Hallo, Leute, die Szene wird durch eine längliche Himmelshieroglyphe zusammengefaßt; dann aber durch einen gelben senkrechten Strich in zwei Teile geteilt. Die Königin schaut nach links; ebenso die ihr zugeordneten Hieroglyphen, also von links nach rechts zu lesen. Spalte 1 oben Dd-mdw jn Wsjr Hm.t nsw wr.t "Worte sprechen durch den Osiris, die Große Königliche Gemahlin ..." Dd-mdw jn kommt auf Tempel- und Grabwänden häufig vor; diese Zeichenfolge sollte man sich merken. Grammatikalisch ist es in der Grundform (Infinitiv), im sogenannten "absoluten Gebrauch" als Beischrift zu Szenen. Mit Wsjr ist der bzw. die Verstorbene gemeint, der bzw. die zu Osiris geworden ist. Es gibt eine andauernde Diskussion, ob Wsjr oder Asjr zu lesen sei; da möchte ich mal raushalten. Man beachte die Umstellung des nsw aus Ehrengründen. Ich folge Menka, daß weiterzulesen ist mit Spalte 2 Nfr.t-jrj mr.t n Mw.t mAa(.t)-xrw "... Nefertari, geliebt von Mut, gerechtfertigt ..." Die Hieroglyphen in der Kartusche sind so umgestellt, daß der Platz optimal ausgenutzt wird, möchte man sagen. Auch hier beobachten wir das Phänomen, daß nicht nur der Name der Göttin aus Ehrengründen vorangestellt ist, sondern auch die graphische Reihenfolge von mr.t n wurde umgestellt! Das t bei mAa.t-xrw habe ich ergänzt, weil es sich um eine weibliche Person handelt. Wörtlich heißt es: "wahr an Stimme", ist also als Eigenschaftswort mit Bezug zu Nefertari aufzufassen. Daß das t bei weiblichen Personen wegfällt, beobachtet man allerdings häufig. Spalte 1 unten xr Wsjr nTr aA "... bei Osiris, dem großen Gott" Übrigens wird zwar angekündigt: "Worte sprechen", aber die zu sprechenden Worte werden nicht aufgeführt. In der rechten Szene stehen die Göttinnen Nephthys und Isis; in der Mitte eine mumienförmige Gestalt mit Widderhörnern und einer Sonnenscheibe auf dem Kopf. Man braucht aber nicht zu rätseln, um wen es sich handelt, denn es steht daneben: Re. Links steht: Wsjr Htp(.w) m Ra "Osiris ruht in Re" Htp heißt auch "zufrieden sein", aber daneben gibt es weitere Bedeutungen wie "untergehen (Gestirn)", "einnehmen (Sitz)" und eben auch "ruhen, sich niederlassen, gelangen zu". Hier wird die Vereinigung des Re mit seinem Leichnam angesprochen, wie es in den Unterweltsbüchern dargestellt wird. Wieso Htp(.w) mit ergänztem w? Aus Grammatikgründen: Für Fortgeschrittene sei erwähnt, daß es sich um die sogenannte "pseudoverbale Konstruktion" handelt; das Tätigkeitswort hat eine typisch ägyptische Form, nämlich das "Pseudopartizip", das für die 3. Person Einzahl mit w endet. Rechts steht: Ra pw Htp(.w) m Wsjr "Re ist es, der in Osiris ruht" pw "dieser" führt zu einem wichtigen Satztyp, in dem es als Ersatz für "er", "sie", "es" oder "sie" (Mehrzahl) dient. Die nähere Bestimmung wird ebenfalls in Form einer pseudoverbalen Konstruktion angeschlossen. Diese beiden Sätze sind für die Ägypter von zentraler religiöser Bedeutung. Zitat:
"... wie Christus im Neuen Testament macht auch der Sonnengott bei seinem Abstieg ins Totenreich das Todesschicksal durch. Dieser Tod wird als Vereinigung von Re und Osiris gedeutet ... In der "Sonnenlitanei", einem nur in Königsgräbern aufgezeichneten Hymnus, heißt es: "Jubel erschallt in der Geheimen: Re ist das, der in Osiris ruht und umgekehrt." Mit dieser Beschreibung kann man das Bild einer widderköpfigen Mumie zusammenbringen, die im Grab der Nefertari und in den thebanischen Gräbern 335 und 336 dargestellt ist, aufrecht stehend zwischen Isis und Nephthys, die sie schützend umgeben. Die Beischrift erklärt dieses Bild mit der gleichen Formel ... [siehe oben] ... In dieser Mumie haben wir also die Gestalt des toten Sonnengottes zu erkennen, der nicht nur wie die anderen Toten zu Osiris wird, sondern in Osiris "ruht", das heißt sich nur vorübergehend mit Osiris vereinigt, um sich dann wieder von ihm zu trennen ... Die Erneuerung des Sonnengottes im Tod, in der Tiefe der Unterwelt und der Mitternacht, ist, wie wir gesehen haben, das Geheimnisvollste, was die ägyptische Religion kennt." (Jan Assmann, Tod und Jenseits im alten Ägypten, München, 2001, S. 250-251) |
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Hinter Isis steht die sogenannte "Schutzformel". Ich habe versucht herauszufinden, wer diesen Ausdruck geprägt hat, leider ohne Erfolg. Sie ist weit verbeitet. Dank an Seschen, die ein paar Beispiele zusammengestellt hat. sA anx Dd wAs snb nb HA=s nb "allen Schutz, alles Leben, alle Dauer, alles Glück (und) alle Gesundheit um sie herum" Bei Aufzählungen wird nb häufiger oder seltener eingefügt, je nach Platz. Es ist daher anzunehmen, daß sich das nb "alles" oder "jegliches" auf die ganze davorstehende Liste bezieht. Bei handelt es sich um das Fürwort "hinter", auch: "um ... herum"; hier nur in der Kurzfassung. Dieses "Um ... Herum-sein" wird oft auch durch eine Göttin dargestellt, die mit Flügeln den Betreffenden schützend umhüllt. Das nachgestellt nb? Nun, es ist eine oft vorkommende Variante. Vielleicht nur eine Schreibsitte. Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 25.02.2007 um 20:26:01
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