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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 14.11.2009 um 10:46:27 - Anhang: Ausschnitt_A_low.jpg

Liebe Leute,

aus gegebenem Anlaß schlage ich vor, eine Passage aus einem längeren Abschnitt zu übersetzen, den ich in einem bekannten Papyrus gefunden habe. Ja, ja, ich weiß, meine Geheimniskrämerei hält Eurem kriminalistischen Spürsinn nicht lange stand ...

In der Abbildung habe ich das zu Übersetzende hervorgehoben. Die Text ist retrograd geschrieben, d.h. die Spalten sind entgegen der Leserichtung zu bearbeiten, also von links nach rechts.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


2) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Haiko Hoffmann am 16.11.2009 um 01:59:21

Hi,
ich habe mal versucht, das Ganze zu schreiben und hoffe, dass ich es hinbekommen habe:

Versteckten Text anzeigen...
1. Kolumne:


2. Kolumne:




3. Kolumne:



4. Kolumne:



Ich hoffe, ich habe es richtig gemacht. Und wenn ja, dann hoffe ich, dass das ein Ansatz zum Weiteren ist. Bei der 2. Kolumne bin ich mir nicht sicher, ob da statt tA:Z1*N21 nicht vielleicht eher N16a mitsamt Z1 dort hingehört - allerdings hat N16a nicht nur ein sondern zwei mit dem N21 (zweites spiegelverkehrt) ähnliche kleine Zeichen, welche die 3 Punkte flankieren. In der Vorlage aber gibt es scheinbar nur ein kleines "N21". In der 3. Kolumne bin ich mir nicht sicher, ob es (in der 1. Zeile) anstelle des
nicht doch eher ein
sein sollte*. ...

* Seschens Hinweis (s.u.) führt schließlich zu O50, d.h.  
.


Gruß Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 14.11.2009 um 10:46:27


3) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Haiko Hoffmann am 16.11.2009 um 11:34:51

Hi,
Und jetzt habe ich die Passage auch noch gefunden! ...

Dort sieht es danach aus, als wenn es in der 3. Kolumne tatsächlich eher O48 sein dürfte, auch wenn die Striche im Kreis schräg stehen. Und bezüglich der 2. Kolumne (... tA:N21*Z1 ...) habe ich die Zeichen anscheinend nicht ganz richtig gesetzt, d.h. es könnte sich um "tA" (mit den 3 Punkten UND einem kleinen "N21"-ähnlichen) handeln plus Z1 und nicht "tA:N21*Z1". Sicher bin ich mir allerdings auch danach nicht. Laut der Quelle ist auch am Anfang der 2. Kolumne scheinbar ein kleiner Unterschied zur Vorlage von Michael vorhanden. Experten können da aber sicher eher entscheiden, was korrekt ist.

Zwar ist in dieser Quelle die Transkription sehr anders, d.h. man müsste sie noch einmal ganz neu schreiben - aber ich denke, dass ich nun einen Vorteil hätte, so dass ich bei dieser Aufgabe nicht weiter mache und nur noch zuschaue. Das gleiche betrifft auch die Übersetzung.

Viel Erfolg!

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 16.11.2009 um 01:59:21


4) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Seschen am 16.11.2009 um 20:57:36

Hallo, Haiko!

Schön, dass du dich beteiligst und die Umzeichnung gemacht hast. Ich bevorzuge auch Inschriften in Zeilen und von links nach rechts zu lesen. Und diese Totenbuch-Schrift ist nicht immer eindeutig zu entziffern.

Am Anfang der 2. Kolumne ist auf dem Original eindeutig ein D36. Ich vermute aber, es ist als D37 zu lesen. Hannig schreibt auf Seite 1036:
Zitat:
D36 (Vorderarm)... ersetzt häufig D37, D38, D39, D40, D41, D42, D43, D44

In der 2. Kolumne sehe ich das Z1 vor dem N21, was aber bedeutungslos ist.
In der 3. Kolumne (Ende deiner ersten Zeile) ist das Zeichen kein Aa1 und kein O48, sondern ein O50. Es ist phonetisches Komplement zu den beiden vor ihm stehenden Zeichen.
In der 4. Kolumne ist die Verbindung der Zeichen D3 und U2 zur Lesung wichtig!
Die Gardiner-Nummer für die  Kombination
 ist U3.


Zitat:
Zwar ist in dieser Quelle die Transkription sehr anders, d.h. man müsste sie noch einmal ganz neu schreiben...

Anders als was?  Dann schreib sie ganz neu, das bringt dir mehr als nur zusehen!

Schöne Grüße,
Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 16.11.2009 um 11:34:51


5) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 16.11.2009 um 22:25:01

Hallo, Leute,

Seschen hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß die dunkle Markierung am Schluß nicht weit genug geht. Ich habe das in der Abbildung korrigiert. Danke, Seschen!

Der erste Schritt - die Hieroglyphen zu erkennen - ist in Arbeit: Dieses Vorgehen ist genau richtig! Danach stehen Umschrift und Übersetzung an.

Es war mir schon klar, daß über kurz oder lang der Textausschnitt von Euch identifiziert wird. Das sollte aber Euch nicht von der weiteren Bearbeitung abhalten, auch wenn Euch eine Übersetzung vorliegt. Diese nachvollzuziehen, kann schon schwierig genug sein, das haben wir hier in diesem Forum schon öfter erlebt. Gelegentlich stellt man auch fest, daß der Ägyptologe bzw. die Ägyptologin auch nur geraten hat, mangels vergleichbarer Texte z.B.

Also: Dranbleiben!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 16.11.2009 um 20:57:36


6) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Haiko Hoffmann am 17.11.2009 um 11:01:16

Liebe Seschen, lieber Michael,
habt Dank für die hilfreichen Tipps. Ich nehme auch an, dass die Angabe in meiner Quellenvorlage richtig ist (D37), da es eher Sinn macht als D36, zumal Hannig auf die Variation hinweist. Dass ich U3 übersehen konnte ist ärgerlich. Das werde ich in meiner Umschreibung ändern, ebenfalls zu O50. Dann werde ich mich also weiter beteiligen, auch wenn ich jene Stelle gefunden habe und Skrupel hatte, hier mit Übersetzungen aufzuwarten, die mir nun vorliegen. Allerdings will ich diese selbst noch einmal kritisch betrachten, da die Übersetzung nicht ganz neu sein dürfte. Bei der 2. Kolumne (zu dem, was ich mit N21 verband), bin ich mir nun doch schlüssig geworden, obwohl das eine Zeichen unter N16 eigentlich spiegelverkehrt aussieht. Und natürlich gehört das Z1 davor. Bei Wallis sieht es eher nicht wie eine 3er-Gruppe aus sondern wie N16a*Z1, aber am Ende dürfte ausschlaggebend sein, was die originale Vorlage zeigt.

Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 16.11.2009 um 22:25:01


7) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Haiko Hoffmann am 17.11.2009 um 11:43:05

Hi,
wegen des Anderssein der Transkription (siehe Seschens Frage weiter oben) nur mal zu Kenntnis: Die Transkription der Vorlage (E.A.Wallis, The Egyptian Book of the Dead, Dover Publications, New York 1967, p. 187, 342 (Pl. XXIX, col. 17-19) geht etwa so (entsprechend meiner Zeilenfolge):

áu

erţā-ná hab-f uru áu-á ķert
er ḥet’ árit-ná nebt áu ta pen er
ī em Nu

em huhu má ṭepi-f ā nuk sep
hena Áusár ári-ná χeperu-á em keteχu

ḥeftu án reχ-sen reθ
án maa-sen neteru


Versteckten Text anzeigen...
Mein erster Versuch einer Umschrift mitsamt Fehlern könnte evtl. so aussehen:

jw

rdj-n=j hb=f wrw jw=j grt
r HD jrt-n=j nb.t jw tA pn r
jj m Nw

m HwHw mj tp.j=f a nw=k zp
Hna Asjr/Wsjr ir-n=j xpr.w=j m k.t-jx.t

[H]-ft.w nn rx-zn rmT
an mA-zn(.w) nTrw


Zum Anfang der 4. Kolumne setzt Wallis in Klammern noch H, d.h.  


Gruß Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 17.11.2009 um 11:01:16


8) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 17.11.2009 um 13:59:21

Hallo, zusammen,

die Transkription von Budge sollten wir ignorieren; die war schon zur Zeit ihrer Veröffentlichung veraltet. Auch eine Diskussion über Budges Wirken in der Ägyptologie sollten wir an dieser Stelle vermeiden.

Konzentriert Euch bitte auf Haikos Vorschlag bzw. macht Ergänzungen oder Verbesserungen dazu.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 17.11.2009 um 11:43:05


9) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 thomas am 17.11.2009 um 17:16:04

Hallo zusammen,

so: hier meine fertige Lesung. Bin gespannt…

Versteckten Text anzeigen...

iw r Di(.t) n=i hAb=f smsw-nTr.w
Es wird mir gewährt, (dass) er den ältesten der Götter sendet.

Marburger Edition, Seite 514, Punkt 3: gewährleisten, gewähren


iw=i gr.t r HD ir.t n=i nb.t
Ich werde ferner alles für mich Gemachte schädigen.

Für beide:
§332 Alan Gardiner, The pseudo-verbal construction with r + infinitiv


iw tA pn r ii m nwn
Es ist dieses Land, (die) kommen wird von Nun (dem Gott)


m Hwhw mi tpi=f a
als Flut wie sein (=dem Gott Nun sein) früherer Zustand war.

Wb. III, Seite 56.15: HwHw = Flut
Marburger Edition, Seite 997, tp.t-a: mi tp.t=f a = wie sein früherer Zustand war


ink spi Hna wsir
Ich bin (der, der) übrig bleibt zusammen mit Osiris



ir.n=i xpr.w=i m ktx.t=f tw HfA.w
Ich habe gemacht meine Gestalt aus diesen seinen anderen Schlangen.

Wb. V, 244.9 tw = diese, [pron. dem. fem. sg.]
Wb. V, Seite 114, ktx.t; andere (Dinge), Andere(s)


nn rx=sn rmT.w nn mAA=sn nTr.w
Nicht kennen sie (=die Schlangen) die Menschen, nicht sehen sie (=die Schlangen) die Götter.


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 17.11.2009 um 13:59:21


10) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Seschen am 18.11.2009 um 20:30:18

Hallo,

auch ich stelle meine Übersetzung zur Diskussion.

Vorerst eine kurze Bemerkung:
Leider ist die Transkription intenational unterschiedlich.
Ich schlage vor, dass wir hier einheitlich umschreiben sollten:
- Vor den Suffixpronomina wird ein Gleichheitszeichen gesetzt.
- Mit einem Punkt vom Wortstamm abgegrenzt werden die Feminin-, Dual- und Pluralkennzeichnungen sowie die Bildungselemente verschiedener Verbalformen.
- Ein Bindestrich zeigt den direkten Genitiv an, die Verbindung Artikel mit Substantiv und sonstige, enge Wortverbindungen.


Versteckten Text anzeigen...
jw  rD(j).n=j  hAb=f  wr.w
Ich habe veranlasst, dass er die Großen aussendet.

jw - Partikel am Satzanfang mit der Bedeutung (in etwa) "wahrlich", wird nicht übersetzt. (Hannig S. 31)
rDj - veranlassen, dass (Hannig S. 484.2)
hAb - schicken, aussenden (Hannig Seite 487.1)
wr - der Große, Bezeichnung für einen Gott (Hannig S. 203 u. 1027 zu A19) und Wb 1, 329.2 (Plural: die Großen; Gottheiten im Jenseits); in der Inschrift im Plural



Versteckten Text anzeigen...
jw=j  gr.t r HD(j) jr.t  n=j  nb.t
Ferner werde ich alles von mir Gemachte zerstören.

jw=j - ich
gr.t - auch, ferner (enkl. Partikel, Hannig S. 902)
HDj - zerstören (Hannig S. 575); r HDj -  pseudoverb. Konstruktion
jr.t - das Gemachte (Hannig S. 91.2)
n=j - von mir / durch mich
nb.t - alles



Versteckten Text anzeigen...
jw  tA  pn  r  jj  m  nwn  m  HwHw  mj  tp.j=f  a
Dieses Land wird zurückkehren in das Urwasser, in die Flut*, wie sein früherer Zustand war.

tA pn - dieses Land
r  jj - wird kommen / zurückkommen / zurückkehren (Hannig S. 27); pseudoverb. Konstruktion
m - in (Präposition, örtlich; Hannig S. 311.2)
nwn (nnw, nw) - Urwasser (Hannig S. 339.2)
m - in (Präposition, örtlich; Hannig S. 311.2)
HwHw - Flut (Hannig S. 520, *unsicher)
mj  tp.j=f  a - wie sein früherer Zustand war; wie früher (Hannig S. 926.3)



Versteckten Text anzeigen...
jnk zp  Hna  Wsjr
Ich bin es, der weiterlebt, zusammen mit Osiris,

jnk - ich bin (Hannig S. 79)
zpj - übrig bleiben, weiterleben, am Leben bleiben (Hannig S. 692)
Hna - zusammen mit (Präposisition koordinierend, Hannig S. 358.2)
Wsjr - Osiris  



Versteckten Text anzeigen...
jr.n=j  xprw=j  m  k.t  Hf(A).wt (?)
wenn ich mich verwandelt habe in andere Schlangen,

jrj xprw m - verwandeln in (Hannig S. 595.3)
k.t (kj.tj) - andere (fem. Plural) (Hannig S. 878)
HfA.t - Schlange (Hannig S. 525.1), in der Inschrift fehlerhaft geschrieben; Pluralform in der Inschrift
(Meine Übersetzung basiert auf der Abkürzung I15 und Z2.)



Versteckten Text anzeigen...
nn rx=sn  r(m)T  nn mAA=sn  nTr.w
die die Menschen nicht kennen (und) die die Götter nicht sehen.

nn - (Negation) nicht (Hannig S. 416)
rx - kennen (Hannig S. 474.1)
=sn - sie (Suffix-Pronomen, 3. Pers. Plural; Hannig S. 712)
rmT - die Menschen (Hannig S. 467.3)
mAA - sehen (Hannig S. 314)
nTr - Gott, in der Inschrift Pluralform


Gruß, Seschen



> Antwort auf Beitrag vom: 17.11.2009 um 17:16:04


11) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Haiko Hoffmann am 20.11.2009 um 09:46:47

Hi,
ich habe hier1 einen Teil des Textes mit einer Übersetzung gefunden.

Für mich ist noch nicht klar, ob nwn bzw. Nwn/Nw.w nun das Urwasser oder eine Gottheit ist, denn es steht ja auch noch das entsprechende Determinativ. Laut Zettelarchiv bzw. TLA scheint beides möglich.

Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2009 um 20:30:18


1: http://aaew.bbaw.de/dza/26/26655000/26659130.gif


12) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Haiko Hoffmann am 20.11.2009 um 10:38:41

Hallo Seschen,
in der vorletzten Zeile, d.h. zu
könnte es bei den evtl. so heißen: k.t-jx.t oder auch k.t-(j)x.t
siehe u.a. hier1 oder hier2 oder hier3

Noch eine Frage: Im Papyrus ist bei
das t kleiner vor das w gesetzt, was dann wie
aussieht.* Hat das eine Bedeutung für die Lesung? Ich hörte unlängst, dass auch ein t vor z.b. dem Kücken aus ästhetischen Gründen so gesetzt werden kann, auch wenn man evtl. statt tw doch wt zu lesen hätte. Die Lesung HfA.wt  zu TLA, Lemma-Nr. 104360, erscheint mir dem "verdächtig" nahe, weil das "... .wt" steht. Der Zettel4 widerspricht dem aber wiederum.

* im Papyrus fehlt das
am Wortanfang.

Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 18.11.2009 um 20:30:18


1: http://aaew.bbaw.de/dza/30/30580000/30581780.gif
2: http://aaew.bbaw.de/dza/30/30580000/30581770.gif
3: http://aaew.bbaw.de/dza/30/30580000/30581670.gif
4: http://aaew.bbaw.de/dza/26/26715000/26717580.gif


13) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 22.11.2009 um 18:40:59 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo, Leute,

nun, es war nicht lange zu verheimlichen: Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Totenbuchspruch 175 aus dem pAni, Tafel 29 (Abbildung aus: Edmund Dondelinger, Papyrus Ani (BM 10.470), Graz, 1978).

Dieser Spruch besteht aus mehreren Abschnitten und beinhaltet ein Gespräch zwischen Atum und Osiris, das sie im Jenseits führen. Die von mir zitierte Stelle ist eine Passage aus Atums Antwort auf die Frage von Osiris: "Wie
steht es nun mit der Lebenszeit, die dort [im Jenseits] verbracht wird?" Darauf Atum: "Du wirst Millionen und Abermillionen (von Jahren verbringen), eine lange Zeit von Millionen (Jahren)." Dann geht es weiter mit dem angegebenen Text:

Versteckten Text anzeigen...
jw rdj.n=j hAb=f smsw.w
"ich habe veranlaßt, daß er die Ältesten sandte"

rdj "veranlassen, daß" - rdj wird für das Mittelägyptische mit d umschrieben. Gardiner, Egyptian Grammar, § 289 "Anomalous verbs", 1. 'Give': "rdi (originally perhaps rDi) ..." - Die Klammer in rd(j).n=f signalisiert ja, daß ein zu schreibendes j hier weggefallen ist; dem ist aber nicht so: Gardiner, § 413 "Forms from the mutable verbs"
für das sDm.n=f führt die hier verwendete Schreibung als eine übliche an.

Zur Lesung von A19 "gebeugter, älterer Mann mit Stock" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1027): smsw "ältester" und wr "Großer". Das Wb. hat sich, auch bei dieser Stelle, für wr.w "die Großen" entschieden. Andererseits gibt es auch smsw den "Ältesten" als Beiwort eines Gottes bzw. die Bezeichnung "die Ältesten" (Wb. IV, 142). Es ist daher schwierig zu entscheiden, welche Lesung vorzuziehen ist. Nach LGG VI, 356 ist nach der Schreibung smsw.w anzunehmen. Die Schreibungen für wr.w in LGG II, 471 entsprechen nicht unserer Vorlage. [Beide Seiten sind leider nicht in der Google Buchsuche einsehbar.] Wie man den beiden LGG-Einträgen entnehmen kann, nämliche die Verweisung auf den jeweils anderen Eintrag, besteht eine grundsätzliche Unsicherheit, wie A19 zu deuten ist. Inhaltlich paßt "Ältester" - siehe auch im begrifflichen Umfeld "Ältester der Urgötter" - besser zum Gespräch.
Das nTr-Zeichen ist Determinativ.

jw=j grt r HD(.t) jr.t.n=j nb.t
"Ferner werde ich all das, was ich geschaffen habe, zerstören"

Seschen und Thomas weisen zu Recht auf die pseudoverbale Konstruktion hin: jw=j r HD.t. Diese besteht hier aus r + Infinitiv. Der Infinitiv von HDj lautet HD.t, da bei Verben mit einem "schwachen" Konsonanten an dritter Stelle (tertiae infirmae) dieser wegfällt und sich ein .t anschließt (sog. femininer Infinitv), siehe: Gardiner, § 299 "Forms of the infinitive" unter 3ae inf. Nach Gardiner, § 332 "The pseudo-verbal construction with r + infinitive" wird mit dieser Form eine zukünftige Aktion ausgedrückt:

Zitat:
This construction is often used to express future action, whether simply or as conditioned by the speaker's will; in other words, it corresponds alike to English 'will' and to English 'shall'.

Das .t ist bei Ani weggefallen; in einem Paralleltext aus dem Grabe des Cha ist es jedoch geschrieben. Es handelt sich wohl nicht um einen Fehler, sondern um eine Erscheinung, wie sie in den spätmittelägyptischen Texten üblich wird; so schreibt Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, Wiesbaden, 1996, § 158 (Infinitive III-inf.): "In den meisten Fällen wird keine Endung .t geschrieben." Ani lebte in der 19. Dynastie, während der Architekt Cha unter Thutmosis III., Amenophis II. und Thutmosis IV. (18. Dyn.) wirkte.

Das folgende jr.t.n=j interpretiere ich als sDm.(w)n=f-Relativform. Die Relativformen werden bei Gardiner, §§ 380 ff. besprochen. Nur soviel: "... a class of verb-forms best translated by relative clauses in which there is an expressed subject different from the antecedents." (§ 380) In § 381 "The relative forms as epithets or as nouns" heißt es:

Zitat:
Like the participles ..., the relative forms can be used either with or without an expressed antecedent, i.e. either as epithets or as nouns ...
rdi.t.n=f n=i nb.t all that he gave to me.

Der Beispielsatz zeigt die gleiche Struktur wie unser Beispiel.
Zur Form: "'Make' is almost always without r, exx. ir.(w)n=i; ir.t.n ..." (§ 387, 3 unter 3ae inf.); bei den femininen Formen wird das .t an den Stamm angefügt.


Der Ausschnitt aus dem Totenbuch des Cha stammt aus: Ernesto Schiaparelli, Relazione sui lavori della Missione Archeologica Italiana in Egitto (anni 1903-1920), vol. 2: La tomba intatta dell'architetto Cha nella necropoli di Tebe, Torino, 1927

Fortsetzung folgt ...

> Antwort auf Beitrag vom: 20.11.2009 um 10:38:41

||


14) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 22.11.2009 um 19:04:58

... Fortsetzung

Versteckten Text anzeigen...
Seschen hat ein Substantiv jr.t "das Gemachte" angenommen, mit dem unausgesprochenen Verständnis, daß hier ein Partizip vorliegt. Man könnte annehmen, daß es sich um ein perfektisches passives Partizip handelt: jr "das, was gemacht wurde" (§, 361 "Perfective passive participle: B. the normal forms" unter 3ae inf.) bzw. "jr n, f. jr.t n 'made by' (lit. 'to')". Gardiner führt in seiner Betrachtung "The semantic subject after the passive participles" (§ 379) aus:

Zitat:
An ambiguity arises when the semantic subject is introduced by n ... It is not clear whether n here is to be regarded as the preposition or as the genetival adjective ... we have seen ... that jr n 'engendered by' and ms n 'born to' (lit. 'borne to') make as feminines jr.t n and ms.t n with the preposition n. Possibly the use of the preposition n to introduce the agent entailed certain changes in the passive participle, producing the sDm.w.n=f relative form to be described below.

Der Übergang ist also fließend. Gardiner gibt zur Unterscheidung folgende Handreichung (§ 386, 2):

Zitat:
The question now arises as to where the boundary-line between passive participle and relative form is to be set. A necessary condition for every relative form is the presence of the semantic subject. Cases like mrr.w nb=f are perhaps best classified as passive participle + direct genitive ...; on the other hand, we have inclined to take jr.n, ms.n expressing parentage as relative forms ... But when a clause-like appearance is given to the whole phrase by any addition, whether direct object or an adverbial phrase, then it is doubtless best to treat the verb-form as a relative form. So too when nb 'every', 'all' separates the verb-form from its subject ...


jw tA pn r jj(.t) m nwn m HwHw mj tpj=f-a
"diese Erde wird (zurück)gehen in den Nun, in die Flut, wie ihr früherer Zustand war"

Auch hier liegt eine pseudoverbale Konstruktion vor: r + Infinitiv. Der Infinitiv von jj lautet jj.t (Gardiner, § 299 unter anom.), das .t muß also auch hier ergänzt werden.

Das =f von tpj=f-a bezieht sich auf das maskuline tA "Land, Erde" und wird in der deutschen Übersetzung angepaßt.


jnk spj(=j) Hna Wsjr
"ich bin es, der übrigbleibt, zusammen mit Osiris"

Ist sp perfektisches aktives Partizip von spj, als Substantiv verwendet? Dies ist eigentlich eine Konstruktion, die für Vergangenes verwendet wird (Gardiner, § 373 "A. The participial statement"): "independent pronoun + perf. act. part. for past time". Vom Sinn her haben wir aber eigentlich eine zukünftige Angabe. Gardiner bespricht in § 368 "The active participles in reference to future events":

Zitat:
While the sDm.ty=fy form provides the most precise method of referring to future events, a participle may attain approximately the same results ... Elsewhere, however, we find the imperfec. part., even occasionally when a single event, neither continous nor repeated, is in question.

Da spj zur Klasse der Verben mit "schwachen" Konsonanten an dritter Stelle gehört, würde das imperfektische Partizip spp lauten (mit verdoppeltem zweiten Konsonanten), gemäß Gardiner, § 357 unter 3ae inf. - Eine Möglichkeit, Zukünftiges auszudrücken, besteht in der Form: ntf oder (jn X) sDm=f (Gardiner, § 450 "The perfective sDm=f in affirmative main clauses" unter 5 (e)). Da die 1. Person Singular oft nicht geschrieben wird, ist dies m.E. die sinnvollste Ergänzung.

Daß tatsächlich ein zukünftiger Bezug gemeint ist, ergibt sich aus der Parallele im Totenbuch des Cha:

jnk sp.t(j)=fj Hna Wsjr
"ich bin einer, der übrigbleiben wird, zusammen mit Osiris"

Die Grammatik ist eindeutig: Verwendet wird die sDm.tj=fj-Form: "The meaning is always future and, except in one isolated case, always active." (Gardiner, § 363). Auch diese Form kann als Substantiv verwendet werden (a.a.O.). Somit haben wir die gängige Satzform des Nominalsatzes:

Zitat:
The principle underlying the Egyptian sentence with nominal or pronomial predicate is the priniciple of direct juxtaposition, the subject preceding the predicate ... the copula is not expressed. (Gardiner, § 125)


Fortsetzung folgt ...

> Antwort auf Beitrag vom: 22.11.2009 um 18:40:59


15) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 22.11.2009 um 19:24:44 - Anhang: DZA_30581650_kt-jxt.jpg

... Fortsetzung

Versteckten Text anzeigen...
jrj.n=j xprw=j m k.t-jx.t (H)f(A).wt
"(nachdem) ich mich in andere Schlangen verwandelt habe"

xprw "Gestalt, Erscheinungsform" - jrj  xprw(=f) m "sich verwandeln in" (Hannig, S. 595)
k.t-jx.t "[Adjektiv, besonders vorangestellt] andere" (Hannig, S. 879) - Zur Schreibung siehe Wb. V, 114, speziell den Zettel DZA 30.581.650 (siehe Ausschnitt). Hierauf hat Haiko schon zu Recht hingewiesen.
HfA.t "(weibliche) Schlange" (Hannig, S. 525) - Zur Schreibung: laut DZA 26.717.530: "Schon Pap. Dyn. 18 auch ohne A" - Das H fehlt und muß ergänzt werden. - Die graphische Umstellung des t vor dem Wachtelküken w ist sehr üblich. Dazu gibt es im MdC-Befehlssatz sogar eine Abkürzung hier im Forum "t&w"



nn rx sn rmT
"die Menschen werden sie nicht kennen"

Zur Satzkontruktion: Gardiner, § 457 "The negative construction nn sDm=f": "This construction is exclusively limited to events happening in the the future."
sn als abhängiges Personalpronomen und als Objekt. Jedoch: "sn as object is uncommon, usually being replaced by st ...; some exx. may, however, be quoted." (Gardiner, § 44, 1 Obs.)

Eine andere Interpretation könnte sein:

nn rx=sn rmT
"sie werden die Menschen nicht kennen"

Wer kennt also wen nicht? Die Parallele aus dem Totenbuch des Cha lautet:

ntj n rx sj rmT
"welche die Menschen nicht kennen"

ntj für nt.t Relativadjektiv feminin Plural - Bezugswort ist HfA.wt
(Gardiner, § 199 "The relative adjective nty": "Later, nty appears to become  invariable ...")
sj abhängiges Personalpronomen 3. Person Singular feminin (Hannig, S. 664; dort irrtümlich mit 2. Person Singular feminin angegeben)

Zu diesem Satztyp führt Gardiner, § 201 "Nty in relative clauses with sDm=f and sDm.n=f" aus: "The relative adjective is comparately seldom followed by these verb-forms ... Negative exampes are rather more common." - Speziell zu  rx in Satzkonstruktionen n sDm=f heißt es: "... Egyptian conceived 'knowing' as 'having learnt', hence n rx=f may mean 'he does not know' just as well as 'he did not know'" (§ 455, 1). Das Bezugswort wird im Relativsatz mit einem  abhängigen Pronomen noch einmal aufgenommen ("resumptive pronoun").


nn mAA sn nTr.w
"die Götter werden sie nicht sehen"

Die gleiche Diskussion wie zuvor.


Vielleicht ein bißchen viel Grammatik diesmal ...

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 22.11.2009 um 19:04:58


16) Re: Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
 Michael Tilgner am 23.11.2009 um 21:48:53 - Anhang: Weltende_LAe_VI_1213-1214_low.jpg

Liebe Leute,

aus gegebenem Anlaß? Welcher Anlaß?

Nun, diese Passage aus dem Totenbuch gehört zu den wenigen Stellen, in denen sich die alten Ägypter zum Ende der Welt äußern! Das brauchen wir den Mayas nicht zu überlassen! Allerdings dauert es noch eine Weile, nämlich "eine lange Zeit von Millionen (Jahren)."

Zur Vertiefung dieser Problematik habe ich den Eintrag "Weltende" aus dem "Lexikon der Ägyptologie", Bd. VI, Sp. 1213-1214 angehängt.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 22.11.2009 um 19:24:44