Hallo, Maatkara, hallo, Lutz, dies ist ein "schöner Fall" für die Vorteile und Gefahren des Internets! Der zitierte Text stammt aus Staffs and sceptres1. Der Betreiber ist ein Liebhaber altägyptischer Literatur, der zahlreiche Texte zusammengetragen und auf seiner Webseite veröffentlicht hat, aber offensichtlich kein Fachmann ist. So gesehen, dennoch verdienstvoll. Liest man die Quellenangabe "Warner 2008, p.5311", denkt man: Aha, eine neue und aktuelle Übersetzung. Lutz hat in seinem Beitrag aber schon mitgeteilt, dass es sich um einen Nachdruck aus dem 19. Jahrhundert handelt; der betreffende Band wurde 1896 veröffentlicht. (Vielen Dank für den Hinweis auf das E-Book!) Also schon eine etwas "angestaubte" Übersetzung. Auf der Webseite steht ferner: "The Old Kingdom Inscription of Weni describes Min-Amen in all his splendour: ..." Wer sich nur ein bisschen mit altägyptischer Literatur auskennt, wundert sich, denn eine derartige Hymne aus dem Alten Reich wäre ungewöhnlich. Liest man aber in der vom Webseitenbetreiber verwendeten Quelle weiter, dann findet man kurz zuvor: Zitat:
The following collection of hymns to Amen Ra (...) dates from the period beginning in the XVIIIth dynasty (...) [and] (...) is contained in a papyrus now contained in the Museum of Gîzeh (...) |
|
Wie kommt es nun zur Zuweisung dieses Textes an Uni (Weni)? (Übrigens ist dessen Inschrift auf einem Steinblock.) Die Antwort liegt in Fußnote 221, die den Abschnitt "Hymns to Amen Ra" einleitet. Sie erläutert, dass Amun-Re praktisch der oberste Sonnengott ist. Zum Schluss fügen die Autoren dieses Abschnitts (F. Ll. Griffith und K. B. Griffith) an: Zitat:
Compare the seven-line stanza in the inscription of Una, above, p. 5298. |
|
Hieraus hat der Webseitenbetreiber irrtümlich abgeleitet, dass es sich um einen Abschnitt aus eben dieser Uni-Inschrift handelt. (Den Autoren ging es wohl vor allem um einen stilistischen Vergleich mit einer Inschrift aus dem Alten Reich, denn der Inhalt des 7-Zeilen-Gedichts bei Uni ist ein völlig anderer.) Für Hymnen dieser Art ist die erste Anlaufsstelle: Jan Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, Zürich / München, 1975 (2. erweiterte und verbesserte Auflage 1999). Dort findet man diesen Text als Nr. 87B2. Ich hänge den ganzen Text diesem Posting an (Assmann, 1975, S. 200-201, Anmerkungen S. 550). Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 29.07.2016 um 19:01:18
|