Liebe Leute, Iufaa hat den Artikel Altägyptisches Lexikon entdeckt1 ins Ägyptologieblatt gestellt. Darin wird über einen Papyrus aus Halle berichtet, der auf der Rückseite "lexikonartige" Einträge aufweist, so z.B. Zitat:
- Was das Gold angeht: Das ist der Leib des (Sonnengottes) Re.
- Was das Silber angeht: Das sind die Knochen des Re.
- Was den Lapislazuli angeht: Das ist der Kopfputz / Haar des Re.
- Was den Türkis angeht: Das sind die Zähne des Osiris.
- Was den Malachit angeht: Das ist das Auge des Re. Andere Tradition: Das ist das Horusauge.
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Solche Texte sind im Alten Ägypten nicht ungewöhnlich. So heißt es im Totenbuchspruch 151 in der Variante, wie er auf der Rückseite von Tutanchamuns Goldmaske2 vorkommt: Zitat:
- Dein rechtes Auge ist die Abendbarke.
- Dein linkes Auge ist die Morgenbarke.
- Deine beiden Augenbrauen sind die Götterneunheit.
- Dein Scheitel ist Anubis.
- Dein Hinterkopf ist Horus.
- Deine Locke ist Ptah-Sokar.
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Ähnlich auch im Totenbuchspruch 42. Diese Thematik hat sogar zu einem eigenen Eintrag "Gliedervergottung" im Lexikon der Ägyptologie, Bd. II, Sp. 624-627 geführt: Zitat:
Die aufgezählten Körperteile werden in den religiösen Texten jeweils unmittelbar mit einer Gottesgestalt identifiziert oder mit den betreffenden Körperteilen der jeweils benannten Gottheiten verbunden. |
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In dem oben erwähnten Artikel heißt es weiter: Zitat:
Jedes Lemma erhält eine eigene Zeile, nach dem Schema: „Was X angeht, so bedeutet es Y“. Die Ausdeutung des lemmatisierten Eintrages ist stets ein Gott oder eine Göttin, bisweilen auch deren mehrere zugleich. |
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Diese Satzform hatten wir schon mal in diesem Forum diskutiert in der Übersetzungsübung: Aus dem Totenbuch3. Dort hieß es: Zitat:
Ich (bin) das 'Gestern'; ich kenne das 'Morgen'. Was ist (bedeutet) denn das? Was das 'Gestern' betrifft: Osiris ist es. Was das 'Morgen' betrifft: Re ist es. |
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Solcherart Formulierungen finden sich im Totenbuchspruch 17 mehrfach. Der Artikel charakterisiert diesen Papyrus mit den Worten: Zitat:
Die Bedeutung dieser Handschrift liegt u. a. darin, dass sie so manche Einträge auf bereits bekannten Papyri vervollständigt und neue hinzufügt. In Zusammenschau mit erst jüngst gemachten Entdeckungen, wonach selbst Feuersteinknollen im Kalksteingebirge von Theben-West, dem heutigen Luksor, Emanationen des Göttlichen waren und als solche verehrt wurden, fügen sich die neuen Informationen auf dem Papyrus in Halle zu dem immer deutlicher werdenden Bild von der Göttlichkeit der Natur nach altägyptischer Konzeption. |
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Ohne auf diese komplexe Thematik näher einzugehen, sei zumindest eine Passage aus dem Großen Sonnenhymnus Echnatons zitiert: Zitat:
Du schaffst Millionen Gestalten aus dir allein: Städte, Dörfe und Felder, Straßen und Flüsse. (zitiert nach Echnaton, Sonnenhymnen, Stuttgart, 2007, S. 19, Zeile 159-160) |
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und im Kleinen Sonnenhymnus heißt es ganz analog: Zitat:
Du bist einzig, doch Millionen Leben sind in dir, um sie (= die Geschöpfe) zu beleben. (S. 31, Zeile 72-74) |
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Eine hochinteressante Entdeckung, die einen weiteren Blick auf das altägyptische Denken erlaubt. Viele Grüße, Michael Tilgner
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