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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 28.11.2009 um 11:33:16 - Anhang: pAni_pl_29_Jenseitsgespraech_low.jpg

Liebe Leute,

im Thread
Übersetzungsübung: Aus gegebenem Anlaß ...
1 hatten wir einen Ausschnitt aus dem Totenbuchspruch 175 zum Weltende übersetzt, der zu einem Gespräch zwischen Atum und Osiris im Jenseits gehört. Auch der vorangehende - etwas längere - Abschnitt ist sehr interessant und ungewöhnlich. Ich habe ihn in der Abbildung hervorgehoben.

Ich hoffe auf eine ähnlich rege Teilnahme wie zuvor!

Viele Grüße,
Michael Tilgner


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1258191987


2) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Haiko Hoffmann am 01.12.2009 um 22:47:38

Hallo,
ich habe die Umschrift noch einmal bearbeitet, diesmal der Einfachheit halber direkt hier. Leider ließ sich so nicht alles 100%ig wiedergeben (z.B. in Kolumne 3 [N2] oder Kolumne 7 [Q7]).

1. Kolumne:


2. Kolumne:



3. Kolumne:


(N2 steht hier optisch mangels Darstellungsmöglichkeit für N46 der extended library)

4. Kolumne:



5. Kolumne:



6. Kolumne:



7. Kolumne:



8. Kolumne:




Zur Kolumne 3 bin ich mir nicht sicher, ob da O48 oder O50 stehen muss. Laut Zettelarchiv1 ist es anscheinend O48 (hier mit zwei schrägen Strichen). Dass ich mir aber nicht sicher bin liegt an Hannig Ägyptisch-Deutsch (S. 691 zu sp / zp, hier v.a. 691.2) bzw. an Wb 3, 437.1-8 (siehe TLA Lemma Nr. 70011 "zp-2", hier mit O50 dargestellt, bzw. an erwähntem Zettel2.

Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 28.11.2009 um 11:33:16


1: http://aaew.bbaw.de/dza/21/21315000/21318840.gif
2: http://aaew.bbaw.de/dza/28/28630000/28630510.gif


3) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 02.12.2009 um 09:53:56

Hallo zusammen,

das ist nicht so leicht, wie es aussieht. Ich biete zunächst nur Spalte eins und zwei an, weil hier schon einiges an Fragen aufgetaucht ist…

Versteckten Text anzeigen...

Dd-mdw in wsir Any

Das Sprechen der Worte durch Osiris Any


Any i itm.w iSst pw SAs=i

Any sagt: Atum, was ist das, was ich durchwandere?


rs.t(i) iwgr.t ni mw=st nn TAw.w=st mDw

erwachend (im) "Land des Schweigens", es (hat) kein Wasser, es (hat) keine Luft (und) Tiefe…

Hier habe ich lange überlegt, wie das im Einklang zu bringen ist. Was ist "rs.t" und wie liest sich "jwgr.t"? Nach langem Hin und Her habe ich mich entschlossen, rs.t als "erwachen" zu lesen, obwohl ich die Schreibweise so nicht belegen kann. Das "t" ist für mich die Kennzeichnung als Partizip Prospektiv. Deshalb habe ich auch das "j" ergänzt = rs.tj. Eine Handlung also, die in der Zukunft spielt.

Das nachfolgende "jwgr.t" könnte ein enklitisches Partikel sein. Beispiele für diese Schreibung liefert die Altägyptische Grammatik von Elmar Edel sehr schön unter §830 ff. jwgr.t = ferner auch. Doch diese Lesung will mir nicht so recht in den Kontext der nachfolgenden Passage passen. Deshalb sehe ich hier das Substantiv "jwgr.t" = Nekropole, Totenreich oder "Land des Schweigens".

Ich bitte um Eure Meinung…

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 01.12.2009 um 22:47:38


4) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 02.12.2009 um 23:25:03

Lieber Thomas,

der Text ist nicht ganz einfach; da hast Du recht. Du hast aber den Tenor der ersten Zeilen schon ganz gut getroffen! Im Moment nur soviel:

Versteckten Text anzeigen...
Der Name Any ist sicherlich nur einmal zu lesen.

Die Stelle, die Dir soviel Probleme bereitet hat, ist m.E. folgendermaßen zu lesen:

SAs=j r smy.t jgr.t
"ich wandere durch die Wüste der Nekropole"

smy.t "Wüste, Begräbnisstätte" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 699) - man beachte die verkürzte Schreibung! Siehe auch Wb. III, 444-445.
jgr.t "Totenreich, Unterwelt, Nekropole ('Land des Schweigens')" (Hannig, S. 110; sh. auch den Querverweis S. 37) - zur Schreibung: Wb. I, 141 - möglicherweise abgeleitet von gr "schweigen" (Hannig, S. 902)


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 02.12.2009 um 15:48:21


5) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 03.12.2009 um 20:00:26

Hallo zusammen,

@Haiko
Super Fleissarbeit – das mit den Hieroglyphen!

Zu Deiner Frage: O48 oder O50?

Versteckten Text anzeigen...
Ich habe die Übersetzung bei weitem noch nicht fertig, aber an dieser Passage arbeite ich gerade. Aus meiner Sicht ist das O50, Marburger Edition, Seite 747, sp2 = a) zweimal b) [doppelt zu lesen] c) [wie ein Ausrufezeichen].


@Michael
Vielen Dank für den Tipp. Hat mir sehr geholfen. Ich überarbeite das jetzt nochmals und werde dann ein Posting starten, wo ich die ganze Übersetzung Zug um Zug eintragen werde…

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 02.12.2009 um 23:25:03


6) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Seschen am 04.12.2009 um 16:45:05

Hallo, Übersetzer!

Ich habe jetzt, vor Weihnachten, keine Zeit um eine vollständige Übersetzung dieses (nicht leichten) Textes auszuarbeiten.
Dennoch werde ich versuchen, mich an der Diskussion zu beteiligen.

Zitat:
O48 oder O50
In meinem Hannig-Band Ägyptisch-Deutsch steht bei O48 handschriftlich ergänzt: "auch wie O50: zp".
Die Austauschbarkeit der beiden Zeichen wird im Zettelarchiv bestätigt, siehe Zettel zur Schreibung von zp-21.

Im TLA wird für zp-2 neben der Übersetzung "zweimal" eine weitere Verwendung genannt: Betonung beim Adjektiv mit der Übersetzung "sehr":


Im Zettelarchiv sind mehrere Beispiele für diese Funktion von zp-2 zu finden, beispielsweise
"sehr schön, sehr groß"2 und
"very beautiful"3.

Ich meine, auch in diesem Text (Spalte 3) ist eine Übersetzung mit "sehr" + Adjektiv angebracht.

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 03.12.2009 um 20:00:26


1: http://aaew.bbaw.de/dza/28/28595000/28596960.gif
2: http://aaew.bbaw.de/dza/28/28625000/28626000.gif
3: http://aaew.bbaw.de/dza/28/28625000/28626050.gif


7) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 04.12.2009 um 20:12:31

Hallo Seschen,

wieder einmal gut recherchiert!

Dazu passend habe ich aus Alan Gardiner, Egyptian Grammar, §207 Comparative and suberlative herausgesucht:


Zitat:
… The same meaning could be produced by a repetition of the adverb, indicated in the writing by the signs sp sn "two times", "twice"; exx. mAa zp2 (zp sn) = very truly …


Zur Übersetzung liefere ich, wie schon gesagt, später mehr.

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 04.12.2009 um 16:45:05


8) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 04.12.2009 um 21:42:25

Hallo,

hier also mein Abschnitt, den ich in den nächsten Tagen immer wieder erweitern werde:

Versteckten Text anzeigen...
Dd-mdw in wsir Any
Das Sprechen der Worte durch Osiris Any



Versteckten Text anzeigen...
Any i itm.w iSst pw SAs=i r smy.t i(w)gr.t
Any sagt: Atum, was ist es, (dass) ich wandere durch die Wüste der Nekropole?

Der von Wolfgang Schenkel benannte "pw-Spaltsatz". Das lesen von "smy.t" hätte ich alleine nicht hinbekommen. Wahrscheinlich gibt es dazu ein Pendant aus einem anderen Totenbuch?



Versteckten Text anzeigen...
ni mw=st nn TAw.w=st
die (die Wüste) kein Wasser hat, die keine Luft hat  
st = (Pronomen 3. Pers. Plural; er, sie, es; hier in neutraler Form gebraucht sie = die)


Versteckten Text anzeigen...
mDw.ti kkw.t.ti HHi.ti anx.ti im(i)=s m-Htp ib
die tief ist, die finster ist, die gesucht ist, indem sie lebend(ig) dem Frieden des Herzens gehört…

Trotz des Hinweises von Seschen und dem von mir beigesteuerten Paragraphen aus Alan Gardiners Grammatik, sehe ich hier sp2 nicht als "Steigerungsform".
Die Endung "tj" ist wohl ein Pseudopartizip: (Altägyptische Grammatik, Elmar Edel, §572). Mit ihr soll die dritte Person singular weiblich ausgedrückt werden, also den Bezug zur Wüste aufrechthalten. Das ganze Konstrukt besteht aus Verb + Pseudopartizip-Endung + Markierung. Letzteres scheint mir mehr ein "Aufzählungszeichen" zu sein, um deutlich zu machen, dass nun mehrfach Nennungen folgen. Also dass der eigentliche Satz erst dann fortgeführt wird, wenn die "Markierung" wegfällt.


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 04.12.2009 um 20:12:31


9) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 05.12.2009 um 14:28:41

Hallo, Leute,

Zur Zeichendarstellung:

Spalte 1

Für das übliche Dd mdw "Worte zu sprechen" gibt es die Zeichenverbindung D&S43 (siehe Hilfefunktion).


Dd mdw jn
"Worte zu sprechen ..."

Spalte 2

Das t im Fragewort jSst fehlt bei Ani, so daß geschrieben werden müßte:


jSs(t) pw
"was ist das?"

Das Determinativ N25 "Fremdland" bei smy.t "Wüste" ist bei Ani nicht geschrieben.

Keine Pluralstriche bei


Spalte 3

Bei HHj sind die Striche Z4 zwischen die beiden H gesetzt, wohl aus graphischen Gründen.

Generell gilt: Die Hieroglyphen werden so gesetzt, wie sie im Original vorliegen. Wenn der hieroglyphische Text ergänzt oder korrigiert wird, so ist dies durch spezielle Zeichen wie "[" und "]" o.ä. kenntlich zu machen. In der Umschrift sind diese Korrekturen auch deutlich zu machen.

Nun zur Übersetzung der ersten Spalten!

Versteckten Text anzeigen...
Spalte 2

j Jtm jSs(t) pw
"o, Atum, was ist das?"

j "[Interjektion, Vokativ] o!" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 21)
Jtm "Atum" (S. 1193) - Für diesen Gott gibt es variierende Umschriften; ich halte mich mal an Hannig.
jSst "was?" (S. 106) - jSst pw "was ist es?"

SAs=j r smy.t jgr.t
"ich wandere durch die Wüste der Nekropole"

Erläuterung: Posting weiter oben

n(n) mw=s nn TAw=s
"nicht gibt es ihr Wasser, nicht gibt es ihre Luft"

Das n bei nn ergänzt; es handelt sich um die sog. Haplographie (Auslassung von gleichen aufeinanderfolgenden Zeichen): Es müßte hier ein viertes n geschrieben werden. Zudem sind die beiden Passagen parallel aufzufassen.
=s Suffixpronomen 3. Person Singular feminin (Hannig, S. 647) - dort fehlt allerdings die hier vorliegende Schreibung; siehe aber Wb. IV, 1. Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, Wiesbaden, 1996, § 216 bemerkt zu diesem Pronomen:

Zitat:
Nebenformen sind
... bzw.
..., eine im Neuägyptischen bzw. Hieratischen übliche
Schreibung, in dieser Zeit häufig in ... Texten auf Särgen und funerären Papyri.

Zum Satztyp äußert sich Gardiner, Egyptian Grammar, § 108 "Non-existence or absence", Abschnitt 3: "Frequently nn '(there is) not' stands alone for 'there does (did) not exist'."

Spalte 2-3

mD.tj sp 2 kkw.tj sp 2 HHj.tj sp 2
"sie ist (ungeheuer) tief, (stock)finster und (sehr) suchend (?)"

mD "tief sein" (Hannig, S. 380)
kkw "dunkel, finster sein" (S. 890) - Bei Ani scheint eine Vermischung mit dem Wort kkw.t "Dunkelheit, Finsternis" (a.a.O.) vorzuliegen; anders kann ich das .t nicht erklären.
HHj "suchen, fehlen" (S. 557) - Eine gute Interpretation habe ich nicht; vielleicht im Sinne von: "ohne Orientierungszeichen" (so daß man suchen muß)?

.tj ist die Endung für das Pseudopartizip 3. Person Singular feminin (auch 2. Person Singular; das kommt hier aber wohl nicht in Frage). Bezugswort ist smy.t oder jgr.t (beide feminin). Mit dieser Konstruktion wird ein Umstand ausgedrückt (Gardiner, § 314 "Use of the old perfective as a clause of circumstance"):

Zitat:
... the old perfective may be rendered in English in many ways: by a predicatival adjective ('alone') or a participial construction ('you being prosperous', 'it having come'), by a clause of circumstance ('as I stood'), or by an adverb ('safely'). It may even be opportune at times to render it by a main clause.

anx.tj jm=s m Htp-jb
"Du sollst / mögest in ihr (= dort) leben im Frieden des Herzens!"

.tj Pseudopartizip, diesmal als Antwort des Atum für die 2. Person Singular! Verwendung des Pseudopartizips bei Grüßen, Ermahnungen usw. (Gardiner, § 313 "Exclamatory use of the 2nd and 3rd persons").
jm von Präposition m bei Verwendung eines Suffixes (Hannig, S. 311). Bezugswort ist wieder smy.t or jgr.t.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.12.2009 um 21:42:25


10) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 05.12.2009 um 16:01:32

Hallo Michael,


Zitat:
kkw "dunkel, finster sein" (S. 890) - Bei Ani scheint eine Vermischung mit dem Wort kkw.t "Dunkelheit, Finsternis" (a.a.O.) vorzuliegen; anders kann ich das .t nicht erklären.


Laut Zettelarchiv gibt es eine weibliche Schreibung von kkw DZA 30.616.920. Vielleicht findet sich hier eine Erklärung für das "t".

Zu Deiner Lesung:
Versteckten Text anzeigen...
n(n) mw=s nn TAw=s
"nicht gibt es ihr Wasser, nicht gibt es ihre Luft"

=s Suffixpronomen 3. Person Singular feminin = sie.
nn Negation prädikativ gebraucht = es gibt nicht bzw. hier: sie gibt nicht … Wasser.
Ginge das auch?


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 05.12.2009 um 14:28:41


11) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 05.12.2009 um 17:57:42

Hallo, Thomas,

Versteckten Text anzeigen...
Zu meiner Lesung:

n(n) mw=s nn TAw=s
"nicht gibt es ihr Wasser, nicht gibt es ihre Luft"

Das ist eine wörtliche Übersetzung, die sich im Deutschen nicht besonders gut anhört. Etwas freier, so wie Du es gemacht hast, als Relativsatz: "die kein Wasser und keine Luft hat" oder "Es gibt kein Wasser und keine Luft" oder ähnlich: Das ist völlig in Ordnung! Ich habe es nur gemacht, um die ägyptische Grammatik zu verdeutlichen.

Zitat:
Laut Zettelarchiv gibt es eine weibliche Schreibung von kkw

Das meinte ich ja mit meiner Bemerkung. Es liegt aber ein Verb vor: kkw "dunkel, finster sein". Hier scheinen sich aber die Experten auch nicht ganz einig zu sein: So heißt das Verb im Wb V, 144 nur: kk. Im TLA wird es als 3ae inf. gesehen: kkj (Lemma-Nr. 165620). Literatur zu diesem Verb ist mir nicht bekannt.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.12.2009 um 16:01:32


12) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Haiko Hoffmann am 06.12.2009 um 00:14:45

Lieber Michael,


Zitat:
HHj "suchen, fehlen" (S. 557) - Eine gute Interpretation habe ich nicht; vielleicht im Sinne von: "ohne Orientierungszeichen" (so daß man suchen muß)?

Im Zettelarchiv (z.B. hier1) wird ja dieses bezogen auf die Unterwelt ("Nekropole" scheint mir hier zu kurz gegriffen) mit "die gesucht wird (=nicht zu finden ist?)" interpretiert. Das klingt plausibel. Kann es denn nicht auch so heißen: "die man (vergebens) sucht" im Sinne eines absolut verborgenen Ortes, den man nicht findet bzw. nicht finden kann, außer man ist an der Reihe? Das wäre m.E. eine plausible und verständliche Deutung.

Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 05.12.2009 um 14:28:41


1: http://aaew.bbaw.de/dza/21/21315000/21318840.gif


13) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 06.12.2009 um 11:56:43

Lieber Haiko,

ich weiß nicht ... Atum und Osiris sind doch in der Unterwelt; wieso muß sie dann noch gesucht werden? Wenn die Unterwelt tief und dunkel ist, dann irrt man suchend umher, stelle ich mir vor. Wie auch immer, ich kann das Fragezeichen des Zettelarchivs voll übernehmen! An der Gesamtinterpretation ändert diese Stelle aber wenig.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 06.12.2009 um 00:14:45


14) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 07.12.2009 um 08:09:47 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo zusammen,

weiter geht es:
Versteckten Text anzeigen...

n iw gr.t nn ir.tw nDmm.t im=s
Ausserdem ist es nicht (so), dass in ihr kein sexuelles Vergnügen gemacht wird...

Auch hier ist es recht schwierig, die Lesung für iwgr.t zu bestimmen. Für mich ist das nicht das Substantiv, sondern das enklitische Partikel, das sich an die Verneinung hängt – eine Art "Überleitung". (Siehe auch die Anhänge dazu, die in der Altägyptischen Grammatik von Elmar Edel gefunden habe)
Wb. II, 381.15 nDmm.t: sexuelles Vergnügen

Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 06.12.2009 um 11:56:43

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15) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Haiko Hoffmann am 07.12.2009 um 10:01:19

Lieber Michael,
ich hatte es so gemeint, dass es die Lebenden sind, welche den Ort der Unterwelt (noch) nicht kennen bzw. nicht finden können. Denn ich könnte mir auch vorstellen, dass diese Aussage allgemeiner Natur ist, d.h. dass jene Welt nicht gefunden werden kann - außer man ist, wie ich es letztens ausgedrückt hatte, an der Reihe, d.h. gestorben. Aber natürlich könnte es auch so sein, wie Du es sagst. Und an der Gesamtinterpretation ändert es in der Tat nichts.

Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 06.12.2009 um 11:56:43


16) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 07.12.2009 um 21:51:57

Hallo, Thomas,

Versteckten Text anzeigen...
ich schließe mich Deiner Auffassung an, daß es sich um die enklitische Partikel grt handelt. Den Satz kann ich leider grammatikalisch nicht vollständig aufschlüsseln - wegen der doppelten Verneinung.

Zunächst zur Partikel grt (Gardiner, Egyptian Grammar, § 255):

Zitat:
grt, early also igrt ... takes the place, in Middle Egyptian, of Old Eg. gr (rarely igr), which hardly survives later except as an adverb meaning 'also', '(not) anymore' ... Hence the proper meaning of grt was doutbless likewise 'also', 'moreover'. In use, however, grt has a much weakened signification; the nearest English equivalent is the 'now' which claims the listener's attention, but frequently it is best left untranslated.
...
Iw grt is a common combination ...

Wie sich hieraus ergibt, lassen sich die Erscheinungen der früheren Sprachstufe nicht immer und ohne weiteres auf das Mittelägyptische übertragen. Hinzu kommt, daß das Mittelägyptische in der 19. Dyn. und später gewisse Besonderheiten aufweist, denen Jansen-Winkeln in seiner bereits mehrfach zitierten Spätmittelägyptischen Grammatik nachgegangen ist. Zu grt notiert er in § 374: "Die Bedeutungsnuancen von grt sind - wie auch in klassischer Sprache - schwierig zu fassen."

grt (jgrt) "auch, ferner, aber" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 902)

Mit dieser speziellen Partikel hat sich befaßt: Mahmoud El-Hamrawi, gr.t als Themenwechselpartikel im klassischen Ägyptisch, in: Linguae Aegyptiae, Bd. 7, S. 153-175 (2000). Dieser Artikel liegt mir leider nicht vor.

Eine weitere Besonderheit in diesem Satz ist anzumerken: Die Konstruktion nn sDm=f bezieht sich normalerweise auf Zukünftiges (Gardiner, §§ 104 und 457: "exclusively limited to events happening in the future"). Auch hier kommt der spätere Zeitpunkt der Aufzeichnung dieses Textes zum Zuge:

Zitat:
The distinction between nn and n is rather obscure ... In carelessly written texts the two are apt to be confused, especially after the middle of Dyn. XVIII.

Dies wird durch Jansen-Winkelns Untersuchung (§ 338) bestätigt:

Zitat:
Es ist offensichtlich, daß in dieser Zeit zwischen den Negationen n und nn keinerlei Unterschiede bestehen und beide in denselben Positionen mit denselben Bedeutungen gebraucht werden können.

Der Satz ist daher so zu verstehen und zu übersetzen, wie Du es gemacht hast!


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 07.12.2009 um 08:09:47


17) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Haiko Hoffmann am 07.12.2009 um 22:24:11

Hallo,
ich biete nunmehr folgenden Versuch zu den "restlichen" Kolumnen (spätere Korrekturen seitens anderer Teilnehmer werden möglichst kenntlich gemacht):

Versteckten Text anzeigen...
Kolumne4:

jm=z rd.n=j Axw m jsw mw TAw(.w)
(ab rD.n=j: "Ich habe gegeben (Ach-)Verklärtheit an Stelle von Wasser, Lust und sexueller Befriedigung"

Hna nDmmt Htp jb m jsw t (tA)
"zusammen mit (=und) sexueller Befriedigung* (und) Frieden des Herzens an Stelle von Brot"

----------------------------
* Ich bin mir nicht sicher, ob hinsichtlich Kolumne 3 und 4 und im Hinblick auf Thomas' Übersetzung (Antwort #13) hier ein Widerspruch in Text oder Übersetzungen besteht oder nicht. Mir ist noch nicht klar, ob es die sexuelle Vergnügung  nun in der Unterwelt gibt oder nicht bzw. ob diese durch etwas ersetzt wird oder diese selbst etwas ersetzt. Siehe auch Antwort # 18 weiter unten.
(in Hannig Ägypt.-Deutsch S. 450 wird nDmmt auch mit Lust und Leidenschaft übersetzt, und in Hinblick auf "jrj nDmmt" mit Bedeutung a "s. amüsieren" oder "s. vergnügen" wohl im allgemeinen Sinne evtl. auch allgemein interpretierbar, d.h. nicht unbedingt nur sexuell)
-----------------------------------------

Kolumne 5 (Anfang der Kolumne):

Hnqt xrwj=fj sw Jtm m mAA Hr=k nn gr.t
"(und) Bier. So sprach er, (nämlich) Atum, welcher sieht dein Gesicht. Aber nicht"

wxd=j gA=k jw nTr nb hAb.n=f
"ertrage ich (werde ich ertragen) deine Not. Jeder Gott schickt (schicke)"

Kolumne 6:

nst=f m xntj HH(w) jw nst=k n sA=k Hr
"seinen Thron in(nerhalb von) Millionen (Jahren) . Wahrlich, dein Thron ist für deinen Sohn Horus (gehört deinem Sohn Horus)."

xrwj=fj Jtm wnn gr.t hAb=f wr(w)
"So sprach Atum. Ferner sandte er aus (entsandte er) die Großen"

Kolumne 7:

jw=f gr.t HqA.t=f nst=k jw=f r jwa  nst
"Wahrlich, auch übt (übe) er Herrschaft aus über deinen Thron. Und er wird (werde) den Thron erben"

jmj jw nsrsr wD gr.t mAA.n=j snnw.t=f Hr=j
"auf der Flammeninsel. Befohlen wird ferner, dass er mich sehe als seinen Zweiten (Gefährten?)*, (und) mein Gesicht"

-------------------------
* Liegt hier bei snnw.t nicht aber ein femininum vor?
siehe hier1 oder hier2 oder hier3 oder hier4 oder hier5 u.a.m.
sowie u.a. hier6 oder hier7 oder hier8 oder hier9 u.a.m.
-------------------------

Kolumne 8:

r mAA Hr n nb Jtm jSs.t pw aHaw m anx xrwj=fj jw=...
"sehe (erblicke) das Gesicht des Herrn, Atum. Was (wie) ist die (d.h. meine) Zeit zum Leben (Lebenszeit)? (Und) so sprach er:"

=k r HH(w) n HH(w) aHaw n HH(w)
"Du mögest sein Millionen von Millionen (Abermillionen Jahre leben), (eine) Lebenszeit von Millionen (Jahren)"


Gruß

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 07.12.2009 um 21:51:57


1: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29261820.gif
2: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29261830.gif
3: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29261840.gif
4: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29261850.gif
5: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29261870.gif
6: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29262120.gif
7: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29262340.gif
8: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29262680.gif
9: http://aaew.bbaw.de/dza/29/29260000/29263550.gif


18) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 09.12.2009 um 13:34:17

Hallo Haiko,

Versteckten Text anzeigen...
ich denke, man kann das tatsächlich auch so übersetzen:

n(i) iw gr.t nn ir.tw nDmm.t im=s
Ausserdem ist es nicht (so), (dass) in ihr keine Lust entstehen wird...

r D(.t) n=i Ax.t m isw.t mw TAw
Mir wird gegeben (r + Infinitiv = Future) Herrlichkeit als Ersatz für Wasser, Wind…

Hna nDmm.t Htp(.t) ib m isw.t tA Hnq.t
…und Lust. Das Herz (wird) zufrieden sein als Ersatz für Brot (und) Bier!

Hna
Vor Substantiven, Infinitiven und Suffixpronomina
• Begleitung/cominativ: "zusammen mit" oder "und" (nie instrumental "mittels")
• Koordination von Infinitiven
• Teil der Verbalrektion (je nach Analyse)


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 07.12.2009 um 22:24:11


19) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Haiko Hoffmann am 09.12.2009 um 14:04:41

Hallo Thomas,

Damit wäre der vermeintliche Widerspruch ja hinfällig weil aufgelöst. Ich finde diese Lösung elegant und schlüssig, obgleich ich noch immer in gewissem Zweifel bin. Das Materielle, Irdische und die menschlichen Bedürfnisse (Wasser, Wind, Lust, Brot, Bier) werden ersetzt duch das Spirituelle, Höhere (Herrlichkeit, Zufriedenheit des Herzens), und die Lust würde dennoch zu kommen grundsätzlich möglich sein, sofern deine Übersetzung zutrifft. Denn nach wie vor sehe ich einen inhaltlichen Widerspruch zwischen den Formulierungen, d.h einerseits "Ausserdem ist es nicht (so), (dass) in ihr keine Lust entstehen wird..." (Ist es wirklich eine doppelte Verneinung, welche das Ganze ins Bejahende umkehrt?) und andererseits schon gleich danach "Mir wird gegeben Herrlichkeit als Ersatz für Wasser, Wind und Lust", ähnlich meiner Formulierung, indem die Lust nun im Gegensatz dazu durch Herrlichkeit/Verklärung ersetzt wird, diese also ausschließt.

Herzliche Grüße

Haiko

> Antwort auf Beitrag vom: 09.12.2009 um 13:34:17


20) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 09.12.2009 um 21:22:00

Hallo Haiko,

der Vollständigkeit halber noch den letzten Satz, der zu dieser Passage gehört:

Versteckten Text anzeigen...
xrw.i=fi sw itm m mAA(.wt) Hr=k
So sprach er (Marburger Edition, Seite 661), Atum, in Anblick (Marburger Edition, Seite 333) deines Gesichtes.

***P.S.
Ich frage mich allerdings, ob xrw.(t)i=fi nicht die Relativform ist, die hier den direkten Bezug zu einem maskulinen Wort steht. Deshalb fehlt die Endung "t" bei "xrw". Die Grundbeutung wäre dann "(einer), der sprechen wird". Also in die Zukunft gerichtet = "So wird sprechen Atum ..." Die Deutung liegt dann auf der Tatsache, dass er es quasi immer wieder tun wird ...


Gruss
Thomas



> Antwort auf Beitrag vom: 09.12.2009 um 14:04:41


21) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 14.12.2009 um 22:07:09

Liebe Freunde,

das ist schon toll, was hier vorgetragen wird! Einige grammatikalische Anmerkungen meinerseits:

Versteckten Text anzeigen...
Spalte 4-5

rdj.n=j
"ich habe gegeben"

Axw m jsw mw TAw Hna nDmm.t
"(Ach-)Verklärtheit an Stelle von Wasser, Lust und sexueller Befriedigung"

Htp jb m jsw t Hnq.t
"(und) Frieden des Herzens an Stelle von Brot (und) Bier"

Atum spricht - wie weiter unten angegeben - zu Osiris; daher rdj.n=j "ich habe gegeben ...". Das Hna "zusammen mit, und" schließt die eine Aufzählung ab. Das ist an der parallelen Konstruktion der Satzteile deutlich abzulesen: X m jsw Y.

D37 "Arm mit Brot" steht oft für rdj / dj (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1036-1037). Lesung rdj bzw. dj ist die mittelägyptische Aussprache, während es im Altägyptischen rDj bzw. Dj hieß.

TAw "Luft, Wind" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 947) wird zwar mit Pluralstrichen geschrieben, ist aber als Singular aufzufassen. Hierzu Gardiner, Egyptian Grammar, § 77 "Apparent duals and plurals":

Zitat:
Certain words ending in -w, mostly abstracts, are by a false analogy written like plurals ... Other words sometimes written like plurals such as jrp 'wine', nbw 'old', are treated grammatically as singulars ...


Spalte 5

xrwj=fj sw Jtm
"so sprach er, (nämlich) Atum"

xrwj=fj "so sagt(e) er (Ende des Zitats)" xrwj=fj sw "so sprach er" (Hannig, S. 614)

Zu diesem speziellen Verb schreibt Gardiner, § 437:

Zitat:
A verb xr(w) 'cry' connected with xrw 'voice' is evidenced in the Coffins by xr=sn 'say they'. The strange writings [wie hier] are found both here and in later M. E. hieratic; the incomprehensible =fy is followed by a noun, a dependent pronoun, or both, and seems wholly superfluous.
Exx. ... xr(y)=fy sw Jtm says he, namely Atum

Das ist wohl unsere Stelle!


Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 09.12.2009 um 21:22:00


22) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 15.12.2009 um 19:59:22

Hallo Michael,
hallo Freunde der Übersetzung!

Und weiter geht es:
*mit kleinen Korrekturen
Versteckten Text anzeigen...
nn gr.t wxd(.t)=i gAw=k

Ich muss ferner auch nicht deine Not erdulden.

Hier steht gr.t als enklitisches Partikel. "nn" ist hier die Verneinung und gleichzeitig das Prädikat und "ersetzt" sozusagen das normalerweise dort stehende Verb = es gibt nicht. Da "nn" eine Handlung in der Zukunft andeutet = es wird/soll/muss nicht geben…

iw nTr nb hAb n=f nst=f m xnti HH(.w)

Es ist jeder Gott (ein von) ihm Abgesandter seines Thrones, als Erster der Ewigkeit


iw nst=k n(.i) sA=k Hr xrwi=fi itm wn gr.t hAb=f wr.w

Es ist dein Thron, der zu deinem Sohn Horus gehört, so sprach Atum. (Er) ist ferner auch, der Abgesandte der Großen.

wn = Verb: sein + gr.t = Partikel: ferner auch

iw=f gr.t HqA=f nst=k

Er ist es ferner auch, der deinen Thron beherrscht

iw=f r iwa nst imi iw-nsrsr

Er ist es, der beerben wird den Thron gehörend zur "Flammeninsel" (Teil der Unterwelt)


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 14.12.2009 um 22:07:09


23) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 thomas am 17.12.2009 um 09:04:08

Hallo zusammen,

und als letztes der Schluss:
*Auch nochmals überarbeitet…
Versteckten Text anzeigen...
(s)wD gr.t mAA n=i sn-nw.t=f Hr.i r mAA Hr n.(i) nb

Ferner vererbt (sich) der Anblick für sein zweites Ich. Mein Gesicht wird erblicken (das) Gesicht des Herrn!

itm iSs.t pw aHaw m anx hrwi=fi

Atum, was ist die Zeit im Leben? … so sprach er

Eigentlich heißt iSs.t pw ja "Was ist es?". Aber im Satzzusammenhang lasse ich das "es" mal weg. Ich muss aber zugeben, dass ich auch enttäuscht bin. Eigentlich vermutete ich, dass hier "Wie steht es nun mit der Lebenszeit, die dort [im Jenseits] verbracht wird?" stehen wird … oder ähnliches …

Betrachte ich also alleine den Papyrus Ani, dann deute ich die Frage: "Wie genau interpretiert sich die Zeitspanne "Leben" …"


iw=k r HH(w) n(.i) HH(w) aHaw n(.i) HH(w)

Du bist es, im Vergleich zu Millionen von Millionen. (Eine) Lebenszeit von Millionen!(r = Bezug/Hinsicht/Vergleich)

Die Antwort auf die Frage ist so einleuchtend wie einfach. Der Tote Ani ist das Leben in "seiner" Zeitspanne von Millionen anderen.


Gruss
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 15.12.2009 um 19:59:22


24) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 20.12.2009 um 22:11:31 - Anhang: pCha_Tb_175_Ausschnitt_low.jpg

Liebe Leute,

meine Erläuterung zum folgenden Abschnitt:

Versteckten Text anzeigen...
Spalte 5

mAA Hr=k
"Dein Angesicht schauen?"

So hat es Erik Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich / München, 1979, S. 366 übersetzt. Diese Passage steht nach xrwj=fj sw Itm, das die vorangehende direkte Rede abschließt. Danach folgt mit der Verneinung nn ein neuer Satz. Es bleibt also nur der oben angegebene Satz übrig. Wörtlich müßten wir übersetzen: "Dein Angesicht schaut." Nach Gardiner, Egyptian Grammar, § 491 können Fragen, auf die man mit "ja" oder "nein" antworten kann, nicht besonders gekennzeichnet sein; solche Beispiele seien aber selten. Man könnte auch mit Gardiner, § 506, 1 "Ellipse" argumentieren, daß an sich notwendige Satzteile ausgelassen wurden; das kommt besonders bei Fragen vor. Denkbar wäre noch, doch Itm mit herüberzuziehen:

Itm mAA(.w) Hr=k
"Atum schaut dein Angesicht."

mAA(.w) als Pseudopartizip, wobei die Endung oft weggelassen wird; das Ganze wäre dann als pseudoverbale Konstruktion aufzufassen. Jedoch hat man ein Problem mit dem Sinn: Warum sollte Atum das Angesicht des Osiris schauen wollen; Atum ist doch der Urgott!

Zur Klärung habe ich die Stelle mit der des Papyrus Cha verglichen; dort heißt es ausführlicher (Spalte 4-5):

mr.wj r=j nb=j tm mAA Hr=k
"Wie schmerzhaft ist es gegen mich, mein Herr, dein Angesicht nicht zu schauen!"

mr "(1) schmerzen, krank sein ... (4) seelisch schlimm sein" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 344). Das erste Zeichen ist U23 "Meißel" mit Lesung u.a. mr. Die Schreibung dieses Zeichens könnte vom Hieratischen her erklärt werden. Die Endung .wj wird angehängt, um einen Ausruf darzustellen (Gardiner, § 49):

Zitat:
The ending .wj ... is sometimes added to adjectival predicates in order to give them an exclamatory force.
Ex. nfr.wj pr pn how beautiful is this house!

r "(2) [Opposition] gegen (Person, Sache, bes. feindlich)" (Hannig, S. 453)
tm ist ein Negationsverb (Hannig, S. 931-932). Es wird u.a. verwendet, um einen Infinitiv zu negieren (Gardiner, § 348):

Zitat:
In order to negate the infinitive, the negative verb tm is itself put into the infinitive and followed by the negatival complement.

Das Negativkomplement ist eine spezielle Verbform, die nach Negationen eingesetzt wird (Gardiner, § 341 "Negatival complement"). Die zugehörige Endung .w wird nur selten ausgeschrieben.

Der Satz lautet also wörtlich: "Wie schmerzhaft ... ist das Nichtschauen deines Angesichtes!"

Bei Ani ist diese Stelle verkürzt auf: mAA Hr=k "Schauen deines Angesichtes", möglicherweise mit fragendem Unterton, was wir aber nicht hören bzw. wissen können. Der eigentliche Sinn, nämlich das "Nichtschauen können von Atums Angesicht", ist verloren gegangen!

Der Ausschnitt aus dem Totenbuch des Cha stammt aus: Ernesto Schiaparelli, Relazione sui lavori della Missione Archeologica Italiana in Egitto (anni 1903-1920), vol. 2: La tomba intatta dell'architetto Cha nella necropoli di Tebe, Torino, 1927, S. 60.


Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 17.12.2009 um 09:04:08


25) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 27.12.2009 um 08:26:28

Liebe Leute,

wenden wir uns nun dem restlichen Text zu:

Versteckten Text anzeigen...
Spalte 5

nn grt wxd=j gAw=k
"nicht aber will ich dulden deine Not / deinen Mangel"

gAw "Mangel, Not" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 893) ist aufgrund der Determinative als Substantiv aufzufassen. Eine Übersetzung wie "..., daß Du Mangel leidest" ist nur etwas flüssiger im Deutschen.

Zum nn sDm=f hatte ich mich weiter oben geäußert.

Ein t braucht bei wxd=j nicht ergänzt zu werden.

Spalte 5-6

jw nTr nb hbj.n=f ns.t=f m-xnt HH.w
"jeder Gott aber, er hat seinen Sitz an der Spitze der Millionen betreten (eingenommen)"

Dieser Satz ist nicht ganz einfach! Nach einigem Knobeln biete ich folgende Lösung an:

Zunächst ein Blick auf die Parallele in pCha:

nTr nb hbj.n=f ns.t=f m wjA n HH.w
"jeder Gott, er hat seinen Sitz (Platz) in der Barke der Millionen betreten (eingenommen)"

hbj "eindringen, betreten (Ort, Land, Weg)" (Hannig, S. 490) - dort auch die Schreibvariante mit A. Die naheliegende Lesung hAb "schicken, aussenden" (Hannig, S. 487-488) führt zu Verständnisproblemen: "jeder Gott, er hat seinen Sitz in der Barke der Millionen geschickt": was soll das heißen? "zur Barke" müßte mit der Präposition n, "an die Barke" mit r verwendet werden. Der Sitz im Sonnenschiff wird nicht geschickt, gesendet, er ist bereits dort; man nimmt seinen Platz darauf ein.
wjA n HH.w "Barke der Millionen (der seligen Toten)" (Hannig, S. 180) - Bei Cha ist statt des A in wjA fehlerhaft ein m geschrieben!

Beim Satztyp handelt es sich um die "Emphasis by Anticipation" (Gardiner, Egyptian Grammar, § 148, 1). Ein zu betonendes Wort wird an den Satzanfang gestellt - in diesem Fall das Subjekt des Satzes -; im Satz selbst wird es durch ein Pronomen wieder aufgenommen (§ 146).

Nun zu Ani! Statt wjA n HH.w lesen wir die Variante m-xnt HH.w "an der Spitze von Millionen"
m-xnt "vorn vor, an der Spitze von" (Hannig, S. 607)

So weit, so gut: Was aber ist mit dem einleitenden jw? Als Erklärung würde ich Gardiner, § 468 "Appendix. Exceptional cases of jw" heranziehen:

Zitat:
Sometimes jw is employed to bring out strong contrast ... It is found also with the sDm=f form.

Diesen Gegensatz habe ich mit dem Wort "aber" ausgedrückt.

Spalte 6

jw ns.t=k n sA=k Hr xrwj=fj Itm
"'dein Sitz gehört deinem Sohn Horus', so sprach er, (nämlich) Atum"

wnn grt hAb=f smsw.w
"wird er aber die Ältesten aussenden?"

hAb "schicken, aussenden" (Hannig, S. 487) - die Variante bei Cha lautet:

wnn grt hAj n=f smsw
"wird der Älteste für ihn herabsteigen?"

hAj "herabsteigen" (Hannig, S. 485), denn hier fehlt das b bei hA! smsw steht im Singular, während bei Ani deutlich die Pluralstriche angegeben sind. Zudem hat Cha noch ein n, so daß sich ein anderer Satz ergibt.

Zur Lesung A19 als smsw siehe meine Bemerkung im Thread Aus gegebenem Anlaß ...1. Zur Interpretation als Frage siehe mein früheres Posting in diesem Thread.


Spalte 7

jw=f grt HqA=f ns.t=k
"er hat ja deinen Thron in Besitz genommen" (wörtlich: "er beherrscht ja deinen Thron")

HqA ns.t "Throninhaber" (Hannig, S. 563) - hier ist aber HqA als Verb "herrschen, beherrschen, in Besitz nehmen" aufzufassen; das ergibt sich aus der Satzkonstruktion jw=f sDm=f (Näheres zum Satztyp bei Gardiner, § 463).

Bei Cha steht jdb.wj "die Beiden Ufer (Ägypten)" (Hannig, S. 117) statt ns.t=k


jw=f r jwa ns.t jm(.t) jw-nsrsr
"er wird den Thron erben, der auf der Flammeninsel ist"

jw=f r sDm pseudoverbale Konstruktion, um Zukünftiges auszudrücken (Gardiner, § 332 "The pseudo-verbal construction with r + infinitive").
jwa "erben, beerben" (Hannig, S. 33)
jmj "[Adjektiv, Nisbe zu Präposition m] darin (befindlich) sein" - hier ist das .t ergänzt, da es sich auf ein feminines Substantiv bezieht (ns.t); siehe auch bei Cha.
jw-nsrsr "Flammeninsel" (Hannig, S. 433)

Variante bei Cha:

jw=f r iwaw ns.t=j jm.t jw-nsrsr
"er wird zum Erben meines Throns, der auf der Flammeninsel ist"

jwaw "Erbe" (Hannig, S. 33), durch das Determinativ A1 als Substantiv kenntlich gemacht. Daher ist die Satzkonstruktion eine andere (Gardiner, § 122 "Use of the preposition r to indicate a future condition"):

Zitat:
Closely parallel to the m of predication is what may be termed the r of futurity.
Exx. jw=f r smr he shall be (lit. is towards) a Companion.


...

> Antwort auf Beitrag vom: 20.12.2009 um 22:11:31


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1258191987&pnum=112209184059&start=12#12


26) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 27.12.2009 um 08:36:52

...

Versteckten Text anzeigen...
Spalte 7

wD grt mAn=j sn.nw=f
"befiehl aber, daß ich seinen Gefährten sehe"

wD "befehlen" (Hannig, S. 229) - man beachte die Umstellung der Zeichen aus graphischen Gründen (Gardiner, § 56 "Graphic transposition"):

Zitat:
Thin vertical signs show a peculiar tendency to precede a bird which they ought properly to follow.

mAn ist eine Nebenform von mAA für das perfektische sDm=f (Gardiner, § 448 unter 2ae gem.); gelegentlich auch für das imperfektische sDm=f (§ 439 unter 2ae gem.: "... which exhibits an unusual change of A into n ..."). Weitere Erläuterung auch zum Infinitiv von mAA bei Allen, Middle-Egyptian, § 14.3.2c:

Zitat:
The infinitive of mAA sometimes also has a final n, usually before a pronomial suffix: mAn=f "to see him." This n appears for the same reason that other Egyptian words sometimes vary between spellings with A and n. It is nothing more than a variant spelling of whatever consonant is actually represented by A: thus, mA=f and mAn=f both probably represent the spoken form ...
 
sn.nw "der Zweite, Gefährte, Kollege" sn.nw=f "sein Gefährte" (Hannig, S. 714) - Das .t scheint mir zuviel zu sein. Ani lebte in der 19. Dyn., wo überflüssiges .t häufig anzutreffen ist (Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik, Wiesbaden, 1996, § 32 "t als 'Determinativ' oder Füllzeichen").

Bei Cha heißt es etwas abweichend:

s.wD grt mAn nTr sn.nw=f
"empfiehl aber, daß ein Gott seinen Gefährten sehe"

s.wD "überweisen, zuweisen, anvertrauen" (Hannig, S. 682) - scheint gar nicht zu passen; ein Blick in Wb. IV, 78 zeigt die bei Hannig fehlende Bedeutung im Totenbuch: "einem Gott 'empfehlen'"

Spalte 7-8

Hr=j r mAA Hr n nb tm
"mein Gesicht soll schauen das Gesicht des Allherrn"

nb tm "Herr das Alls" (Hannig, S. 932)
Wiederum pseudoverbale Konstruktion mit r + Infinitiv (siehe oben; Gardiner, § 332).

Spalte 8

jSst pw aHaw(=j) m anx xrwj=fj
"'was ist es, meine Lebenszeit?', so sagte (fragte) er"

jSst "was?" jSst pw "was ist es?" (Hannig, S. 106)
aHaw "Lebenszeit" (Hannig, S. 156) aHaw n anx "Lebenszeit, Lebensspanne" - siehe auch das von Hannig aufgeführte Beispiel aHaw=f m anx Hr tp tA "seine Lebenszeit auf Erden" - wörtlich wohl als "meine Dauer als Leben" aufzufassen. Gemäß Parallele im pCha habe ich das Suffix =j ergänzt.

Bei Cha heißt es am Schluß: xrwj=fj Wsjr "so sagte er, (nämlich) Osiris". So ist klar, wer diese Frage an wen stellt.

jw=k r HH.w n HH.w aHaw n HH.w
"du wirst sein Millionen von Millionen (Jahren), eine Lebenszeit von Millionen (Jahren)"

HH n HH.w "Million von Millionen" (Hannig, S. 557)

Daran schließt sich die Passage an, die wir im Thread Aus gegebenem Anlaß ...1 bereits bearbeitet haben.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 27.12.2009 um 08:26:28


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1258191987


27) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 20.01.2010 um 22:06:51

Hallo, Leute,

nun abschließend noch eine Zusammenfassung!

Tb 175 setzt sich aus drei Abschnitten zusammen:
  • Atum spricht mit Thot über Maßnahmen gegen die "Aufrührer" - inhaltlich ähnlich wie im "Buch über die Himmelskuh".
  • Osiris und Atum sprechen über das Jenseits und das Weltende - diesen Teil haben wir übersetzt.
  • Im dritten Teil geht es um den Sieg von Osiris über Seth.
Man kann sich schon fragen, inwieweit diese drei Abschnitte zusammengehören.

Das Jenseitsgespräch zwischen Osiris und Atum

Nach der Überlieferung des pAni. Nur die Varianten aus pCha sind angegeben, die unklare Textstellen bei Ani erhellen können.

Spalte 1
Worte zu sprechen durch den Osiris Ani:

Spalte 2
[OSIRIS] "O, Atum, was ist / soll das, (daß) ich durch die Wüste der Nekropole wandere? Sie hat kein Wasser, sie hat keine Luft [wörtlich: Nicht gibt es ihr Wasser, nicht gibt es ihre Luft], ..."

Spalte 2-3
[weiter OSIRIS] "... sie ist (ungeheuer) tief, (stock)finster und ohne Orientierung (?)" [Hornung: "ganz unendlich"]
[ATUM] "Du sollst in ihr leben im Frieden des Herzens!"
[OSIRIS] "Ausserdem ist es nicht (so), daß in ihr kein sexuelles Vergnügen gemacht wird!"

Spalte 4-5
[ATUM] "Ich habe (Ach-)Verklärtheit gegeben an Stelle von Wasser, Lust und sexueller Befriedigung (und) Frieden des Herzens an Stelle von Brot (und) Bier", so sprach er, (nämlich) Atum.

Spalte 5
[OSIRIS] "Dein Angesicht schauen?"
Variante pCha: "Wie schmerzhaft ist es für mich, mein Herr, dein Angesicht nicht zu schauen!"
[ATUM] "Ich dulde aber nicht, daß du Mangel leidest." (wörtlich: deinen Mangel)

Spalte 5-6
[OSIRIS] "Jeder Gott aber, er hat seinen Sitz an der Spitze der Millionen betreten (eingenommen)!"

Spalte 6
[ATUM] "Dein Sitz gehört deinem Sohn Horus", so sprach er, (nämlich) Atum.
[OSIRIS] "Wird er aber die Ältesten aussenden?"
Variante pCha: "Wird der Älteste für ihn herabsteigen?"

Spalte 7
[ATUM] "Er hat ja deinen Thron in Besitz genommen ..." (wörtlich: "er beherrscht ja deinen Thron")
"... (und) er wird den Thron erben, der auf der Flammeninsel ist."
Variante pCha: "... er wird zum Erben meines Throns, der auf der Flammeninsel ist."

[OSIRIS] "Befiehl aber, daß ich seinen Gefährten sehe!"
Variante pCha: "Empfiehl aber, daß ein Gott seinen Gefährten sehe!"

Spalte 7-8
[weiter OSIRIS] "Mein Gesicht soll schauen das Gesicht des Allherrn!"

Spalte 8
[weiter OSIRIS] "Was ist es, meine Lebenszeit?", so sagte (fragte) er.
Variante pCha: so sagte (fragte) er, (nämlich) Osiris.

[ATUM] "Du wirst sein Millionen von Millionen (Jahren), eine Lebenszeit von Millionen (Jahren)."

Spalte 8-9
[weiter ATUM] "Ich habe veranlaßt, daß er die Ältesten sandte."

Spalte 9
[weiter ATUM] "Ferner werde ich all das, was ich geschaffen habe, zerstören."

Spalte 9-10
[weiter ATUM] "Diese Erde wird (zurück)gehen in den Nun, in die Flut, wie ihr früherer Zustand war."

Spalte 10
[weiter ATUM] "Ich bin es, der übrigbleibt, zusammen mit Osiris, ..."
Variante pCha: "Ich bin einer, der übrigbleiben wird, zusammen mit Osiris, ..."

Spalte 10-11
[weiter ATUM] "... (nachdem) ich mich in andere Schlangen verwandelt habe; die Menschen werden sie nicht kennen ..."
Variante pCha: "welche die Menschen nicht kennen"
[weiter ATUM] "... (und) die Götter werden sie nicht sehen."


Dieser Text ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert:

  • Das Jenseits wird als düsterer Ort beschrieben; nichts ist mehr übrig von den paradiesischen Gefilden, von denen wir sonst so viel hören.
  • Die körperlichen Bedürfnisse - Hunger, Durst, sexuelles Verlangen - werden vergeistigt befriedigt ("sublimiert", möchte man mit Freud sagen) durch den Frieden des Herzens, der durch das Schauen der Gottheit erreicht wird. Dies steht völlig im Gegensatz zu den vieltausendfachen Wünschen nach dem Totenopfer - konkret: Brot, Bier usw. -, das dem Verstorbenen gewährt werden soll.
  • Schließlich wird ausgesprochen, daß das Jenseits zwar sehr lange währt, aber doch nicht ewig ist - trotz der oft wiederholten Formel "ewig und immerdar". Die Welt in ihrer Gesamtheit wird in den weitgehend unstrukturierten Urzustand zurückkehren.

Das sind doch schon ziemlich abstrakte, um nicht zu sagen: fast philosophische Betrachtungen!

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 27.12.2009 um 08:36:52


28) Re: Übersetzungsübung: Das Jenseitsgespräch (Tb 175)
 Michael Tilgner am 23.01.2010 um 13:17:20 - Anhang: Tb_175_Jenseitsgespraech.pdf

Liebe Leute,

um das Thema abzuschließen:

Das Jenseitsgespräch zwischen Atum und Osiris, das einen Teil des Tb 175 darstellt, geht nach dem Teil, das wir bearbeitet haben, noch weiter. Ich habe die Abbildungen aus pAni und pCha in eine pdf-Datei gepackt, um sie in höherer Auflösung zur Verfügung zu stellen, als es die üblichen jpg-Anhänge erlauben. Sie enthalten das komplette Jenseitsgespräch in der jeweiligen Fassung.

S. 1: Der Ausschnitt aus pAni = London, BM 10.470 stammt aus: Edmund Dondelinger, Papyrus Ani (BM 10.470), Graz, 1978, Tafel 29.

S. 2: Der Abschnitt aus pCha = Turin, Museo Egizio 8438 stammt aus: Ernesto Schiaparelli, Relazione sui lavori della Missione Archeologica Italiana in Egitto (anni 1903-1920), vol. 2: La tomba intatta dell'architetto Cha nella necropoli di Tebe, Torino, 1927 (Reprint 2007), S. 60.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 20.01.2010 um 22:06:51