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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 16.11.2008 um 12:43:24 - Anhang: 3 Anhänge

Liebe Leute,

angeregt durch eine kürzliche Diskussion in diesem Forum bin ich auf eine Inschrift gestoßen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Sie wurde am Eingang eines Grabes angebracht.

Zunächst ist die Inschrift auf der rechten Seite zu lesen, dann die linke. Möglicherweise ist ein Stolperstein darin, auf den ich bei Gelegenheit eingehen werde.

Geeignet ist dieser Text für die, die sich schon mit einigen Texten auseinandergesetzt haben, aber nicht unbedingt "Experten" sind. Der/die Betreffende sollte mit einem Wörterbuch umgehen können und schon mal in eine Grammatik geschaut haben. Als Zeitraum für die Diskussion stelle ich mir die Tage bis zum nächsten Wochenende vor.

Lösungsvorschläge bitte als "verdeckten Text" eingeben!

Viel Spaß beim Übersetzen!
Michael Tilgner

Ergänzung: Die Inschriften stammen aus Urk. I, 156-157. Das Photo (Ausschnitt) wurde entnommen aus Dows Dunham, William Kelly Simpson, The Mastaba of Queen Mersyankh III. G7530 - 7540,Boston, 1974, Tafel IIa.

||


2) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 18.11.2008 um 11:39:28

Hallo Michael,
hier also meine Lesung:

Rechte Seite:
Versteckten Text anzeigen...
wr.t nswt mr sanx rnn rnp sw 1 Apd 1 Hr-nw sw 21 Htp kA=s xpj.t=s r wab.t pr

B6=rnn -> von der Mutter, oder von der Amme WbII, 436

Der große König wünscht das Leben zu erhalten von der Amme,
1. Tag des Jahres, 1. Monat der Überschwemmung, 21. Tag,
ihre Seele möge zufrieden sein, (wenn) sie zur reinen Stätte geht.

(Ich bin mir nicht sicher, ob meine Umschrift stimmt?)


Linke Seite:
Versteckten Text anzeigen...
Hm.t-nswt mr sanx rnn rnp-xt tp Abd 2 pr.t sw 18 xpj=s r=j spr=s nfr

Die Königsgemahlin wünscht das Leben zu erhalten von der Amme, erstes Regierungsjahr, 2. Monat des Winters, 18. Tag, doch sie geht (stirbt?) (und) sie lässt Gutes herauskommen.

r=j Enklitisches Partikel das laut Gardiner rf zu lesen ist, rf = doch
Zitat:
§252ff the suffix-pronoun originally employed was that demanded by the context in each case, but later the particle thus formed manifested a tendency to become stereotyped and invariable in the form rf. The literal meaning is "as to him" (me, thee), but the function of these particles is to express empahsis of one kind or another.


(Auch hier mag die Umschrift nicht stimmen, da ich nicht weiß, wie man Zahlen bzw. ein Datum richtig schreibt.)


Gruss
thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 16.11.2008 um 12:43:24


3) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 18.11.2008 um 13:23:09

Lieber Thomas,

erstmal vielen Dank, daß Du Dich des Textes angenommen hast! Zugegebenermaßen habe ich nähere Informationen zurückgehalten, so daß es vielleicht nicht ganz einfach ist: Das ist aber Absicht!

Deine Umschrift ist im Großen und Ganzen gut getroffen, doch läßt sie sich an entscheidenden Stellen noch verbessern.

Zunächst aber nur einige generelle Tipps:
  • Beide Seiten sind strukturell ähnlich, um nicht zu sagen gleich aufgebaut.
  • Nach einem Titel folgt in der Regel ein Name.


Speziell zu Deiner Umschrift und Übersetzung

Versteckten Text anzeigen...
Die Umschrift in den beiden Textspalten unterscheidet sich, obwohl das Gleiche dasteht: Überprüfe das doch bitte noch einmal!

Der "große König" geht nicht, da das Adjektiv nachgestellt wird; außerdem ist nswt ein maskulines Wort; manche transliterieren ausführlich nj-sw.t "der zur Binse Gehörige" = "König".

In Verbindung mit den generellen Anmerkungen oben solltest Du noch einmal "über die Bücher gehen".


Erstmal mal nur soweit.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 11:39:28


4) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Seschen am 18.11.2008 um 13:43:18

Hallo, Michael!

Hallo Thomas,
gut, dass du mitmachst, das ist schöner als im Alleingang zu übersetzen.

Ich bin noch am Tüfteln, bis jetzt habe ich rausgefunden:
Versteckten Text anzeigen...
Es kommen vor
- ein Name
- zwei Titel
- zwei Datumsangaben
- zwei Ortsangaben
- zwei Ereignisse


Thomas:
wurde zwei mal als Determinativ verwendet, wird also nicht umschrieben und nicht übersetzt.

Die s deiner Kausative umschreibe ich (mit '=' davor gekennzeichnet) als Personalpronomen.

wr.t-nsw.t - "Der große König" kann nicht stimmen, weil das Adjektiv nach dem Substantiv zu stehen hat. Auch das Feminin-t wäre fehl am Platz.

Der Vogel hat auch mich irritiert, bis ich ihn als Spießente identifiziert habe.  

Bedenke, dass Htp sehr viele Bedeutungen hat (siehe TLA).

Michael:
Zitat:
...angeregt durch eine kürzliche Diskussion in diesem Forum...

Beziehst du dich auf die Beiträge zur Frage der Staatstrauer?  

Ich melde mich wieder, dann mit meinem (verdeckten) Lösungsvorschlag.

Gruß, Seschen

Nachtrag:
Jetzt habe ich zu langsam formuliert, so dass ich nicht gesehen habe, dass Michael vor mir geantwortet hat.  

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 11:39:28


5) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 18.11.2008 um 14:43:50

Hallo Michael,
hallo Seschen,

mit den Tipps habe ich die Lesung nochmals überarbeitet. Im Grunde hätte ich auch selbst auf die Idee kommen können, auch das reale Bild heranzuziehen…

Versteckten Text anzeigen...
sA.t-nswt mr=s anx rnp sw 1 Apd 1 Hr-nw sw 21 Htp kA=s xpj.t=s r wab.t

Die Tochter des Königs: Meresanch (Sie liebt das Leben);
1. Tag des Jahres, 1. Monat der Überschwemmung, 21. Tag;
ihre Seele möge zufrieden sein, (wenn) sie zur reinen Stätte geht.

Hm.t-nswt mr=s anx rnp-xt tp Abd 2 pr.t sw 18 xpj=s r=j sprj=s nfr

Die Gemahlin des Königs: Meresanch (Sie liebt das Leben);
erstes Regierungsjahr, 2. Monat des Winters, 18. Tag;
doch sie geht (stirbt?) (und) sie lässt Gutes herauskommen.

sprj = Wb 4, Seite 105: herauskommen lassen


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 13:43:18


6) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 18.11.2008 um 17:49:44

Hallo, Thomas,

zu den Titeln und zur Person gäbe es manches zu sagen, aber wir sollten eng beim Text bleiben und zunächst noch an den Datumsangaben feilen, bevor wir an den Rest gehen. Da diese oft vorkommen, solltest Du Dich doch darin vertiefen, z.B. in die Bezeichnung der Jahreszeiten. In der linken Inschrift ist der bereits erwähnte Stolperstein das xt: es ist m-xt zu lesen.

Weiter Spaß beim Knobeln!
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 14:43:50


7) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 18.11.2008 um 19:24:55

Hallo Michael,
ich habe das Datum besser recherchiert und hoffe nun richtig zu liegen:

Versteckten Text anzeigen...
rnp.t sw 1 Apd 1 sm.w sw 21
1. Tag im Regierungsjahr, 1. Monat der Trockenzeit, Tag 21

rnp.t m-xt sw tp.y Abd 2 pr.t sw 18
Regierungsjahr nach dem Ersten Tag des 2. Monats der Ernte, Tag 18


Gruss
thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 17:49:44


8) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 18.11.2008 um 20:12:10 - Anhang: Edel_AAeG_para_413_low.jpg

Hallo, Thomas,

Versteckten Text anzeigen...
im Datum stehen in der rechten Inschrift zu Beginn die folgenden Hieroglyphen:


Sowohl auf dem Photo wie auch in den handschriftlichen Hieroglyphen sieht O50 "Tenne" mit Lesung sp (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1072) genauso aus N5 "Sonne(nscheibe)" (Hannig, S. 1063). Die Lesung ist sw im Datum (Hannig, S. 673), wie Du es richtig hast am Ende der Datumsangabe. Die Lesung am Anfang ist also rnp.t-sp "Regierungsjahr, Jahr" (Hannig, S. 471). Über diese Lesung gibt es über die Jahrzehnte eine andauernde Auseinandersetzung: Gardiner hatte noch HA.t-sp gelesen (Gardiner, Egyptian Grammar, Abschnitt: The Divisions of Time and Method of Dating, S. 203-206). Deshalb hat Hannig die Lesungen mit einem * für "unsicher, unklar, noch nicht beweisbar" versehen. - Es ist auch unlogisch, eine Tagesangabe sowohl am Anfang wie auch am Ende des Datums zu haben!

Tippfehler in einer Inschrift, richtig ist Abd "Monat" (Hannig, 7).

Die Jahreszeit heißt Smw "Schemu-Jahreszeit, 'Sommer'" (Hannig, S. 821).


Damit sind aber die Datumsangaben noch nicht vollständig geklärt ...

Viele Grüße,
Michael Tilgner

Ergänzung: Anhang aus: Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, § 413

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 19:24:55


9) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 18.11.2008 um 21:16:16

Hallo Michael,

ich habe die Bezeichnungen der Jahreszeiten aus "dem Ockinga" entnommen und jetzt wo Du es sagst, erschließt sich mir die Einheit des Ganzen. Ist gar nicht so einfach, obwohl das nur ein Datum ist

Hier also der xte Versuch, diesmal linke Seite:

Versteckten Text anzeigen...
rnp.t m-xt sp tp.y | Regierungsjahr nach dem ersten Mal (der Zählung)

Gruss
thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 20:12:10


10) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 18.11.2008 um 22:06:05 - Anhang: Edel_AAeG_para_418.jpg

Lieber Thomas,

Versteckten Text anzeigen...
Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, § 418 weist darauf hin, daß gelegentlich hinter sp statt des Strichs Z1 auch tpj geschrieben wurde, und schließt daraus, daß die Ziffern in den Jahresdatierungen als Ordinalzahlen zu lesen sind.

Fassen wir die Ergebnisse zusammen:

Rechts
rnp.t sp tpj Abd 1 Smw sw 21
"Jahr des ersten Mals, Monat 1 der Schemu-Jahreszeit, Tag 21"

Links
rnp.t m-xt sp tpj Abd 2 pr.t sw 18
"Jahr nach dem ersten Mal, Monat 2 der Peret-Jahreszeit, Tag 18"


Wie geht's weiter?

Versteckten Text anzeigen...
Du hast in der rechten Inschrift den zweiten Teil des Folgenden mit "(wenn) sie zur reinen Stätte geht" übersetzt. Dabei bleibt das t unberücksichtigt bzw. müßte erklärt werden.


Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 21:16:16


11) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 19.11.2008 um 11:24:55

Hallo Michael,
die Grammatik, mein Lieblingsthema Wenn das nur nicht so schwierig wäre…
Meine Erklärung ist hier:
Versteckten Text anzeigen...
sDm.t=f Substantivisch, resultativ (nach Helmut Satzinger). Die deutsche Zeitform entspricht Futur I oder II jeweils Indikativ: Er wird hören | Er wird gehört haben
Daraus ergibt sich:
xpj.t=s r wab.t: sie wird gehen zu der reinen Stätte | sie wird gegangen sein zu der reinen Stätte


Daraus ergibt sich für die andere Seite:
xpj.t=s r jz=s nfr
Sie wird gehen zu ihrem schönen Grab

Das jz für Grab war echt schwierig zu finden, weil ich immer noch nicht genaus weiß ob nun "z" oder "s" gilt?

Gruss
thomas

P.S. Übrigens: Ich habe versucht die Grammatik von Edel zu bekommen, aber das sprengt bei weitem mein Taschengeld der nächsten Jahre. Hättest Du eine Alternative, die ein "Kleinbürger" bezahlen kann?

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2008 um 22:06:05


12) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 19.11.2008 um 19:55:41

Lieber Thomas,

wir brauchen die sDm.t=f-Form nicht zu bemühen.

Versteckten Text anzeigen...
Nach Gardiner, Egyptian Grammar, §§ 401-409 tritt sie in Verbindung mit der Negation n oder mit Präpositionen auf, die allein stehende narrative Form bezeichnet er als "rather doubtful". Im Fall von Verbformen ist es angesagt, eine neuere Grammatik heranzuziehen. Aber auch James P. Allen, Middle Egyptian, Cambridge, 2000, S. 308-312 behandelt das sDm.t=f in etwa ähnlich. Zur Bedeutung schreibt er: "The sDm.t=f seems basically to express the action of the verb as completed." (S. 311) - Vielleicht verwechselst Du es mit der sDm.tj=fj-Form?

xpj "wandeln, gehen, reisen", aber auch "geliefert werden" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 593) hat einen weiblichen Infinitiv xp.t, wobei bei Verben mit einem schwachen Radikal (Konsonanten) an dritter Stelle dieser wegfällt (Gardiner, § 299).

Der Infinitiv wird auch absolut gebraucht, d.h. allein stehend, z.B. als Szenenüberschrift bzw. -beischrift auf Tempelwänden, aber auch in erzählenden Texten: "... the infinitive is used in narrative to announce incidents of outstanding importance." (Gardiner, § 306, 2) Unter seinen Beispielen finden wir auch eine Datumsangabe mit nachfolgendem Infinitiv. Das semantische Subjekt wird durch jn eingeführt bzw. bei intransitiven Verben durch den direkten Genetiv oder durch ein Suffix.


Nach dieser etwas lang geratenen Exkursion in die Grammatik sollten die den Datumsangaben folgenden Aussagen präzisiert werden können.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 19.11.2008 um 11:24:55


13) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 19.11.2008 um 21:45:28 - Anhang: zonhoven.jpg

Hallo Michael,
ich habe einmal einen Screen aus dem Buch "Studies of the sDm.t=f Verb Form in Classical Egyptian, Johannes Zonhoven" Seite 97 angefügt. Dieser Abschnitt, der noch über mehrere Seiten weiter geht, und eine Abbhandlung von Helmut Satzinger, der bei sDm.t=f von "substantivisch resultativ" spricht, was im deutschen Futur I und II Indikativ ist, brachten mich auf das schmale Brett anzunehmen, hier ein Paradigma "der Zukunft" vor mir zu haben.

Eine Berichtigung meiner Übersetzung liefere ich Dir aber erst morgen!

Bis dahin einen schönen Abend…
thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 19.11.2008 um 19:55:41


14) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 20.11.2008 um 10:52:48

Hallo Michael,
hier meine "Abschlussarbeit"

Versteckten Text anzeigen...
sA.t-nswt mr=s anx rnp.t sp tpj Abd 1 sm.w sw 21 Htp kA=s xp.t=s r wab.t

Tochter des Königs Meresanch; Jahr des ersten Mals, 1. Monat der Schemu-Jahreszeit (Trockenzeit), Tag 21; ihre Seele sei zufrieden (wenn) sie zur reinen Stätte geliefert (gebracht) wird

Hm.t-nswt mr=s anx rnp.t m-xt sp tpj Abd 2 pr.t sw 18 xp.t=s r js=s nfr

Königsgemahlin Meresanch;  Jahr nach dem ersten Mal, 2. Monat der Peret-Jahreszeit (Ernte), Tag 18; sie wird geliefert (gebracht) in ihr schönes Grab


Die Frage, die sich mir stellt ist: Sie ist die Tochter des Königs aber auch gleichzeitig die KÖnigsgemahlin. War sie wirklich eine solche, oder hat man ihr nur einen solchen Titel verliehen?


Gruss
thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 19.11.2008 um 21:45:28


15) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 20.11.2008 um 20:04:55

Hallo, Thomas,

Versteckten Text anzeigen...
wenn in der linken Inschrift die Aussage mit einem Infinitiv gebildet wird und in der rechten der zweite Teil auch ein Infinitiv ist, dann liegt nahe auch im ersten Teil einen Infinitiv zu vermuten:

Htp kA=s xp.t=s r wab.t
"Zur-Ruhe-gehen ihres Kas, ihr Gebracht-werden zur 'reinen Stätte' (Balsamierungsstätte)"

Htp "... (8) ruhen, sich niederlassen, zur (ewigen) Ruhe gehen (sterben), seine letzte Ruhe finden ..." (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 568) - die Wahl dieser Bedeutung aus der langen Liste von Möglichkeiten beruht natürlich auf dem Kontext!
wab.t "(wörtlich) 'die reine Stätte', Balsamierungsstätte, Balsamierungshalle" (Hannig, S. 184)

xp.t=s r js=s nfr
"ihr Gebracht-werden zum schönen Grab"

Klingt zwar nicht schön im Deutschen, aber kommt dem Ägyptischen ziemlich nahe ...

Zur Frage: jz oder js

Mit z wird der stimmhafte, mit s der stimmlose s-Laut bezeichnet. Edel, Altägyptische Grammatik, § 116: "So sorgfältig z und s auch für gewöhnlich noch in der Schrift unterschieden werden, ist ihr Zusammenfall doch bereits schon im AR erfolgt ..." und weiter im § 117: "In allen anderen Fällen lässt sich schon gar nicht mehr unterscheiden, welches der ursprüngliche Lautwert ist."

Übrigens: die Jahreszeit heißt Smw


Nun zum eigentlichen Anlaß dieser Übung: Die erste Datumsangabe gibt ihren Tod an, die zweite die Überführung ins Grab. Wieviel Tage liegen dazwischen?

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 20.11.2008 um 10:52:48


16) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 thomas am 20.11.2008 um 21:13:12

Hallo Michael,
erster Monat der Schemu-Jahreszeit, Tag 21 = 99 Resttage für die Schemuzeit; es folgen 5 Tage Epagomenen und 120 Tage für die Achet-Jahreszeit; gefolgt von 48 Tagen bis zum zweiten Monat der Peret-Jahreszeit, Tag 18.
Zusammen: 99 + 5 + 120 + 48 = 272 Tage

Das ist eigentlich ziemlich lange. Wo war die "Dame" denn in der Zwischenzeit?

Gruss
thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 20.11.2008 um 20:04:55


17) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 20.11.2008 um 21:49:04 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo, Thomas,

das ging ja schnell! Genau: Zwischen Tod und Begräbnis lagen 272 Tage. Wo war die Dame in der Zwischenzeit? Ich vermute mal: in der Balsamierungshalle. Die Mumifizierung kann aber nicht so lange gedauert haben. Vielleicht wurde das Grab nicht rechtzeitig fertig?

Diese kurze Passage wirft etliche Fragen auf. Kehren wir zunächst zu den Titeln zurück.

Meresanch III. wurde in der Mastaba Giza G 7530 begraben. Dort wird explizit angegeben, daß ihr Vater Kawab ist, ältester Sohn des Cheops, und ihre Mutter Hetepheres II. Sie ist also nicht Tochter eines Königs, sondern Tochter eines Königsprinzen, also Enkelin eines Königs.

Damit kommen wir zu einer Besonderheit des altägyptischen Systems der Verwandtschaftsbezeichnungen. So finden wir bei Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 652:

sA.t "Tochter, *Schwiegertochter, Enkelin" neben sA.t sA "Enkelin, die Tochter eines Sohnes".

Weitere Erläuterungen zu diesem Thema im Stichwort "Verwandtschaftsbezeichnungen" im LÄ, Bd. VI, Sp. 1030-1036 (als pdf-Datei angehängt).

Als Gemahl gilt Chephren, um auf den zweiten Titel zukommen.

Weiteres zu Meresanch III. im LÄ, Bd. IV, Sp. 78-79.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 20.11.2008 um 21:13:12


18) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 20.11.2008 um 21:59:54

Hier ist Meresanch III. mit ihrer Mutter Hetepheres II.1 aus dem Museum of Fine Arts in Boston (Inv.-Nr. 30.1456)

> Antwort auf Beitrag vom: 20.11.2008 um 21:49:04


1: http://www.mfa.org/zoom.asp?file=SC3679.jpg&width=600&height=420


19) Re: Übersetzungsübung: Inschrift in einem Grab
 Michael Tilgner am 22.11.2008 um 09:20:07

Liebe Leute,

eine weitere Frage, die diese Inschriften aufwerfen, ist die nach der Einführung des "zivilen Kalenders" (365 Tage pro Jahr, aufgeteilt wie in der Skizze dargestellt). Während eine Debatte darum kreist, wann er wohl prinzipiell eingerichtet wurde - war er an die Sothisperiode gebunden oder nicht? -, ist die andere Frage, seit wann wir die ersten Datumsangaben haben.

Edel führt in seiner Altägyptischen Grammatik im Abschnitt "Datumsangaben" (§§ 412-420) Beispiele aus der 4.-6. Dyn. an. Neben "unserer" Inschrift führt er noch zwei weitere Beispiele für Monats- und Tagesangaben in einem Datum an: Die eine stammt aus der Mastaba des Hemiunu, des Baumeisters der Cheopspyramide, und noch eine weitere, die ich derzeit nicht einordnen kann.

Kurz und gut: Die beiden Datumsangaben der Meresanch III. gehören damit zu den frühesten Belegen für die Verwendung des altägyptischen zivilen Kalenders!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 20.11.2008 um 21:59:54