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   Konkretum u. Abstraktum bei den Göttern in Ägypten (2)
  Autor/in  Thema: Konkretum u. Abstraktum bei den Göttern in Ägypten
otto  
Member



Konkretum u. Abstraktum bei den Göttern in Ägypten 
« Datum: 26.01.2023 um 12:58:44 »   

Bei den Griechen und Römern kam es in Bezug auf die Götter die Konkreta, etwa Zeus, Athena, etc. etc. aber auch schon das Abstraktum Theos, bzw. der Plural Theoi. Dabei ist eigentlich davon auszugehen, dass die Konkreta älter sind, und das Abstraktum schon eine Folge gedanklicher Arbeit, also eines Denkvorganges, und damit jünger ist. Deswegen jetzt meine Frage: Gab es im alten Ägypten schon ein Abstraktum unserem "Gott" gleich? Die einzelnen Götter wurden in Ägypten in einzelnen, oft weit voneinander entfernten Tempel vergeht, oft an Orten, an denen es Manifestationen ihres Wirkens gegeben hat. Auch die Dodekatheoi-Tempel der Griechen waren späte Phänomene. Sie setzten Theologie voraus. Gab es denn wenigstens im alten Ägypten sowas wie den Ouranos (Himmel), also einen Ort, wo sich die Götter mal so zwanglos treffen und miteinander reden konnten, oder war Re zwanghaft in die Sonnenscheibe verbannt?  

Danke für die Antwort
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Konkretum u. Abstraktum bei den Göttern in Ägypten 
« Antwort #1, Datum: 26.01.2023 um 21:47:47 »   

Hallo, Otto,

Zitat:
Gab es im alten Ägypten schon ein Abstraktum unserem "Gott" gleich?

Ja, in gewisser Weise schon: Neben den Göttern wie Amun, Re, Isis und vielen, vielen weiteren gab es einen allgemeinen Begriff:

   oder  
    nTr "Gott" (Wb II, 358 ff)

Damit konnte ein spezieller Gott, als auch ein Gott "ohne erkennbare Beziehung auf einen bestimmten Gott" gemeint sein. Auch der König wurde als nTr nfr "guter Gott" bezeichnet (Wb II, 361).

Das Zeichen selbst (R8 nach der Gardiner-Liste) stellt wohl eine Art "Kultfahne" dar.

Die Frage nach einer altägyptischen "Theologie" ist nur vielschichtig und komplex zu beantworten und kann in dieser Allgemeinheit hier nicht diskutiert werden. Ich verweise auf das äußerst lesenswerte Werk von Erik Hornung, Der Eine und die Vielen. Altägyptische Götterwelt, 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Darmstadt, 2005 (inzwischen gibt es eine 7. unveränderte Auflage, 2011).

Wenn Du eine Universitätsbibliothek in der Nähe hast, dann empfehle ich das siebenbändige Lexikon der Ägyptologie, 1975-1992, das diese Frage in zahlreichen Einträgen behandelt, z.B. in "Gott", "Gott-Mensch-Beziehung" sowie weiteren Stichworten, die mit "Gott-" oder "Götter-" beginnen. Hinsichtlich der Fragestellung abstrakt/konkret ist z.B. auf die Einträge "Abstraktionsvermögen" oder "Spekulatives Denken" zu verweisen. Der "Allgemeine Index" in Bd. VII hilft dabei, die entsprechenden Stichworte zu finden.

Zitat:
Gab es denn wenigstens im alten Ägypten sowas wie den Ouranos (Himmel), also einen Ort, wo sich die Götter mal so zwanglos treffen und miteinander reden konnten, oder war Re zwanghaft in die Sonnenscheibe verbannt?

Hierzu heißt es im erwähnten Artikel "Gott" (LÄ, Bd. II, Sp. 756-786; Autor: Jan Assmann; Zitat: Sp. 758f.):

Zitat:
Die Götter verharren nicht statisch in ihrer jenseitigen Sphäre, sondern befinden sich in einer zwischen den Polen Ruhe (Kultbild) und Bewegung (Barke) alternierenden Seinsweise. Das Jenseits - Himmel, Unterwelt und Tempelinneres - ist zwar die Sphäre ihres Aufenthaltes, das Diesseits aber die Sphäre ihrer Erscheinung, ihrer "Machterweise" (bAw), ihres Wirkens.

In diesem Zitat überrascht, dass das "Tempelinnere" zum Jenseits gezählt wird. Deshalb füge ich Assmanns Erläuterung dazu (ebd.):

Zitat:
Der Tempel stellt demnach sowohl als Ganzes eine aus der profanen Welt herausgenommenen Enklave einer anderen Welt dar, deren Jenseitigkeit sich in Wendungen wie "Himmel auf Erden" und (unter Einbeziehung der zeitlichen Jenseitigkeit) "Urhügel" oder "Stätte des Anbeginns" ausdrückt, als auch eine diese Opposita vermittelnde Struktur, die in sich noch einmal "Himmel" (das Allerheiligste) und "Erde" (Erscheinungshalle und Festhof), Innen und Außen darstellt, und die Grenze zwischen Götterwelt und Menschenwelt einerseits, den grenzüberschreitenden Weg des Gottes andererseits artikuliert.

Schon diese wenigen Zitate zeigen, dass dieses Thema viele Facetten birgt und nicht in wenigen Absätzen ausgelotet werden kann.

Viele Grüße,
Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 26.01.2023 um 12:58:44  Gehe zu Beitrag
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