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1) Übersetzungsübung: Ein Relief mit Pharao und Gott
 Michael Tilgner am 30.11.2016 um 11:21:55 - Anhang: Relief_Pharao_mit_Gott.jpg

Hallo,

kürzlich sah ich dieses wunderbar gearbeitete Relief. Kann man feststellen, welcher Pharao gemeint ist? Und wie heißt der Gott? Was passiert da eigentlich?

Die Szene lässt sich gliedern in:
  • Inschrift unter der Flügelsonne
  • Gott links: Inschrift oben und hinter ihm sowie vor ihm
  • Pharao links: Inschrift hinter und vor ihm
  • Gott rechts: Inschrift oben und hinter ihm sowie vor ihm
  • Pharao rechts: Inschrift hinter und vor ihm

Bitte in dieser Reihenfolge bearbeiten!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

 


2) Re: Übersetzungsübung: Ein Relief mit Pharao und Gott
 Haiko Hoffmann am 01.12.2016 um 16:16:17

Hier nun mein Versuch:

Versteckten Text anzeigen...
Es handelt sich um Pharao Sesostris III, der dem Gott Month gegenübersteht. Der Pharao reicht der Gottheit Month Weißbrot bzw. Kuchen als Opfer dar. Dieses steht vielleicht  im Zusammenhang mit dem Bau des Month-Tempels in Naǧʿ al-Madāmūd (dem alten MAd.w), dessen Grunsteinlegung unter Sesostris III. geschah. Month war der Hauptgott von Theben zu dieser Zeit.

1. Unter der Flügelsonne (2x, gespiegelt)

BHd.t nTr-nfr nb tA.wj xaj-kA.w-ra dj anx

Behdets* Guter Gott, Herr der Beiden Länder, Chai-Ka-Re**, beschenkt mit Leben

* wahrsch. mit Behdet heutiges Edfu gemeint
** ein Thronname des Senwosret III. (Senusret III., Sesostris III.)

2. über der Gottheit (links)

Dd mdw dj.n(=j) n=k
Dd mdw anx wAs nb
MnT.w … (nb WAs.t …)


Worte zu sprechen: Ich gebe dir hiermit*
(Worte zu sprechen: [ledigl. als Fortsetzung]) alles Leben, alles Glück,
Month … (Herr des Gaus von Theben …)

* vgl. Hannig 482, li. Sp. ganz unten, aus 2.: Dj.n=j n=k [Formel] ich gebe dir hiermit“

3. hinter der Gottheit (links)

… MnTw nb WAs.t dj anx=f nb Dd wAs nb snb nb mj ra Dt

Month, Herr des Gaus von Theben, möge ihm gegeben werden/sein alles Leben alle Beständigkeit, alles Glück (und) alle Gesundheit wie Ra, ewiglich.

4. vor der Gottheit (links)

Dd mdw dj.n(=j) n=k snb nb Aw.t-jb nb mj ra

Worte zu sprechen: Ich gebe dir hiermit alle Gesundheit (und) alle Fröhlichkeit wie Ra

5. hinter dem Pharao (links)

zA HA anx=f nb dj anx Dd wAs mj ra Dt
Schutz (und) alles Leben sei hinter ihm*, beschenkt mit Leben, Beständigkeit (und) Glück wie Ra, ewiglich.

(bei Hannig S. 655 findet manzA anx HA=f (Schutz und Leben hinter ihm)“, wobei hier anx und HA umgekehrt gesetzt sind.

6. vor dem Pharao (links)

sqr t-HD

Weißbrot darbringen

Hannig 771 unter 9.: weihen --› sqr t-HD Weißbrot weihen; vgl. Wb IV 307.9-10

7. über der Gottheit (rechts)

Dd mdw dj.n(=j) n=k
Dd mdw anx wAs nb
MnT.w (nb WAs.t …) …


Worte zu sprechen: Ich gebe dir hiermit
(Worte zu sprechen [als Forts.]) alles Leben und Glück
Month … (Herr des Gaus von Theben …)

8. hinter der Gottheit (rechts)

… (MnTw) nb WAs.t dj anx=f nb Dd wAs nb snb nb mj ra Dt

(Month,) Herr des Gaus von Theben, möge ihm gegeben werden/sein alles Leben, alle Beständigkeit, alles Glück, alle Gesundheit, wie Ra, ewiglich.

9. vor der Gottheit (rechts)

Dd mdw dj.n(=j) n=k anx wAs Dd.t nb mj ra

Worte zu sprechen: Ich gebe dir hiermit alles Leben, alles Glück, alle Beständigkeit wie Ra

10. hinter dem Pharao (rechts)

wnn=f xnt(.j) kA.w anx.w nb(.w) Dt
Du bist an der Spitze der Kas aller Lebenden, ewiglich

11. vor dem Pharao (rechts)

dj.t Sa(w).t

Darreichung/darreichen von Kuchen

Zu Sa(w).t : Bei Hannig S. 806 als Sa.t mit Hinweis auf Unsicherheit bei Abgrenzung zu Say.t-Kuchen bzw. Saw.t-Kuchen; vgl. Wb IV 418.2, verweist bei Sa.t auf „Brot“ im Unterschied zu Saj.t (Kuchen), was allerdings erst ab 20. Dyn. zutrifft; anderer Beleg unter Wb IV 421 Saw.t mit Hinweis auf Saj.t ab 18. Dyn., spez. 421.4 und die verschiedenen Determinative. Daher zur Zeit der 12. Dyn./MR m.E. Sa.t oder Saw.t möglich, weswegen ich als Kompromiss Sa(w).t gesetzt habe. Bestätigt sehe ich Saw.t auch bei Hannig Äg. Wb II (Mittleres Reich und 2. Zwischenzeit) S. 2428, 1. Spalte [32276], neben ähnlicher Form Sa.t [32265] auch bereits für Altes Reich Saw.t belegt: Hannig Äg. Wb I (Altes Reich und 1. Zwischenzeit) S. 1283, 2. Spalte [32276]

P.S.: Wenn man sich das alles genau anschaut, hat man den Eindruck, als wenn der König auf der linken Seite jung und auf der rechten Seite (vom Gesicht her) älter scheint. Dann kann man das Ganze ja schon als eine Art Zyklus betrachten, indem Jugend und Alter - auch eines Königs - Teil des Lebens sind. Oder anders: Die Kraft der Jugend und die Weisheit des Alters. ...

Noch etwas: Ist es nicht eigentlich so, dass die Gottheit(en) auf Darstellungen in der Mitte sind und Könige von außen hinzutreten? Hier ist das mal umgekehrt. Hat das was zu bedeuten?


> Antwort auf Beitrag vom: 30.11.2016 um 11:21:55


3) Re: Übersetzungsübung: Ein Relief mit Pharao und Gott
 Michael Tilgner am 06.12.2016 um 01:10:43

Hallo, Haiko,

Versteckten Text anzeigen...
Du hast das Teil richtig identifiziert. Es stammt aus Medamud und befindet sich nun im Louvre mit der Inventar-Nr. E 13983.

1, Unter der Flügelsonne

Genau genommen neben der Flügelsonne:

Bhd.tj "der von Edfu" (Wb I, 470.9) als Bezeichnung eines Flügels.

Zitat:
Beischriften benennen jeden der beiden Flügel (...) mit dem Ortsnamen bHd.t und setzen damit beide in direkte Beziehung zu den beiden Landeshälften und zu Horus, dem Herren von Behedet. Zum Horusaspekt tritt durch die Sonnenscheibe eine solare Komponente (...), und das Uräenpaar nimmt, auf den König bezogen, den Dualismus der Landeshälften wieder auf. (LÄ II, 277-279, Stichwort: "Flügelsonne")

Die Zeile darunter bezieht sich schon auf den König.

2.-3. Über und hinter der Gottheit (links)

Die Inschrift besteht aus zwei Teilen: (1) dem Namen des Gottes mit Beiworten; und (2) einer Aussage des Gottes

Zu (1)

MnTw nb WAs.t
"Month, Herr des thebanischen Gaues"

dj=f anx nb Dd wAs nb snb nb mj Ra D.t
"er möge geben alles Leben, alle Dauer, alles Glück (und) alle Gesundheit wie Re ewiglich"

Das Suffix =f ist aus graphischen Gründen etwas verschoben worden. Außerdem bezieht  sich das nb auf jedes Substantiv. Dieser Wunsch wird mal ausführlicher, mal knapper formuliert; wahrscheinlich spielt der verfügbare Platz dabei die Hauptrolle. Der Wunschsatz ergibt sich aus dem Kontext.

Diesem Wunsch wird mit Months Worten entsprochen:

dj.n(=j) n=k anx wAs nb
"ich gebe dir alles Leben (und) alles Glück"

!. Person Singular wird auf Tempelwänden und in Königsgräbern oft weggelassen und muss ergänzt werden.

4. Vor der Gottheit (links)

Auch diese Worte sind eine Erfüllung des geäußerten Wunsches. Zu Deiner Übersetzung gibt es nichts anzumerken.

5. Hinter dem Pharao

Dies ist die sog. "Schutzformel", die es in etlichen Varianten gibt. Auch wenn Zeichen umgestellt sind, muss es heißen:

sA anx nb HA=f
"Aller Schutz (und) alles Leben um ihn herum"

wie es bei Hannig richtig zitiert ist. Laut Wb III, 9.16 ist das nb wohl nur aus graphischen Gründen umgestellt. Die restliche Aussage hast Du schon übersetzt; bei mj Ra ist der Gottesname aus Ehrfurcht vorangestellt.

6. Vor dem Pharao

steht der Szenentitel; er beschreibt das, was auch dargestellt ist: Der Pharao hat ein Weißbrot in der Hand und reicht es dem Gott.

7.-8. Über und hinter der Gottheit (rechts)

Die Inschrift ist exakt die gleiche wie auf der linken Seite.

9. Vor der Gottheit (rechts)

Dd mdw dj.n(=j) n=k anx was nb Dd.t nb mj Ra
"Worte zu sprechen: Ich gebe dir alles Leben, alles Glück (und) alle Dauer wie Re"

Die ausführliche Liste dessen, was ein Gott geben kann, ist aufgeteilt: links "Gesundheit" und "Freude", rechts "Leben", "Glück" und "Dauer". Hier sieht man auch, dass die Schreibung Dd eine Abkürzung für das ausführlichere Dd.t ist (siehe Wb V, 630). Genau genommen, müsste man ein .t ergänzen, wenn es nicht geschrieben ist. Für ein D.t "ewiglich" am Schluss war kein Platz mehr da. Aber auch so wirkt die Formel!

10. Hinter dem Pharao (rechts)

wn=f xnt (xnt.j) kA.w anx.w nb(.w) D.t
"er möge sein an der Spitze der Kas aller Lebenden ewiglich"

wn=f betont weniger den Aspekt der Dauer als wnn=f (Gardiner, Egyptian Grammar, § 107).

xnt kA.w anx.w nb(.w)
"an der Spitze der Kas aller Lebenden" (Wb V, 90.8)

11. Vor dem Pharao (rechts)

dj.t Sa.t
"Brot / Kuchen darbringen"

Hier sieht man an dem .t, dass es sich um einen Infinitiv handelt, wie es bei Szenentiteln üblich ist.


Zum PS: Es wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass der Pharao in verschiedenen Lebensaltern dargestellt sei. Gerade von Sesostris III. haben wir auch Skulpturen, die ihn als gealterten Herrscher zeigen. Das scheint jedoch überinterpretiert zu sein. So schreibt ein kürzlich erschienener Katalog über das Mittlere Reich (Adela Oppenheim et al., Ancient Egypt Transformed, New York, 2015, S. 27):

Zitat:
Large temple and tomb walls were certainly carved by several artists, who probably worked simultaneously on different sections. For example, in certain symmetrical representations on door lintels in which the king presents offerings to or is approached by deities, varied faces represent the same ruler. While these are sometimes explained as depicting him at different ages, they are more apt to be the work of more than one sculptor. Even single figures could be the work of two artists.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 01.12.2016 um 16:16:17


4) Re: Übersetzungsübung: Ein Relief mit Pharao und Gott
 Haiko Hoffmann am 06.12.2016 um 14:45:53

Hallo Michael,
vielen Dank für die aufschlussreiche Hilfe und die Korrekturen. Wenn man diese liest, frage ich mich, ob ich einige Fehler nicht hätte vermeiden können. Aber sei es drum, zum Lernen ist dieses sehr gut.
Schade, dass Seschen bisher nichts hat hören lassen. Ich hoffe, ihr geht es gut.

> Antwort auf Beitrag vom: 06.12.2016 um 01:10:43