Hallo, Hieroglyphenfans, Dank an alle, die mitgemacht haben! (Auch an die, die ihre Lösung nicht gepostet haben.) Zunächst zur Leserichtung Es fällt auf, daß dieser kurze Text in zwei Teile zerfällt, nämlich in die Spalten, in denen die Hieroglyphen nach links blicken und in jene, in denen sie nach rechts blicken. Die Lösung, auf die Ihr sicherlich schon selbst gekommen seid, liegt natürlich in der sogenannten Einheit von Bild und Text: Für die Götter, die nach rechts schauen, blicken auch die zugeordneten Beischriften in die gleiche Richtung; für die die nach links schauenden ebenso. Dies ist das Prinzip der Übereinstimmung (Englisch: concordance), wie es der amerikanische Ägyptologe Henry G. Fischer formuliert hat (Egyptian Studies II: The Orientation of Hieroglyphs. Part I. Reversals, New York, 1977). Mit diesem Prinzip kann man sich bei der Betrachtung von Grab- oder Tempelwänden schon viel helfen! Die von Seschen als Spalte 1 gekennzeichnete und eigentlich als Überschrift zu verstehende Zeichenfolge ist vom Schreiber in die Mitte gesetzt worden. Dies ist sicherlich aus Symmetriegründen geschehen. Das Prinzip der Symmetrie spielt bei der Anordnung der Schriftzeichen und ganzer Texte eine große Rolle. Spalte 1 Sie ist von rechts nach links zu lesen; eigentlich nur erkennbar am Gottesdeterminativ, dem nTr-Zeichen, das nach rechts blickt. Hier die Standardform, die nach westlicher Übung ja von links nach rechts geht: rx "kennen, wissen" rn "Name" Die drei Striche sind eine Möglichkeit, die Mehrzahl (Plural) anzugeben. Drei Striche deshalb, weil es im Mittelägyptischen auch eine Zweizahl (Dual) gibt. Lautlich wird die Mehrzahl durch ein angehängtes .w wiedergegeben. Die Zeichenfolge wird demnach rn.w gelesen. Die Schreibung mit dem Punkt "." ist eine "Macke" mancher ägyptologischer Philologen. Er wird verwendet, um den Stamm eines Wortes von angehängten Elementen - wie hier die lautliche Angabe der Mehrzahl w - abzuheben. Manchmal auch von Elementen, die vor einem Stamm hinzugefügt werden können. Wie es nun einmal so ist, gibt es auch bei diesem Verfahren durchaus unterschiedliche Sichten bzw. Schreibweisen! Es folgt n.w Wort zur Angabe des Wesfalles, des zweiten Falles [des Genetivs]. Es gibt den sogenannten "indirekten Genetiv", d.h. das zugehörige Wort wird mit einem dazwischen geschalteten n angehängt. In unserer Inschrift steht das Bezugswort in der Mehrzahl rn.w, daher muß auch das Genetivwörtchen dazu passen. Genau genommen, ist es wohl ein Wortspiel, denn dieses Zeichen ist auch eine Bezeichnung für einen speziellen Topf (aus Bronze), der mangels eines deutschen Begriffs "Nu-Topf" genannt wird. nTr "Gott" Dann folgen noch 4 Striche, die als Zahl 4 zu interpretieren sind. Das ganze heißt also: rx rn.w n.w nTr 4 "Kennen der Namen der 4 Götter". Bei genauer Betrachtung bleiben einige Fragen: Wie ist die Grammatik dieser Passage? Das rx ist als Grundform (Infinitiv) des Tätigkeitswortes (Verb) aufzufassen. Das belegen zahllose andere ähnliche Beischriften, in denen diese Grundform erkennbar ist: Es gibt bei manchen Tätigkeitswörtern sogenannte "weibliche Infinitive", die mit einem angehängten t gebildet werden. Eine solche Verwendung in den Beischriften nennt man den "absoluten" Gebrauch des Infinitivs. Warum steht das Zeichen "Gott" nTr in der Einzahl, obwohl doch 4 erwähnt werden? Das Zahlwort folgt dem Hauptwort, und in der Regel steht dieses in der Einzahl. "In der Regel": Es gibt auch genügend Fälle, wo das Hauptwort in der Mehrzahl steht. Im übrigen kennen wir so etwas auch im Deutschen: Wir reden z.B. von "20 Mann Besatzung", nicht von "20 Männern Besatzung". Muß man nicht eigentlich n.w 4 nTr lesen? So sieht es auf den ersten Blick aus! Nach dem Inhalt ist zu erwarten, daß die Zeichen wie folgt geschrieben würden: Da aber ein kleines Zeichen vor einem hohen schmalen steht, werden die 4 Striche mit dem schmalen zusammengeschoben. ...
> Antwort auf Beitrag vom: 02.02.2007 um 20:09:00
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