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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Hab´ da mal eine Frage
Marina_25 am 11.06.2004 um 08:45:57

Hallo,
vielleicht war es gestern einfach zu warm . Aber als ich mich so mit meinem Gardiner beschäftigt habe, habe ich mir überlegt ob es damals im alten Ägypten auch Schimpfwörter gab? Ich meine die Frage wirklich ernst. Es gibt Texte über Kriege; den Pharao, den Göttern usw. Aber gibt es auch erhaltene Briefe (oder Graffiti o.ä.) in dem z.B. der Pharao beschimpft wird, weil die Politik nicht gefällt oder ähnliches?

Gruß
Marina


2) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Iufaa am 11.06.2004 um 09:15:02

Hallo,

das LÄ V, Sp. 634ff, bietet eine kleine Übersicht um Schimpfwörter (S.) an, die sich nicht grundlegend von heutigen unterscheiden. Von S. aus dem "skatologischen" Bereich (i.e. Arschloch = art(j), Scheißer = jHs, Bekackter = mHsHs), aus der sexuellen Sphäre (Ficker = nkjw, Kastrierter = sxtj) bis hin zu Familien-(Sex-bezogenen) Schimpfwörtern (lt. Autor findet sich der "Motherfucker" in allen afrik. Sprachen) findet sich das "weltweit" übliche Spektrum, natürlich finden auch die üblichen Tiernamen (Esel=aA, Hase = sXa) Verwendung. Selbstverständlich gab es auch Schimpfwörter für "Ausländer", so galten die Nubier als "Gummifresser".

An Pharao addressierte S. sind nicht überliefert, hier vermutet der Autor des LÄ-Artikels, dass diese den an Beamte gerichteten S. ähnlich waren.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 11.06.2004 um 08:45:57


3) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Haremhab am 17.06.2004 um 14:03:09

Da ich (noch) nicht genügend Hieroglyphen-Kenntnisse habe, würde mich die Umschreibung für "Gummifresser" schon sehr interessieren. Ich habe da einen guten Bekannten im Auge!


Zitat:
dass diese den an Beamte gerichteten S. ähnlich waren.

Diese Steigerungsform würde mich ebenfalls interessieren. Kann man im Umgang mit Behörden eigentlich immer gebrauchen.


Haremhab

> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 13:25:15


4) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Iufaa am 17.06.2004 um 15:09:19

Hallo Haremhab,

leider führt weder das LÄ nur der Hannig, dt.-ägypt., diese Bezeichnung auf. Gummi gibt es zwar beim Hannig, aber nicht die Verbindung mit "Fresser" zu einem Schimpfwort.

Der Autor nennt auch keine Schimpfwörter für Beamte, möglicherweise vetrug sich das nicht mit seinem Beamtenstatus. Es wird zwar in dem Zusammenhang auf die "Bauerngeschichte" verwiesen, unter diesem Stichworten finden sich jedoch auch keine Beispiele im LÄ.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 14:03:09


5) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Iufaa am 17.06.2004 um 15:12:34

Hi Sequenre,

im wissenschaftlichen Kontext und bei Selbstbezichtigungen darfst Du selbstredend jedes Schimpfwort auch im Forum verwenden - nur eben nicht gegen andere einsetzen.

.. und bitte in Hieros



> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 13:25:15


6) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 17.06.2004 um 16:24:21

Liebe Leute,

über Schimpfwörter ist die Forschungslage schlecht, seit dem bereits zitierten Stichwort im LÄ gibt es zu erwähnen:

Eine Liste von Schimpfwörtern hat Hannig zusammengestellt: Rainer Hannig, Wortschatz der Pharaonen in Sachgruppen, Mainz, 1999, Abschnitt 173 "Schimpfnamen", S. 457-458; Abschnitt 180 "Sexualität. Personen", S. 462; Abschnitt 341 (f) "Schlecht Reden, Spotten, Verleumden", S. 804-805


Ein Auszug (Seitenzahlen aus Hannig, Ägyptisch-Deutsch) - ohne Hieroglyphen, Iufaa, das ist mir zu mühselig -:

jHs "[vulgär] Scheißkerl abgeleitet von Hs Kot" (S. 97)
aA "(1) Esel (Tier) (2) [Schimpfwort] *Esel, du Esel" (S. 127)
ar.t "(1) Anus (2) [Schimpfwort] Arschloch" (S. 149)
m.HsHs "[Schimpfwort] Scheißkerl, Bekackter, Waschlappen" (S. 356), abgeleitet von Hs "Kot" (S. 559) - übliche Konstruktion mit m. und Verdopplung des Stamms
nk "koitieren, Geschlechtsverkehr haben, ... nk rA=f sein Mund redet unzüchtig, nk sw aA, nk aA Hm.t=s ein Esel soll ihn bespringen, und ein Esel soll seine Frau bespringen" (S. 437)
nkw "(1) Ehebrecher (2) [Schimpfwort] Ochse, Beischläfer, Ehebrecher, Hurer" (S. 437)
Hm "[Schimpfwort] Feigling, Memme" (S. 530)
sx.tj der Verschnittene, Eunuch, Hänfling (S. 751)
kA.t "(1) Scham, Scheide, Vulva (2) Schamlose, Dirne (verächtlich für Frau), kA.t tAHw.t schamloses Weibsbild!" (S. 873)

Szenen aus dem Alten Reich mit Schimpfwörtern sind zusammengestellt bei Adolf Erman, Reden, Rufe und Lieder auf Gräberbildern des Alten Reiches, Berlin, 1919 (APAW: philos.-hist. Kl., 1918, Abh. 15), S. 25, 29, 30, 36, 58 - zusammengefaßt in: Patrick F. Houlihan, Wit & Humour in Ancient Egypt, London, 2001, S. 29, der übrigens nichts Neues zu diesem Thema bietet.

Hermann Grapow, Wie die alten Ägypter sich anredeten, wie sie sich grüßten und wie sie miteinander sprachen, Teil I-IV, Berlin, 1939-1943 (APAW: philos.-hist. Kl., 1939, Nr. 11; 1940, Nr. 12; 1941, Nr. 11; 1942, Nr. 7) - Teil II, S. 33-34: "Anreden mit einem Schimpfwort" (beruht ebenfalls auf Ermans Arbeit); S. 37;  Teil III, S. 52-53: "Ärger"

m.HsHs "Scheißkerl" wurde von Adolf Erman im oben erwähnten Werk als "das unerhörte Wort" (S. 29) bezeichnet.
Pierre Montet, Les scènes de la vie privée dans les tombeaux égyptiens de l'Ancien Empire, Paris, 1925, S. 68 machte die folgende Umschreibung: "Das Wort, das dem Ausruf folgt, ist eine Zusammensetzung mit einem m-Präfix, gebildet aus dem Wort Hs, dessen Übersetzung im Kapitel von Gargantua gesucht werden könnte, in dem Rabelais erzählt, wie Grandgousier die großartige Gesinnung seines Sohnes kennenlernt."
Originalzitat aus Pierre Montet, Les scènes de la vie privée ..., S. 681

So gesehen, ist es kein Wunder, daß die Forschung auf diesem Gebiet nicht so recht vorankommt!

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 15:12:34


1: http://efts.lib.uchicago.edu/cgi-bin/eos/eos_page.pl?DPI=100&callnum=DT61.M8&ident=68


7) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 18.06.2004 um 12:52:53 - Anhang: Wild-Tombeau-de-Ti-pl-CXIV.jpg

Liebe Freunde,

anbei die Szene, in der "das unerhörte Wort" m.HsHs fällt: Sie stammt aus dem Grab des Ti - nach Henri Wild, Le tombeau de Ti, Le Caire, 1953, Tafel CXIV. Die Szene ist recht berühmt und findet sich als Abbildung in vielen Ägyptenbüchern.

Der Text wird von rechts nach links gelesen. Er reicht etwa vom ersten Hirt rechts bis zum zweiten.

Zeile 1

j m.HsHs pw
"O, du Scheißkerl!"


Zeile 2

jAa bHs pw

jAa "*locken" (Hannig, Ägyptisch, S. 22)
bHs "Kalb" (S. 258)

Dieser Satz ist schwer zu übersetzen, da die Bedeutung des Verbes jAa nicht bekannt ist. Adolf Erman (a.a.O., S. 28-29) übersetzt: "Laß dieses Kalb nach der Mutterkuh blöken!" Montet (a.a.O.): "Dieses Kalb ist hochgehoben, füttere es!" Waltraud Guglielmi, Reden, Rufe und Lieder auf altägyptischen Darstellungen der Landwirtschaft, Viehzucht, des Fisch- und Vogelfangs vom Mittleren Reich bis zur Spätzeit, Bonn, 1973, S. 101 will es von "festbinden" o.ä. herleiten und übersetzt: "Halt (?) dies Kalb fest!"


Zeile 3

mna.t
"Milchkühe"

(Hannig, S. 338) - Laut Guglielmi (l.c.) ist dies als Überschrift und nicht als Satzteil zu sehen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 16:24:21


8) Re: Hab´ da mal eine Frage
Thomas_ am 20.06.2004 um 22:52:08

Hallo Michael,

hab mal eine Frage, da ich die Veröffentlichung von Henri Wild nicht habe und Steindorff im WB nur auszugweise übersetzt - ich hab jedenfalls nicht alles gefunden: Die 2. Zeile auf der linken Seite übersetze ich mit:
Mache, dass gehen die Rinder heraus aus dem Sumpfland zur Zählung dessen, was im Sumpfland (Delta) existiert.

Ist das korrekt, oder stellt die Zählung vielleicht auch eine eigene Überschrift dar? Ich glaube das nicht, genauso wie ich nicht annehme, dass auf der rechten Seite "mna.t" eine Überschrift für "Milchkühe" darstellt, sondern für "Amme"(also hier Mutterkuh) steht, und damit der rechte Teil lauten könnte: "Halte das Kalb von der Mutterkuh fern!"(damit es aufhört zur Mutter zu streben, dem Hirten evtl. vom Rücken fällt und dann wohl unter die Hufe der Herde gerät.) Der zweite Hirte sieht das Unglück heraufziehen und schimpft berechtigterweise.

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 12:52:53


9) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 21.06.2004 um 22:37:04

Hallo, Thomas,

der zweite Text links neben dem bereits Besprochenen lautet nach meiner Meinung:

dj=k Sm jH.w[.t] jptn
"Laß (du) diese Kühe losgehen!"

rDj "III. (7) [vor anderen Verbformen, meist] lassen" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 484)
jH.t "Kuh" (S. 96)
jptn "[Demonstrativ-Pronomen, fem., Plural] diese" (S. 45) - daher muß es auch jH.t heißen!

Der zweite Teil ist wieder eine Art Überschrift:

pr.t m mH.t
"das Herausgehen aus dem Sumpfland von Unterägypten"

prj "herausgehen" - pr.t ist Infinitiv, der oft als erzählender Infinitiv über Szenen wie diesen steht
mH.t "Sumpfland von Unterägypten, die Deltamarschen, das Deltagewässer" (S. 355)

Was Dein Vorschlag zum ersten Satz angeht, kann ich nur wiederholen, daß alles von der Bedeutung des Verbs jAa abhängt, dessen Bedeutung man nicht kennt, da es nur zweimal belegt ist. Ob mna.t Überschrift ist oder noch zum Satz gehört, bleibt daher ungewiß!

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 20.06.2004 um 22:52:08


10) Re: Hab´ da mal eine Frage
Thomas_ am 22.06.2004 um 15:41:44

Hallo Michael,

vielen Dank für Deine Hilfe! Da hatte ich mich ja "etwas" vergaloppiert. Bin von der rechten Seite ausgegangen, wo die Zeichen zeilenweise gelesen werden und hatte dies für die linke Seite auch angenommen.
Hab nun noch die anderen Zettel-Links im WB gefunden:
Ti-rechts1;
Grab 1 (?) Sakkara2;
Ti-links3
Steindorff macht aus dem Schluß hier einen Relativsatz.

Welches Grab ist "Grab 1"? Gibt es irgendwo im weltweiten Gewebe eine Abbildung dazu?
In der mir gerade zur Verfügung stehenden Literatur gibt es kaum Fotos von "Ti-rechts" und Übersetzungsversuche auch leider keine. Im allgemeinen nur die Hinweise, dass  die Ägypter ihre kostbaren Tiere lieben (ist klar) und Kälber gerne auf dem Arm bzw. auch auf dem Rücken getragen werden, um sie vor Gefahren (hier Krokodile) zu schützen oder um sie als Lockmittel vor der Mutterkuh(!) zu tragen (auch schwimmen lassen), um diese, und daran angeschlossen die Herde, durch das Wasser zu führen.
(Lauer,Gräber in Memphis; Brunner-Traut, Die Alten Ägypter,S.34-36)

Vielen Dank an alle im voraus, die einen Foto-Hinweis zu "Grab 1" hätten.

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 21.06.2004 um 22:37:04


1: http://aaew.bbaw.de/gif/20/20120000/20120690.gif
2: http://aaew.bbaw.de/gif/20/20120000/20120700.gif
3: http://aaew.bbaw.de/gif/24/24295000/24296920.gif


11) Re: Hab´ da mal eine Frage
 naunakhte am 22.06.2004 um 15:50:29

Hallo Thomas,

im www findest du die Angabe vom Zettelarchiv LD II 96 auch. Lepsius ist nämlich durch die UB Halle eingestellt. Die Abbildung findest du hier1.

Gruß nauna


> Antwort auf Beitrag vom: 22.06.2004 um 15:41:44


1: http://edoc3.bibliothek.uni-halle.de/lepsius/page/abt2/band4/image/02040960.jpg


12) Re: Hab´ da mal eine Frage
Thomas_ am 22.06.2004 um 15:57:51

Hallo Naunakhte,

das war ja geradezu überirdisch schnell und die Qualität!!!

Recht herzlichen Dank!
Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 22.06.2004 um 15:50:29


13) Re: Hab´ da mal eine Frage
 naunakhte am 22.06.2004 um 16:02:23

ach und hier die Beschreibung zu dem Grab:









mal ein Versuch ob ich das hinbekomme  

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 22.06.2004 um 15:50:29


14) Re: Hab´ da mal eine Frage
Thomas_ am 22.06.2004 um 21:18:24

Hallo Naunakhte,

und wie das geklappt hat. Ich möchte Dir vielmals danken. Dieses Projekt ist einfach Spitze!

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 22.06.2004 um 16:02:23


15) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 23.06.2004 um 00:41:14

Hallo, Naunakhte, hallo, Thomas,

bei dem "Grab 1" in Abusir handelt es sich um das Grab des Fetekty, das nach Lepsius' Expedition wieder verloren gegangen ist. Berühmt sind die diversen Szenen in LD II, 96.

Das Grab wurde 1991 von einer tschechischen Expedition wiederentdeckt. Informationen hierzu findest Du in Miroslav Verner, Verlorene Pyramiden, vergessene Pharaonen, Praha, 1994, S. 89-92 bzw. Miroslav Verner, Abusir. Realm of Osiris, Cairo / New York, 2002, S. 221-223. Die von Lepsius dokumentierten Zeichnungen gibt es nicht mehr!

Die Originalzeichnung mit dem Beleg zum Verb jAa:
Aquarell: Grab des Fetekta1

Die eigentliche Szene:
Szene aus dem Grab des Ti ("Ti-rechts")2


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 22.06.2004 um 16:02:23


1: http://aaew.bbaw.de/LepsiusArchiv/doc/imgFetekta.html
2: http://www.osirisnet.net/docu/veaux/photos/ti.jpg


16) Re: Hab´ da mal eine Frage
 naunakhte am 23.06.2004 um 07:54:57

Hallo Michael,


Zitat:
Informationen hierzu findest Du in Miroslav Verner, Verlorene Pyramiden, vergessene Pharaonen, Praha, 1994, S. 89-92 bzw. Miroslav Verner, Abusir. Realm of Osiris, Cairo / New York, 2002, S. 221-223.


wußte ich doch, dass mir noch ein paar Bücher im Regal fehlen  

Danke
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 00:41:14


17) Re: Hab´ da mal eine Frage
Thomas_S am 23.06.2004 um 10:15:03

Hallo Michael,
vielen Dank für die Literaturhinweise und die Fotos natürlich!
Wollen wir nun nicht auch die Szene in "Grab 1" diskutieren?
Ich fang mal mit meinen Vorstellungen an.

Das Bild zeigt uns im linken Teil das schon zum großen Teil verwirklichte Ziel der beiden Hirten: Separieren, Zusammentreiben und Ruhigstellen von Kälbern an Fußfesseln, zu welchem Zweck auch immer. Ein hornloses Rind, von der Größe her (zwischen Kalb und Kuh) vielleicht ein Jungrind, säuft in Ruhe aus einem Trog. Alles O.K. wäre da nicht noch eine Kuh, die sich bockig anstellt und ihr Kalb nicht verlassen (bzw. loslassen) will. Dagegen wird im rechten Teil der Szene etwas unternommen. Der rechte Hirte versucht die Kuh mit einem Stock (vielleicht auch Strick) von vorne abzuwehren. Der linke Hirte schlägt mit einem Stock auf die hintere Flanke der Kuh, so erscheint es zumindestens im Hallenser Bild. Im Berliner Aquarell-Original in Verbindung mit der Inschrift tut sich noch eine andere Möglichkeit auf (s.u.)

Rechts
<xsf><abwehren>>Wb III S. 335 (auch:zurückhalten)
<jH.t><Kuh>>Wb I S. 120
<jn><durch, seitens jemandes>>Wb I S. 89
<jrj><Genosse>>Wb I S. 105
"Zurückhalten(Abwehren) der Kuh durch den Genossen(Kollegen)"

Mitte
<Hw.t><(= Hwj) schlagen>>Wb III S. 45
oder <Hw.t.t><Schlag, Stoß (auch des Falken)>>Meeks: AL 79.1916
<Hm.t><Gebärmutter>>Wb III S. 76 (auch: weibl. Geschlechtsteil)
Und jetzt doch eine Überraschung- nichts für schwache Nerven! Während es in der Hallenser Ausgabe so aussieht, als wenn der linke Hirte seine linke Hand auf das Hinterteil der Kuh legt und ihr mit dem Stock ein paar Hiebe auf die Flanke gibt, läßt das Berliner Aquarell erkennen- und die Hieroglyphen bestätigen es- dass er den Stock in die Scheide der Kuh einführt (stößt) um dann durch entsprechende Druckbewegung die störrische Kuh zu lenken. Aus der Sicht des Hirten wohl eine effektive Methode, über unsere heutigen Ansichten dazu brauchen wir wohl nicht zu diskutieren! Im Aquarell ist zu sehen, dass der Kuhleib eher transparent erscheint und so den innerhalb befindlichen Stock sichtbar macht. Zum Schlagen auf die Kuhflanke würde man wohl auch nicht die Hand in der Nähe der Schlagstelle vermuten. So sieht es auch bei einem modernen Tierarzt aus, wenn er die Kuh am Geschlechtsteil behandelt: die linke Hand ruht zur Führung oben auf der Kuh. Die gewollte Transparenz der Zeichnung findet man auch im Grab des Ti. Dort sind die Beine der Hirten und Rinder im Wasser zu sehen.(Foto von www.osirisnet im Post v. Michael)
"Stoßen (des Stockes) in die Scheide (der Kuh)"

Links
<jAa><(Verbum vom Behandeln der Kälber)>>Wb I S. 27
<bHz><Kalb>>Wb I S. 469 (hier: bHz.w Plural)
<Hr><auf>>Wb III S. 131 (Präp.: auch "vorn")
za.w / <zA><Herde>>Wb III S. 413 (Als Zettel wird auch unser Bild aus Grab 1 gezeigt, ich denke aber die primäre Bedeutung liegt hier wie im Bild zu sehen bei den Fußfesseln/Schutz)
Zusammen mit der Szene aus dem Ti-Grab kann ich mich jetzt nur Waltraud Guglielmi (s.o. Post-Michael) anschließen. "Festbinden (Fixieren; Ruhigstellen) der Kälber vorne an Fußfesseln" und ihre Übersetzung für das Ti-Grab: "Halt (?) dies Kalb fest!"

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 00:41:14


18) Re: Hab´ da mal eine Frage
Gitta am 23.06.2004 um 10:23:18


Zitat:
wußte ich doch, dass mir noch ein paar Bücher im Regal fehlen  


Hallo nauna,

"The Realm of Osiris" habe ich letztes Jahr bei Aboudi einige Male in der Hand gehabt und schließlich doch nicht mitgenommen. Kann man also schon mal auf die Bücherliste für November setzen

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 07:54:57


19) Re: Hab´ da mal eine Frage
 naunakhte am 23.06.2004 um 12:26:23

Hallo Gitta,


Zitat:
"The Realm of Osiris" habe ich letztes Jahr bei Aboudi einige Male in der Hand gehabt und schließlich doch nicht mitgenommen. Kann man also schon mal auf die Bücherliste für November setzen


da steht es schon seid längerem. Mit vielen anderen zusammen.
Sag mal, kommen wir auch noch woanders hin, oder nur zu Aboudi  


nauna  

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 10:23:18


20) Re: Hab´ da mal eine Frage
Gitta am 23.06.2004 um 13:11:51

Ja, nach Amarna
Gitta


> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 12:26:23


21) Re: Hab´ da mal eine Frage
 naunakhte am 23.06.2004 um 14:02:26


Zitat:
Ja, nach Amarna


Das ist sicher ein Schreibfehler, Gitta.

Das muß SAQQARA heißen  

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 13:11:51


22) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 26.06.2004 um 13:07:48

Hallo, Haremhab und die anderen,

die "Gummifresser" tauchen in den demotischen "Chaemwase-Erzählungen" (Lexikon der Ägyptologie, Bd. I, Sp. 899-901) auf, und zwar in "Setne II".

Das Originalpublikation ist online verfügbar:
F. Ll. (Francis Llewellyn) Griffith, Stories of the High Priests of Memphis; The Sethon of Herodotus and The Demotic Tales of Khamuas, Parts 1 and 2, Oxford, 19001

Der Begriff taucht in der folgenden Passage auf:

Zitat:
"Dann sagte Pharao zu ihm: 'Mein Sohn Setom, hast du die Worte gehört, die dieser Fürst von Äthiopien vor mir gesprochen hat: >Gibt es einen guten Schreiber und gelehrten Mann in Ägypten, der diesen Brief lesen kann, der in meiner Hand ist, ohne sein Siegel aufzubrechen, und der erkennen kann, was in ihm geschrieben steht, ohne ihn zu öffnen?<'
Sobald Setom diese Worte hörte, wußte er nicht, an welchem Ort der Erde er sich befand, und sagte: 'Mein großer Herr, wer wäre der, der eine Schrift lesen könnte, ohne sie zu öffnen? Indessen möge man mir zehn Tage Frist gewähren, damit ich sehe, was ich vermag, um zu verhindern, daß die Schmach Ägyptens ins Land der Neger, in die Heimat der Gummi-Fresser, ausgetragen werde.' Pharao sagte: 'Sie seien meinem Sohn Setom gewährt!'" (Emma Brunner-Traut, Altägyptische Märchen, 8. Auflage, München, 1989, S. 249-250) - In der Originalpublikation steht diese Passage auf S. 164-165

Im "Demotic Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago", Konsonant Q, gibt es den dazu gehörigen Eintrag:

tS n wnm qmy "district of gum-eaters" (S. 34)

Da die Erzählung ins das 2. Jahrhundert n.Chr. datiert, ist diese Bezeichnung nicht mehr von Hannig erfaßt, der sich auf den Wortschatz bis 950 v.Chr. beschränkt.

Die einzelnen Wörter sind jedoch älter:

tAS "... Gebiet, Gau ..." (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 916)
wnm "essen; fressen" (S. 198)
qmy.t "Gummiharz, Harz, Bindemittel" (S. 857)

Vielleicht kann ein Demotisch-Spezialist uns die entsprechende Schreibung heraussuchen?

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 14:03:09


1: http://www.cwru.edu/univlib/preserve/Etana/high_priest/high_priest.html


23) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 27.06.2004 um 12:27:50

Liebe Ägyptenfreunde,

um zur ursprünglichen Frage von Marina zurückzukehren:

Zitat:
"Aber gibt es auch erhaltene Briefe (oder Graffiti o.ä.) in dem z.B. der Pharao beschimpft wird, weil die Politik nicht gefällt oder ähnliches?"

Wie Iufaa bereits aus dem Lexikon der Ägyptologie referiert hat, sind Beschimpfungen des Pharaos nicht überliefert. Aber daß es solche gegeben hat, zeigen uns die folgenden Indizien.

So heißt es im bekannten Spruch 125 des Totenbuchs:

Zitat:
"O du, der nichts übrigläßt, der aus Busiris hervorgeht:
ich habe den König nicht beleidigt."
(Erik Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich / München, 1979, S. 238)

Ferner ist uns ein Fall einer Verleumdung aus Deir el-Medine aus dem Jahr 5 von Sethos II. überliefert:

Zitat:
"Was mich anbetrifft, ich verbrachte die Nacht in meinem Schuppen. Da zog Penamun mit seinen Leuten umher. Sie sprachen: 'Eine Anklage ist in der großen Hand Pharaos, er lebe, sei heil und gesund, gegen Hay: Er (Hay) redete schmählich gegen König Sethos.'" (Manfred Gutgesell, Arbeiter und Pharaonen, Hildesheim, 1989, S. 201)

In der Gerichtsversammlung konnte diese Behauptung nicht aufrecht erhalten werden; Penamun und seine Leute mußten schließlich zugeben: "Wir haben nichts gehört." Dennoch zeigt uns dieser Bericht, daß es Fälle von Majestätsbeleidungen gegeben haben muß.

Ein weiterer Hinweis stammt aus der Zeit der Königin Hatschepsut. In einer - fingierten - Rede von Thutmosis I. an die Großen Ägyptens wird ausgeführt:

Zitat:
"Diese meine Tochter ... setze ich ein als meinen Stellvertreter. Denn sie ist ja meine Thronfolgerin ... Wer sie preisen wird, der wird leben, wer etwas Schlechtes sagen wird, indem er Ihre Majestät lästert, der wird sterben." (Alfred Grimm, Sylvia Schoske, Hatschepsut, KönigIn Ägyptens, München, 1999, S. 17 = Urk. IV, 257)

Aus dieser Stelle läßt sich auch das Strafmaß für Majestätsbeleidigungen entnehmen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 26.06.2004 um 13:07:48


24) Re: Hab´ da mal eine Frage
 Michael Tilgner am 27.06.2004 um 22:13:11

Hallo, Thomas,

kehren wir nochmal zur Szene aus dem Grab des Fetekty zurück:

Rechts

xsf jH.t jn mnjw / nr
"Abwehren der Kuh durch den Hirten"

mnjw "Viehhirt, Hirte" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 337)
nr (nrw) "Hüter, Hirt, Rinderhirt" (S. 417)

Siehe hierzu die Diskussion in: Pierre Montet, Les scènes de la vie privée dans les tombeaux égyptiens de l'Ancien Empire, Paris, 1925, S. 99-102, wo Montet aufzeigt, daß in diesen Szenen phonetische Ergänzungen fehlen. So läßt sich die Lesung nicht eindeutig festlegen:
Originalzitat aus Pierre Montet, Les scènes de la vie privée ..., S. 1021


Mitte

Hw.t jd.t
"Schlagen der Kuh"

Hw.t ist Infinitiv von Hw.j "schlagen"
jd.t "Kuh" (Hannig, S. 116) - sh. auch Hannigs Hinweis bei Hm.t "... (3) [zur Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsteiles, cf. aber jd.t" (S. 529)
Montet verweist auf S. 99 auf eine Diskussion dieser Zeichengruppe: Victor Loret, Les animaux reproducteurs dans l'Égypte ancienne, in: RecTrav 18 (1896) 196-209.

Ob Deine Interpretation mit dem "Stoßen der Scheide" eine übliche Praxis trifft, kann ich nicht recht beurteilen; bin Stadtmensch . Hannig bietet zumindest für jd.t diese Übersetzung nicht an, so daß ich mich nicht anschließen möchte. Daß das Aquarell eine gewisse Transparenz nahelegt, sollte man nicht überbewerten.

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 10:15:03


1: http://efts.lib.uchicago.edu/cgi-bin/eos/eos_page.pl?DPI=100&callnum=DT61.M8&ident=102


25) Re: Hab´ da mal eine Frage
Thomas_Gast am 28.06.2004 um 13:38:28

Hallo Michael,

ich hab mich mal bei einem Tierarzt erkundigt, wie man heute mit störrischen Kühen verfährt. Zwei Handlungen wurden mir genannt:
1. Umdrehen der Schwanzwurzel, entspricht dem Armverrenken beim Menschen, soll wehtun- ich denke, da können wir zustimmen. In LD hab ich auf die Schnelle auch 2 Abb. gefunden, bei denen der Hirte die Hand bzw. Hände explizit am Rinderschwanz hat.
a)Abb.1...1
b)Abb.2...2

2. Stoßen eines Stockes zwischen die Hinterbacken, nicht direkt in die Genitalien.

Nun ist ja von der Schreibweise her beides möglich: allg. "Kuh" oder "Geschlechtsteil". Im Original-Aquarell kann man auch sehr deutlich sehen, dass die rechte Hinterflanke mit einem dunklen Extra-Pinselstrich genau über dem Stock bedacht wurde, der ihn fast unsichtbar macht, im Lichtdruck ist dann auch vom Stock nichts mehr zu sehen. Lepsius soll laut DZA-Beschreibung sehr auf Genauigkeit geachtet haben! Mir erscheint es hier sogar darum sehr wahrscheinlich, dass der Zeichner einen Fehler korrigieren wollte- nämlich den Stock auf der Hinterflanke. Auch wegen obigem Pkt.2 halte ich darum eine konkrete Bezeichnung des Schlag-/Stoßzieles für eher wahrscheinlich als allg. "Kuh". Dadurch wird auch die sicherlich beabsichtigte Dramatik der Szene erhöht.

Gruß vom Auch-Stadtmenschen
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 27.06.2004 um 22:13:11


1: http://edoc3.bibliothek.uni-halle.de/lepsius/page/abt2/band3/image/02030140.jpg
2: http://edoc3.bibliothek.uni-halle.de/lepsius/page/abt2/band3/image/02030150.jpg


26) Beschimpfung
 Peter am 14.12.2019 um 00:24:31

Hallo,
Kann mir jemand sagen, ob es den Begriff "Idiot" gab, und wenn wie er geschrieben wurde.
Danke im Voraus.
Gruß
Peter

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 00:41:14


27) Re: Beschimpfung
 Michael Tilgner am 14.12.2019 um 10:52:18 - Anhang: Schimpfnamen.jpg

Lieber Peter,

das Große Handwörterbuch Deutsch-Ägyptisch von Rainer Hannig, Mainz, 2000 gibt für "Idiot" kein ägyptisches Wort an. Vielleicht tut es aber auch ein ähnliches wie "Unwissender"?


xm "Unwissender" (Wb III, 280.6-7)

Ansonsten bietet Rainer Hannig, Wortschatz der Pharaonen in Sachgruppen, Mainz, 1998, S. 457-458 eine Auswahl von ägyptischen Schimpfnamen an.

Allerdings ist das vieldiskutierte mHsHs "Scheißkerl" ins Gerede gekommen, das im Grab des Ti als Ruf eines Hirten beim Treiben von Kühen belegt ist. Nach Stefan Grunert, Vertrackt, aber nicht "bekackt", in: Göttinger Miszellen, Heft 223, S. 63-68 (2009) ist das Grab "ein rituell reiner Ort", und er leitet eine andere Bedeutung ab: "Trennhirte" vom Verb jHs "trennen".

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 14.12.2019 um 00:24:31