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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 25.12.2005 um 22:11:31 - Anhang: 1074.jpg

Liebe Ägyptischfreunde,

die beigefügte Stele hat ein paar Text- und Schreibvariationen zu denen, die wir schon kennen. Außerdem ist der Titel nicht so einfach. Etliche Namen sind verzeichnet.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


2) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 snormi am 25.12.2005 um 23:30:23

Hallo Michael und andere,

ich möchte mich nur kurz am Titel versuchen.

Zeile 4 nach n kA n


liest man auch imi-rA.
dann würde ich folgendes Zeichen vorschlagen

ein sitzender Mann der ein Tambourin (?) spielt, dahinter Pluralstriche.

Die Lesung wäre dann imi-rA xnww = Vorsteher der Musikanten (Hannig WB1 S. 60) oder (nach Ward Nr. 296) Aufseher der Tambourinspieler.

Gruß

> Antwort auf Beitrag vom: 25.12.2005 um 22:11:31


3) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 snormi am 26.12.2005 um 11:23:26

Hallo,

auf der Suche nach dem Titel habe ich festgestellt, dass er noch einen Zusatz hat. Nämlich nj PtH-%kr = des Ptah-Sokar.

„Vorsteher der Musikanten/Tambourinspieler des Ptah-Sokar“

Die Lesung als xnww geht anscheinend auf Ward zurück. Vorher wurde der Titel mit jodw  = Maurer umschrieben und übersetzt (so noch Franke in seinen Personendaten). In der Rezension von Franke (GM 83/1984, S. 103 ff) zu Ward geht er auf den Titel ein und nennt sie „bedenkenswert“.
Die Arbeiten von H.G. Fisher zu den Titeln des MR liegen mir nicht vor. Seine Deutung des Titels ist mir somit unbekannt. Hannig (WB1 S. 60) scheint es mit Ward zu halten.

@ Michael
Darf man daraus schließen, dass sich diese Lesung des Titels "durchgesetzt" hat?

Gruß

> Antwort auf Beitrag vom: 25.12.2005 um 23:30:23


4) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Haremhab am 26.12.2005 um 11:59:52

Lieber Michael,

ich erfreue mich nun schon einige Zeit an Deinen Übersetzungsübungen. Ich kann zwar mangels irgendwelcher Kurse nichts beitragen, aber manche Zeichenfolge kan man (ich) ja auswendig lernen.

Es sind ja auch nur noch 2 Jahre, 1 Monat, 4 Tage und der Rest von heute bis ich Zeit habe, zum Lernen nach Köln zu fahren - hier in Düsseldorf ist Diaspora. Und Naunakhte hat mal geschrieben, für den Gardiner wäre ich eh zu alt - oder so ähnlich.

Ich hätte aber gleichwohl eine Bitte. Könntest Du bitte den jeweiligen "Aufenthaltsort" der Stelen und ggfs. die Zeit der Entstehung mit angeben? Wenn es denn den Profis die Arbeit nicht zu sehr erleichtert! Ansonsten könntest Du es ja nach der Auflösung nachholen.

Noch einen schönen Restfeiertag.
Haremhab

> Antwort auf Beitrag vom: 25.12.2005 um 22:11:31


5) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Gitta am 26.12.2005 um 12:27:47

Ich schlage vor, der Titel lautet

jmj-rA dwA.yw ptH-skr

Vorsteher der Anbeter des Ptah-Sokar

Referenz:

pLondon BM 10478, Tb 168
[10.7.1a] dwA.yw Ra.w  Die Anbeter des Re
Quelle: TLA1
 

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.12.2005 um 22:11:31


1: http://aaew2.bbaw.de/tla/servlet/TlaLogin


6) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Gitta am 26.12.2005 um 13:37:48

Von Anfang an (Zeile 1 bis 3):

Htp dj nsw wsjr xntj jmntjw nb jmnt wpj-wAwt nb tA-Dsr dj-sn prt-xrw

Ein Opfer, das der König gibt (und) Osiris, Erster der Westlichen, Herr des Westens, und Upuaut, Herr der Nekropole, sie geben ein Totenopfer, (bestehend aus)

t Hnqt kA Apd mnxt Ss snTr mrHt nbt nfrt wabt Htpt

Brot, Bier, Rindern, Geflügel, Leinen, Alabaster, Weihrauch, Öl und allen guten und reinen Dingen von Güte

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 12:27:47


7) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Gitta am 26.12.2005 um 14:09:07

Der Rest:

n kA n jmj-rA dwA.yw ptH-skr n ppj mAa-xrw msj n nbt-pr tjtj mAat-xrw sAt-f sAraa mAat-xrw sAt-f jj mAat-xrw sAt-f ptH-wrt mAat-xrw sAt-f mrt-f tjtj mAat-xrw Hmt-f nbt.pr Hpj mAat-xrw

Für den Ka des Vorstehers der Anbeter des Ptah-Sokar, für Pepi, gerechtfertigt, geboren von der Herrin des Hauses Titi, gerechtfertigt, und seine Tochter Saraa, gerechtfertigt, und seine Tochter Ji, gerechtfertigt, und seine Tochter Ptah-weret, gerechtfertigt, und seine von ihm geliebte Tochter Titi, gerechtfertigt, und seine Gemahlin, die Herrin des Hauses, Hepi (Hapi), gerechtfertigt.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 13:37:48


8) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 naunakhte am 26.12.2005 um 14:12:42

Hallo Gitta und alle Übersetzenden,

wäre es vielleicht möglich Umschrift und Übersetzung Zeilenweise zu trennen? Dann hat man eher eine Chance den Text an der Stele nachzuvollziehen.

Vielen lieben Dank

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 14:09:07


9) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Gitta am 26.12.2005 um 14:25:11

Klar:

n kA n jmj-rA dwA.yw ptH-skr n ppj mAa-xrw

Für den Ka des Vorstehers der Anbeter des Ptah-Sokar, für Pepi, gerechtfertigt,

msj n nbt-pr tjtj mAat-xrw

geboren von der Herrin des Hauses Titi, gerechtfertigt,

sAt-f sAraa mAat-xrw

und seine Tochter Saraa, gerechtfertigt,

sAt-f jj mAat-xrw

und seine Tochter Ji, gerechtfertigt,

sAt-f ptH-wrt mAat-xrw

und seine Tochter Ptah-weret, gerechtfertigt,

sAt-f mrt-f tjtj mAat-xrw

und seine von ihm geliebte Tochter Titi, gerechtfertigt,


Hmt-f nbt.pr Hpj mAat-xrw

und seine Gemahlin, die Herrin des Hauses, Hepi (Hapi), gerechtfertigt.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 14:12:42


10) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Astrodoc am 26.12.2005 um 14:44:48

Hallo allerseits!

@Gitta:
Zeile 1:
Das Epithetum des Osiris nach nb  jmntjw muß doch eher nb  AbDw lauten.

Zeile 2:  
(r)dj=sn    sowas Penibles!

kA  -  Laß diese Transkription nicht Michael sehen!!!


Den Namen des Grabherrn würde ich übrigens als nj-ppj - "Nipepi" lesen, den seiner Mutter als j.tj - "Iti"


Schöne Grüße
Astrodoc

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 14:25:11


11) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Gitta am 26.12.2005 um 15:13:41

Hallo Astro,


Zitat:
Das Epithetum des Osiris nach nb  jmntjw muß doch eher nb  AbDw lauten.


stimmt  
Zitat:
kA  -  Laß diese Transkription nicht Michael sehen!!!


Welche meinst Du?


Zitat:
Den Namen des Grabherrn würde ich übrigens als nj-ppj - "Nipepi"


Wegen des "n" davor, nehme ich an. Da könntest Du Recht haben. Ich habe es als "für" gelesen, eine Ausdrucksweise, die zugegeben recht ungewöhnlich wäre in Opferformeln.


Zitat:
den seiner Mutter als j.tj - "Iti"


Hatte ich auch erst, aber zum "j" mit "Mensch mit Hand am Mund" schreibt Hannig (Band 1, Seite 21) "Augment, präfigiert im aäg. und näg. Verbalformen". "tj" ist zwar kein Verb (habe ich jedenfalls nicht gefunden - außer "niedertramepln" - ziemlich unpassend), aber da Augment = Vermehrung, Zuwachs ist, habe ich das "tj" verdoppelt. Habe aber keine Ahnung, ob das grammatisch zulässig ist.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 14:44:48


12) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 26.12.2005 um 18:39:47

Liebe Ägyptischfreunde,

es ist toll, daß Ihr auch an den Weihnachtstagen an der Übersetzung arbeitet; das nenne ich Motivation!

Gehen wir noch mal zeilenweise durch die Inschrift! Sie ist übrigens von rechts nach links zu lesen.

Zeile 1

Htp dj nsw Wsjr #ntj-jmn.tjw nTr aA nb Ab-
"Ein Opfer, das der König gibt (und) Osiris, der Erste der Westlichen, der große Gott, Herr von Aby- ..."

Zum Gott #ntj-jmn.tjw "Chontamenti" bzw. zu seiner Verschmelzung mit Osiris zu Osiris-Chontamenti siehe die Diskussion in Die Stele des Nemtiemhat1

@Gitta
Du hast nTr aA "der große Gott" übersehen. Zu Deiner Lesung nb  jmn.t hat sich schon Astrodoc geäußert.


Zeile 2

Dw Wpj-wA.w.t nb tA Dsr dj=sn pr.t-xrw t Hnq.t  jH.w Apd.w mnx.t Ss
"... -dos (und) Upuaut, Herr des Heiligen Landes (= der Nekropole); sie mögen geben ein Totenopfer (bestehend aus) Brot, Bier, Rinder, Geflügel, Kleidung, Alabaster, ..."


Wpj-wA.w.t "Upuaut" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1198) - wörtlich "Öffner der Wege": Der Plural kann nicht nur durch 3 Striche, sondern auch durch dreimalige Wiederholung des Ideogramms bzw. des Determinativs angezeigt werden. Zum Gott Upuaut: Lexikon der Ägyptologie, Bd. VI, Sp. 862-864: "... Die Inschriften abydenischer Stelen des MR lassen erkennen, daß U. zu Anfang der 12. Dyn. in Abydos Anubis als Herrn der Nekropole ablöste und dort auch noch Lokalgott wurde."

Zu F1 siehe mein Posting Die Lesung des Zeichens F1 "Rinderkopf"2

Die Pluralstriche unter F1 "Rinderkopf" und H1 "Kopf der Spießente" zeigen an, daß sie als Plural zu lesen sind.

Die Reihenfolge von mnx.t "Kleidung" und Ss "Alabaster" ist hier vertauscht; üblicherweise werden sie andersherum aufgezählt. Zur Übersetzung von mnx.t hatten wir bereits eine Diskussion in einer anderen Übersetzungsübung3.


Zeile 3

s.nTr mrH.t (j)x.t nb.t nfr.t wab.t Htp.t
"... Weihrauch, Salböl, allen guten, reinen Dingen (und) Opfer(gaben) ..."

Htp.t "Speisen, Opfer (für Götter, Tote)" (Hannig, S. 567) - ist nur ein weiteres Teil der Opferliste

@Gitta
Du hast zwischen mrH.t und nb.t das Wort (j)x.t übersehen.


Zeile 4

n kA n jmj-rA xnw.w n PtH-skr Ppj mAa-xrw ms n nb.t-pr Jtj mAa.t-xrw
"... für den Ka des Vorstehers der Musikanten / Tamburinspieler des Ptah-Sokar, Pepi, gerechtfertigt / selig, geboren von der Hausherrin Iti, gerechtfertigt / selig."

Zum Titel hat snormi die Belege schon zusammengetragen (Ward, Nr. 297)! Leider konnte ich Gittas Beleg im TLA nicht finden.

Die Frage ist, wie der Mann genau heißt bzw. wo sein Name beginnt. Nach der einen Auffassung hieß er Ppj "Pepi"; nach einer anderen N(j)-PtH-skr / Ppj, etwa: "Pepi / Der zu Ptah-Sokar Gehörige". In Hermann Ranke, Die Ägyptischen Personennamen, Glückstadt, 1935 sind Ppj (131.12) und PtH-skr (141.11) verzeichnet; mehrfach gibt es auch einen Nj-PtH (172.14), nicht aber einen Nj-PtH-skr. Ich neige daher mehr dazu, n PtH-skr als Bestandteil des Titels zu sehen; sicher kann man aber nicht sein. - Auf jeden Fall ist aber Ptah-Sokar aus Ehrengründen vorangestellt.

@Astrodoc
Einen Namen Nj-Ppj (Ranke, Personennamen, I, 172.13) gibt es zwar, allerdings wird Pepi in einer Kartusche geschrieben.

Zum Frauennamen: Im bereits zitierten Ranke werden z.B. aufgeführt (49.19 und 49.20); im letzteren Fall mit der Angabe "u.ä.":





Ich glaube daher, daß hier der Name Jtj vorliegt, wobei das t aus Platzgründen zwischen den anderen Zeichen hineingequetscht wurde.

So, der Rest der Familie kommt später!


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 15:13:41


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1128367783
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13) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Gitta am 26.12.2005 um 20:51:59 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo Michael,


Zitat:
Leider konnte ich Gittas Beleg im TLA nicht finden


Es handelt sich um die beiden angehängten Zettel. Ich hatte vermutet, dass auf der Stele statt des Dua-Sterns das Zeichen



zur Anwendung gekommen ist. Inzwischen habe ich den Eintrag bei Ward gefunden (siehe Anhang 3). Die Nr. 297 ist die 1:1-Wiedergabe unseres Titels auf der Stele.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 18:39:47

||


14) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 26.12.2005 um 21:15:59 - Anhang: Edel_Grammatik_para_449.jpg

Liebe Gitta,

Zitat:
Hatte ich auch erst, aber zum "j" mit "Mensch mit Hand am Mund" schreibt Hannig (Band 1, Seite 21) "Augment, präfigiert im aäg. und näg. Verbalformen". "tj" ist zwar kein Verb (habe ich jedenfalls nicht gefunden - außer "niedertramepln" - ziemlich unpassend), aber da Augment = Vermehrung, Zuwachs ist, habe ich das "tj" verdoppelt. Habe aber keine Ahnung, ob das grammatisch zulässig ist.


Eine Erläuterung des Fachbegriffs "j-Augment" gibt Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Bd. I, Rom, 1955 in § 449.


Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 20:51:59


15) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 naunakhte am 26.12.2005 um 23:34:39

Hallo Haremhab,

nachdem die Stele nun ziemlich "durchübersetzt" ist hat Michael sicher nichts dagegen wenn man kurz erwähnt, dass es sich bei der Stele um Leningrad Nr. 1074 handelt.

Franke (Personendaten, Dossier Nr. 233) datiert sie in die 13. Dynastie.

Den Namen des Stelenbesitzers gibt Franke mit Ppj an. Dieser wird noch auf zwei weiteren Stelen aus Leiden (Nr. 13 = V 78 und Nr. 15 = V 100) genannt.

Gruß
nauna


> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 11:59:52


16) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Gast_A. am 27.12.2005 um 00:50:51 - Anhang: Stelentypen.jpg

Hallo Haremhab, Naunakhte und die anderen Diskussionsteilnehmer,

Die Frage nach der Datierung des Stückes trifft eines der Hauptziele ägyptologischer Forschung an solchen eher stereotypen Stelenformularen.
Bei standardisierten und unpersönlichen Texten ist es in den Fällen, in denen keine Selbstdatierung etwa durch eine Königskartusche vorliegt, schwierig bis unmöglich allein über den Inhalt der Texte eine exakte Datierung vornehmen zu können. Wenn auch die im Text angegebenen Namen nicht einer schon von anderen datierten Quellen bekannten Person zuzuordnen sind, bleibt meist nichts anderes übrig, als über Umwege den chronologischen Kontext der Stele zu rekonstruieren. Hierfür gibt es diverse ikonographische und orthographische Anhaltspunkte und Indizien, die gemeinsam mehr oder weniger grobe Anhaltspunkte zur Datierung eines Objektes liefern. Einige davon können auch bei der hier behandelten Stele angebracht werden. Obwohl Naunakhte bereits den Datierungsvorschlag Frankes (s.o.), der auf genealogische Informationen von anderen Objekten basiert, gepostet hat, möchte ich noch kurz darstellen, wie man sich auch ohne so eine "einfache" Lösung einer Datierung annähern kann:

Ein grobes Datierungskriterium für Stelen ist z.B. die Filiationsangabe, also die Form der Nennung von Vater und/oder Mutter im Stelentext. Während im Alten Reich keine Elternangabe auf Stelentexten erfolgt, sondern die Angabe des rn-nfr („schöner Name“) bevorzugt wurde, finden sich ab dem Mittleren Reich der Vater bzw. die Mutter durch die Formel ([Vatersname] + sA + [Eigenname] = „B’s Sohn A“) auf privaten Stelen notiert. Im Neuen Reich geht man dann ja dazu über die Formel ([Eignname] + sA + [Vatersname] = „A, Sohn des B“) zu verwenden, also Vaters- und Eigennamenposition zu tauschen.
Zu beachten ist auch, dass besonders im Mittleren Reich das Wort sA („Sohn“) zwischen den beiden Positionen ausfallen kann, also zwei Namen unmittelbar aufeinanderfolgen!
Ab dem Mittleren Reich kommt die Formel ([Eigenname] ms(t)-n [Muttersname]) bzw. ([Eigenname] ir(t)-n [Vatersname] = „A, geboren/erzeugt von B“) hinzu, wobei Mutters- und Vatersname nur selten zwischen ms(t)-n und ir(t)-n ausgetauscht werden.
Ganz entsprechend finden wir in unserem Stück die Formel mit ms(t)-n + Muttersname. Wir bewegen uns also nicht im Alten Reich, sondern im weiteren Umfeld nach der I. Zwischenzeit.

Zum Giebelfeld: Während halbrunde Giebelfelder (vgl. Bild „Typ I“) mit ausgeprägter Wölbung in der 11. und frühen 12. Dyn. dominieren, bildet der flach  gewölbte Typ mit „Ecken“-Übergang zwischen Stelen- und Giebelfeld (vgl. Bild „Typ II“) den Haupttypus der Stelen ab der mittleren und späten 12. Dynastie (Hölzl, 1992, 285f.).
Neben der einfachen Version ohne Schen-Ring (der bei Privatpersonen erst ab dem Mittleren Reich als Dekorelement begegnet) zwischen den Augen bildet die hier abgebildete Variante (Udjat-Augen mit Ring) die mit Abstand häufigste Type bei den Stelen des Mittleren Reiches.
Auch diese Elemente lassen sich als (grobes) Datierungslement heranziehen, bilden sie doch in der späten 12. und frühen 13. Dynastie den beliebtesten Dekorationstyp (neben den ebenfalls erst ab dieser Zeit auftretenden Schakals-Dekorationen im Giebelfeld). Fast alle der „Augen-Stelen“ stammen aus Abydos (vgl. Hölzl, 1990, S. 34f.), was vermuten lässt, dass auch unsere Stele diesem zeitlichen und geographischen Bereich zuzuordnen ist.

Auch die Personendarstellung kann für die Datierung der Stele wertvolle Informationen liefern. So findet sich die Beutelperücke des Mannes, die die Ohren frei lässt am häufigsten unter Amenemhet III. und IV. Die hockende Frau mit einem angezogenen Knie ist ebenfalls unter Amenemhet III. am häufigsten, was darauf hinzudeuten scheint, dass dies eher ein feature des späten Mittleren Reiches darstellt.

Die im Stelentext zitierte Opferformel stützt die übrigen bislang auf das späte Mittlere Reich weisenden Datierungskriterien: Begegnet in den Stelen vor dem Mittleren Reich die Opferformel pr.t-xrw ohne das Verbum (r)di „geben“, so wird dieses ab der frühen 12. Dynastie in die Formel aufgenommen (di=f pr.t-xrw ; wohl wegen Umdeutung dieser Opferformel nach der I. Zwischenzeit). Statistisch gesehen nimmt die Häufigkeit des Vorkommens von (r)dj in der Opferformel vom frühen zum späten Mittleren Reich kontinuierlich zu (Sesostris I. = 58% der Dokumente; Amenemhet II = 80%; Sesostris III. = 86% und Amenemhet III. = 95%). Auch hier scheint es also nicht völlig ausgeschlossen, in der Schreibung mit (r)di einen Hinweis auf eine Spätdatierung der Stele innerhalb des Mittleren Reiches zu erkennen.

So belanglos der Titel nb.t-pr "Herrin des Haus(halt)es" bei der dargestellten Dame erscheint, so gut eignet er sich für eine Grobdatierung der Stele. Denn dieser Titel begegnet bislang auf privaten Stelen nicht vor Sesostris III. (Quirke, 1990, S. 6 Anm. 6). Hiermit hätten wir einen „terminus post quem“ für die Stele, also ein frühest mögliches Herstellungsdatum und damit wieder einen Wink, dass wir uns mit diesem Objekt nicht im frühen Mittleren Reich befinden können.

Es scheint also zumindest nach diesen ausgesuchten Kriterien (es gibt natürlich noch diverse andere Indizien) einiges für eine Datierung der Stele in das späte Mittlere Reich zu sprechen. Die von D. Franke in seinen "Personendaten aus dem Mittleren Reich" (Wiesbaden 1984, Nr. 233) angegebene Datierung in die 13. Dynastie kann also durch die oben genannten ikonographischen und typologischen Kriterien nur gestützt werden.

Gruß A.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2005 um 23:34:39


17) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Gast_A. am 27.12.2005 um 00:52:31

P.S.: Literaturauswahl zur Stelendatierung:

a) Ikonographische Datierungskriterien:
H.W. Müller, Die Totendenksteine des Mittleren Reiches, in: MDAIK 4 (1933), S. 165-206.
Rita E. Freed, Representation and Style of  Dated Private Stelae of Dynasty XII, New York University, Master’s Thesis, 1976.
R. Hölzl, Die Giebelfelddekoration von Stelen des Mittleren Reiches, BzÄ 10, Wien 1990.
R. Hölzl, Round-Topped Stelae from the Middle Kingdom to the Late Period, in: Sesto Congresso Internazionale di Egittologia, Bd. I, 1992, S. 285-89.

b) Schreibvariation der Opferformel und damit zusammenhängende Datierung:
P.C. Smither, The Writing of Htp-di-nsw in the Middle and New Kingdom, in: JEA 25 (1939), S. 34-37 und
C.J.C. Bennett, Growth of the Htp-di-nsw Formula in the Middle Kingdom, in: JEA 27 (1941), S. 27-28.
ders., Motifs and phrases on funerary stelae of the late Middle Kingdom, in: JEA 44 (1958), S. 121.
G. Rosati, Note e proposte per la datazione delle stele del Medio Regno, in: Or Ant 19 (1980), S. 271.

c) Datierungskriterien bei den Titeln der Personen:
S. Quirke, The Administration of Egypt in the late Middle Kingdom, London 1990.
C. Obsomer, Di.f prt-xrw et la filiation ms(t).n / ir(t).n comme critères de datation dans les textes du Moyen Empire, in: Festschrift Prof. A. Théodoridès, Bruxelles 1993, S. 163-200 (dort mit ausführlicher Literaturangabe früherer Untersuchungen zu diesem Themenbereich).

> Antwort auf Beitrag vom: 27.12.2005 um 00:50:51


18) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 28.12.2005 um 10:49:12

Liebe Ägyptischfreunde,

es sei noch einmal auf die Familienangehörigen eingegangen; fangen wir rechts an!

Zeile 5


[Das Zeichen Aa11 steht im Original senkrecht]

Hier ist ja irgendwie der Wurm drin! Etwas muß der ägyptische Schreiber falsch gemacht haben (oder ich verstehe etwas nicht richtig).

sA=f sA-rdd mAa{.t}-xrw
"sein Sohn Sa-reded, gerechtfertigt / selig"

@Gitta

Auf jeden Fall steht am Anfang sA "Sohn" und nicht sA.t "Tochter", denn es ist eindeutig ein Strich Z1 und kein t. Das ist eine übliche Schreibweise (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 651). Das steht nun klar im Widerspruch zur weiblichen Form mAa.t-xrw "gerechtfertigt / selig".

Die beiden D37 "Arm mit Brot" stellen die Schreibung des (imperfektischen aktiven) Partizips von rdj "geben" dar: dd (Gardiner, Egyptian Grammar, § 357 anom.).

Ferner kann man auch darüber rätseln, ob nicht überhaupt ein sA-Zeichen zuviel dasteht. Das ist jedenfalls die Meinung von Hermann Ranke, Die ägyptischen Personennamen, Band II, Glückstadt / Hamburg / New York, [1952], S. 303, der unter Nr. 20 dieser Seite den Namen mit "rdd (?)" mit Bezug auf diese Stele angibt (alte Inv.Nr.).


[Das Zeichen Aa11 steht im Original senkrecht]

sA=f Jy mAa{.t}-xrw
"sein Sohn Iy, gerechtfertig / selig"

Auch hier legt entweder eine Verschreibung für sA.t vor oder es ist ein t bei mAa.t-xrw zuviel. Der häufige Name ist bei Ranke, Personennamen, Bd. I, S. 7 als Nr. 17 verzeichnet und wird von Männern und Frauen gleichermaßen getragen.



[Das Zeichen Aa11 steht im Original senkrecht]

sA.t=f sA.t-PtH mAa.t-xrw
"seine Tochter Sat-Ptah [= 'Tochter des Ptah'], gerechtfertigt / selig"

Hier ist nun eindeutig sA.t mit dem t-Zeichen geschrieben! Hinter dem Götternamen sind die Zeichen in den Rest der Zeile gequetscht.  Es handelt sich hier um die ehrenvolle Voranstellung des Götternamens. Dieser Frauenname ist im Mittleren Reich mehrfach belegt (Ranke, I, 288.22).


Zeile 6


[Das Zeichen Aa11 steht im Original senkrecht]

sA.t=f mr.t=f Jtj mAa.t-xrw
"seine geliebte Tochter Iti, gerechtfertig / selig"

Zur Lesung hatten wir uns schon beim Namen der Mutter des Steleninhabers geäußert. Die Tochter ist offensichtlich nach ihrer Großmutter benannt.


Spalte 1


[Das Zeichen P8 liegt im Original waagerecht]

Hm.t=f nb.t-pr @pj mAa.t-xrw
"seine Frau, die Hausherrin Hepi, gerechtfertigt / selig"


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 27.12.2005 um 00:52:31


19) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Gast_A. am 28.12.2005 um 11:26:41

Hallo Michael,

sA (n) sA=f "sein Enkel" (wörtl. "Sohn seines Sohnes")

das wirft dann wiederum die Frage auf, zur Lebenszeit von welcher Person die Stele aufgestellt wurde. Eventuell ist der Stelenstifter eben jener sA-(n)-sA=f, also die dritte Generation, die auf der Stele genannt ist. Die prominente Nennung direkt vor dem Grabherrn würde dem typischen Bildprogramm der Grabdekoration entsprechen, in dem der Sohn des Verstorbenen bzw. dessen Sohn dem Vorfahren den Totenkult erweisen.
Dann würde sich die Datierung auf der Jahresskala allerdings noch etwas nach "unten" verschieben, da der Enkel dann ja bereits erwachsen wäre und selbst die Ahnenkult-Dienste ausüben würde (die Stelen des Neuen Reiches werden ja auch häufig vom Sohn oder Enkel des "Steleninhabers" gestiftet). Interessant wäre dann auch der Zweck der Stelenstiftung.
Eventuell handelt es sich hier aber auch nur um eine neutrale Aufzählung der Nachkommenschaft und der Enkel macht noch in die Windeln...

Gruß A.

> Antwort auf Beitrag vom: 28.12.2005 um 10:49:12


20) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 28.12.2005 um 12:28:45

Hallo, Gast_A.,

danke für den Einwurf! Deine Erklärung scheint mir plausibel. Man müßte mal der Frage nachgehen, ob die Angabe sA n sA=f "sein Enkel" auf den Familienstelen öfter auftritt ..., aber die Zeit!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 28.12.2005 um 11:26:41


21) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 naunakhte am 02.01.2006 um 15:43:24

Hallo Michael,

eine Frage zu Zeile 2
Wpj-wA.w.t nb tA Dsr

nach nb tA ist auf der Stele doch noch der Dual in Form von zwei Schrägstrichen und dann ein Determinativstrich zu sehen. Werden diese nicht mitgelesen?
Warum eigentlich hier der Dual? Er gehört doch nicht zum Titel des Upuaut. Eine Verschreibung?

Gruß
nauna

Nachtrag: Welches Zeichen haben wir am Schluß der Zeile 2 unter den Hieroglyphen für Kleidung und Alabaster?

> Antwort auf Beitrag vom: 28.12.2005 um 12:28:45


22) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 naunakhte am 02.01.2006 um 16:37:04

Die Zusammenfassung der bisherigen Übersetzung habe ich im Lexikon1 eingetragen.

Gruß
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 25.12.2005 um 22:11:31


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=lexikond&id=060102145934


23) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
Snofru am 02.01.2006 um 20:04:27

Hallo nauna,

nach  nb  tA  steht hier das Zeichen N 23 und Z 1 (hier von links nach rechts):


Es ist also kein Dual, sondern nur eines der üblichen Determinative für  tA.

Unter Alabaster und Kleidung steht X 4 bzw. seine Variante - siehe Hannig ÄD S. 1096 u. 1097 - als Determinativ (steht sonst häufig direkt nach O 3).
Die Opferliste ist hier sozusagen zwischen O 3 (prt-xrw) und dem Determinativ X 4 "eingeklammert".

Liebe Grüße
Snofru   

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2006 um 15:43:24


24) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 naunakhte am 02.01.2006 um 20:43:56

Hallo snofru,

ich kann zwar beim besten Willen keine geraden Striche beim Determinativ zu tA erkennen. Es leuchtet mir aber trotzdem ein  

Danke
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2006 um 20:04:27


25) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 02.01.2006 um 20:45:55

Hallo, Nauna, hallo, Snofru,

m.E. handelt es sich um


Ss mnx.t "Alabaster (und) Kleidung", mit O39 "Stein" als Determinativ für Ss (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 834). Manchmal fällt dieses Zeichen auch länglicher aus und kann dann mit N37 "Teich" verwechselt werden, wie man im direkten Vergleich sehen kann.

O39 - N37



Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2006 um 20:04:27


26) Re: Übersetzungsübung: Stele mit Opferformel
 Michael Tilgner am 03.01.2006 um 10:23:04 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo,

zur Unterstützung meiner These zur Schreibung von Ss verweise ich auf das "Digitalisierte Zettelarchiv" im "Thesaurus Linguae Aegyptiae". Dort finden sich zahlreiche Belege dieser Schreibung zusammengefaßt; einen habe ich hier mal eingefügt.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2006 um 20:45:55

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