacht und hab bei einigen Dingen Schwierigkeiten gehabt.
jr.i jr(r).yw¹ si jwi(.w)² jr³ mw aA n{.(i)t} Jmn r zwr⁴ jb(=f) nxt jm=s⁵ nn Sn.i⁶ S⁷ nb n jmn.ti nTr.i⁸
"Der Zugehörige/Genosse derer, die "sie(/es)" machen(?) ist zum großen Wasser des Amun gekommen, damit (sein) starkes Herz aus/von "ihr" trinkt / um (sein) starkes Herz aus/von "ihr" zu trinken. Nicht existent ist: Jeder See/Jede Opferschale des göttlichen Westlichen ist..."
Erklärung/Grammatik/Belege:
1. DPA(?)
2.
als jwi (WB I.44). Bei Gardiner ist es ein Ideogramm für jw in dem Wort. Die andere Form von dem Wort wird eigentlich mit
geschrieben.
ist auch laut Gardiner so gut wie immer Endkonsonant.
3. WB II.386 (Auch vor S.)
4. WB III.428 (Ich denke nicht, dass man daraus sein Herz trinkt, oder gibt es Belege? Im Zweibrüdermärchen trinkt "Anubis" (wohl nicht der Gott) Bruder ja sein Herz und es gibt ja auch Darstellungen, wo Anubis das Herz durch trinken dem Toten einflößt.(z.B. im Grab des Anhurchawi))
5. Wer ist "sie"? mw ist jedenfalls mask.!? (Wahrscheinlich ist es das Wasser. Immerhin passt der indirekte Genitiv auch nicht.)
6. Hier würde ich eine Lücke setzen. (Ist wohl ein Adjektivalsatz oder es sind zwei Sätze. ".... Jede(r) See/Opferschale ist für den/gehört dem göttlichen Westlichen.")
Hallo, ich zitiere hier Michael aus einem früheren Beitrag: Zitat:
Die Studie Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, 1996, von Karl Jansen-Winkeln beschäftigt sich mit den Eigenarten der späten Texte. Er hat einen Abschnitt dem Thema "Fehler" gewidmet (S. 27-30) und trifft folgende Unterscheidungen:
Zitat:
Zitat:
a) Falsche Zeichen (...) b) Korrekturen (...) c) Verschleppte Lautzeichen (...) d) Verschleppte Determinative (...) e) Graphische Umstellungen (...) f) Auslassungen (...) g) Überflüssiges (...) h) Verschreibungen aus dem Hieratischen (...) i) Kontamination zweier Wörter (...) j) Scheinbare Reduplikation (...)
Einige davon meine ich, auch in dieser Inschrift angetroffen zu haben.
Wenn ich aufhöre zu gehen zum (/verweilen am) Großen Fluss des Amun um davon (/dort) Wasser zu trinken, wird keiner mich abhalten ungehindert zu allen Seen des Göttlichen Westen zu gehen.
Aussage verkürzt: Wenn ich gestorben bin, werde ich Wasser im Totenreich trinken (können).
wenn ich im folgenden zu meinen Vorschlägen eine Begründung angebe, so bin ich mir dennoch nicht in jedem Fall sicher, ob sie wirklich stichhaltig ist; dazu ist diese Passage zu ungewöhnlich. Nehmt das bitte als vorläufige Meinungsäußerung!
Meiner Meinung nach beginnt der Satz mit der nicht-enklitischen Partikel jr "was betrifft" bzw. mit sDm=f "wenn" (Beginn eines Konditionalsatzes). Was ist mit den beiden Strichen Z4 (bzw. Z4A)? Hierzu habe ich bei Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik, Wiesbaden, 1996 unter "Lautliches" / "y" (§ 49) nachgeschlagen und gefunden:
Zitat:
Z4 scheint oft nicht mehr als ein Füllzeichen zu sein, z.B. [es folgen etliche Beispiele]
Überhaupt spielen Füllzeichen eine gewisse Rolle in den Texten der Spätzeit, z.B. der Ideogrammstrich Z1 ("als unmotivierter und überflüssiger Raumfüller" (§ 28)), das t X1 ("nach klassischem Maßstab überflüssiges [X1] ist ziemlich häufig" (§ 32)) oder die Pluralstriche Z2 ("In seltenen Fällen können sie aber auch offenbar unmotiviert bei Singularen auftauchen" (§ 29)).
jr.j "der Zugehörige, Genosse" (Wb I, 105.5) ist ebenfalls denkbar, vielleicht sogar naheliegender, da eine Korrektur nicht gemacht werden muss. Eine Entscheidung fällt bei der Betrachtung des Gesamtzusammenhangs.
Das folgende jr.y wsj ist ziemlich knifflig. Ein Vorschlag lautet, jrj ws "ein Ende machen" (Wb I, 358.7). Das Problem ist jedoch, dass es mit der Präposition m verbunden ist, vollständig also: "ein Ende machen mit ..."; so auch die dazugehörigen Belege. Das m fehlt hier. Der andere Vorschlag geht dahin, sj als unselbständiges Personalpronomen abzutrennen und den vorangehenden Rest mit jr zu jrr.yw zusammenzufügen. Tatsächlich gibt es ein solches Wort, das "als Bezeichnung für Feinde: 'die gegen jemanden (r) tätig sind'" (Wb I, 113.4) übersetzt wird. Die Formulierung jr.j jrr.yw sj jwj(.w) mit jwj(.w) als Pseudopartizip: "der Genosse derer, die es machen, ist gekommen ..." - obwohl gut überlegt - hat jedoch ein Problem mit dem Pseudopartizip, denn laut Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, § 310 gibt es zwei Formen (für die 3. Person maskulin Singular):
jw
oder
jw, j(w)
Auch Jansen-Winkeln, §§ 119-120, gibt keine abweichenden Schreibungen an.
Mein Vorschlag geht in die Richtung, jrj als Hilfsverb zu sehen. Gardiner, § 485, 2 (siehe auch Wb I, 112.1):
Zitat:
For some reason unknown, verbs of motion sometimes are paraphrased with jrj + infinitive.
Um die genaue Form zu bestimmen, muss man eine neuere Grammatik konsultieren, z.B. James P. Allen, Middle Egyptian. Danach kann jr.y entweder Subjunktiv (§ 19.2) oder Prospektiv (§ 21.2) sein. Beide Formen können in Konditionalsätzen verwendet werden (§§ 19.7 und 21.6). Zudem nehme ich an, dass die 1. Person Singular =j weggelassen wurde. Letzteres ist in allen Zeiten zu beobachten. Somit wäre zu lesen:
jr.y(=j) wsj
wsj ist mit den laufenden Beinen D54 determiniert, könnte also ein solches Verb der Bewegung sein. Das Problem: Ein solches Verb ist nicht bekannt. Nach Rainer Hannig, Wortschatz der Pharaonen in Sachgruppen, Mainz, 1999, Abschnitt "304. Tätigkeit des progressiven Gehens", S. 697-710 käme wsTn "schreiten; frei schreiten, ungehindert gehen" als einziges Wort beginnend mit ws in Frage.
Zum folgenden gibt es den Vorschlag (r) j(t)rw aA n Jmn "zum Großen Fluss des Amun", wobei jtrw aA der Name des Nils, besonders des Hauptarms ist. Als Vergöttlichung des Nils kennen wir aber Hapi und nicht Amun. Deshalb ziehe ich Peters Version jr mw aA n.t Jmn "zum großen Wasser des Amun" vor. jr ist Variante der Präposition r (Wb II, 386). Das Problem hier ist das feminine Genitivwörtchen n.t. Das kann man als Fehler sehen oder als lässliche Schreibung. Immerhin notiert Jansen-Winkeln, § 398, etliche Fälle des femininen Genitivwörtchens für maskuline Bezugswörter.
r swr jm=s
swr "trinken" - Das Herz F34 ist Determinativ. Normalerweise wird A2 (Mann mit Hand am Mund) als Determinativ verwendet, es gibt aber auch ein Beispiel, wo stattdessen der schlagende Mann A24 eingesetzt wurde (siehe DZA 28.584.260). Wir können den schlagenden Arm D40 als Ersatz dafür ansehen. Als Determinativ wird es nicht nur für schlagen und Kraft verwendet, sondern auch für Tätigkeiten allgemein.
Hier stolpern wir ein zweites Mal über eine feminine Bezeichnung =s, ohne dass wir ein feminines Bezugswort erkennen können. Eine denkbare Lösung wäre mw aA als Toponym aufzufassen, denn diese gelten als weiblich (Gardiner, § 92,1):
Zitat:
The names of foreign countries are treated syntactically as feminines (...) The same holds good of names of towns and, in part at least, of those of the nomes or provinces.
Dann müssen wir n.t als zutreffend stehen lassen. Was mag das Große Wasser sein? Vielleicht ein heiliger See, wie im Tempel von Karnak?
Zusammenfassend möchte ich den ersten Teil so übersetzen:
jr jry(=j) wsj (?) jr mw aA n.t Jmn r swr jm=s ... "Wenn ich zum Großen Wasser des Amun [gehe (?)], um daraus zu trinken ..."
Es folgt der zweite Teil des Konditionalsatzes.
sna "nicht zurückgehalten werden" (passivisch, fast stets negiert), mit Präposition zur Angabe, wovon man nicht zurückgehalten werden möchte, zumeist des Ortes, bes. mit Hr am Tor des Totenreiches, auf einem Wege u.ä. (Wb IV, 505.6-8). Die Schreibung ohne a ist wohl als Fehler einzustufen. Dass Präpositionen ausgelassen werden, kommt auch sonst vor (Jansen-Winkeln, § 40). Die laufenden Beine D54 sind Determinativ (Wb IV, 504).
S als Metallbehälter für die Osirisfigur ist erst für die griechische Zeit belegt.
nn Sn(a=j) (Hr) S nb n jmn.tj nTr.j "... werde ich von keinem See des göttlichen Westens ferngehalten" (wörtlich: von jeglichem See)
Falls man wsTn "ungehindert gehen" für wsj lesen würde, so würde nn Sna "nicht ferngehalten werden" sozusagen die gleiche Bedeutung haben.
Aussage verkürzt vielleicht so: Wie ich im Diesseits ungehinderten Zugang zum heiligen Wasser habe, so auch im Jenseits.
Ich gebe auch den nächsten und letzten Abschnitt in Standard-Hieroglyphen, obwohl Seschen sich schon früher dazu geäußert hat.
Michael, danke für deine Erläuterung und für die Übersetzung. Zumindest im Großen hatte ich die Inschrift verstanden, das freut mich.
Die beiden letzten Kolumnen zum Vergleich der Zeichen:
Ich äußere mich nochmal zum Beitrag vom 19.08.2020 um 23:08:28 und revidiere mit folgender Erklärung: Zuerst dachte ich beim Vogel mit Flagellum an Horus, hab auch so übersetzt. Am 20.08.2020 änderte ich meinen Beitrag, indem Ich "Horus" durch "Mut" ersetzte, weil in den voran stehenden Spalten eine Beziehung zur Göttin Mut ersichtlich wurde. Nun bin ich wieder (wie Michael) der Meinung, es ist Horus. Der Kopf des Vogels ist deutlich runder als der des Geiers.
Die Probleme mit dem Resultativ sehe ich da nicht, weil das wie gesagt ein Ideogramm ist und somit theoretisch das w weggelassen werden kann, aber es wäre durchaus sehr ungewöhnlich.
Ich hab Jansen's Grammatik nicht gefunden. Kann mir das jemand verlinken? Ansonsten brauch ich bei diesen Texten nicht mitmachen, weil ich sowas noch nicht kenne.
Versteht das bitte nicht falsch, das macht mir Spaß, nur will ich was haben, wo ich nachschauen kann ohne das Forum zu durchsuchen und irgendwie bekomme ich das Buch nirgends! Ich will nicht auf gut Glück immer aus der Not heraus eine komische Übersetzung angeben.
Die Probleme mit dem Resultativ sehe ich da nicht, weil das wie gesagt ein Ideogramm ist und somit theoretisch das w weggelassen werden kann, aber es wäre durchaus sehr ungewöhnlich.
Du hast recht, dass die Endung .w selten geschrieben wird. Für die Schreibungen der grammatischen Formen stütze ich mich vor allem auf Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, der in diesen Dingen ausgesprochen ausführlich ist. Er kannte aber wohl diesen Papyrus nicht, da er erst viel später publiziert wurde. Insofern muss ich mein Statement in dieser Frage abschwächen bzw. korrigieren.
Ich halte zwar an meiner Deutung fest, will aber gern einräumen, dass manches spekulativ ist und nicht der Weisheit letzter Schluss.
Der Text unseres Papyrus ist mittelägyptisch, daher reicht eine neuere mittelägyptische Grammatik zum Verständnis aus. Viele der besonderen Schreibungen findet man im TLA, d.h. im Wörterbuch oder im Zettelarchiv. Der Vorteil von Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, Wiesbaden, 1996 ist die Zusammenstellung der vielen Besonderheiten, die er in diesen Texten beobachtet hat. Die Grammatik an sich ist aber dieselbe! Leider ist dieses Buch vergriffen und auch nicht antiquarisch erhältlich. Ebenso wenig gibt es irgendwo eine Online-Version. Mein Exemplar habe ich vor Jahren am Buchstand des Harrassowitz-Verlages erworben - aus der "Grabbelkiste"!
Fast keine! In der Umschrift würde ich .t ergänzen: xAw.t n(.t) @r; in der Übersetzung würde ich vorziehen: "reines Brot vom Altar des Horus". Zu Hr: Wb III, 131.33: "fort von ... nehmen u.ä. (Brote vom Tisch nehmen, jemandem seine Habe fortnehmen u.ä.)".
Rainer Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch, Mainz, 1995, S. 1383 schreibt zum %x.t-nTr "Bezirke des 18. unterägyptischen Gaues". Ich denke aber, dass es sich auch um ein Jenseitsgebiet handelt wie %x.t-jArw "Binsengefilde".
Während das Jenseits in den Totenbüchern und anderen Papyri z.T. sehr detailliert ausgemalt wird, hat man sich in diesem Papyrus auf das nötigste beschränkt: Im oberen Bereich sieht man die Verstorbene beim Säen, während vor ihr ein Mann mit zwei Kühen pflügt. Unten sammelt sie etwas in ihrem Korb, der Mann sichelt das Korn vor ihr. Die Abbildung ist aus: Rose-Marie & Rainer Hagen, Ägypten. Menschen - Götter - Pharaonen, Köln, 2005, S. 164.
Die mythologischen Papyri der 21. Dynastie sind Zusammenstellungen einzelner Bilder aus den verschiedenen Jenseitsbüchern; dazu kommen einige Textteile. Der Verfasser dieses Papyrus hat offenbar nicht darauf geachtet, dass alles stimmig ist. Das erklärt vielleicht auch unsere Schwierigkeiten bei der Übersetzung. Für den alten Ägypter war der Papyrus dennoch magisch wirksam!