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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 07.09.2009 um 20:37:32

Hallo zusammen,

im Bereich "Architektur und Kunst" hatte ich Vignette 4 vom Papyrus des Ani reingestellt. Inhaltlich geht es da um die Opfergaben selbst.

Opfergaben - Papyrus des Ani1

Da mich nun interessiert, was da steht, möchte ich hier mit einer Übersetzung beginnen und hoffe um rege Beteiligung.

Hier Vignette 4:


- Vollbild -


Bildnachweis:

E. A. WALLIS BUDGE
THE PAPYRUS OF ANI
VOLUME THREE
REPRODUCED IN 37 COLOURED PLATES
NEW YORK: G. P. PUTNAM'S SONS
LONDON: PHILIP LEE WARNER
1913
Seite 16

Viele Grüße
RamsesXII


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=kua&action=display&num=1252246170


2) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 08.09.2009 um 08:49:02 - Anhang: LAe_VI_1043-1044_Vignette_low.jpg

Lieber RamsesXII,

soweit ich weiß, werden die Vignetten nicht separat gezählt, sondern dem jeweiligen Totenbuchspruch (Tb) zugeordnet: "Vignette zu Tb 109, Papyrus X" oder ähnlich.

Zu Vignetten allgemein: LÄ VI, 1043-1044, Stichwort: "Vignette". Zum Verhältnis Text und Bild gibt es auch eine kleine lesenswerte Einführung: Peter Eschweiler, Das Ägyptische Totenbuch. Vom Ritual zum Bild, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1999.

Hier handelt es sich um Tafel 4 des Papyrus Ani (BM 10470). Als Wallis E.A. Budge den Papyrus in Ägypten auftrieb und mit kriminellen Methoden nach London brachte (1888), war er noch heil. Budge ließ ihn dann in "handliche" Teile zerschneiden, um ihn besser präsentieren zu können! Diese ganze Story wurde kürzlich unter dem Titel "Das Totenbuch der alten Ägypter" verfilmt (wird gelegentlich im Fernsehen wiederholt).

Tafel 3 und 4 stellen das Totengericht dar. Die Wägung des Herzens und das Ergebnis ist auf Tafel 3 dargestellt und beschrieben. Nach erfolgreichem Ergebnis wird Ani zu Osiris geführt: Das ist der Inhalt der Tafel 4. Insofern ist es etwas unglücklich, mit dieser Tafel zu beginnen.

Die analoge Szene im Papyrus Hunefer wurde mal vor Jahren im Thread Totenbuch des Hunefer1 diskutiert.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 07.09.2009 um 20:37:32


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=jut&action=display&num=1060508307&start=30


3) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 09.09.2009 um 12:36:19 - Anhang: Budge_By_Nile_and_Tigris_1_1920_S_136-149.pdf

Liebe Leute,

noch einmal zur Erwerbungsgeschichte:

Wallis E.A. Budge hat über seine Aktivitäten als Sammler und Kurator für das Britische Museum ein Buch (in zwei Bänden) hinterlassen:
E. A. Wallis Budge, By Nile and Tigris. A Narrative of Journeys in Egypt
and Mesopotamia on behalf of the British Museum Between the Years 1886 and 1913, 2 vols., London, 1920
1

Die Ereignisse, die sich um den Papyrus Ani drehen, stehen im ersten Band auf den S. 136-149, die ich herauskopiert habe. Sie zeigen, wie Budge skrupellos, ja mit krimineller Energie den Papyrus beiseite geschafft hat. Aus seiner Schilderung ist nicht der leiseste Hauch eines Unrechtsbewußtseins herauszulesen! Diese Passage diente als Drehbuchvorlage für den erwähnten Film der BBC.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 08.09.2009 um 08:49:02


1: http://fax.libs.uga.edu/DS49xB8x1920/1f/


4) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 09.09.2009 um 20:26:37

Hallo zusammen,

wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist dieses Bild schon weitestgehend durch das analoge Bild des Papyrus Hunefer und Michaels Bemühungen übersetzt. Wollen wir uns trotzdem an dieser Abbildungen üben, oder wählen wir ein anderes?

@Michael
Ich habe noch ein drittes Buch aus der gleichen Serie.

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 09.09.2009 um 12:36:19


5) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 09.09.2009 um 20:33:15

Hallo Michael,

vielen Dank für die Informationen bzgl. Vignette. War mir so nicht bekannt. Ich hatte angenommen, das Budge die Einzelblätter des von ihm zerschnittenen Papyrus als Vignetten bezeichnet. Ich sollte noch viel öfters im LÄ lesen ...


Zitat:
Diese ganze Story wurde kürzlich unter dem Titel "Das Totenbuch der alten Ägypter" verfilmt (wird gelegentlich im Fernsehen wiederholt).


Genau diese Dokumentation habe ich zusammen mit meiner Frau am Wochenende gesehen. (hatte ich auf Festplatte irgendwann mal aufgezeichnet). Daraufhin haben wir gemeinsam die Illustrationen im o.a. Buch von Budge angeschaut (PDF) und sind bei Tafel 4 hängen geblieben.


Zitat:
Zum Verhältnis Text und Bild gibt es auch eine kleine lesenswerte Einführung: Peter Eschweiler, Das Ägyptische Totenbuch. Vom Ritual zum Bild, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1999.

Danke für den Literaurhinweis. Habe ich mir (bei Amazon) bestellt.

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 09.09.2009 um 12:36:19


6) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 09.09.2009 um 20:36:57

Hallo Thomas,

ich denke, wir sollten trotzdem übersetzen. Das ist eine schöne Übung. Danach können wir mit Hunifer vergleichen. Jedes Totenbuch ist etwas anders.

Viele unserer bisherigen Übungen waren auch bereits übersetzt, wenn auch nicht in diesem Forum. Ich denke da an unsere Kühe, da gab es eine Übersetzung von Sethe.


Zitat:
Tafel 3 und 4 stellen das Totengericht dar. Die Wägung des Herzens und das Ergebnis ist auf Tafel 3 dargestellt und beschrieben. Nach erfolgreichem Ergebnis wird Ani zu Osiris geführt: Das ist der Inhalt der Tafel 4. Insofern ist es etwas unglücklich, mit dieser Tafel zu beginnen.

Ich überlege nur, ob wir auf Michaels Vorschlag hin mit Tafel 3 beginnen sollten.

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 09.09.2009 um 20:26:37


7) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 10.09.2009 um 00:22:35 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo zusammen,

hier Tafel 3 zum Beginn. Nach langem überlegen möchte ich Michaels Vorschlag folgen und mit Tafel 3 beginnen, also dem Totengericht.

Anbei Tafel 3, etwas verkleinert.


- Vollbild -


Bildnachweis:
Tafel 3 aus Budge, genaue Angaben siehe oben

@Michael

Kannst du eventuell von Tafel 4 einen besseren Scan aus deinem Bildband von den Horussöhnen ertsellen? Die Hieroglyphen über den Köpfen lassen sich kaum lesen.



Bildnachweis:
Ausschnitt Tafel 4 aus Budge, genaue Angaben siehe oben

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 09.09.2009 um 20:36:57


8) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 10.09.2009 um 07:18:39 - Anhang: pAni_pl_4_Horussoehne.jpg

Hallo, RamsesXII,

hier ist er!

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 10.09.2009 um 00:22:35


9) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 10.09.2009 um 08:31:32 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo,,

@Michael: Vielen Dank für den Scan. Bei dem zweiten Sohn von rechts ist jetzt zu erkennen, dass es sich um zwei Winkel handelt. Bisher hatte ich in der Zeichenliste nach einem kleinen "Männchen" gesucht. Der Unterschied in der Qualität ist beeindruckend. Aber zu diesen Göttern kommen wir ja als letztes.

@Thomas: Hier noch ein Nachtrag zu meine Bemerkungen von gestern. Um mit einem Bild oder einer Szene "eins zu werden", sollte man den Text selbst übersetzt haben. So entsteht eine feste Bindung. Ich nenne das immer "Einheit von Schrift und Bild". Dir ging es ja im letzten Jahr mit dem Amduat ähnlich. Auch da gab es schon "hunderte" Übersetzungen. Und das Totengericht zählt zu den bekanntesten Themen der altägyptischen Mythologie. Daher liegt mir viel daran, hier selbst Hand anzulegen. Man lernt nur aus den Fehlern, die man selbst macht. Und für unseren verehrten Freund Michael ist die Arbeit zur Korrektur nicht ganz so anstrengend

Beginnen wir mit Tafel 3, oberes Register (Liste der Götter).



- Vollbild -



- Vollbild -


Bildnachweis:
Ausschnitte Tafel 3 aus Budge, genaue Angaben siehe oben

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 10.09.2009 um 07:18:39


10) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 13.09.2009 um 14:49:24

Hallo,

zuerst möchte ich anmerken, dass (für mich) kursive Hieroglyphen noch schwerer zu erkennen sind als normale. Weiterhin merkt man, wie "schwer" es sein kann, ein paar Götter zu identifizieren. Das Wb war dabei ergiebiger als der Hannig. Durch die "Beschäftigung" mit diesen Göttern habe ich viel hinzugelernt.

Hier meine Lesung der Götternamen:

Versteckten Text anzeigen...
1:


Ra-@r-Axtj nTr aA Hr.j-jb wjA=f
"Ra-Harachte, der große Gott, inmitten seiner Barke"

Ra-@r-Axtj Hannig, S. 1219: "Ra-Harachte"
nTr aA Hannig, S. 444: "der große Gott"
Hr.j-jb wjA=f Hannig, S. 549: "inmitten seiner Barke"

2:


Jtm
"Atum"

War nicht so einfach zu finden, wenn man diese Schreibung nicht kennt. Im Hannig und im Wb steht unter tm kein Verweis auf Jtm. Die Doppelkrone hat mich dann auf Atum gebracht.
Belege: Wb 1, 144; DZA 22.428.830

3:


Sw-sA-Ra
"Schu, Sohn des Ra"

Beleg: Wb 4, 429

Neu für mich ist, dass H8 auch für sA und damit für Sohn steht. Weiterhin finde ich bemerkenswert, dass hier Schu als "Sohn des Ra" bezeichnet wird. In der Heliopotanischen Mythologie ist Schu der Sohn, Tefnut die Tochter von Atum. Auch hier sitzt Schu direkt hinter Atum.

4:


&fnw.t nb pt
"Tefnut, Herr(in) des Himmels"

Beleg: Wb 5, 299
I12 ist als Det. ab NR belegt (siehe Wb)

5:


Gbb
"Geb"

Beleg: Wb 5, 164; Hannig, S. 1246

Hier ist anzumerken, dass das hier nicht die "Sohn"-Ente, sondern eine G38-Gans ist, daher nicht sA, sondern gb.

6:


Nw.t nb pt
"Nut, Herr(in) des Himmels"

Beleg: Wb 1, 214

7v: (vorne)


As.t
"Isis"

7h: (hinten)


Nb.t-Hw.t
"Nephthys"

Belege: Wb 2, 233; Hannig S. 1214

Beide Göttinnen sind schon an ihrem "Kopfschmuck" zu erkennen.

8:


@r nTr aA
"Horus, der große Gott"

9:


@w.t-@r nb.t jnm.t
"Hathor, Herrin des Westens"

Bemerkung:
Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei eigentlich um Amentet (Göttin des Westens) handelt. Im NR wird Amentet zu einer Erscheinungsform von Isis oder Hathor (siehe LÄ).

Hans Bonnet; "Lexikon der Ägyptischen Religionsgeschichte":

Zitat:
Seit dem späten NR wird sie (Amentet) überdies mehr und mehr von Hathor, die dann das Beiwort "Herrin des schönen Westens" führt, verdrängt.


10v: (vorne)


@w
"Hu"
("Spruch, Ausspruch, Befehl")
(auch "Nahrung" - siehe DZA)

Beleg: Wb 3, 44; DZA 26.632.210; DZA 26.632.230

10h: (hinten)


%jA
"Sia"
("Erkenntnis, Einsicht, Verstand")

Beleg: Wb 4, 31

Im TLA habe ich hierzu nur %jA-zA-Ra mit Verweis auf das LGG gefunden.

Zitat aus dem Wb 3,44 und gleichlautend Wb 4, 31:

Zitat:
Besonders als Personifikation desselben und gern neben Hw "Ausspruch": Hw im Munde, sjA im Herzen o.ä.


Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 10.09.2009 um 08:31:32


11) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 14.09.2009 um 15:05:41

Hallo RamsesXII,

ich brauche noch ein wenig Zeit, um nachziehen zu können. Vielleicht macht es auch Sinn, dass ich erst beim Text mit einsteige, da ich beruflich wieder mal auf eine Messe muss…

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2009 um 14:49:24


12) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 14.09.2009 um 21:49:01

Hallo, RamsesXII,

zur Lesung der Götternamen gibt es kaum etwas anzumerken:

Versteckten Text anzeigen...
Bei Tefnut und Nut sollte man das .t in der Umschrift ergänzen:

nb(.t) p.t
"Herrin des Himmels"

"With the adjective nb the plural ending is usually, the fem. ending often, omitted in writing, exx. nTr.w nb(.w) 'all gods'; x.t nb(.t) 'everything'" (Gardiner, Egyptian Grammar, § 48)

Bei Hathor ist das Wort nb.t ausgeschrieben; im gleichen Text werden also beide Varianten verwendet.

Beim Richterkollegium handelt es sich um die Götterneunheit. Sie ist wechselnd zusammengesetzt, mal mit weniger, oft aber auch mit mehr als 9 Göttern. Siehe die  abweichende Götterliste beim Totengericht des Hunefer1.

Amentet gehört zu keiner dieser Listen (siehe die Aufzählung bei Winfried Barta, Untersuchungen zum Götterkreis der Neunheit, München / Berlin, 1973, S. 65-73; hier werden 84 unterschiedliche Aufzählungen zur Götterneunheit aufgeführt!). Es ist Hathor selbst gemeint.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2009 um 14:49:24


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=jut&action=display&num=1060508307&pnum=090103000146&start=15#15


13) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 14.09.2009 um 22:01:36

Hallo Thomas,

schön dass du dich meldest. Übrigens gibt es größere Unterschiede zwischen Ani und Hunifer.

Ich habe bei der Beschäftigung mit den 12 Göttern (Richter) viel dazugelernt. Auch da gibt es Unterschiede zwischen beiden Papyri.

Ist doch kein Problem, wenn du erst mit dem Text einsteigst. Geht in Kürze los .

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 14.09.2009 um 15:05:41


14) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Aramesis am 16.09.2009 um 12:34:37

Hallo zusammen,
ich verfolge eure Übersetzungen shon länger, konnte aber bisher nie die Zeit finden mit zu übersetzen. Aber heute fange ich damit an.

Versteckten Text anzeigen...
(1)

ra Hr-3xtj nTr-a3 Hr.y-jb wj3=f
Re-Herachte, großer Gott (iz??), der in seiner Barke ist.

(2)


jtmw
Atum

(3)

die Zeile ist sicher falsch, der Gott hier kommt mir aber bekannt vor...vielleicht ist es Schu

(4)

tfn.t  nb.t(w)-pt
Tefnut, Herrin des Himmels

(5)

gbb
Geb

(6)

nwt nb(.t) pt
Nut, Herrin des Himmels

(7)
///

3st // nb.t-hwt
Isis (und) Nephtys

(8)

Hr nTr-aA
Horus, großer Gott
(9)

hwt-Hr nb.t imntt
Hathor, Herrin des Westens

(10)

Hw sjA
EDIT: Hu und Sia.

Ich dachte vorher an Hapi,dann an an Ihi. Die passen aber beide nicht sehr gut zu den Hieroglyphen, ganz zu schweigen dass da noch ein zweiter Gott sitzt....


Ich weiß schon jetzt, dass es nicht komplett richtig ist, also nicht böse sein, wenn ich für euch "einfache" Stellen falsch übersetzt habe.
Liebe Grüße,
Aramesis.

> Antwort auf Beitrag vom: 14.09.2009 um 22:01:36


15) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 16.09.2009 um 14:19:48

Hallo, Amaresis,

das finde ich super, daß Du Dich unserer kleinen Schar Schriftbegeisterter auch öffentlich anschließt! Im Großen und Ganzen liegst Du schon ganz richtig; im Einzelnen:

Versteckten Text anzeigen...
Anfänglich ist die Umschrift etwas gewöhnungsbedürftig. Überprüfe sie doch noch einmal genau, insbesondere die verschiedenen h- und t-Laute! In der geschriebenen Umschrift läßt man auch die "üblicherweise" eingeschobenen "e" weg. Sie sind nur moderne Aussprache"krücken", die mit dem alten Vokalbestand nichts zu tun haben.

Bei den Hieroglyphen hast Du ein Zeichen durchgehend fehlidentifiziert, nämlich das, was Du mit Aa2 geschrieben hast, auch als "schlechtes Paket" bezeichnet. Das paßt hier nicht!

Bei (3) liegst Du nicht ganz falsch. Der Gott (5) wird Gbb, also mit zwei b transkribiert (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1246). Bei (10) mußt Du noch mal weiterforschen. Es handelt sich um sog. Personifikationen abstrakter Begriffe.


Also, weitermachen! Hier wird niemandem der Kopf abgerissen - oder nur höchst selten!

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 16.09.2009 um 12:34:37


16) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 17.09.2009 um 21:42:58

Lieber Michael,

es hat zwar etwas gedauert, aber jetzt möchte ich in die Diskussion einsteigen zu Deinen Anmerkungen.

Versteckten Text anzeigen...
1)

Zitat:
Bei Tefnut und Nut sollte man das .t in der Umschrift ergänzen:

nb(.t) p.t
"Herrin des Himmels"


Ja, da stimme ich Dir zu. Aber:


Zitat:
"With the adjective nb the plural ending is usually, the fem. ending often, omitted in writing, exx. nTr.w nb(.w) 'all gods'; x.t nb(.t) 'everything'" (Gardiner, Egyptian Grammar, § 48)


Der von Dir zitierte § 48 bezieht sich auf nb als Adjektiv (alle, jeder, ...).

Hier ist aber nb als Substantiv verwendet, in der Bedeutung von Herr oder Eigentümer.

Ich habe eine andere Deutung. Bei Tefnut und Nut ist zwischen Name und dem Epitheton die Kobra I12 als Determinativ für Göttin. (s.a. Gardiner S. 476, I12) Daher ist klar, dass Herrin und nicht Herr gemeint ist.

Bei Hathor fehlt dieser Determinativ, daher das nb.t

2)
Hathor/Amentet

Zitat:
Beim Richterkollegium handelt es sich um die Götterneunheit. Sie ist wechselnd zusammengesetzt, mal mit weniger, oft aber auch mit mehr als 9 Göttern.


Hierzu möchte ich ergänzen, dass die klassische "große Neunheit von Heliopolis" genau aus folgenden Göttern besteht:

Atum, Schu/Tefnut, Geb/Nut, Osiris/Isis/Seth/Nephtys


Zitat:
Amentet gehört zu keiner dieser Listen (siehe die Aufzählung bei Winfried Barta, Untersuchungen zum Götterkreis der Neunheit, München / Berlin, 1973, S. 65-73; hier werden 84 unterschiedliche Aufzählungen zur Götterneunheit aufgeführt!). Es ist Hathor selbst gemeint.


Amentet ist die Göttin des Westens, sie begrüßt die Toten beim Eintritt in die Unterwelt. Sie ist die Personifikation des westlichen Totenreiches (LÄ I, 223). Wie bereits weiter oben dargelegt, wird Amentet später von Isis oder Hathor "ersetzt". Das Epitheton "Herrin des Westens" bei Hathor deutet stark darauf hin. Daher vermute ich, das hier Hathor in der "Funktion" der Amentet sitzt. Auch die Position vor den beiden anderen Personifikationen (Hu und Sia) deuten darauf hin. Um diese Vermutung zu belegen, müsste in den Pyramiden-/Sargtexten geschaut werden, ob Amentet im Jenseitsgericht irgendwo erwähnt wird.


Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 14.09.2009 um 21:49:01


17) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 18.09.2009 um 01:05:31 - Anhang: no_Ani_T3_Text1.jpg

Hallo zusammen,

und hier geht es weiter:


- Vollbild -


@thomas: Das ist dein einsatz ...

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 17.09.2009 um 21:42:58


18) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 18.09.2009 um 19:44:06

Lieber RamsesXII,

Versteckten Text anzeigen...
bezüglich der Schreibung nb(.t):

Zitat:
Der von Dir zitierte § 48 bezieht sich auf nb als Adjektiv (alle, jeder, ...).

Hier ist aber nb als Substantiv verwendet, in der Bedeutung von Herr oder Eigentümer.

Das ist richtig! Insofern paßt der Gardiner-Beleg nicht zu meiner Aussage.

Ob die Kobra I12 als Determinativ für Göttinnen zur Erklärung für den Wegfall des .t herangezogen werden kann, vermag ich nicht zu sagen. Dazu müßte man eine längere Vergleichsliste zusammenstellen.

Zur Rolle der Amentet im Totenbuch ist wohl das folgende Werk einschlägig: Hosam Refai, Die Göttin des Westens in den thebanischen Gräbern des Neuen Reiches. Darstellung, Bedeutung und Funktion, Berlin, 1996. Im AEB heißt es u.a.:

Zitat:
Die Westgöttin, Personifikation der westlichen Wüste, ist seit dem Alten Reich und bis in die Spätzeit ein fester Bestandteil der altägyptischen Götterwelt ... Die Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, das Vorkommen des Westgöttin in den thebanischen Gräbern des Neuen Reiches zu erfassen, die Entwicklung und Ausbreitung ihrer Darstellungen und Epitheta zu untersuchen sowie ihre Beziehungen zu anderen Gottheiten und ihre wichtigsten Funktionen zu erläutern ... Im 2. Kapitel folgt die Untersuchung über das Vorkommen der Göttin in den Unterweltsbüchern (Amduat, Pfortenbuch, Höhlenbuch) und dem Totenbuch ... und das 9. Kapitel enthält Untersuchungen über die Beziehungen der Westgöttin zu den mit ihr eng verbundenen Gottheiten Hathor, Isis und Meretseger ...(AEB 96.0848)


Ansonsten bin ich schon auf Eure Übersetzungen gespannt!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 17.09.2009 um 21:42:58


19) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 20.09.2009 um 18:35:11 - Anhang: Bildschirmfoto_2009-09-16_um_19.30.02.jpg

Hallo zusammen,

das war und ist eine harte Nuss. Bin gespannt, wie meine Lesung aufgenommen wird:

Versteckten Text anzeigen...
Dd mdw in wsir sS A=n ii=i Dd=f
Das Sprechen der Worte durch des Osiris Schreiber Ani. Er sagt:

ib=i n.i mw.t zp2 HA.ti=i n xpr.w(=i) im(i) aHa r=i mtr
Mein Herz gehört Mutter! Mein Herz für (meine) verschiedenen Lebensalter, (nicht soll sein, dass es) als Zeuge gegen mich auftritt

zp = Rainer Hannig, Marburger Edition, Seite 747: [mit Zahl] zp2 a.) zweimal b.) [nur graphisch; doppelt zu lesen] c.) [wie ein Ausrufezeichen] Ich sehe hier ein Ausrufezeichen. Ein klare Aussage am Anfang des Abschnitts.

m = jm(j) Erhardt Graefe, Mittelägyptisch für Anfänger §68 Prohibitivsätze: Mit Hilfe des Negativverbums jm(j) werden negativ formulierte Befehlssätze gebildet: jm(j) sDm=f "nicht soll sein, dass er hört"

HA.tj=j n xpr.w=j: Rainer Hannig, Marburger Edition, Seite 640: Das Herz meiner verschiedenen Lebensalter

mtr = Rainer Hannig, Marbuger Edition, Seite 397: Zeuge

aHa: Rainer Hannig, Marburger Edition, Seite 167: Position 4; aufstehen; sich erheben, auftreten; sich wenden ( mit "r") gegen

im(i) xsf r=i DADA.t m ir.t rqa=k r=i m-bAH iri-mxA.t n.t=k kA=i imi X.t=i
(nicht soll sein, dass (jemand)) im Kollegium (der Richter) Einhalt gebietet gegen mich
(nicht soll sein, dass) du Feindseligkeit gegen mich zeigst in der Gegenwart des Waagemeisters
Dir gehört mein kA (und) meine Eingeweide


xsf = Rainer Hannig, Marbuger Edition, Seite 668: abwehren, zurückweisen, zurücktreiben; beseitigen; entgegentreten; strafen, bestrafen; b) Einhalt gebieten

rqw = Rainer Hannig, Marburger Edition, Seite 510: jrj rqw r; Feindseligkeit zeigen gegen…

m-bAH = Wb 1, 420.1-17: vor (lokal); in Gegenwart von; vor (temporal)  

iri-mxA.t = Wb2, Seite 130: der Waagemeister

Xnm=s wDA at.w=i pr.n=k r bw-nfr Hn.y im(i) m srx in rn=i n Sn.yt
ihr vereinigt unverletzt meine Körperglieder. Du (bist) herausgekommen um das Gute zu ordnen
(nicht soll sein, dass) in Vorwurf sagen mein Name der Hofstaa
t

srx: siehe angehängtes Bild. Beleg für die Schreibweise

im(i) Dd grg r=i r-gs nTr-nfr.wi nfr idn m=k
(nicht soll sein, das) die Unwahrheit sagen gegen mich, in Gegenwart des schönsten Gottes, das Gute ersetzt durch Dich.


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 18.09.2009 um 19:44:06


20) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 23.09.2009 um 12:22:48

Hallo,

leider bin ich mit dem Text noch nicht ganz fertig, daher hier zuerst Betrachtungen zu den Göttern links neben der Waage. Diese Tafel 3 ist ein "Schulbuchbeispiel" für Einheit von Bild und Text. Die "Beschäftigung" mit den Göttern hat viel Zeit beansprucht.

Versteckten Text anzeigen...
O)
Bemerkung: hier dachte ich zuerst (wegen dem A jj), dass es sich um die Kurzform von Ani handelt, daher das O


^Ay

"Schai" - Hannig, S. 1242

G1)
Zeichen unsicher

Rnnwtt

"Renenutet" - Hannig, S. 1220 (gräz. Thermutis)

G2)
Q19

Msxnt

"Meschenet" - Hannig, S. 1210 (Mes-chenet)

Zur Vignette:

Hier mein Versuch einer Interpretation des Dargestellten.

Über den beiden Göttinnen ist der Ba von Ani dargestellt, der sich nach dem positiven Urteil mit dem Körper vereinigt. Über Schai ist ein Gebärziegel dargestellt, als Zeichen der Geburt oder des Todeszeitpunktes. (s.u.)

Schai ist eine Personifizierung des Schicksals (eigentlich der Bestimmer).

Hans Bonnet, Lexikon der Ägyptischen Religionsgeschichte:

Zitat:
Schai ... ist die Personifikation eines gleichnamigen Begriffes. Dieser ist von dem Stamm SA == bestimmen abgeleitet; er bedeuted also Bestimmung. Schai ist demnach der "Bestimmer"
...
Damit wird Sch[ai] zu einer das Schicksal bestimmenden Macht; ja er wird zum "Schicksal" selbst. Denn nun wähnt man auch Unheil, insbesondere das "Todeslos" in seinen Händen beschlossen.


Renenutet ist die Partnerin von Schai und ist eine Personifizierung von Nahrung (rnn - Nahrung), also die "Ernährerin" und Herrin der Ernte. Zusammen mit Schai wird sie zu einer Personifikation des Glückes und des Segens.

Bonnet:

Zitat:
... aber zunächst ist er [Schai] doch "Segensmacht", die die Fülle spendet, aus der der Mensch lebt. Darum steht er in enger Gemeinschaft mit Thermutis [Renenutet], der Herrin der Ernte. Beide sind Mächte, durch die der Schöpfergott seine Segnungen ausströmen läßt.


Meschenet ist eine Personifikation des Gebärziegels (s.a. Bonnet), sie ist also eine Geburtsgöttin. Sie wird in Menschengestalt dargestellt, teilweise aber auch als Gebärziegel.

Bonnet:

Zitat:
Daneben begegnet eine eigene Darstellungsform, die von dem Gebärziegel und diesen lediglich durch Anfügen eines weiblichen Hauptes vermenschlicht.

(In der Abbildung verweist Bonnet genau auf unsere Szene, also auf Budge, pAni pl. 3)

Daher ist Meschenet doppelt dargestellt, einmal als Göttin und einmal als Ziegel(?, s.u.).

Meschenet verkündet bei der Geburt das Schicksal des Kindes, somit auch seinen Todeszeitpunkt.
Bonnet:

Zitat:
Im Verein mit den beiden letzteren [Schai, Renenutet] ist sie auch bei der letzten Entscheidung in der Stunde des Totengerichtes gegenwärtig.

Leider geht Bonnet nicht auf die Funktionen der 3 Götter im Totengericht ein.

Auch Schai kann zur Verkündung des Todeszeitpunktes in Form eines Ziegels dargestellt werden, so dass es hier nicht klar ist, wer hier gemeint ist. (s.a. Bonnet)

Ich persönlich interpretiere diese Szene, dass diese 3 Götter für Schicksal, Segen und Tod (Todeszeitpunkt) stehen. Jetzt beginnt das ewige Leben nach dem Tod (bei positivem Ausgang des Urteils)

Allerdings könnte auch der Gebärziegel für die Wiedergeburt stehen.

Hier noch eine persönliche Bemerkung:

Hier fängt es an, wo 3 Ägyptologen 4 Meinungen haben, . So richtig werden wir die Gedankenwelt der alten Ägypter niemals verstehen können, da über drei Jahrtausende dazwischen liegen. Wir können nicht mal so richtig den 30jährigen Krieg verstehen, und das ist erst 400 Jahre her.


Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2009 um 18:35:11


21) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 24.09.2009 um 16:21:05

Hallo, Thomas,

zu Deiner Übersetzung die folgenden Anmerkungen:

Versteckten Text anzeigen...
Zum Personennamen Anj: Du hast ihn umschrieben mit A=n ii=i, d.h. Du möchtest darin einen lesbaren Satz sehen. Ranke, Personennamen, Bd. I, S. 2, Nr. 10 führt diesen Namen aber nur als Anj ohne Übersetzung auf. In Bd. II, der sich eingehend mit der Bildung von Namen beschäftigt, reiht er ihn unter Kosenamen mit Endung M17-M17 jj (S. 143-151) ein und listet ihn auf unter "e) Angehängt an zweikonsonantige Stämme" (S. 148-150). In diesem Abschnitt werden darüberhinaus einige Namen aufgeführt, die unter dem Vorbehalt stehen:

Zitat:
Fraglich, ob sie hierher gehören, ist es bei den folgenden Namen des Neuen Reichs, da bei ihnen [M17-M17 jj] auch Radikal sein könnte: ... (S. 149)

Hierzu gehört auch der Name Ani.

Zur Anrufung des Herzens: Sie ist - wie in ägyptischen Texten oft üblich - ganz parallel gebildet.

Zur Negation: Ich habe / kenne Graefes Grammatik nicht. Es ist ganz richtig, daß m hier als Negation des Imperativs verwendet wird, aber die nachfolgende Form ist kein sDm=f, sondern das sog. Negativkomplement (Gardiner, Egyptian Grammar, § 340 "Negation of the imperative"; § 341 "Negatival complement"), das ab der 18. Dyn. auch durch den Infinitiv ausgedrückt werden kann. Negative Wünsche werden durch jm=f sDm "er soll nicht ..." ausgedrückt (Gardiner, § 345 "Use of imi"). Ähnlich Allen, Middle Egyptian, § 16.4 "Negation of the imperative" und § 19.11.2 "the negative construction jm=f sDm".

Ansonsten hast Du zwar den Tenor gut getroffen, aber im einzelnen läßt sich doch einiges verbessern!


Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2009 um 18:35:11


22) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Seschen am 24.09.2009 um 20:17:24

Hallo, alle!

Im Mittelpunkt dieser Schlüsselszene des sog. "Totenbuches" steht die Waage mit dem Herz des Verstorbenen und der Maat-Feder auf den Waagschalen.
Bei Gleichgewicht (wenn "die Waage zum Stillstand kommt" (Hannig S. 154-3) ist der Verstorbene "wahr an Stimme", als "Gerechtfertigter" bezeichnet.

Das Herz hatte nach Ansicht der Alten Ägypter multifunktionale Aspekte: komplexes Körperteil, Sitz des Wissens und des Verstandes, des Charakters, der Gefühle und Wünsche, Sitz des Lebens u.v.m.
Für das Herz wurden zwei Wörter verwendet, die nicht bedeutungsgleich sind: jb und HA.tj
Der Verstorbene fleht im Totengericht "beide Herzen" an die Wahrhaftigkeit seines negativen Sündenbekenntnisses zu bezeugen, denn

(Jan Assmann, Tod und Jenseits im alten Ägypten, S. 38)

Versteckten Text anzeigen...
(1) und (2)
Dd.w jn Wsjr sS Anjj

Gesprochen vom Osiris, dem Schreiber Ani

(3)
Dd=f jb=j n mw.t(=j)*
(4)
sp-2 HA.tj=j n
(5)
xpr.w (=j)*

Er sagt: Mein Herz (meiner)* Mutter, mein Herz (meiner)* Mutter, mein Herz (meiner) verschiedenen Lebensalter** (H. 595)

*Das "=j" wurde ergänzt (aufgrund von parallelen TB-Stellen)
sp-2  - 2 Mal (zu sprechen)
** möglich auch "Gestalten" (J. Assman, Tod und Jenseits im alten Ägypten, S. 38)

noch (5) und (6)
m aHa  r=j m
(7)
mtr.w m xsf
(8)
r=j m DADA.t m jrj rq(.w)=k r=j m-bAH jrj-mxA.t ntk kA=j jmj X.(w)t=j
(9)
Xnm(.w) swDA  
(10)
a.(w)t=j

Tritt nicht auf (H. 154-7) gegen mich als Zeuge, tritt mir nicht entgegen (H. 620-6) im Totengericht! (H. 996-2) Zeige nicht deine Feindseligkeit gegen (H. 479-1) mich vor dem Waagemeister (H. 357)!
Du bist mein Ka, der in meinem Leib ist (und) Chnum ("der Schöpfer"), der meine Glieder wohlbehalten (/ unversehrt) sein lässt.

m bzw. jm - (Imperativ zum Verb jmj; zur Bildung des negativiven Imperativs) nicht! (H. 312)
swDA Kausativ-Form von wDA  - wohl sein lassen, wohl ergehen lassen, wohlbehalten sein lassen (H. 682-1)

noch (10) und (11)
pr(j) n=k * r b(w)-nfr Hn (n)=j jm

Gehe heraus  ("für dich") zum Guten, (H. 250) das (für) mich dort ausgestattet (/ organisiert) (H. 535) ist!

*An die Präposition "n" angehängtes Pronomen "=k" - Imperativform mit Verstärkung, wörtlich "für dich"
(Beispiel für prj mit n=k r als Imperativ: siehe Hannig S. 283 rechts, ganz oben)

(12) und (13)
m sxnS* rn=j n Sn.yt

Mache nicht stinkend meinen Namen für die Hofleute!

*fehlerhafte Schreibung im Original: "sxrS" statt "sxnS"
sxnS - "stinkend machen (Namen)" (Kausativform, H. 748)
Sn.wt (Sn.yt) - Hofleute (e. Gottes) (H. 825-2); hier: Zeichenumstellung (X 1)

noch (13) - (15)
m Dd grg r=j r-gs nTr

Sage nicht die Unwahrheit in Bezug auf mich in der Gegenwart des Gottes!

Dd grg - lügen, die Unwahrheit sagen (H. 905-2)
r - Präposition vor Suffixpronomen, Betreff: hinsichtlich, in Bezug auf, von (H. 453-7)
r-gs - in Gegenwart von (H. 906-2)

noch (15)
nfr.wy nfr sDm=k

Wie schön (und) gut ist es, wenn du hörst. (?-?-?)

nfr.wy - wie schön (H. 179)
nfr sDm=k - es ist gut, wenn du hörst (H. 794-4)


Anmerkung zu meiner Umschrift und Übersetzung:
Die Ziffern in Klammern in der Umschrift entsprechen dem Anfang der von Ramses XII. nummerierten Kolumnen.
Die Bemerkungen in Klammern in der Art (H. 123-4) verweisen auf: R. Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch, Seitenangabe, ergänzt mit Bedeutungsnummer.

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 24.09.2009 um 16:21:05


23) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 25.09.2009 um 08:12:30

Hallo Michael,
Versteckten Text anzeigen...
vielen Dank für die aufmunternden Worte. Ich bin mit meiner Lesung soweit ganz zufrieden. Ich denke den Rohbau habe ich geschaft. Nun möchte ich das natürlich "fine tunen".

Ich habe mir deshalb die Grammatik von Gardiner mal angeschaut und mit der von Graefe verglichen. So richtig werde ich aber nicht schlau aus den beiden, deshalb meine Fragen:

Was ist denn das Negativkomplement. Meint man damit dieses Zeichen? :
Dann würde ich das nämlich so verstehen:

Ich habe das Verb
für gib! veranlasse (das)! usw. Es ist ein schwaches Verb 3ae inf., deshalb jm(j). Nun verbindet sich dieses Verb mit D35 (dem Negativkomplement) zu einer Verneinung: Gib nicht! Was folgt ist ein weiteres Verb, auf dass sich die Verneinung bezieht.

Richtig??


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 24.09.2009 um 16:21:05


24) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 25.09.2009 um 10:57:39

Hallo, Thomas,

Versteckten Text anzeigen...
jmj ist ein zwar defektives, aber eigenständiges Verb, das nicht mit jmj, Imperativ zu rdj zu verwechseln ist! Daher gibt es auch zwei separate Einträge in Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 68.

"Defektiv" bedeutet, daß das Verb nur in eingeschränkten Formen verwendet wird; im Fall jmj:
  • in negativen Wunschsätzen (Gardiner, Egyptian Grammar, § 345)
  • als Imperativ mit Schreibung m (Gardiner, § 340,1; siehe auch Hannig, S. 312)

Ein negierter Imperativ wird dargestellt durch <Imperativ von jmj = m + Verb in der besonderen Form Negativkomplement bzw. Verb als Infinitv [ab 18. Dyn.]>

Das "Negativkomplement" ist eine eigene Verbform, mit Endung .w, die oft auch nicht geschrieben wird (Gardiner, § 341).

In unserem Textabschnitt taucht diese Konstruktion mehrfach auf.

m aHa r=j m mtrw
"tritt nicht auf gegen mich als Zeuge!"

m Imperativ von jmj zur Bildung des verneinten Imperativs
aHa m mtrw als Zeuge auftreten (r gegen) (Hannig, S. 375)

Es ist nicht zu erkennen, ob aHa als Negativkomplement oder als Infinitiv aufzufassen ist. Im ersteren Fall müßte man zu aHa(.w) ergänzen, im zweiten Fall bliebe es bei Schreibung aHa.

Eine Hilfe bietet ein weiterer negierter Imperativ:

m jr.t rqw=k r=j
"zeige nicht deine Feindseligkeit gegen mich = zeige keine Feindseligkeit gegen mich!"

m wie oben
jrj rqw "Feindseligkeit zeigen (r gegen)" (Hannig, S. 479)

Die Negativkomplementform von jrj ist jr (Gardiner, § 341 unter 3ae inf.). Der Infinitiv lautet jr.t (Gardiner, § 299 unter 3ae inf.).

Daher können wir annehmen, daß die Verbform nach m generell als Infinitiv anzusehen ist. Das paßt auch zur Zeit, denn der Papyrus Ani wird in die 19. Dyn. datiert.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 25.09.2009 um 08:12:30


25) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 30.09.2009 um 22:02:29 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo zusammen,

also hier mein Versuch, den Text zu übersetzen. Es hat zwar etwas gedauert, leider habe ich mich mit den Göttern "verzettelt" und andere Dinge bearbeitet.

Hier wurden schon die neuen Möglichkeiten vom Hieroglyphensatz benutzt.

Teil1:

Versteckten Text anzeigen...
(1)  
 (2)  


Dd.w jn wsjr sS Any

Die Pluralstriche (.w) deute ich als Hinweis, dass hier das Partizip passiv zu verwenden ist.

"Gesprochen seitens des verstorbenen Schreibers Ani:"

wsjr - Osiris-Titel

in der Übersetzung "... des Osiris Schreibers Ani" sind zwei Titel nacheinander aufgeführt, passt im Deutschen nicht so richtig.

Der Osiris-Titel ist hier im Sinne von "Einer, der zum gemachte Bett gehört" zu sehen (Bett für die Balsamierung).

s.a. Hartwig Altenmüller, Zum Ursprung von Isis und Nephthys, in: SAK. Bd. 27. S. 1-26 (1999), speziell S. 5
(Literaturhinweis von Michael Tilgner in anderer Angelegenheit)

Daher umschreibe ich den Osiris-Titel mit dem Adjektiv "verstorben[en]".



(3)  
 (4a)  


Dd=f jb=j n mw.t(=j) sp 2

"Er spricht: Mein Herz meiner Mutter, mein Herz meiner Mutter," (doppelt wegen sp 2)

Hier sehe ich das n als indirekten Genitiv, das (=j) ist zu ergänzen.

Alternativ:
Dd auch "antworten" - Hannig, S. 1017 (14)
"Er antwortet: ..."

Könnte auch passen, da er ja vor Gericht steht und den Göttern "Rede und Antwort" stehen muss. Dagegen spricht allerdings, dass es sich ja eigentlich um einen "Zauberspruch" handelt, der das Ergebnis beeinflussen soll.


(4b)  
 (5a)  


HAtj=j n xpr.w(=j)

HAtj Hannig, S 507 "Herz (Sitz des Lebens, ...)"

im Hannig, S 595 wird diese Phrase aufgeführt: "das Herz meiner verschiedenen Lebensalter"

"mein Herz meiner verschiedenen Lebensalter,"


(5b)  
 (6)  
 (7a)  


m aHa r=j m mtr

Hieran bin ich fast verzweifelt. Dann habe ich im Index vom Allen gefunden, dass m als Negation verwendet werden kann.

s.a. Allen, §16.4 "Negation of the imperative"

aHa r Hannig, S 154: [jur] gegen jdn auftreten (als Zeuge)
m mtr Hannig, S 375: als Zeuge

"tritt nicht auf gegen mich als Zeuge,"


(7b)  
 (8a)  


m xsf r=j m DADA.t

xsf Hannig, S. 620: entgegentreten (bei Gericht)
DADA.t Hannig, S. 996: Totengericht

"tritt nicht mir entgegen im Totengericht,"



(8b)  


m jrj.t rqj=k r=j m-bAH jrj mxAt

m jr Gardiner, §340 "do not make"
Hier in der Form sdm.t=f
Ockinga:
Zitat:
Gebrauch:
Nur in bestimmten Kombinationen:
1) Nach der Negation, um einen Vorgang auszudrücken, der noch nicht geschehen ist
2) ...

rqj Hannig, S. 479: neigen zu
m-bAH Hannig, S. 241: vor, in Gegenwart von, bei (einer Person)
jrj mxAt Hannig, S 357: Waagemeister

"neige dich nicht gegen mich in Gegenwart des Waagemeisters."
(eigentlich "tue nicht neigen dich ...")


(8c)  


ntk kA=j jm.j X.t

jm.j  Wb 1, 72: (mit folgendem Substantiv) befindlich in

"Du bist mein Ka, der sich in meinem Leib befindet,"

Hier musste ich an eine grammatikalisch ähnliche Stelle im Kuhthread denken:

jnk mw.t=T qmA.t nfr=T
"Ich bin deine Mutter, die deine Schönheit schuf"


(9)
 (10a)  


Xnm(.w) s-wDA a.tw=j

Xnm.w Wb 3, 381: Chnum; (18) Schöpfer
wDA Wb 1, 399: unversehrt sein; mit s kausativ - unversehrt machen
a.t Wb 1, 160(17): Körperteil
s.a. DZA 21.560.640 (Anhang): Der Schöpfer, der meine Körperteile heil macht

"der Schöpfer, der meine Körperteile unversehrt macht."


(10b)  
 (11)  


prj n=k r bw-nfr

prj  Hannig, S. 283: "hinausgehen", hier als Imperativ

Ockinga §67 (IMPERATIV):

Zitat:
b) VERSTÄRKUNG DES IMPERATIVS

2. Durch die Präposition n, den sog. "Ethischen Dativ" (bezieht die Handlung auf das implizierte Subjekt):
...


bw-nfr Hannig, S. 250: "Das Gute"
(Schreibung nur mit b siehe Hannig, S. 250 bei bw)

"Gehe (du) hinaus zu dem Guten,"


(11b)  


Hn=j jm

Hn Wb 1, 101 (a II): ausstatten mit
(Bemerkung im Wb: ab D19 als Abk. nur V36)
jm Hannig, S 47: "da, dort"

Hn hier als Partizip Passiv

"das mir dort ausgestattet ist."
(hier würde besser "bereitet" o.ä. passen)


(12)  
 (13)  


m srx rn=j n Snw.t

srx Hannig, S. 730: u.a. "beschuldigen"
Snw.t Hannig, S. 824: "Hofstaat, Hofleute, Thronrat"
zur Schreibung von Snm.t siehe DZA 30.157.820 (Anhang)

"Beschuldige nicht meinen Namen im Hofstaat,"


Leider sind die 6000 Zeichen "verbraucht, weiter geht es im Teil 2.

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 25.09.2009 um 10:57:39

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26) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 01.10.2009 um 17:16:34

Hallo zusammen,

und hier ist Teil 2:

Versteckten Text anzeigen...
(13b)  
 (14)  
 (15a)  


m Dd grg r=j r-gs ntr

Dd grg Hannig, S. 905: "lügen, die Unwahrheit sagen"
r-gs Hannig, S. 906 "in Gegenwart von"

"lüge nicht gegen mich in der Gegenwart des Gottes,"


(15b)  


Hier bin ich noch am Überlegen, eventuell gehört das nfr noch zum Text devor, also nTr nfr "der gute/Vollkommene Gott"


Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 30.09.2009 um 22:02:29


27) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 01.10.2009 um 21:12:06

Hallo zusammen,

ich habe noch einen Vorschlag, der den Schluss betrifft:

Versteckten Text anzeigen...
Mit Bezug zum Gott Chnum, der im Vorsatz erwähnt wird:



im(i) Dd grg r=i r-gs nTr-nfr.wi nfr n sDm=k

Keiner sagt die Unwahrheit gegen mich, in Gegenwart des schönsten Gottes, (ohne das) Du (es) hörst.

§1130 Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Die Negation mit nfr n
Das "n" steht hier nicht, aber ich habe das mal ergänzt, ohne das richtig belegen zu können…


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 01.10.2009 um 17:16:34


28) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 02.10.2009 um 12:36:04

Hallo, Leute,

hier folgen meine Betrachtungen; dabei gehe ich nur auf strittige Fragen ein, da mir zu einer kompletten Bearbeitung die Zeit fehlt.

Versteckten Text anzeigen...
(1) Dd (mdw) jn Wsjr (2) sS Anj
"Worte zu sprechen durch den Osiris, den Schreiber Ani"

mdw ist zu ergänzen; die Schreibung hier ist fehlerhaft, vielleicht aus Platzgründen. Diese Schreibvariante ist nicht in Wb. V, 625 aufgeführt. Auch ist Dd.w für "Gesagtes" oder gar ein Dd.w jn "Gesagtes durch ..." sonst nicht belegt (siehe auch Wb V, 624 für nachgewiesene Worte für "Gesagtes"). Andererseits wird die Einleitungsformel Dd mdw jn tausendfach verwendet, so daß ich sie entsprechend ergänzt habe.

(3) Dd=f jb=j n mw.t(=j) (4) sp 2 HA.tj=j n (5) xpr.w(=j)
"Er spricht: Oh, mein Herz meiner Mutter, oh, mein Herz meiner Mutter, oh, mein Herz meiner verschiedenen Lebensalter"

@RamsesXII
Dd "antworten" wird in Gesprächssituationen verwendet.

HA.tj=j n xpr.w=j "das Herz meiner verschiedenen Lebensalter" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 595) - Hannigs Übersetzung ist schon interpretiert; wörtlich: "Gestalten, Erscheinungsformen"


(5) m (6) aHa r=j m (7) mtrw
"Tritt nicht auf gegen mich als Zeuge!"

Zum negierten Imperativ: siehe meine Auführungen in einem früheren Posting in diesem Thread.


(7) m xsf (8) r=j m DADA.t
"Tritt mir nicht entgegen im Totengericht!"

Wiederum negierter Imperativ.


(8) m jr.t rqw=k r=j m-bAH jrj-mxA.t
"Zeige nicht deine Feindseligkeit gegen mich vor dem Waagemeister!"

Der negierte Imperativ wird mit dem Infinitiv gebildet; siehe Ausführungen weiter oben.

@RamsesXII
Gardiner, Egyptian Grammar, § 340,2 m jr "do not make" paßt nicht, da hier m jr.t steht. Ebensowenig sDm.t=f, da es sich bei der erwähnten Negation um n sDm.t=f handelt (Gardiner, § 402). Zu sDm.t=f nach Präposition m:

Zitat:
The use after m 'when' ... is more doubtful ... There is nothing to prevent such instances being interpreted as infinitives. (Gardiner, § 407,2)

jrj rqw "Feindseligkeit zeigen (r gegen)" (Hannig, S. 479)
Schreibung rqw oft ohne Endung w: Wb. II, 456 und Belegzettel DZA 26.084.040

@RamsesXII
Dein Vorschlag - eigentlich schon ziemlich genial ausgetüftelt! - m jrj.t rqj=k r=j "tue nicht dich neigen gegen mich ..." geht m.E. aus folgenden Gründen nicht:
  • Es müßte m jr heißen; das .t bleibt unerklärt oder müßte als fehlerhaft bezeichnet werden.
  • Nach m jr folgt ein Infinitiv als Objekt (Gardiner, § 340, 2), der Infinitiv von rqj lautet rq.t, da es ein Verb 3ae inf. ist (Gardiner,§ 299).

(8) ntk kA=j jmj X.t=j
"Du bist mein Ka, der in meinem Leib ist!"

Zur Satzform: Gardiner, § 65: "... independent pronouns ... as subject of sentences with directly juxtaposed nominal predicate."


(9) Xmn(=j) s.wDA (10) a.(w)t=j
"(mein) Schöpfer, der meine Glieder wohlbehalten sein läßt."

Ich folge  Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich / München, 1979, S. 96, der offensichtlich Xmn=j an ntk anschließt.
Xnm "schaffen, bilden" (Hannig, S. 637). Sicherlich auch als Wortspiel mit $nmw "Chnum" (Hannig, S. 1234) gedacht.


(10) pr (11) n=k r bw-nfr Hn (n=)j jm
"Tritt heraus / gehe hervor zum Guten, das mir dort bereitet ist"

Imperativ mit Verstärkung n=k (Gardiner, § 337, 2). Hornung (a.a.O.) hat den Wunschsatz "Mögest du hervorgehen ..."
Hn "ausstatten (m mit)" (Hannig, S. 535), wörtlich also: "zum Guten, mit dem es dort ausgestattet ist" - Hn also Partizip. Fehlendes n ergänzt.


(12) m s.xnS rn=j n (13) sny.t
"Mache meinen Namen nicht stinkend für die Hofleute!"

s.xnS "stinkend machen" und s.rx "beschuldigen" wurden offensichtlich vom Schreiber durcheinander gebracht. Aufgrund des Determinativs ist sicherlich s.xnS anzunehmen, auch wegen der Parallelen.


(13) m (14) Dd grg r=j r- (15) -gs nTr
"Sage nicht die Unwahrheit gegen mich in Gegenwart des Gottes!"


(15) nfr.wj nfr sDm=k
"Oh, wie schön ist es, wenn dein Hören gut ist!"

nfr.wj "(oh), wie schön ist!" (Hannig, S. 409) - siehe auch Gardiner, § 49:

Zitat:
The ending .wy ... is sometimes added to adjectival predicates in order to give them an exclamatory force.

Wb. II, 256: "nfr wj wie schön ist, wie gut ist ... e) unpersönlich: wie schön ist es, wenn ... (mit beigefügtem Satz)"
Der Satz ist gebildet aus Adjektiv + Substantiv; Gardiner, § 137 "Adjective + noun or dependent pronoun".

Zitat:
The adjective precedes the subject and is invariable in number and gender; it may be accompanid by the exclamatory ending .wy ... Examples with a noun as subject: nfr mtn=j my path is good ...

In unserem Fall ist sDm als Infinitiv zu verstehen. (Gardiner, § 298: "The infinitive is a noun denoting the action or state expressed by a verb-stem").


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 01.10.2009 um 21:12:06


29) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 03.10.2009 um 10:57:51 - Anhang: Rennenutet-Name_low.jpg

Hallo, RamsesXII,

zu den Göttinnen links von der Waage, speziell zur Lesung der Renenutet/Renenet. Dazu habe ich den entsprechenden Ausschnitt aus dem photographischen Faksimile eingescannt.

Ich würde die Göttin wie folgt lesen (siehe auch WB. II, 436):



Vielleicht gehört die Schlange I12 als Kopfschmuck zur Göttin? Ähnlich Q19?

Zum Namen (LÄ V, 232-236, Stichwort "Renenutet"):

Zitat:
Renenutet (Rnn-wtt [1]), Renenet (Rnnt [2]) ... [1] Ältere Namensform, nach Wb. II, 437: Pyr. - 18. Dyn. belegt. Zusammensetzung aus dem Verbum "rnn - ein Kind aufziehen" (Wb II, 436) und der Schlangenbezeichnung "wtt" (Wb I, 378) - [2] Jüngere Namensform, nach Wb II, 437 seit 19. Dyn.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 23.09.2009 um 12:22:48


30) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 04.10.2009 um 00:29:48 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo zusammen,

als erstes möchte ich mich bei Michael Tilgner für die ausführlichen Erläuterungen bedanken.

Hier geht es weiter mit der Anubis und der Rede des Toth.


- Vollbild -


Die Zeichen über Anubis sind sehr schwer zu erkennen, daher füge ich die Hieroglypehen bei, so wie sie Budge 1905 gesehen hat. Allerdings könnten auch diese fehlerhaft sein.


- Vollbild -


Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 03.10.2009 um 10:57:51


31) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 RamsesXII am 04.10.2009 um 00:46:15

Lieber Michael,

ich hätte da noch eine Frage zu Deiner Übersetzung. Woher kommt das "Oh", z.B. bei "Oh, mein Herz meiner Mutter, ...". Hast Du das eingefügt, weil es besser klingt, oder läßt sich das grammatikalisch ableiten?

Viele Grüße
RamsesXII

> Antwort auf Beitrag vom: 02.10.2009 um 12:36:04


32) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 04.10.2009 um 09:59:35

Lieber RamsesXII,

bei dem jb=j n mw.t=j "Oh, mein Herz meiner Mutter" handelt es sich ja nicht um einen vollständigen Satz, sondern um eine Anrufung (Gardiner, Egyptian Grammar, § 87 "Vocative"):

Zitat:
The vocative may stand at the beginning or at the end of a sentence; more rarely it stands in the middle ... In ordinary parlance no introductory interjection was used; but in religious and semi-religious texts j is frequent for 'O', the synonym hA being much rarer.

Im Englischen ist es üblich, eine solche Anrufung mit der Interjektion "O" einzuleiten, so hat Gardiner das Beispiel: Hsw Hs tw @ry-S=f "O praised one, may Arsaphes praise thee". Auch im Deutschen ist das genauso. Nun handelt es sich beim Spruch 30B des Totenbuchs sicherlich um einen religiösen oder halbreligiösen Text, aber die von Gardiner erwähnten Interjektionen werden nicht verwendet; er schreibt ja auch, daß diese "häufig" für solche Texte seien, also nicht generell. In der Übersetzung wird der deutsche Sprachgebrauch zugrundegelegt.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

PS Eine gute Idee, das Ergebnis der Diskussion noch einmal separat zusammenzufassen!


> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 00:46:15


33) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 04.10.2009 um 10:11:29 - Anhang: pAni_pl_3_Text_Anubis.jpg

Hallo,

ich füge den Text zu Anubis (unterhalb des Waagebalkens) aus dem photographischen Faksimile bei.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 00:29:48


34) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Seschen am 04.10.2009 um 11:53:26

Hallo!

Auf Michaels Bildbeitrag sieht man die beschädigte Stelle deutlich, leider sind kaum Zeichenreste zu erkennen.
Ich habe mal eigenmächtig sinnvoll ergänzt und dann übersetzt.

Versteckten Text anzeigen...
Über Anubis (an Thot gerichtet):



(a)
Dd mdw jn n jm.j-w.t
Worte zu sprechen vom Imiut  (= Epitheton des Anubis)

jm.j-wt - "der in der Balsamierungshalle ist" (Nisbeform): Anubis

(b)
jmj Hr=k pA
Gib acht du, der

jmj - Imperativ zu rDj - geben, veranlassen (H. 68 bis 69)
jmj-Hr - Gib acht! (H. 544-1, c)
pA - der (als Anrede bzw. Demonstrativpronomen)

(c) fehlende Zeichen von mir ergänzt
wDa mAa(.t) (tx) n
... gerecht richtest: Das Lot der

wDa (Zeichen Aa 21A) - richten, wDa-mA.t - gerecht richten (H. 233-8)
tx - das Lot (an Waage als Zünglein) (H. 938), Schreibung siehe DZA 31.142.250
n - der (Bildungselement des indirekten Genitivs)

(d)
mxA.t r aHa.w
...Waage kommt zum Stillstand.

mxA.t - Waage, Standwaage (H. 357)
r - (hin) zu (Präposition, räumlich, H. 453-1)
aHa - stillstehen, zum Stillstand kommen (H. 154-3)
aHa.w - Standort, Position, Stillstand (H. 155); Schreibung mit Determinativ Y 1  siehe  DZA 21.953.230

Worte zu sprechen von Anubis: Gib acht, du, der gerecht richtet: Das Lot der Waage kommt zum Stillstand!

Schreibung tx (Quelle: Zettelarchiv)


Gruß und schönen Sonntag,
Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 10:11:29


35) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 04.10.2009 um 14:12:52

Hallo zusammen,

auch ich habe die fehlenden Stellen ergänzt. Dazu habe ich den Papyrus Hunefer zu Rate gezogen und die Übersetzungspassage von Michael aus dem anderen Thread.

Ich habe das Ganze nochmals überarbeitet und die Veränderungen eingefügt…


Versteckten Text anzeigen...

Dd mdw in im.i wt imi Hr=k pA wDa mAa.ti tx n mxA r aHa.w


Das Sprechen der Worte durch Imiut: Wende Dich zu der gerechten beiden Wahrheiten! Das Lot der Waage kommt zum Stillstand!





(Rainer Hannig, Marburger Edition, Seite 78: imperativ zu geben). Demnach müsst imi-Hr eigentlich "gib acht" heißen. Aber mit Blick auf das Bild habe ich mich letztlich für "wende Dich zu" entschieden.

mAa.tj = Dual. Die beiden Wahrheiten


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 11:53:26


36) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 04.10.2009 um 15:53:21

Hallo zusammen,

hier meine Lesung zur Rede des Toth:

Versteckten Text anzeigen...


Das Zeichen G26 müsste eigentlich G26B sein! Das Ganze entspricht den Zeilen 1, 2, 3, 4 und 5 oberer Teil

Dd mdw in DHw.ti tp-mAa.t n psD.t aA.t n.ti m-bAH wsir sDm.t n mdw.t pn m wn-mAa

Das Sprechen der Worte durch Thoth, (der) eine gerechte Entscheidung fällt für die große Neunheit (der Götter), der welcher vor Osiris ist! Das Hören dieser Worte in Wahrheit:





Diese Passage entpsricht Zeile 5 unten und Zeile 6 bis fast zum Ende:

iw(=i) wDa.n(=i) ip n wsir iw(=f) bA=f aHa m mtr.w rf zp=f mAa Hr-mxA wr

Ich bin es, der über das Herz des Osiris gerichtet hat.
Er ist es, dessen bA aufsteht als "sein" Zeugnis, der wahrhaft übrig bleibt, indem (er) ins Gleichgewicht bringt die Große!







Hier habe wir den Rest von Zeile 6 und Zeile 7 bis fast zum Ende:

ni.gm ntw btA=f nb ni.xbA=f Sb.w m rA-pr.w

Sie finden nicht alle seine Sünden, er mindert nicht die Nahrung (Opferbrote) im Tempel.








Und hier der Rest bis Zeile 10:

ni.HD=f ir.yt ni.Sm=f Xr rA=f n kA=w Dr wnn=f tp-tA

Er zerstört nicht (das) Gemachte, er geht nicht mit seinem Mund, etwas (das) sie sagen, seit er existiert auf der Erde.


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 00:29:48


37) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 06.10.2009 um 19:05:34 - Anhang: 3 Anhänge

Liebe Leute,

noch einmal zu der abschließenden Passage von Tb 30B:

nfr.wj nfr sDm=k
"Oh, wie schön ist es, wenn dein Hören gut ist!"

Es handelt sich um eine Formulierung, die so oder ähnlich häufiger vorkommt.

Zunächst die Fälle, die Wb IV, 385 unter sDm "hören = hinhören, gehorchen, gehorsam sein" aufführt:

Redensart: nfr sDm n rmT
"es ist für die Menschen gut zu hören"

Briefformel: nfr sDm=k
"es ist gut, wenn du hörst"

wobei es auch Fälle gibt, in denen diese Formulierung außerhalb der Briefe verwendet wird. Aus den Belegen habe ich ebenfalls Tb 30B ausgewählt, diesmal aus dem Grab des Haremhab.

Eine längere Passage, wie vorteilhaft das Hören für einen Sohn ist, findet sich in der "Lehre des Ptahhotep" (z.B. Hellmut Brunner, Altägyptische Weisheit, Zürich / München, 1988, S. 129f). Hieraus habe ich nur den Satz genommen, der ganz ähnlich der Tb-Formulierung ist (siehe Abbildung, die aus Zbyněk Žába, Les Maximes de PtaHHotep, Prague, 1956, S. 59 stammt; Zeilenzählung nach pPrisse):

[16,9] ... nfr.wj sDm sA n [16,10] jt=f ...
"Wie gut ist es doch, wenn ein Sohn auf seinen Vater hört." (nach H. Brunner)

Ganz in dieser Denktradition und in dieser Sprechweise richtet sich Ani an sein Herz und spricht die Erwartung aus, daß es auf seine Worte hören möge.

Zur Vertiefung dieser ganzen Problematik sollte man den interessanten Eintrag "Hören" im LÄ II, 1232-1235 nachlesen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 15:53:21


38) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 07.10.2009 um 08:41:32

Hallo Michael,

vielen Dank für die Ausführung und die Belege dazu. Jetzt ist auch mir "Blinden" alles klar geworden. An dieser Passage habe ich echt lange "rumgetüfftelt", weil nix passen wollte…

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 06.10.2009 um 19:05:34


39) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 12.10.2009 um 22:00:00 - Anhang: pAnhai_Text_Anubis.jpg

Liebe Seschen,

zum Text, der von Anubis gesprochen wird:

Versteckten Text anzeigen...
(a) Dd-mdw jn jmj-w.t
"Worte zu sprechen durch den Imiut"

Das habe ich so wie Du; ein n in der Umschrift ist bei Dir zuviel.

(b) jmj Hr=k
"Gib du acht!"

Auch hier teile ich Deine Übersetzung.

Mit dem folgenden habe ich meine Probleme. Ich glaube, der Text ist teilweise korrupt. Ein pA in dem Sinne, wie Du es vorgeschlagen hast, wäre schon ungewöhnlich. pA wdA mAa.t "der / dieser gerecht Richtende": Wer wird hier angesprochen? Es ist doch die Waage oder genauer: die Wägung, die richtet!

Daher habe ich nach einer Parallele gesucht und eine gefunden: pAnhai (BM 10472), Tafel 4. Eine Abbildung findet sich in: Evelyn Rossiter, Die ägyptischen Totenbücher, Lizenzausgabe für Buchgemeinschaften, o.O.u.J. [1979], S. 102-103. Leider geht der Buchfalz mitten durch den Text. Ich habe daher einen Ausschnitt aus E. A. Wallis Budge, The Book of the Dead. Facsimiles of the Papyri of Hunefer, Anhai, Kerasher and Netchemet with Supplementary Text from the Papyrus of Nu with Transcripts, Translations, etc., London, 1899 (Tafel 4 des Paprus von Anhai) beigefügt. Hier ist der Text ähnlich:

Dd-mdw jn Jnpw xntj sH-nTr
"Worte zu sprechen von Anubis, der der Gotteshalle vorsteht"

Jnpw xntj sH-nTr "Anubis, der der Gotteshalle vorsteht" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 734) - Sieht fast aus wie Hw.t-nTr "Gotteshaus, Tempel", aber das Beiwort gilt für die oben angegebene Übersetzung. Siehe auch die Bemerkung im Zettelarchiv bei den Schreibungen zu sH-nTr: "nicht immer von [Hw.t-nTr] zu scheiden" (DZA 28.703.020).

jmj Hr=k
"Gib du acht!"

Soweit sinngemäß identisch wie bei Ani. Dann geht's weiter mit:

wDa pA tx mxA.t
"Das / dieses Lot der Waage richtet / entscheidet."

wDa "richten, entscheiden" (Hannig, S. 233)

Der Text wird links fortgesetzt (hier nicht abgebildet) "für den Osiris ..."

pA ist hier entweder schon Artikel für tx "das Lot" oder noch Demonstrativpronomen (Hannig, S. 269-270); dann hieße es: "dieses Lot der Waage" (siehe auch: Gardiner, Egyptian Grammar, § 112 "Meaning of the demonstratives" am Ende).

Damit ließe sich folgender Text für Ani rekonstruieren:

(c) wDa mAa.t [pA] tx n (d) mxA.t r aHaw=s
"Das / dieses Lot der Waage entscheidet / richtet gerecht gemäß ihrer Position."

Zur Schreibung: Unter dem Aa21 ist ein Arm D36 erkennbar. Ich meine auch, unter dem Maatzeichen Aa11 noch ein t zu sehen. Die beiden Striche kann ich im Moment nicht einordnen. In der schadhaften Stelle paßt ein x (Aa1) gut rein.

Statt wDa "entscheiden" bei Anhai heißt es hier wDa mAa.t "gerecht entscheiden"; statt eines direkten Genetivs tx mxA.t steht hier ein indirekter tx n mxA.t. Zusätzlich folgt ein r aHaw=s. Die einzige Korrektur, die ich vorgenommen habe, ist die Einordnung des pA.

r "(7) [Betreff] hinsichtlich, in bezug auf, von" (Hannig, S. 453)

Es heißt "ihre Position" und muß sich auf die Waage beziehen, ein feminines Bezugswort. Vielleicht kann man auch übersetzen: "gemäß ihres Stillstandes" (= wenn die Waage zur Ruhe gekommen ist, entscheidet das Lot).


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 11:53:26


40) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 13.10.2009 um 11:25:12 - Anhang: das_lot.jpg

Hallo zusammen,

man hat mich übersehen

Nicht desto Trotz habe ich die Lesung von Michael aufgegriffen und im Digitalen Zettelarchiv gesucht. Ich habe eine Schreibung für "das Lot" gefunden, die eventuell die beiden Striche erklären könnte. Seht das Bild im Anhang! Ich vermute mal, dass mit dem etwas verunglückten Zeichen "T55" gemeint ist.

Daraus vereinfacht sich der Satz:

Dd mdw in im.i wt imi Hr=k pA wDa mAa tx n mxA r aHa.w

Worte zu sprechen durch (den) Imiut: "Gib acht, Du! Gerecht richtet das Lot der Waage, wenn es stillsteht."

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 12.10.2009 um 22:00:00


41) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 14.10.2009 um 12:25:56

Lieber Thomas,

Zitat:
man hat mich übersehen

Das tut mir leid, aber bei all den "versteckten Texten" habe ich Deinen Beitrag tatsächlich übersehen!

Ich gehe jetzt aber nur auf Deine neue Lesung ein:

Versteckten Text anzeigen...
Mit Deinem Hinweis auf die Schreibung von tx klären sich die zwei Striche. Das schemenhaft erkennbare t ist dann tx zuzuordnen.

Daher müssen wir bei wDa mAa(.t) ein .t ergänzen (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 233; Wb. I, 405).

mxA.t "Waage" mit .t am Ende (Hannig, S. 357)

Sowohl Du als auch Seschen ignorieren das =s am Ende der Passage r aHaw=s.

Zur Einordnung des pA hatte ich mich in meinem vorherigen Posting geäußert.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 13.10.2009 um 11:25:12


42) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Seschen am 14.10.2009 um 13:47:21

Hallo, alle!

Zitat:
Ich habe eine Schreibung für "das Lot" gefunden, die eventuell die beiden Striche erklären könnte.

Ich habe schon in meinem Beitrag vom 04.10. genau den Zettel eingefügt! Die Schreibung (ganz unten) könnte in die Lücke im Ani-Papyrus passen und erklärt die beiden noch sichtbaren Striche, die Michael nicht einordnen konnte. (Wurden meine, im versteckten Text eingefügten Grafiken übersehen?)

Thomas, in deiner letzten Übersetzung ignorierst du das Zeichen G 14, das hier nicht so richtig reinpassen will.
G 14, Lautwert pA, kann Demonstrativpronomen ("dieser"), Relativpronomen ("der, welcher") oder bestimmter Artikel ("der") sein (je nach Sprachstufe). Ich habe mehrere Zettel gefunden, wo pA als Anrede ("du") übersetzt wurde.

Michael, du schreibst, dass sowohl Thomas als auch ich das =s am Ende der Passage r aHaw=s ignorieren.
Ich sehe das Zeichen nicht als s  
 an, sondern als  Y1  
.
Die Buchrolle ist als Determinativ für aHa.w belegt (DZA 21.953.230).

Ich vertrete noch immer die Meinung, dass Anubis seine Worte an Thot richtet. Thot richtet die Wahrheit. "Der die Wahrheit richtet" ist ein Epitheton zu Thot.

Zur vergleichbaren Stelle im Papyrus Anhai:
Michael, könnte das erste Zeichen in der letzten Spalte nicht ein F 34 jb (Herz) mit Logogrammstrich Z1 sein? So sieht das nämlich E. A. Wallis Budge:



Gruß, Seschen  

> Antwort auf Beitrag vom: 14.10.2009 um 12:25:56


43) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 thomas am 14.10.2009 um 15:57:33 - Anhang: Bildschirmfoto_2009-10-14_um_15.56.02.jpg

Hallo Seschen,


Zitat:
Ich habe mehrere Zettel gefunden, wo pA als Anrede ("du") übersetzt wurde.


Deshalb habe ich das pA nicht mit übersetzt, weil ich das zum "Du" gehörend ansehe. Vielleicht könnte man noch …Gib ach du, der gerecht (aus)richtet das Lot der Waage… übersetzen. In der Grammatik von Edel ist dazu unter §927 ein schönes Beispiel, dass mich auf diesen Weg gebracht hat. Siehe Anhang.

Deinen Zettel habe ich gesehen, nicht aber die Logik der "beiden Striche".

Last but not least halte auch ich das letzte Zeichen nicht für ein "s" sondern für das "Y1".

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 14.10.2009 um 13:47:21


44) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 14.10.2009 um 22:34:01 - Anhang: DZA_22729530_wDa-mAat.jpg

Hallo, Seschen, hallo, Thomas,

Ihr laßt ja nicht locker!

Budges Lesung können wir wohl ignorieren: Ein jb mxA.t ist ansonsten nicht belegt (die Schreibung ähnelt sehr dem jb-Zeichen; siehe den von Euch beigefügten Zettel aus dem DZA).

Zitat:
Ich vertrete noch immer die Meinung, dass Anubis seine Worte an Thot richtet. Thot richtet die Wahrheit. "Der die Wahrheit richtet" ist ein Epitheton zu Thot.

Das stimmt zwar, aber ich meine, in diesem Kontext den Satz so zu verstehen, wie er auf diesem Zettel aus dem DZA angegeben ist: "es ist das Zünglein, welches die Wahrheit richtet"; auch wenn Thot angesprochen wird.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 14.10.2009 um 15:57:33


45) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Seschen am 14.10.2009 um 22:46:31

Hallo, Michael!

Auf dem Zettel den du beigefügt hast steht:

Er ist das Zünglein, welches die Wahrheit richtet.

Wer auch immer dieser "er" sein mag, ich kann das auf die Schnelle nicht lesen.

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 14.10.2009 um 22:34:01


46) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 15.10.2009 um 22:36:25

Liebe Seschen,

tx pw wDa mAa.t
"Er ist das Lot, das gerecht richtet"

Damit fängt ein neuer Satz an; ein Satz eines speziellen Typus:

Zitat:
The use of the demonstratives ... gave rise to an idiom of the highest importance; the demonstrative pronoun pw ... came to be employed as logical subject after logical predicates consisting of a noun, not however with its own proper meaning of 'this' or 'that', but as an equivalent for 'he', 'she', 'it' or 'they' invariable in number and gender. ... Exx. Ra pw it is Re or he is Re ... ntf pw m mAa.t it is he in truth ... (Gardiner, Egyptian Grammar, § 128 "Use of pw for the pronoun 3rd pers.")

Das Ganze ist in dem angeführten Zitat aus dem Zettelarchiv ein Epitheton eines Gottes. Das tut aber nichts zur Sache. Worauf es mir ankommt, ist die Rolle des Lotes.

Im Thread Totenbuch des Hunefer1 heißt es zur Passage Ho-5-7: "Er [Hunefer] ist geprüft worden durch die Waage. Das Lot ist an seine (richtige) Stelle getreten."

Ich stimme mit Dir überein, daß Thoth angesprochen wird, nicht aber als einer, der "gerecht richtet", sondern als einer, der das Ergebnis der Wägung zu protokollieren hat: Es ist das Lot, das gerecht richtet!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 14.10.2009 um 22:46:31


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=jut&action=display&num=1060508307&pnum=091003112639&start=39#39


47) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Michael Tilgner am 17.10.2009 um 20:50:44 - Anhang: 2 Anhänge

Liebe Leute,

bisher hat nur Thomas einen Übersetzungsvorschlag für die Rede des Thoth gemacht. Oder habe ich da jemanden übersehen?

Ich gehe daher nur auf den Anfang ein, vielleicht schließt sich der eine oder die andere noch an ...

Versteckten Text anzeigen...
(1) Dd-mdw jn +Hw.tj
"Worte zu sprechen durch Thoth"

(2a) wp mAa.t n psD.t aA.t
"der eine gerechte Entscheidung fällt für die Große Neunheit"

wpj mAa.t "eine gerechte Entscheidung fällen, gerecht richten" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 190) - beim (perfektischen aktiven) Partizip fällt der letzte schwache Radikal weg (Gardiner, Egyptian Grammar, § 359 unter 3ae inf.). Zur Schreibung mit F13 und H6 siehe Zettel DZA 22.280.250 aus dem Digitalen Zettelarchiv.
Siehe auch Christian Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Bd. 2, S. 349: Wp-MAa.t-n-psD.t

Nun hatte ich mich gerade dafür stark gemacht, daß Thoth gar nicht die Entscheidung fällt! Mir würde die Bedeutung (10) aus dem Eintrag von Hannig besser gefallen: "bestimmen, feststellen", also: "der die Maat für die Große Götterneunheit feststellt"

(2b-3) ntj m-bAH Wsjr
"die vor Osiris ist"

"die"? psD.t ist doch feminin, es müßte also nt.t heißen! Hierzu merkt jedoch Gardiner an: "Later nty appears to become invariable, ex. nty (for ntt) ..." (§ 199 "The relative adjective nty")

Bis hierhin erstmal!


Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 04.10.2009 um 15:53:21

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48) Re: Vignette 4 - Papyrus des Ani
 Seschen am 17.10.2009 um 21:13:27

Hallo, Michael!
Ich wollte vorhin meine Übersetzung posten, bin jedoch durch einen Anruf davon abhehalten worden.

Rede das Thot:



Versteckten Text anzeigen...
(1)
Dd mdw jn DHwtj
Worte zu sprechen von Thot,

(2-3)
wp-mAa.t n psD.t-aA(.t)  
...der gerecht richtet, zu der Großen Neunheit,

wp-mAa.t - eine gerechte Entscheidung fällen, gerecht richten (H. 190-3)
psD.t-aA.t - die Große Neunheit (H. 296)

(2-3)
n.tj m-baH Wsjr
...die (welche) vor Osiris ist:

n.tj - die welche   (Relativpronomen)
m-baH - vor (Präposition, H. 1039)
Wsjr - Osiris

(4)
sDm tn mdw.t pn
Hört diese Rede,

sDm -  hören
tn - ihr (abhängiges Pronomen 2. Pers. Plural)
mdw.t / mdw - Rede, (H. 378) (fem. / mask.)
pn - dieser (Demonstrativpronomen mask. Sing, H. 276) Hier wäre tn - diese (Dem.pron. fem. Sing.) korrekt!

(5)
m wn-mAa
...(die) wahr / richtig ist. (wörtl.: in Richtigkeit ist)

m - in (Präposition)
wn-mAa - Richtigkeit  (H. 316-9)

jw wDa.n (=j) jb n Wsjr
(Ich) richtete das Herz des Osiris

jw - nichtenklidisches Partikel, bestätigt od. bekräftigt Ausage (konfirmativ, meist nicht übersetzt, H. 31-1)
wDa - richten (H. 233-8)
jb n Wsjr - Herz des Osiris ("Osiris" i.S.v. Verstorbener, H. 214--2), indirekter Genitiv

(6)
jw bA=f aHa(.n)   mtr(.n) r=f  
...wobei seine Ba-Seele auftrat (und) in bezug auf ihn Zeuge war.

jw - wobei (Partikel, H. 31-2)
bA=f - seine Ba-Seele (H. 237-1)
aHa  - (stehen, auftreten [bei Gericht]  H. 154-7)
mtr -  bezeugen, Zeugnis ablegen, Zeuge sein (H. 375-1)
r - hinsichtlich, in bezug auf (Präposition [Betreff], H. 453-7)
=f - er, ihn (Suffixpronomen 2. Pers. Sing., mask.)

zp=f mAa Hr mxA.t wr(.t)
Sein Charakter ist gerecht befunden auf der großen Waage.

zp=f sein Wesen, Charakter (H. 691-8)
mAa - wahrhaft, sündlos, gerecht befunden (H. 315-6)
Hr - auf (Präposition [räumlich] H. 546-1)
mxA.t - Waage, Standwaage (a. beim Totengericht) (H. 357)
wr - groß; hier zu wr(.t) ergänzt (fem. Form des Adjektivs in Übereinstimmung mit dem fem. Substsntiv)

(6) - (7)
n gm.n=tw btA=f nb
Man fand keine Sünde an ihm.
(wörtl.: Man fand nicht irgendeine "seine  Sünde")

n - Negation (H. 387-1)
gmj - finden, entdecken, entdeckt werden, vorfinden (H. 899)
=tw - man (unbestimmtes Pronomen, H. 919))
btA - Sünde, Verbrechen, Untat, Vergehen (H. 265)
=f seine (Suffixpronomen 2. Pers. mask. Sing.)
nb - irgendein (H. 402-4)

n xb(.n)=f Sb.w m rA.w-pr.w
Er hat nicht geschmälert die Opferspeisen in den Tempeln.

n - Negation (H.387-1)
xbj - verkleinern, schmälern, vermindern (H. 590-1)
=f - er
Sb.w - Speiseopfer (H. 812)
m - in (Präposition, H. 311-1)
rA-pr - Tempel, Kultstätte (H. 458)

(7) - (8)
n HD(.n)=f jr.yt
Er hat nicht zerstört was gemacht wurde ("das Gemachte")

n - Negation (H.387-1)
HDj - zerstören, beschädigen, vernichten (H. 575)
=f - er
jr.t (jry.t) - Tat, das Gemachte (H. 91-2)

(9) - (10)
n Sm=f Xr rA=f
Er war nicht geschwätzig (wörtl. Er "ging nicht mit seinem Mund")

n - Negation (H. 387-1)
Smj - losgehen, gehen (H. 818);  
Xr - mit (Präposition [Koordination], H. 638-8; in Verbindung mit Verben: kommen, gehen mit etwas, WB 3, 387.25)
rA=f - sein Mund
Smj rA=f - geschwätzig sein (H. 818-7); Sm-rA - Schwätzer (H. 819); WB 4, 465-15

(10)
n kj-wj* Dr wnn=f tp tA
... zu den Anderen (/Leuten), seit er auf Erden ist.

n - zu (Präposition)
* kj.wj (bzw. kA.wj)  - Volk, Menge,  (H. 879); bzw. die Anderen, Leute (WB 5, 116)
Dr - seit, seitdem (Präposition [zeitlich], H. 1011-3)
wnn=f - er ist, er existiert (H. 194)
tp-tA - auf Erden (H. 925-3)

Zusammenfassung:

Worte zu sprechen von Thot, der gerecht richtet, zu der Großen Neunheit, die vor Osiris ist:
"Hört diese Rede, die wahr ist!
Ich richtete das Herz des Osiris  wobei seine Ba-Seele auftrat und in bezug auf ihn Zeuge war.
Sein Charakter ist gerecht befunden auf der großen Waage.
Man fand keine Sünde an ihm.
Er hat nicht geschmälert die Opferspeisen in den Tempeln.
Er hat nicht zerstört was gemacht wurde.
Er war nicht geschwätzig zu den Anderen, seit er auf Erden ist."


Schönen Sonntag, Gruß
Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 17.10.2009 um 20:50:44