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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Alten Reich
 Michael Tilgner am 25.01.2017 um 11:41:54 - Anhang: Inschrift_aus_dem_AR.jpg

Hallo,

eine kurze, aber bemerkenswerte Inschrift aus dem Alten Reich. Sie dürfte mit mittelägyptischen Kenntnissen zu übersetzen sein. Auf grammatische Feinheiten können wir am Schluss eingehen.

Viel Spaß beim Tüfteln!

Viele Grüße,
Michael Tilgner


2) Re: Übersetzungsübung:Inschrift aus dem Alten Reich
 Haiko Hoffmann am 26.01.2017 um 14:22:44

Ich versuchs mal:

Versteckten Text anzeigen...
oben steht horizontal v.l.n.r:

Nfr MAa.t
Nefermaat* („Maat ist schön“; „Der mit vollkommener Gerechtigkeit”)

* Nefermaat (Wesir/Sohn des Pharao Snofru, 4. Dyn.), 16. Mastaba (M16) in Meidum

vertikaler Text (Ausrichtung v.l.n.r.):

swt jrj r nTr.w=f  m sS n(n) sjn=f
Er (ist es, der) schuf seine Götter* im Schreiben (schriftlich)**, was/das nicht** getilgt*** wird.

* zu jrj = machen, tun (Hanning 88), evtl. auch bzw. i.S.v. „Er schuf seine Götter …“ (bezieht sich wohl auf die Hieroglyphen, welche nicht zufällig als md.w-nTr bezeichnet werden)
** n(n) = nicht (Wb II 195, mit Hinweis auf spätere Schreibung/Lesung nn im MR, vgl. Hanning 416)
*** zu sjn=f: siehe sjn tilgen (Hanning 666 fortreiben, auslöschen); i.S.v. „was/das nicht getilgt werden kann”


> Antwort auf Beitrag vom: 25.01.2017 um 11:41:54


3) Re: Übersetzungsübung:Inschrift aus dem Alten Reich
 Michael Tilgner am 27.01.2017 um 14:30:33

Hallo, Haiko,

Versteckten Text anzeigen...
dass es einen König Nefermaat nicht gegeben hat, braucht man wohl nicht unbedingt zu erwähnen. Die von Dir angenommene Schreibung für "Königssohn" ist nicht belegt; siehe ab DZA 28.427.880 im TLA.


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 26.01.2017 um 14:22:44


4) Re: Übersetzungsübung:Inschrift aus dem Alten Reich
 Seschen am 27.01.2017 um 20:45:22

Hallo!

Es handelt sich um eine Darstellung des Grabinhabers aus Meidum, Mastaba M16.
Und zu ihm schreibt Semataui auf seiner Homepage1:
Zitat:
... gilt auch als Erfinder der Pastenreliefs. Die Reliefzeichnungen wurden in die Wand eingetieft und mit farbigen Zementpasten ausgefüllt. Leider erwies sich diese Technik nicht als sehr dauerhaft und wurde daher frühzeitig wieder aufgegeben.

Gruß, Seschen



> Antwort auf Beitrag vom: 25.01.2017 um 11:41:54


1: http://www.semataui.de/


5) Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Alten Reich
 Seschen am 29.01.2017 um 09:26:28

Hallo!

nTr.w = Götter ... allgemein ja, aber mit der Lesung bin ich bei dieser Inschrift nicht glücklich, zumal ich auf Fotos dieser Mastaba keine Götter-Darstellungen sehen konnte.

Eine Spur führte mich dann zu dieser Publikation:



Und in einer umfangreichen "Privat-Bibliothek" (nicht in meiner) wurden die Seiten gefunden! *

Der relevante Abschnitt:





Versteckten Text anzeigen...
Da es nicht mein "Senf" ist, ergänze ich (rot) die Übersetzung Ossings:

nfr-mAa.t
Nefermaat,  (Ranke PN1, 196.17)


Diese Lesung / Lösung gefällt mir richtig gut!

* Danke!

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 27.01.2017 um 20:45:22


6) Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Alten Reich
 Haiko Hoffmann am 29.01.2017 um 10:27:36

Klingt nicht schlecht.
In Wb II 397.13 wird zu rA nTr.w neben "Schlachtbank" (neee!) auch "Altar" angegeben (belegt Pyr.), so dass wohl auch "Er ist es, der seinen Altar errichtet hat mit nicht abreibbarer Schrift" Sinn machen würde, um bei dieser Formulierung ungefähr zu bleiben. ... Sofern es tatsächlich zutrifft und nicht doch wörtlich "Götter" da steht im Sinne von "Göttlichen Zeichen" . Im Ägyptischen war die Sprache oft genug sehr bildhaft und zuweilen sehr metaphorisch oder anderweitig mysteriös, was für heutige Zeiten mitunter nur schwer verständlich ist. ... Bin gespannt auf Michaels Erläuterungen.

> Antwort auf Beitrag vom: 29.01.2017 um 09:26:28


7) Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Alten Reich
 Michael Tilgner am 29.01.2017 um 16:15:33

Liebe Seschen, lieber Haiko,

diese Inschrift hat es offenbar in sich! Alles wunderbar lesbar - und doch hat sie so ihre grammatischen und inhaltlichen Tücken!

Zunächst zur Grammatik.

Versteckten Text anzeigen...
Es handelt sich um das sog. "participial statement" (Gardiner, Egyptian Grammar, § 373). Es besteht aus zwei Teilen:

(A) jn + Substantiv oder: unabhängiges Personalpronomen
(B) ein perfektisches oder imperfektisches aktives Partizip

swt "er" unabhängiges Personalpronomen 3. Person Singular maskulin (Wb IV, 76.12)

Nach Gardiner, § 64 handelt es sich um eine ältere Form dieses Personalpronomens; die übliche mittelägyptische Version lautet ntf. Aber diese ältere Variante wird auch noch im Mittelägyptischen verwendet; dann aber auch für die 3. Person Singular feminin.

Das perfektische aktive Partizip von jrj "machen" lautet    
   jr, ganz selten    
.


Der erste Satz lautet also:

swt jr nTr.w=f m sS
"er ist einer, der seine nTr.w in Schrift gemacht hat"

Zur Bedeutung von nTr.w kommen wir später.

Zunächst überprüfen wir, ob diese Übersetzung auch vom Standpunkt des Altägyptischen zu vertreten ist. Dazu ziehe ich die bisher einzige Grammatik dieser Sprachstufe heran, die von Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, 2 Bände, Roma, 1959/1964.

Natürlich wird swt als selbständiges Personalpronomen erwähnt (Edel, §§ 172-173). Zum Gebrauch heißt es (Edel, § 175): "als vorangestelltes Subjekt im nominalen Nominalsatz" mit folgendem Beispiel:


jnk Dd nfr.t "ich war einer, der Gutes redete" (Urk. I, 219.6)

Im Kapitel über den nominalen Nominalsatz gibt es einen Abschnitt: "Personalpronomen - Partizip / Personalpronomen vorangestellt" (Edel, § 945): "Diese Konstruktion ist außerordentlich häufig". Hier wird folgendes Beispiel angegeben:


sA sA.t=s swt jrj n=s nw
"ihr Enkel - er ist es, der ihr dieses gemacht hat" (Urk. I, 228.8)

Möglicherweise können wir den Namen Nfr-mAa.t dieser Inschrift auch so einbeziehen.

Ergebnis: Die mittelägyptische Konstruktion des "participial statement" war auch schon im Alten Reich gültig bzw. vorhanden.

Wir müssen jetzt noch einen Blick auf das Partizip werfen.

Zum perfektischen aktiven Partizip von jrj gibt Edel, § 628 Beispiele für Schreibungen ohne und mit r an. Beim imperfektischen aktiven Partizip wird der zweite Radikal verdoppelt: jrr-. Zumeist wird das in der Schreibung mit nur einem r angegeben, manchmal werden zwei r geschrieben, es gibt auch Fälle ohne r (Edel, § 630).

So lässt sich nicht eindeutig entscheiden, welche Form in unserem Satz vorliegt, abgesehen davon, dass die Schreibung mit r für ein perfektisches aktives Partizip selten ist. Die Entscheidung muss also nach dem Inhalt erfolgen.

Nun zum zweiten Teil der Inschrift:

n sjn(.w)=f
"nicht wird sie ausgelöscht / fortgerieben werden"

sjn Schrift, Malerei, Namen "fortreiben, auslöschen" (Wb III, 426.2) [=f bezieht sich auf sS "die Schrift"]

Es handelt sich um die mittelägyptische Negation nn sDm=f (Gardiner, § 457). Diese Konstruktion bezieht sich ausschließlich auf Zukünftiges. Das würden wir nach dem Sinn der Aussage auch erwarten. Aber hier steht ein n sDm=f. Zur Anwendung dieser Konstruktion auf Zukünftiges  bemerkt Gardiner, § 455:

Zitat:
In this case the normal Negation is nn sDm=f, and the very exceptional examples where n sDm=f refers to future events or aspirations are difficult to explain."

Werfen wir daher noch einmal einen Blick in Edel, Altägyptische Grammatik.

In Edel, § 1079 heißt es für die Negation n des sDm=f, bezogen auf das Futur:

Zitat:
In allen diesen [zuvor zitierten] Fällen würde das Mä. [Mittelägyptische] nn schreiben (...)

Wir müssen noch das Passiv erklären. Das passive sDm=f wird auch als sDm.w=f bezeichnet, aber im Mittelägyptischen wird das .w vor Suffixpronomen nicht geschrieben (Gardiner, § 420). Im Altägyptischen "kann [es] natürlich graphisch auch ganz fehlen" (Edel; § 554). Auch diese Passivbildung wird nur durch n negiert (Edel, § 569).

Wir können diesen zweiten Teil auch als "virtuellen Relativsatz" auffassen (dazu Gardiner, § 195; Edel, § 1049):

"er ist einer, der seine nTr.w in Schrift gemacht hat, die nicht fortgerieben / ausgelöscht werden wird"


Im nächsten Posting werden wir uns damit befassen, was denn mit nTr.w gemeint ist.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 29.01.2017 um 10:27:36


8) Re: Übersetzungsübung: Inschrift aus dem Alten Reich
 Michael Tilgner am 29.01.2017 um 22:04:38

Liebe Seschen, lieber Haiko,

die Inschrift in Nefermaats Grab hat die Ägyptologen immer wieder mal beschäftigt.

Was bedeutet nTr.w in diesem Zusammenhang?

Wilhelm Spiegelberg hat seine Betrachtung mit dem Titel "nTr.w 'Götter' = 'Bilder'" versehen (in: ZÄS, Bd. 65, S.
119-121 (1930)). Darin führt er aus:

Zitat:
Für sie [die Primitiven] wie für die Ägypter ist jedes Bild eine Wirklichkeit, die auf geheimnisvolle magische Weise volles Leben gewinnt und völlig identisch mit den lebenden Wesen ist, das es darstellen soll. Solche zauberhafte Wesen sind auch die Hieroglyphen. Denn die an ihnen vorgenommenen Änderungen und gelegentlichen Weglassungen in religiösen, für Gräber bestimmten Texten beweisen, wie Lacau dargelegt hat, daß diese Schriftzeichen noch durchaus als Bilder empfunden wurden, also ihnen gleichzusetzen sind. Beides sind Wesen, geheimnisvoll zauberhaft in ihren Abbildern lebend, wie die Götter, die ja auch in ihren plastischen oder gezeichneten Figuren wahrhaftig leben. So versteht man, daß der Ägypter die Darstellungen in den Grabkammern, mögen sie nun als Bilder oder Schriftzeichen (Hieroglyphen) erscheinen, als "Götter" bezeichnen konnte.

Mit diesen - teilweise poetischen - Worten war nTr.w als Wort für "Hieroglyphen" etabliert. So findet man im "Lexikon der Ägyptologie" mehrere Anspielungen darauf:

Henry G. Fischer, Stichwort "Hieroglyphen" (LÄ II, 1195):

Zitat:
The Greek term ἱερογλυικά is very close  in spirit to the ancient Egyptian term mdw-nTr "words of the gods" or "divine words," and the divine nature of writing is reflected even more clearly by an early Fourth Dynasty inscription in which the tomb owner speaks of his inscriptions as his "divinities" (nTr.w).

Jan Assmann, Stichwort "Gott" (LÄ II, 756):

Zitat:
Sowohl die "Sinnklasse des Göttlichen", als auch die (extensionale) Bedeutung des Wortes nTr erstreckt sich nicht nur auf das Göttliche, das in Symbolen zur Erscheinung kommt, sondern auch auf die Symbole, die Göttliches zur Erscheinung bringen. (9)
Fußnote (9): Vgl. die Bezeichnung von Schriftzeichen als nTr.w

Das Grab M16 des Nefermaat und seiner Frau Atet in Meidum (4. Dyn.) zeichnet sich durch eine Neuerung aus: Es enthielt versenkte Reliefs, die mit verschiedenartigen Farben gefüllt wurden.

Dietrich Wildung, Stichwort: "Pastenfüllung" (LÄ IV, 913):

Zitat:
Die Technik der P. [Pastenfüllung] tritt erstmals im Grab des Nefermaat und der Atet in Meidum auf (...) eine Inschrift nennt die P. "Bilder (nTr.w)", die "gemacht sind in einer Schrift, die nicht ausgelöscht (zjn) werden kann". Entgegen dieser Äußerung hat sich die Technik der P. nicht bewährt.

Rosemarie Drenkhahn, Stichwort: "Neuerungen, technologische" (LÄ IV, 466):

Zitat:
So betont am Ende der 3. Dyn. Prinz Nefermaat von Meidumn, daß "er es war, der seine Götter (= die Schriftzeichen) in einer Schrift (= Malerei) machte, die nicht verwischt werden kann", d.h. in Pasteneinlage.

Diese Liste ließe sich noch durch Zitate anderer Ägyptologen verlängern. Es ist daher verständlich, wenn man in Hannig, Ägyptisch-Deutsch (Marburger Edition) unter nTr.w die Übersetzung "[fig] Hieroglyphen" findet. Sein dazugehöriger Belegstellenband für das Alte Reich und die 1. Zwischenzeit gibt diese Inschrift als einzigen Beleg an.

In dieser an sich unbefriedigenden Situation ist Jürgen Osing bei der Bearbeitung des Pyramidenspruchs 534 auf das Wort


rA-nTr.w "Mund/Tür der Götter"

gestoßen (Jürgen Osing, Zu Spruch 534 der Pyramidentexte, in: Catherine Berger, Gisèle Clerc, Nicolas Grimal (Hrsg.), Hommages à Jean Leclant, Bd. 4, 1994, S. 279-284). In einer Version wird dieses rA auch ohne Ideogrammstrich geschrieben; in einer anderen Version mit dem Zeichen für ein Gebäude determiniert, so dass sich eine Deutung dieses Begriffes als eine Art Grabbau o.ä. anbietet. Angewendet auf unsere Inschrift löst sich damit das scheinbar überzählige r bei jr auf, wenn man liest:

swt jr rA-nTr.w=f m sS
"er ist es, der sein Grab(mal) gemacht hat in einer Schrift"

Nun könnte man denken, dass damit das Problem mit dem nTr.w nun endlich gelöst sei. Weit gefehlt!

So findet man im Katalog des Oriental Institutes von Chicago, in dem sich die Wanddekoration aus dem Grab des Nefermaat jetzt befindet, als Übersetzung angegeben (Emily Teeter, Ancient Egypt. Treasures from the Collection of the Oriental Institue University of Chicago, Chicago, 2003, S. 14):

Zitat:
Nefermaat. He is one who made his images (literally: gods) in writing that cannot be erased.

Und in Peter Jánosi, Die Gräberwelt der Pyramidenzeit, Mainz, 2006, S. 41 liest man:

Zitat:
der königliche Baumeister Nefermaat (...), der laut seiner eigenen Ausgabe darüber auch eine neue Methode erfand, Reliefs in Farbe herzustellen, die nicht verwittern konnten. In einer Inschrift in der Kultkapelle seiner Frau Atet betont er ausdrücklich: "Er (Nefermaat) ist es, der seine Götterbilder [= Darstellungen] in einer Art herstellt, die nicht vergehen kann."

Auch hier ließen sich weitere ähnliche Zitate anfügen. Hat denn keiner etwas von Osings Ausführungen mitbekommen? Doch, zumindest Hartwig Altenmüller, der in seiner Einführung in die Hieroglyphenschrift, Hamburg, 2005, S. 32 diese Inschrift mit der Übersetzung zitiert:

Zitat:
Er (d.h. der Grabbesitzer Nefermaat) ist es, welcher seinen Grabbau mit einer Schrift (/ Malerei) versehen hat, die nicht auszulöschen ist.

Dadurch, dass er die Präposition m in m sS instrumental [= "durch, mit, mittelst"] auffasst, kommt er m.E. zu einer noch besseren Übersetzung dieser Inschrift.

Wie schrieb Wilhelm Spiegelberg in seinem eingangs zitierten Artikel von 1930:

Zitat:
In der Geschichte der Wissenschaft ist es nicht selten, daß in einem Wort, das wir im Interesse unserer Seelenruhe als unrichtig im weitesten Sinne (...) betrachten möchten, eine besonders wichtige Bedeutung steckt. Ein solcher Fall liegt m.E. in einer Stelle des Grabes des Nfr-mAa.t in Medum (3.-4. Dyn.) vor.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 29.01.2017 um 16:15:33